Tage der Vergeltung von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Chapter I -------------------- Skinners Appartment Washington D.C. 00: 23 h 23. Mai Unsanft wurde der Assistant Director des FBI aus seinem Schlaf gerissen, als sein Telefon wie wild zu klingeln begann – mittlerweile zum dritten Mal in dieser Nacht. Leise murrend drehte er sich von dem störenden Geräusch weg, versuchte es zu überhören. Doch vergebens. Wütend fuhr er herum und riss den Hörer von der Gabel, um dem nächtlichen Spuk endlich ein Ende zu setzen und setzte bereits zu einer zornigen Schimpftirade an, als ihn die Männerstimme am anderen Ende der Leitung zum Verstummen brachte. „Bitte, Sir, legen Sie nicht auf! Bitte! Sie müssen mich anhören!“ Eine kurze Pause folgte, in der die Verbindung gestört zu sein schien und Skinner blickte verwirrt auf den Hörer in seiner Hand. Dann erklang die Stimme erneut. „Ich...wir brauchen ihre Hilfe. Dringend, verstehen Sie?“ Skinner runzelte verärgert die Stirn. „Wie bitte? Sie rufen mich in einer Herrgottsfrühe an, um mir weismachen zu wollen, dass Sie meine Hilfe brauchen? Wissen Sie überhaupt wie spät es ist? Wer spricht dort überhaupt?“ Noch immer versuchte er seine verschlafenen Gedanken zu ordnen und heraus zu finden, ob er nicht doch einem üblem Jungenstreich aufsaß. „Mein Name ist Salvatore. Salvatore Atki. Es tut mir wirklich ausgesprochen leid, Sir, aber unsere Zeit läuft ab und ich weiß, dass Sie jemand sind, der uns Hilfe schicken kann. Womöglich der Einzigste.“ Die Stimme unterbrach sich und Skinner konnte deutlich hören, wie sein Gesprächspartner keuchend nach Luft rang. „Es wird immer schlimmer. Von Nacht zu Nacht. Wir...wir sind eine der Independent Groups. Sie müssen uns helfen, oder es bringt uns alle um!“ „Wer?“ Der Assistant Director verstand noch immer nicht. „Von wo aus rufen Sie überhaupt an?“ „Unsere Gruppe befindet sich in der Sierra Madre, nahe der Stadt Chihuahua. Ich flehe Sie an, Sir, helfen Sie uns – es geht um Leben und Tod! Schicken Sie jemanden...irgendwen. Ich werde versuchen am Bahnhof von Chihuahua auf ihre Leute zu warten, aber...“ Skinner unterbrach ihn herrisch: „Entschuldigen Sie bitte. Aber bevor Sie mir nicht konkrete Angaben machen, was genau Sie bedroht läuft hier gar nichts. Sie können nicht einfach...“ „Sir, es ist wichtig. Lebenswichtig!“ Der Mann schrie beinah. „Bitte... Ich kann Ihnen nicht erklären was hier vor sich geht, das würde...“ Die Verbindung brach ab, dieses Mal endgültig, und in der Leitung war lediglich ein leises, knisterndes Rauschen zu hören. Skinner huschte ein Schauer über den Rücken. Was um alles in der Welt geschah dort? Er konnte körperlich fühlen, dass der Mann ihn nicht belogen hatte, dass seine Gruppe in Lebensgefahr schwebte. Woher er das wusste war ihm zwar schleierhaft, aber wusste mit Gewissheit, dass er etwas unternehmen musste, um ein Unglück zu verhindern. Welches es auch immer sein mochte... Kapitel 2: Chapter II --------------------- FBI-Zentrale Washington D.C. 07:48 h 23. Mai Gemeinsam mit seiner Partnerin Dana Scully betrat Special Agent Fox Mulder am frühen Morgen des nächsten Tages das Büro seines Vorgesetzten. Er hatte sie beide früh angerufen und sie unverzüglich zu sich beordert. Mulder wusste, dass das nur eins zu bedeuten hatte: Ärger. Skinner stand mir verschränkten Armen vor seinem tristen Zimmerfenster und schaute hinaus. Den beiden Agenten hatte er den Rücken zugekehrt und drehte sich auch nicht um, als Scully sich taktvoll räusperte. Mit hochgezogener Augenbraue wechselte sie einen Blick mit Mulder, denn es war ein äußerst ungewöhnliches Verhalten, das er ihnen hier zur Show stellte. „Letzte Nacht erhielt ich einen äußerst seltsamen Telefonanruf. Er hat mich für den Rest der Nacht nicht mehr schlafen lassen.“ Noch immer blieb er am Fenster stehen. Doch er wandte den Kopf zu ihnen, allerdings ohne sie dabei anzusehen. „Ein Mann namens Salvatore Atki rief an und bat um meine Hilfe. Er konnte mir nicht sagen was genau ihn bedroht ... aber ich habe ihm jedes Wort geglaubt.“ Seufzend drehte der Assistant Director sich um und begegnete den fragenden Blicken der beiden Wartenden. Es war deutlich, dass es ihm unangenehm war, solche Zugeständnisse zu machen. „Es handelt sich dabei wohl um eine der so genannten Independent Groups, die sich momentan in Mexico in der Sierra Madre aufhalten. Wie der Mann mir erzählte, versucht irgendwer diese Gruppe umzubringen. Wer es allerdings sein soll, konnte er nicht sagen. - Es könnte sich also genauso gut um Streitigkeiten innerhalb der Gruppe handeln.“ Skinner hielt kurz inne und ließ seinen Blick zwischen Scully und Mulder hin und her schweifen, so als suche er nach einem Hinweis, dass sie ihn für schizophren halten würden. „Allerdings was mich am meisten beunruhigt, ist die Tatsache, dass diese Gruppe in der Sierra Madre sesshaft ist. Ich nehme an, dass ich Ihnen nicht erzählen muss, woher diese Beunruhigung stammt.“ Beinah hilflos hob er die Schultern. „Sie wissen, dass ich immer mit beiden Beiden fest auf dem Boden der Realität stehe, aber diesmal... Ich möchte Sie bitten, sich die Sache einmal anzusehen. Irgendetwas stimmt dort nicht, ich könnte es schwören.“ Scully kannte die Antwort bereits, bevor Mulder sie aussprechen musste. Ihr war klar, dass er bereits Feuer gefangen hatte und nichts ihn mehr daran hindern würde nach Mexico zu reisen, um diesem Spuk auf den Zahn zu fühlen. Sierra Madre war einer der unzähligen Innbegriffe für okkulte Vorgänge. Es gab massenhaft mythische Erzählungen und ungeklärte Unfälle, die als X-Akten im Kellerbüro Mulders ihr Dasein fristeten. „Einverstanden. Wir werden mit der nächsten Maschine nach Mexico fliegen und uns dort einmal umschauen. So wie Sie den Anruf schildern, fällt es ohnehin in unser Fachgebiet.“ Sie warf einen verstohlenen Blick zu Mulder, den diese Bemerkung schmunzeln ließ. „Allerdings ist es mir ein Rätsel, wie wir diese Gruppe finden sollen. Nach meinem Kenntnisstand leben sie weitab jeglicher Zivilisation, um ein möglichst unabhängiges Leben von der heutigen Gesellschaft führen zu können. Kein Strom, keine Technik, keine Telefone oder sonstige Geräte. Sie legen Wert darauf weitestgehend unauffindbar zu leben und so weit ich weiß, ist bis heute nicht bekannt wie viele Einzelgruppen es überhaupt gibt, geschweige denn wo sich diese genau befinden.“ Skinner nickte und reichte ihnen ein Blatt über den Tisch zu. „Das ist richtig, Agent Scully. Dieser Flug geht noch heute Abend und wird Sie direkt nach Juàrez bringen. Von dort aus können Sie den Zug nach Chihuahua nehmen. Atki versprach am dortigen Bahnhof auf Sie zu warten. Ich hoffe das er das auch tut, auch wenn er nicht wissen kann, wann Sie dort eintreffen. Sollte er nicht dort sein...“ „Werden wir entsprechende Ermittlungen einleiten, um die Gruppe ohne ihn ausfindig zu machen.“ vollendete Mulder den Satz und nahm den Zettel an sich. Seine braunen Augen leuchteten begeistert. Skinner war sichtlich erleichtert. „Aber seien Sie vorsichtig! Sie wissen, dass es gefährlich werden kann.“ Scully grinste schief und erhob sich: „Wir werden uns melden, sobald wir Chihuahua erreicht haben. Hoffen wir, dass wir nicht auf einen dummen Streich hereinfallen.“ Insgeheim erwartete sie nichts anderes als das. Das Mulder solch merkwürdige Ereignisse heraufbeschwor, war für sie mittlerweile nicht mehr verwunderlich. Aber dass nun sogar ihr Vorgesetzter mit einer solchen Bitte an sie herantrat, konnte sie nicht so recht verdauen. Sie lächelte dünn. Sollten sie doch spielen gehen. Kapitel 3: Chapter III ---------------------- Mexical Airlines Luftraum über Mexico 20:03 h 23. Mai Bislang war der Flug ereignislos verlaufen und in der Maschine herrschte friedliche Stille. Viele Passagiere schliefen, einige wenige verfolgten den Film auf den bordeigenen Fernsehern oder lasen. Scully hatte den Kopf zurückgelehnt und döste, während Mulder ihre Fluglinie auf seinem Laptop verfolgte. Auf seinem Schoß stapelte sich eine kleine Ansammlung an Zeitschriften, die allesamt über die Sierra Madre und die dortigen okkulten Geschehnisse berichteten. Er hatte sich so gut es eben ging auf das Bevorstehende vorbereitet und machte sich auf einige anstrengende Tage gefasst. Die Sierra Madre war zum größten Teil von einem vegetationsreichen Regenwald überzogen. Das bedeutete, dass das tropische bis subtropische Klima mehrmals täglich wolkenbruchartige Regenfälle verursachen mochte. Mulder hoffte inständig, dass es nicht ganz so schlimm kommen würde. Immerhin hatte die Regenzeit noch nicht begonnen. Urplötzlich stürzte die Maschine in ein Luftloch und wurde einem Tischtennisball gleich umher gestoßen. Scully schreckte aus ihrem Dämmerzustand auf und warf einen unsicheren Blick aus dem düsteren Bullauge. „Kommen wir in ein Unwetter?“ Mulder warf ebenfalls einen Blick nach draußen in die sternklare Nacht. Nichts wies auf ein nahendes Gewitter oder einen Sturm hin, und so schüttelte er nur den Kopf. Nachdenklich krauste er die Stirn und blickte auf seinen Laptop, der noch immer die Fluglinie samt ihrer derzeitigen Position anzeigte. Das Flugzeug wankte noch immer von einer Turbulenz in die nächste, was die Motoren protestierend aufheulen ließ. Es stürzte erneut einige Meter in ein Luftloch. Die Beleuchtung flackerte hecktisch und der Motor begann zu spucken. Gleich darauf erscholl die Stimme des Piloten und forderte die Fluggäste auf, ihre Sitze in aufrechte Positionen zu bringen und die Sicherheitsgurte anzulegen. Mir einem gequälten Gesichtsausdruck folgte Scully dieser Aufforderung. Sie mied den Blick nach draußen, wo die Sterne einen wilden Tanz vor ihrem Fenster vollführten und starrte statt dessen auf ihre Finger, die sich zitternd um die Armlehnen krallten. Mulder neben ihr schnallte sich ebenfalls fest, konnte den Blick aber keinen Moment von seinem Laptop reißen, der gefährlich auf seinen Knien umher rutschte. „Das ist merkwürdig, wirklich. Bis zur Grenze Mexico war alles still. Aber jetzt...“ Er sah zu Scully hinüber, die seinen Blick mit leicht aufgerissenen Augen erwiderte. „Ehrlich gesagt ist es mir egal woher diese Turbulenzen stammen. Viel wichtiger ist es mir, heile in Juàrez anzukommen.“ Ihr Partner grinste. „Scully, stellen Sie sich einfach vor sie säßen in einer überdimensionalen Achterbahn. Die kommen immer unversehrt wieder an.“ Zerknirscht wandte sie ihren Blick ab. Was hatte sie schon anderes erwartet? Mulderes schwarzer Humor war berühmt wie berüchtigt und zumeist war sie es, die diesen zu spüren bekam, ohne ihn jedoch nachvollziehen zu können. Etwas traf das Flugzeug längsseits und ließ es von seinem derzeitige Kurs schlingernd abweichen. Unmittelbar darauf folgte ein markerschütterndes Quietschen von der Backbordwand. Mulder spähte aus dem Fenster, in der Hoffnung die Ursache für dieses Ereignis zu entdecken. Vergeblich. Alles was er sah, war das riesige, nächtliche Firmament. Er wollte sich bereits wieder an Scully wenden, als er aus dem Augenwinkel einen Lichtreflex bemerkte, der sich außerhalb nahe ihres Flugzeuges befand. Es hatte nicht länger als einige wenige Zehntelsekunden angedauert, aber Mulder war davon überzeugt, dass dort etwas gewesen war. Nach genauerem Hinsehen war allerdings nichts mehr zu erkennen. Jetzt doch etwas verunsichert sah er auf seine Armbanduhr und stellte erleichtert fest, dass sie in weniger als einer Viertelstunde in Juàrez landen würden, um das Flugzeug gegen einen Zug zu tauschen. Doch der Landeanflug entpuppte sich als ein reiner Horrortrip. Die Maschine schien dem Boden entgegen zu fallen und dabei immer mehr an Stabilität zu verlieren. Selbst Mulder war blass geworden und riskierte kaum mehr einen Blick nach draußen. Die Motoren heulten auf und der Schub wurde mit einem Mal so stark zurück genommen, dass ein Ruck durch das gesamte Flugzeug lief und sie mit ohrenbetäubendem Lärm, wie ein Gummiball hüpfend auf der Landebahn aufkam. Wenig später verließen Scully und Mulder die Maschine mit weichen Knien und traten in die windstille, drückend warme Nacht von Mexico. „Mulder, sehen Sie sich das an!“ Scully hielt ihren Partner am Arm zurück und deutete auf den Flieger. „Ich bin mir sicher, dass das in Washington noch nicht war.“ Er sah zum Flugzeug hinüber, das im Licht einiger Flutscheinwerfer stand, und hob erstaunt die Brauen. Die gesamte linke Bordwand wies lange, rostige Schrammen auf, die Tragfläche hing verbogen zu Boden und rund um das Cockpit herrschte ein kleines Sammelsurium an tiefen Beulen. „Also wenigstens werden wir mit einer anderen Maschine zurückfliegen müssen.“ murmelte er leise und schüttelte den Kopf. Wenig später befanden sie sich in einem Taxi auf dem Weg zum Bahnhof. Sowohl Scully als auch Mulder hingen ihren eigenen Gedanken nach, bis Scully das Schweigen brach. „Was hat das Flugzeug nur so zurichten können? Es machte den Anschein, als wäre es seit Jahren nicht mehr für die Luftfahrt zulässig gewesen.“ Sie sah ihren Partner forschend an. Der lehnte sich seufzend in den zerschlissenen Sitz zurück und hob ratlos die Schultern. „Noch kann ich es mir nicht erklären. Aber ich denke, dass wir den Grund dafür schon alsbald herausfinden werden.“ Sie brummte missmutig und blickte durch das vollkommen verdreckte Seitenfenster, hinter dem grelle Leuchtreklamen, Schaufenster und Wolkenkratzer das Bild der Stadt prägten. Obwohl es bereits spät am Abend war, waren die Straßen noch übervoll mit Autos, Bussen, Fahrrädern und jeder Menge Fußgängern. „Sie glauben also, dass dieser ... Zwischenfall etwas mit unserem Fall hier zu tun hat?“ „Möglich wäre es. Bis wir die Grenze Mexicos erreichten, war alles friedlich. Doch unmittelbar nach Überfliegen der Grenze mussten wir darum kämpfen nicht abzustürzen. Sie haben das Flugzeug gesehen, Scully.“ Er blickte sie von der Seite herausfordernd an, aber sie dachte nicht einmal daran, ihren Blick von der vorbei huschenden Umgebung abzuwenden. „Wir wurden angegriffen.“ „Mulder!“ Sie schloss kurz die Augen und schüttelte entgeistert den Kopf. Dann sah sie doch zu ihm herüber, einen unverhohlenen Vorwurf in den Augen. „Wir haben uns in der Luft befunden. Dort draußen ist nichts gewesen und selbst wenn ... Es gibt kein ... Ding, das ein derart großes Objekt angreifen kann, außer ein anderes Flugzeug. Und die verursachen mit Sicherheit nicht solche Schäden.“ „Eben.“ Ihr Partner grinste triumphierend. „Es gibt kein Wesen oder Flugobjekt, dass so etwas hätte anrichten können. Aber die Schäden sind da, wir haben sie beide deutlich erkennen können. Sie haben Recht, dass ich nicht mit Sicherheit behaupten kann, dass das Vorgefallene uns galt oder unseren Fall betrifft. Aber Sie müssen zugeben, dass es verwunderlich ist.“ Scully seufzte ergeben. „Ich mag gar nicht darüber nachdenken.“ Mit der Zeit verringerte sich der Verkehr und die Umgebung veränderte sich. Die Straßen wurden weniger beleuchtet, auf den Gehwegen war niemand mehr zu sehen und selbst hinter den wenigen Fenstern rührte sich nichts. Wolkenkratzer wichen kleinen, ärmlichen Baracken. Sie hatte die Außenbezirke Juàrez erreicht. Am Bahnhof angekommen zahlte Mulder den misstrauisch dreinblickenden Fahrer und verließ zusammen mit Scully das Taxi. Ein kühler Wind blies auf dem leeren Bahnsteig und sie mussten enttäuscht feststellen, dass ihr Zug noch nicht eingetroffen war. Müde sahen sie sich um, aber außer ihnen befand sich niemand sonst hier. Dennoch fühlten sie sich beobachtet und auf ein undefinierbare Art und Weise belauert. Beinah flohen sie in einen der Waggons, als der Zug endlich auf dem Steig zum Halten kam. Der Zug war fast vollkommen leer und so hielt Mulder die Tür zu einem der vielen kleinen Abteile auf und wies Scully mit einem kurzen Kopfnicken an einzutreten. „Kommen Sie, Scully. Versuchen wir ein wenig Schlaf zu finden. Die Chancen werden hier mit Sicherheit besser stehen als im Flugzeug.“ Sie schnitt eine Grimasse und ließ sich dann seufzend in die Sitze fallen. Mit Erleichterung registrierte sie das Anfahren des Zuges und beobachtete eine Weile schweigend die vorüberfliegende Landschaft. Doch als sie Juàrez endgültig verließen, verschwamm das, was hinter der Scheibe war, zu einer schwarzen Masse und sie ließ sich von dem sanften Schaukeln des Zuges in den ersehnten Schlaf wiegen. Kapitel 4: Chapter IV --------------------- Nightwatch Train Mexico State 23:11 h 23. Mai Mit einem Ruck schreckte Scully aus ihrem Schlaf. Etwas hatte sie geweckt, aber sie wusste nicht recht was es gewesen war. Verwirrt sah sie sich um. Mulder schlief ruhig ihr gegenüber, draußen herrschte noch immer tiefe Nacht und auch der Gang lag menschenleer da. Scully stockte. Menschenleer? Erneut schaute sie auf den nur spärlich erleuchteten Flur und war von einer Sekunde auf die nächste hellwach. Vor ihrem Abteil stand jemand – etwas. Verstört blinzelte sie, aber die seltsame Erscheinung blieb. Ruhig stand sie da und blickte die Agentin fortwährend aus Augen, die nicht wirklich zu existieren schienen, an. Sie war in einen langen, dunklen Mantel gehüllt und langes, schwarzes Haar umwehte den hageren Kopf in einem Windhauch, dessen Ursprung Scully nicht kannte. Ihr wurde kalt, eiskalt. Von innen heraus schien ihr Körper sämtliche Wärme zu verlieren und sie fröstelte unsicher. Gleichzeitig schien diese dunkle Gestalt eine Verbindung zu ihr zu schaffen. Sie bewegte die Lippen nicht, aber sie sprach zu ihr, auch wenn sie nicht verstehen konnte was sie sprach. Gequält verzog Scully das Gesicht und presste sich die Hände auf die Ohren. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Kopf zerplatzen, wenn sie noch weiter auf die Worte dieser Kreatur hörte. Die Gestalt hob eine Hand und deute zu Mulder hinüber, und obwohl Scully sich mit aller Macht wehrte dieser Geste zu folgen, musste sie ihren Kopf wenden und ihren Partner ansehen. Entsetzt stöhnte sie auf und schloss die Augen, versuchte vergeblich das Bild aus ihrem Geist zu verbannen, wie Mulder rücklings über den Sitzen lag, den Kopf von der Sitzfläche hängend und sein Blut leise tropfend von der Hand auf den grauen Fußboden fallend. Er starrte sie aus gebrochenen Augen an, seine Kehle war aufgerissen und sein Blut sickerte langsam aber stetig über seinen Körper in den Sitz. Panisch floh sie in die hinterste Ecke ihrer Sitzbank und schlug hektisch um sich, als die Gestalt nun auf sie zukam und die Arme in einer beinah einladenden Geste ausbreitete. Aber sie schlug ins Leere. Fassungslos starrte sie dem Wesen entgegen und schüttelte entsetzt den Kopf, als sie verstand weswegen es gekommen war. Schreiend warf sie sich ihm entgegen und der Mantel schlug über ihr zusammen, hüllte sie in tiefschwarzes Nichts. Mit einem heiseren Schrei fuhr Scully aus ihrem Sitz hoch und starrte mit weit aufgerissenen Augen um sich. Es dauerte eine Zeit, bis sie begriff, wo sie sich befand und dass sie geträumt hatte. Unsicher lauschte sie und warf einen kurzen Seitenblick zur Abteiltür. Doch es herrschte vollkommene Stille. Lediglich das gleichmäßige Rattern des Zuges durchbrach diese Stille. Schwer atmend sank sie zurück, schloss die Augen, nur um sie gleich darauf wieder aufzureißen. Nein, sie wollte nicht schon wieder einschlafen. Ihr Puls hämmerte durch ihre Venen und sie spürte kalten Schweiß, der ihr das Hemd an den Rücken klebte. Der Traum war beängstigend real gewesen... Gegenüber stöhnte Mulder gequält auf und Scullys Blick huschte besorgt zu ihm hinüber. Auf seiner Stirn glänzte Schweiß und er wälzte sich unruhig hin und her. Sie beschloss ihn zu wecken, doch noch bevor ihre Finger ihn berührten, öffnete er die Augen und starrte sie erschreckt an. Scully zog sich wieder ein Stück von ihm zurück und betrachtete ihn. Er zitterte leicht und war leichenblass. „Mulder, Sie haben geträumt. Es ist in Ordnung, alles ok.“ Verwirrt blinzelte er und fuhr sich dann mit allen zehn Fingern durchs Haar. „Es tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe, Scully.“ murmelte er leise. Verstohlen glitt sein Blick zur Tür. „Sie haben mich nicht geweckt. Ich bin kurz vor Ihnen aufgewacht.“ Sie zögerte. Ihr war der Blick nicht entgangen und wenn sie ihren Partner so ansah, überkam sie eine böse Ahnung. „Scully, können Sie sich noch an ihren Traum erinnern?“ fragte er nach einer Weile unvermittelt. Verwundert sah sie ihn an. Woher wusste er das? Dann verzog sie seufzend die Mundwinkel und rieb sich über die müden Augen. „Mehr als mir lieb ist. Einen solchen Traum habe ich mein ganzes Leben noch nie geträumt. Selbst als Kind nicht. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, als wäre ich wach und würde das alles tatsächlich erleben. - Und es war wirklich grauenvoll.“ Sie runzelte nachdenklich die Stirn. „Wieso fragen Sie?“ Er lächelte humorlos. Ihr Blick verriet ihm, dass auch sie mehr ahnte als sie zugeben mochte. „Weil auch mein Traum äußerst beunruhigend war und ich kaum zu sagen vermag, wo die Grenze zwischen Realität und Traum gelegen hat.“ Scully starrte ihn an und suchte in seinem Gesicht nach einem Hinweis, der ihr verriet, dass er wieder einmal einen seiner Scherze mit ihr trieb. Aber er erwiderte ihren Blick ernst. „Was hat das zu bedeuten?“ Sie schluckte trocken. Mit einem Mal schien sich wieder diese unheimliche Kälte in ihre Glieder zu setzen, gleichzeitig kam ihr das Abteil plötzlich viel zu eng und stickig vor. Mulder seufzte und ließ seinen Blick nach draußen schweifen. Regen trommelte gegen die Scheibe und lief in langen Schlieren an ihr herab. „Ich weiß es nicht. Vielleicht will dieses Wesen erreichen das wir umkehren, oder zumindest die Hände von dem Fall lassen. Oder aber er wird uns töten.“ Scully sagte nichts. Sie konnte nichts sagen. Rational gesehen war das alles vollkommene Humbug, einfach nicht möglich. Aber der Traum und das Geschehen im Flugzeug zuvor belehrten sie eines Besseren. Sie konnte Mulders Vermutung diesmal nicht einfach von sich weisen. Sie spürte Furcht in sich aufsteigen, aber sie verdrängte sie herrisch. „Und was ... tun wir jetzt?“ „Wir werden weiter machen. Genau so wie wir es geplant haben. Scheinbar ist tatsächlich mehr an der Sache dran als wir alle anfangs gedacht hatten und das können wir nicht einfach unberücksichtigt lassen. Es gibt hier Menschen die unsere Hilfe brauchen und auf sie zählen. Wir können nicht zurück, Scully.“ Schweigend hingen sie daraufhin ihren eigenen Gedanken nach, bis der Zug in den Bahnhof von Chihuahua einlief und sie den Waggon verließen. Es goss noch immer in Strömen und weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Die beiden Agenten waren binnen weniger Augenblicke bis auf die Haut durchnässt. Ein wenig ratlos schauten sie sich um und Mulder brummte unwillig. „Wenn ich es nicht besser wüsste würde ich behaupten, dass wir uns Jahrhunderte vor unserer Zeit befinden.“ Er ging auf ein schäbig ausschauendes Holzgebäude zu, an dem knarrend ein Kneipenschild im Wind schaukelte. Doch die Tür war verschlossen und die Fenster mit Läden verriegelt. „Sieht nicht so aus als würde unser Reiseleiter hier auf uns warten. Ich habe es schon fast befürchtet. Das macht die ganze Sachen nicht einfacher.“ Scully drehte sich einmal um die eigene Achse und ließ ihren Blick über den einsam im nichts verlaufenden Gleis wandern. Irgendwo weit am Horizont konnte sie die Schemen der gewaltigen Bergmassive erkennen. Und davor das Leuchten einer Stadt. „Das muss Chihuahua sein. Scheint noch eine ganze Ecke entfernt zu sein, wenn mich nicht alles täuscht.“ Mulder folgte ihrem Blick und fluchte leise. „Dann werden wir wohl einen kleinen Spaziergang unternehmen müssen.“ Er schulterte seinen Rucksack und stapfte auf die verschlammte Straße zu, die vom Bahnhof weg in tiefste Finsternis führte. Scully seufzte ergeben und folgte ihm schließlich, still hoffend, dass dies der richtige Weg nach Chihuahua sein mochte. Kapitel 5: Chapter V -------------------- In der Nähe Chihuahuas Mexico State 00:57 h 24. Mai Nach einer knappen Stunde Fußmarsch hörten die beiden Agenten durch das Rauschen des Regens das Geräusch eines Motors näher kommen und tatsächlich erschien nach einer Weile ein Scheinwerferpaar, dass direkt auf sie zuhielt. Mulder hob eine Hand und stoppte den Wagen. Aufmerksam näherte er sich der Fahrertür, als die Scheibe herunter gekurbelt wurde und ein alter Mann mit wirr vom Kopf stehenden Haaren zu ihm heraus spähte. „Buenas noches, amigos! Puedo ayudaros? A dónde queréis ir?“ Verblüfft sah Mulder den Mann an, wühlte in seinen Taschen und ließ seinen FBI-Ausweis aufblitzen. „Ah, si! Americanos! Sind Sie Agent Mulder und Agent Scully?“ Mulder nickte überrascht und warf Scully einen skeptischen Seitenblick zu, die neben ihn getreten war. „Ich bin Salvatore. Tut mir wirklich leid, dass ich so spät gekommen bin, aber es gab eine Menge Probleme die mich aufgehalten haben.“ Er warf einen schnellen Blick in den Rückspiegel, was Mulder veranlasste ebenfalls die Straße abzusuchen. Doch alles war still. „Kommen sie, steigen sie ein.“ „Wieso ist hier draußen kein Mensch, und das obwohl der Bahnhof der Stadt hier liegt? Ist das nicht äußerst verantwortungslos Reisenden gegenüber?“ fragte Scully, als der Mann seinen Pickup wendete und auf das majestätische Gebirge zuhielt. Er lachte leise und schüttelte den Kopf. „Sie kommen nicht von hier, Agent Scully, dass entschuldigt Ihre Unwissenheit. Aber sie hätte Ihnen den Kopf kosten können, wenn sie an jemanden anderen geraten wären als mich. Es ist Anordnung der Stadtverwaltung. Kein Mensch darf sich mehr nach Anbruch der Dunkelheit auf der Straße aufhalten. Das ist unter anderem einer der Gründe, aus dem ich zu spät war. Sie dürfen uns auf keinen Fall erwischen...“ Scully war erstaunt. „Gibt es einen Grund für diese Sicherheitsvorkehrung?“ Der Mann sah sie kurz im Rückspiegel an. Seine Augen wirkten auf Scully gehetzt und vollkommen übermüdet. Ein animalisches Licht schien in ihnen zu glimmen. „Allerdings. Sobald es dunkel ist geschehen seltsame Dinge in und um die Sierra Madre.“ Von dem Moment an sagte keiner mehr ein Wort. Nur der Motor tuckerte dumpf vor sich hin und die Heizung rauschte leise. Trotz allem war es unangenehm kühl geworden. Langsam stieg die Straße an und vom flachen Weideland kamen sie nun in einen immer dichter werdenden Wald, der tiefe, zerklüftete Schluchten und steile Berghänge verbarg. Verworrenes Wurzelgeflecht hing von den Ästen der gigantischen Bäume, Farnkraut und andere seltsame Sträucher wucherten am Boden. Zusammen bildete dies ein schier undurchdringliches Wirrwarr, in dem es raschelte und zirpte und das hin und wieder aufriss, um beeindruckende, furchteinflößende Berghänge freizugeben. Auch der Schrei eines Tieres verfolgte die drei bereits seit einer geraumen Zeit. Er klang seltsam wehmütig, schien in der Stille der Dschungelnacht wieder zu hallen und erklang mal näher am Wagen, mal weiter entfernt. Mulder überlief es jedes Mal eiskalt. Es klang so fremdartig und ihn beschlich das unangenehme Gefühl, dass der Urheber dieses Schreis sie beharrlich auf ihrem Weg verfolgte. Irgendwann wurde der Himmel vollständig von den hohen Kronen der Bäume verschlungen und es wurde stockfinster. Der tunnelartige Weg führte sie immer weiter bergauf, schüttelte das Gefährt mit seinen Insassen heftig durch. Mulder und Scully hatten längst die Orientierung verloren, was ein beklemmendes Gefühl der Abhängigkeit in ihnen wachrief. Es würde unmöglich sein auf eigene Faust diesen Dschungel wieder zu verlassen und sie würden sich hier niemals frei bewegen können. Endlich lichteten sich die Bäume und der Weg mündete auf einem gigantischen Felsplateau, auf dem sich mehrere kleine Holzhütten umeinander drängten. Das Lager lag in vollkommener Stille und Dunkelheit da, keiner der Bewohner erschien, um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Salvatore stellte den Wagen in einiger Entfernung zu den Hütten ab und wandte sich dann an Scully und Mulder. „Meine Freunde schlafen bereits. Ich bitte sie also, sich leise zu verhalten. Es könnte sie zu Tode erschrecken, sollten sie um diese Uhrzeit etwas vor ihren Türen hören.“ Er blickte zu der kleinen Ansammlung von Häusern und schien für einen Moment abwesend. Dann öffnete er die Tür und stieg aus. „Kommen sie, ich zeige ihnen ihre Unterkunft.“ Sie folgten ihm zu einer Hütte, die vielleicht höchstens 12 m² maß. Die Decke war derart niedrig, dass Mulder nicht aufrecht stehen konnte, zwei Betten, eine große Holztruhe und eine Waschnische. Damit war der Platz des Raumes bis an die Grenzen des Möglichen ausgenutzt. „Wenigstens ist das Ding wasserdicht.“ murmelte Mulder, als der Mann gegangen war, und Scully konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie hatte schon vieles mit ihm erlebt und durchgemacht und da bedeutete ein solches Abendteuer nur einen weiteren Punkt auf dieser Liste. Sie zündete eine Petroleumlampe an und stellte sie auf den Boden zwischen ihren Betten. „Werden Sie es auf so engem Raum mit mir aushalten?“ fragte Mulder schmunzelnd und schälte sich mühsam aus seinem triefnassen Anzug. Scully schaute ihn nur missbilligend an. Kapitel 6: Chapter VI --------------------- Lager der Independent Group Sierra Madre / Mexico 10:09 h 24. Mai Feuchte, drückende Hitze herrschte, als Mulder und Scully am nächsten Morgen erwachten. Es hatte an der Tür geklopft und wenig später steckte der Mann, der sie in der Nacht auf der Straße aufgelesen hatte, den Kopf herein. „Ah, buenos días! Gut, dass sie wach sind. Meine Freunde wollen sie gern kennen lernen. Kommen sie!“ Kurz darauf folgten sie ihm über den nassen Rasen zu einem der größeren Gebäude in der Mitte des Lagers. Dort war die gesamte Gruppe versammelt und erwartete sie. Scully beugte sich zu Salvatore: „Können wir hier irgendwo telefonieren?“ Bedauernd schüttelte er den Kopf. „Nein, tut mir leid, Agent Scully. Aber wir besitzen kein Telefon. Das nächste wäre in Chihuahua, eine ziemliche Ecke von hier.“ Zerknirscht sah sie ihn an. Skinner würde sich bereits jetzt schon fragen, wo die Nachricht von ihr und Mulder blieb. „Ich hoffe sie sind gut angekommen und hatten eine nicht allzu anstrengende Reise.“ Ein hochgewachsener, noch recht junger Mann kam ihnen entgegen und lächelte. „Sie müssen wissen, wir alle hier sind sehr froh, dass sie gekommen sind, um uns zu helfen.“ Sein Blick wanderte zu Salvatore, der noch immer bei den beiden Agenten stand und der hastig seinen Blick senkte und woanders hinschaute. Unsicher trat er von einem Fuß auf den anderen. Mulder war dieser Blickwechseln nicht entgangen, aber er wurde unterbrochen, noch bevor er weiter darüber nachdenken konnte. „Mein Name ist Leandres. Ich bin der Vorsitz dieser kleinen Gruppe und das,“ Er deutete auf drei grauhaarige, gebeugte Männer, die in einigem Abstand hinter ihm standen, „das sind unsere Ältesten. Sie gehören einem alten mexikanischen Stamm an, den es heute in dieser Form nicht mehr gibt. Sie haben sich uns angeschlossen, als ich noch ein kleiner Junge war und stehen uns seither mit Rat und Tat zur Seite. Wenn sie Informationen suchen, sollten sie in erster Linie immer mit ihnen sprechen.“ Mulder sah sich in dem Raum um. „Und der Rest der Mannschaft?“ Leandres lachte. „Wir sind zu groß, um uns ihnen alle einzeln vorzustellen. Aber ich denke, dass wir alle Gelegenheit haben werden, einander früher oder später kennen zu lernen, nicht wahr?“ Scully wurde hellhörig. Der Unterton, der in der Stimme von Leandres mitschwang, gefiel ihr ganz und gar nicht. „Wir werden ihnen, soweit es in unserer Macht steht, behilflich sein. Und ich hoffe inständig, adss sie uns aus unserer derzeitigen Lage heraushelfen können.“ Die Agentin nickte. „Wir werden es versuchen. Aber dazu müssen wir in erster Linie wissen was hier nun wirklich vor sich geht. Unserem Vorgesetzten habe sie nicht grade viel erzählt.“ Sie schaute zu Salvatore hinüber, der ein wenig blass um die Nase wurde. Leandres nickte traurig. „Sal hat es versucht, aber wir wissen es ja selber nicht wirklich. Wir können ihnen nur sagen, dass irgendetwas uns und unsere Tiere tötet. Sehen sie uns an, ein Drittel von uns fehlt bereits!“ Betreten sahen sich die beiden Agenten an. „Vielleicht hilft es, wenn wir ihnen die beiden letzten Tatorte zeigen. Sie liegen unmittelbar nebeneinander und wir haben bisher nichts angerührt.“ Leandres deutete auf Salvatore. „Er wird sie zusammen mit ein paar anderen von uns hinführen. Und merken sie sich eins: Gehen sie niemals allein fort! Der Regenwald kann gefährlicher sein als man denkt.“ Nur wenige Zeit später waren sie auf dem Weg und schlugen sich durch das Unterholz des Regenwaldes. Der Weg war beschwerlich und so kamen sie nur langsam vorwärts. Einen Pfad gab es nicht und so mussten sie diesen erst mühselig mit ihren Macheten frei schlagen. Mulder und Scully waren schon bald schweißnass und vollkommen außer Atem. Die dünne Luft und die feuchte Hitze machte ihnen gehörig zu schaffen. Der Boden war morastig und derart uneben, dass sie die meiste Zeit bis zu den Knöcheln im Schlamm versanken und nur unter einigem Kraftaufwand die Füße wieder frei bekamen. Bachläufe kreuzten ihren Weg mehr als ein Mal, welche sie entweder überspringen oder durchwaten mussten. Als sie an einem steilen Geröllhang ankamen, legten sie eine kurze Rast ein. „Es ist nicht mehr weit. Diesen Hang hinauf und dann höchstens noch eine halbe Meile.“ Salvatore lächelte. „Sie werden sich schon an das Klima hier gewöhnen, es braucht nur seine Zeit.“ Scully murrte nur leise und registrierte mit bedauern, dass ihre Trinkflasche schon jetzt fast leer war. Verärgert verstaute sie sie wieder in ihrem Rucksack, den sie gleich drauf wieder schulterte, um den anderen zu folgen, die sich bereits an den Aufstieg machten. Keuchend erreichten sie schließlich den Kamm des Hanges und Mulder blieb kurz stehen, um sich unsicher umzuschauen. Der Regenwald hatte etwas bedrohliches, mit all seinen fremdartigen Geräuschen, Tieren und Fallen. Man konnte nie voraussehen, was einen hinter dem nächsten Busch erwarten mochte. Es mochte gar nichts sein, es könnte aber genau so gut der sichere Tod sein. Und das ließ ihn frösteln. Nach einer weiteren Strecke beschwerlichem Fußmarsches erreichten sie endlich den ersten Tatort. Sie betraten ihn so unvermittelt, dass Mulder und Scully erschreckt nach Luft rangen. Vor ihnen lag ein Mann im Gestrüpp und Scully hätte schwören können, dass er lediglich schlief. Seine Wangen leuchteten noch immer rosig und von der Totenblässe war nichts zu erkennen. Offensichtlich handelte es sich um einen Mann aus dem Lager, denn ihre Begleiter wichen murmelnd von dem Ort zurück und zeichneten Abwehrzeichen gegen Böses vor sich in die Luft. Salvatore schloss gequält die Augen und wandte sich dann ab, um nicht mit ansehen zu müssen, wie die beiden FBI-Agenten den Mann untersuchten. Der Mann wies Spuren eines Kampfes auf und in der unmittelbaren Umgebung waren Gras und Sträucher niedergedrückt und mit Blut befleckt. Auch die Kleidung des Mannes war mit getrocknetem Blut durchtränkt. Nichts desto trotz machte er einen äußerst lebendigen Eindruck. Scully und Mulder gingen neben ihm auf die Knie. Mit fliegenden Fingern überprüfte Scully die Vitalfunktionen, konnte jedoch keinerlei Lebenszeichen mehr feststellen. Auch hatte die Leichenstarre noch nicht eingesetzt. Sie schüttelte ratlos den Kopf. „Nichts. Kein Puls, keine Atmung. Seine Haut ist kühl. Er muss tot sein.“ Sie sah ihren Partner an. „Mulder, das ist unmöglich. Seinem Äußeren Zustand nach zu urteilen ist das einfach nicht möglich!“ Mulder wiegte den Kopf, öffnete das Hemd des Mannes und begutachtete die Verletzungen. „Sieht mir verdächtig nach Kratzwunden aus. Er ist übersät davon. Aber es kann nicht sein, dass er dadurch so viel Blut verloren hat, dass er daran verblutet ist.“ Er sah sich um. „Dass kann nicht alles sein Blut sein.“ Scully beugte sich indes über den Leichnam. Ihre Augen wurden schmal. „Mulder!“ Er wandte sich ihr zu und hob erstaunt die Brauen. An der Halsschlagader waren zwei winzige rote Pünktchen zu erkennen. Er sah Scully kurz an und stand auf. „Wo ist der zweite Leichnam?“ Es war ein Tier, eine Art Ziege, die zu der Herde des Toten gehört hatte. Laut Salvatores Erzählungen war der Mann zum weiden der Nutztiere ausgezogen und nicht mehr zurückgekehrt. Nur vereinzelte Tiere hatten den Weg zurück ins Lager gefunden, woraufhin ein Suchtrupp losgeschickt worden war, der diese grausame Entdeckung machen musste. Die Ziege lag reglos im Moos und bildete einen krassen Gegensatz zu dem Mann zuvor. Das Fell war ihm in langen Fetzen vom Leib gerissen worden und legte den Blick auf blanke Knochen und tiefe Fleischwunden frei. Und überall war Blut. Scully kniete sich neben das Tier und schrak zusammen, als sie es berührte. „Was ist?“ fragte Mulder und ging neben ihr in die Hocke, doch Scully antwortete nicht sofort und tastete den Kadaver behutsam ab. „Das Fleisch – es fühlt sich so seltsam an. Ganz anders als bei irgendeinem Toten zuvor. Es wundert mich ehrlich gesagt, dass es überhaupt noch vorhanden ist. Im Grunde hätte die Verwesung bereits lange eingesetzt haben müssen. Aber das hat sie ganz und gar nicht.“ Sie wandte den Kopf und suchte Salvatore, der auch hier ein Stück abseits stehen geblieben war. „Seit wann liegen diese Leichname hier?“ „Seit gestern wohl. Aber auf jeden Fall keine zwei Tage.“ Sie runzelte die Stirn. Sie hätte schwören können, dass zumindest die Ziege über vier Tage tot war. Sie nahm eine der Macheten und setzte einen vorsichtigen Schnitt entlang der Halsschlagader des Tieres. Nichts passierte. „Das ist wirklich merkwürdig. Selbst wenn das Blut bereits eingetrocknet wäre, es hätte hierher absinken müssen und Rückstände gebildet.“ Sie sah ihren Partner fragend an und sein Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er bereits etwas ahnte. Er beugte sich über die Ziege, überstreckte den Kopf und ließ seine Finger durch die Überreste des Fells gleiten. „Wenn mich nicht alles täuscht, weiß ich, womit wir es hier zu tun haben.“ murmelte er und suchte weiter. Tatsächlich wurde er fündig. „Scully, sehen Sie sich das an!“ Mulder hatte eine Stelle entblößt, an der zwei kleine rötliche Punkte in die Halsschlagader des Tieres führten. Sie sahen sich an und Mulder schüttelte fast unmerklich den Kopf. „Sie hätten gar kein Blut finden können, weil keines mehr im Körper zurückgeblieben ist.“ Er redete leise und warf einen prüfenden Blick zu ihren Begleitern. „Noch sollten wir diese Vermutung allerdings für uns behalten. Ich denke, dass sie noch nicht bereit dafür sind.“ Er stand auf und verließ den Tatort. Sein Magen begann bereits zu revoltieren. So viel Blut, die Hitze und der Leichengestank waren ihm entschieden zu viel. „Haben Sie etwas finden können?“ Salvatore schaute sie neugierig an. „Gefunden ja, aber noch können wir uns nicht sicher sein. Wenigstens wissen wir jetzt, wonach wir suchen müssen.“ Scully fühlte, dass er darauf brannte mehr zu erfahren. Aber sie hütete sich davor weiterzureden. Mulder untersuchte indes die umliegende Gegend, konnte allerdings nichts finden, was einen Hinweis auf den Täter hätte geben können. Weder Spuren im weichen Boden, noch umgeknickte Zweige oder ähnliches. Er schüttelte ärgerlich den Kopf. „Es ist wie verhext. Nichts weist darauf hin woher die Opfer oder deren Mörder gekommen sind. Es erweckt den Anschein, als wären sie aus dem Nichts erschienen und auch wieder verschwunden.“ „Wundern Sie sich nicht, Agent Mulder. Hier ist alles anders und der Wald verwischt die Spuren.“ Er wandte den Kopf und sah den Mann an, der ihn angesprochen hatte. Er war groß und recht hager. Sein Haar war schwarz und lang und wie sein Bart verfilzt und ungepflegt. Er schaute Mulder aus unergründlichen Augen an. Irgendetwas störte ihn an diesem Mann. Er konnte es nicht recht erfassen, aber er weckte gemischte Gefühle in seinem Innern, während sie sich gegenseitig musterten. Sie fühlten sich nicht gut an. Mulder blinzelte. Diese Augen... Ein tiefes Grollen in der Ferne weckte die Aufmerksamkeit der kleinen Gruppe von neuem und Salvatore warf einen besorgten Blick zum Himmel. „Wir sollten uns beeilen, wenn wir noch vor dem Gewitter im Lager sein wollen.“ Also machten sie sich auf den Rückweg, der beinah noch beschwerlicher war als der Hinweg. Schnell nahm das Licht unter den Bäumen ab und verbarg Gefahren in einem diffusen Zwielicht. Die Luft schien zu knistern unter der enormen Spannung und erschwerte das Atmen bei jedem Schritt den sie taten. Kurz bevor sie das Felsplateau erreichten öffneten sich die Schleusen des Himmels. Regen stürzte herab und durchnässte die Dahineilenden binnen Augenblicken bis auf die Haut. Blitze zuckten über den schwarzen Himmel, begleitet von tiefem, ohrenbetäubenden Donnern. Den Rest des Weges legten sie im Laufschritt zurück und flüchteten sich ohne weiteres Zögern in ihre Hütten. Scully prustete. „Und ich dachte, in Washington wäre schon schlechtes Wetter.“ Mulder grinste sie an und warf ihr ein Handtuch entgegen. „Der Vergleich ist schon nicht schlecht. Passen Sie bloß auf, dass Sie sich nicht erkälten. Ich glaube der Fall ist ein wenig zu verworren, als dass ich ihn ohne Ihre Hilfe lösen könnte.“ „Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie glauben, dass Vampire hier ihr Unwesen treiben?“ Sie sah ihren Partner schräg an, der sich grade die Haare trocknete, dass sie nach allen Seiten wirr abstanden. „Ich bin mir noch nicht hundertprozentig sicher, Scully, aber die Spuren sprechen eine deutliche Sprache. Was alten Sie von der ganzen Sache?“ „Naja, seltsam kommt mir das schon vor. Und ich meine nicht nur allein die beiden Tatorte. In Anbetracht der Tatsache, dass in diesen Breitengraden auch die gleichnamige Fledermaus angesiedelt ist, die berüchtigt dafür ist, dass sie Tiere befällt, könnte man auch annehmen, dass der Mann und die Ziege von einem Raubtier angegriffen worden sind, welches sie auf so grausame Weise verstümmelte. Es können auch mehrere Tiere gewesen sein, Aasfresser, die später ihren Teil dazu beigetragen haben. Für die Vampirfledermaus wäre es ein gefundenes, einfaches Fressen noch frisches Blut aus einem Kadaver zu bekommen.“ Mulder grunzte, es war deutlich, dass er ihrer Theorie wieder einmal nicht viel abgewinnen konnte. „Ja, aber dass eine Vampirfledermaus sich ausgerechnet die Halsschlagader aussucht, um an Blut zu gelangen, ist doch recht unwahrscheinlich, meinen Sie nicht? Und ich denke nicht, dass ein derart kleines Tier so viel Blut in sich hineintrinken kann. Scully wird sprechen hier von beinah zehn Litern!“ „Ich sagte doch bereits, dass auch mir das seltsam erscheint. Außerdem...“ Sie zögerte einen Augenblick und ließ sich dann erschöpft auf ihr Bett sinken. „Was mich noch viel mehr beunruhigt ist das Verhalten einiger Leute hier. Als wir vorhin in diesem Versammlungsgebäude waren, ist Ihnen da aufgefallen mit welchem Zorn Leandres Salvatore betrachtet hat? Und wie Salvatore darauf reagierte? Ich hätte in dem Moment wetten können, dass es nicht im Sinne der Gruppe gewesen ist, dass Salvatore uns um Hilfe ersuchte und dass er das ganz genau gewusst hat. Irgendetwas läuft hier hinter unserem Rücken, Mulder, dass kann ich spüren. Aber ich verstehe nicht was, denn ganz offensichtlich haben diese Menschen hier Schwierigkeiten, die nicht allein intern zu erklären sind.“ Mulder nickte nachdenklich. „Sie haben recht, Scully, und es ist mir nicht entgangen. So einige benehmen sich hier merkwürdig. Wir sollten aufmerksam bleiben und darauf achten, was in unserem Rücken geschieht. Noch können wir nicht absehen, inwieweit...“ Ein Klopfen an der Tür ließ ihn verstummen und er schaute Salvatore misstrauisch entgegen, als dieser ihre Hütte betrat. Wie lange mochte er bereits draußen gestanden haben? „Entschuldigen Sie die Störung, aber die Ältesten möchten Sie sprechen. Umgehend.“ Kapitel 7: Chapter VII ---------------------- Lager der Independent Group Sierra Madre / Mexico 16:53 24. Mai Im Innern der Hütte herrschte eine drückende, stickige Hitze und die Dunkelheit wurde lediglich durch ein paar vereinzelte Fackeln vertrieben. Beißender Rauch trieb den beiden Agenten die Tränen in die Augen. Sie setzten sich den Männern gegenüber auf ein abgewetztes Fell und blickten sie erwartungsvoll an. „Wir sind ihnen dankbar, dass sie etwas von ihrer kostbaren Zeit opfern, um mit uns zu reden Agent Mulder und Agent Scully. Ich weiß nicht, ob sie befugt sind, über ihre Erkenntnisse zu sprechen, aber sie müssen wissen, dass es äußerst wichtig für uns Älteste ist, ob sie bereits etwas herausgefunden haben, dass den Fall zu lösen hilft.“ Scully überließ es Mulder zu sprechen und beobachte statt dessen die drei Greise genau. „Leider müssen wir ihnen sagen, dass wir noch immer nichts genaues erfahren konnten. Aber durch die Untersuchungen, die wir an den zwei Opfern durchgeführt haben, wissen wir jetzt zumindest worauf wir achten müssen. - Sagen Sie ... hat jemals das Thema 'Schwarze Magie' in dieser Gruppe eine Rolle gespielt? Vielleicht früher einmal, als sie noch nicht als Älteste für sie verantwortlich waren?“ Die Frage war ungeheuerlich und es war Mulder bewusst, dass er damit Gefahr lief, die Ältesten zu beleidigen. Aber sie war unumgänglich und Mulder interessierte es viel mehr, wie die drei darauf reagieren würden. Sie waren sichtlich beunruhigt und tauschten kurze Blicke miteinander, ehe einer besorgt fragte: „Wie kommen Sie auf solch einen Gedanken, Agent Mulder? Gibt es Hinweise auf schwarze Magie hier bei uns?“ „Wie ich schon sagte, bin ich mir nicht sicher. Aber es könnte durchaus möglich sein. Nur, um es ausschließen zu können, muss ich sie leider fragen, denn ich glaube, dass zumindest Salvatore dieser Ansicht war, als er Kontakt mit uns aufnahm.“ Eine Weile herrschte tiefes Schweigen bis der Älteste der drei das Wort ergriff. „Ich glaube, ich sollte ihnen etwas erzählen. Es ist schon sehr lange her, wissen sie. Damals war ich noch ein kleiner Junge und mein Vater übergab mir diese Wissen an seinem Totenbett, um es einsetzen zu können, sollte es irgendwann einmal gebraucht werden. Ich denke, sie sind es würdig, dieses Wissen in die nächste Generation zu tragen.“ Er zögerte einen Moment und sah Mulder und Scully prüfend an, ehe er fortfuhr. „Damals, lange bevor ich geboren wurde, haben sich einige aus unserem Stamm abgesondert und zu einer Art Sekte zusammengeschlossen. Am Anfang war es vollkommen harmlos, nichts weiter als Spielerei, aber wie so oft schlug es schnell ins Gegenteil um. Die Gruppe begann sich für die dunkele Seite des Glaubens zu interessieren und Rituale schwarzer Magie durchzuführen. Es ging so weit, dass sie Zeremonien abhielten, in denen auch Opfer gebracht wurden. Anfangs waren es nur Tiere, doch der Durst nach menschlichem Blut wuchs und drohte Überhand zu nehmen. Bevor es allerdings dazu kommen konnte, wurde die Sekte von Innen heraus verraten. Ihr Guru wurde bei einer ihrer Zeremonien überwältigt und brutal ermordet. Seine Anhänger konnten fliehen und begingen ausnahmslos Selbstmord. Man verscharrte sie dort, wo sie ihre Zeremonien abgehalten hatten. Ohne christliche Beisetzung und ohne dass ein Zeichen Christi an dem Ort zurückgelassen wurde. - Von dem Zeitpunkt an fanden seltsame Dinge statt und es wurde von Jahr zu Jahr schlimmer. Bis heute. Mittlerweile glaube ich, dass ihre schwarzen Messen und das, was sie dort anriefen, mit den Unglücken hier in Verbindung stehen. Ich bin ein Überbleibsel eines alten mexikanischen Stammes und es gibt viele alte Erzählungen, in denen sich die Vorfälle der letzten Jahre wiederspiegeln.“ Der Alte endete und draußen, im strömenden Regen, erhob sich eine schwarzverhüllte Gestalt und huschte nach einem kurzen Blick in die Runde auf den Waldrand zu, wo sie im Dunkel der Bäume verschwand. Scully und Mulder hatte sich wieder in ihre Hütte zurückgezogen, aber seit dem Gespräch mit den drei alten Männern war kein einziges Wort zwischen ihnen gefallen. Mulder lag auf seinem Bett und starrte an die Decke, und das seit mittlerweile fast zwanzig Minuten. „Mulder, worüber denken Sie nach?“ fragte Scully und legte ihre Aufzeichnungen zur Seite. Er seufzte und setzte sich auf. „Ich spiele verschiedene Möglichkeiten durch wie man die Erzählung des Alten nutzen könnte. Aber mir fehlen noch zu viele Teile um das Bild zusammenzubekommen.“ Verwundert hob se eine Augenbraue. „Aber wie ich Sie kenne, haben Sie sicherlich bereits eine Theorie.“ Mulder grinste. „Sicher doch. Und Sie wissen auch welche. Wie schon einmal erwähnt, weist alles auf auf eine Art Vampirismus hin. Und seit ich gehört habe, was hier vor einigen Jahren so alles passiert ist, muss ich auch zugeben, dass mich das nicht sonderlich wundert.“ Scully blieb skeptisch. Sie kannte sich nicht sonderlich gut mit Vampiren aus, im Gegensatz zu ihrem Partner. „Eine Art Vampirismus?Wie meinen Sie das?“ „Wir wissen nicht, ob wir es hier mit wirklich echten Vampiren zu tun haben, oder ob es lediglich eine Gruppe von Menschen hier gibt, die den Vampirismus zu ihrer Religion gemacht hat und es als ihre Lebensaufgabe ansieht wie ein Vampir zu leben. Ohne jedoch selbst einer zu sein.“ Er lächelte verschmitzt, als er Scullys verwirrten Blick bemerkte. „Sehen Sie, es gibt immer ein paar wenige Verrückte unter uns Menschen, die spezielle Vorlieben entwickeln, einen Fetisch daraus machen und vollkommen darin aufgehen. So gibt es auch Menschen, die es ganz toll fänden ein Vampir zu sein oder die überzeugt davon sind, dass das Trinken von Blut ewiges Leben garantiert. Und so morden sie und benehmen sich in einer Art, wie sie es sich als Vampir vorstellen. Selbstverständlich sind sie wesentlich harmloser und leichter zu bekämpfen als echte Vampire. Jetzt hatte ein Teil der Gruppe allerdings mit schwarzer Magie in Verbindung gestanden und nach dem bestialischen Mord an ihrem Guru einen rituellen Selbstmord begangen. Und sie wurden einfach verscharrt – ohne christliche Beisetzung und ohne, dass ein Kreuz über ihren Köpfen errichtet wurde. Sie wurden einfach vom Antlitz der Erde verbannt, mit dem Ziel nie wieder gedacht zu werden. Wenn man den Vampirgeschichten also Glauben schenkt, kann man sicher sein, dass diese Sekte zurückkehrte, um Rache zu nehmen.“ „Und was – was gedenken Sie also jetzt zu tun? Auf Vampirjagt gehen?“ fragte Scully gedehnt und seufzte ergeben, als sie das Leuchten in Mulders Augen sah. „Vielleicht. Am besten wir lassen uns morgen einmal den Platz zeigen, an dem diese Sekte verscharrt wurde.“ Kapitel 8: Chapter VIII ----------------------- Ruinen Regenwald der Sierra Madre 23:37 h 24. Mai Es regnete noch immer so stark, dass die Bewohner des Lagers es vorzogen in ihren Hütten zu verweilen, in denen es warm und trocken war. So bemerkte niemand die Gestalten, die sich hin und wieder vorsichtig im Schatten der Gebäude durch das Lager schlichen, um dann hinüber zum Regenwald zu huschen und im Gewirr der Bäume zu verschwinden. Nur wenige Meilen von dem Felsplateau entfernt schmiegten sich einige sehr alte und verfallene Ruinen in das Grün des wilden Dschungels, kaum noch zu erkennen zwischen der Vielzahl von Pflanzen und Flechten. Dort, in einem der bereits zur Hälfte eingestürzten Räume, trafen sie sich. Die, welche die Jünger, die Gläubigen, die Kinder Satans waren. Fackeln erhellten den kleinen Raum mit dumpfem, trügerischen Licht. Auf dem sandigen Boden ein Pentagramm gezeichnet, um das sich die kleine Gruppe versammelt hatte. Sie alle waren in dunkle Umhänge gehüllt und hatten die weiten Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Nur einer von ihnen stand in der Mitte des Pentagramms, die Kapuze zurückgeschlagen, so dass eine hässliche Narbe, die quer über seinen Schädel verlief und sein Gesicht in zwei Hälften zu teilen schien, deutlich zu erkennen war. Dort wo die Narbe verlief wuchs kein Haar mehr und die Wundränder leuchteten in einem wütenden, entzündlichem Rot. Sein entstelltes Gesicht hatte schon lange die Fähigkeit, Gefühle ausdrücken zu können, verloren. Seine Stimme hallte herrisch und kalt von den Wänden wieder, als er zu den Versammelten zu sprechen begann. „Ihr werdet euch vorstellen können, weshalb wir uns so kurzfristig und in dieser Heimlichkeit treffen mussten. Jemand hat uns und unseren Herrn auf hinterhältige Weise verraten und die beiden FBI-Agenten auf uns angesetzt. Ihr wisst, dass diese Lage für uns gefährlich werden kann und möglicherweise sehr bald eskalieren wird – auf eine Art und Weise die uns vernichten könnte. So, wie sie auch unsere Vorfahren einst vernichtet hat. Aber ich sage euch: Wir werden nicht zusehen, wie sie uns jagen, uns verraten und schlachten. Wir werden nicht tatenlos geschehen lassen, was die anderen als unser Schicksal auserkoren haben. Wir werden den Spieß umdrehen.“ Er ließ diese Worte unheilschwanger in der Luft stehen und trat aus dem Pentagramm heraus. Langsam schritt er an den ergeben den Kopf senkenden Gestalten vorbei, jeden einzelnen beobachtend. „Die Zeit des Erwachens ist nun endlich gekommen. Die Zeit des Wechsels von diesem schandvollen, unterdrücktem Leben in ein stolzes, unantastbares. Die Gläubigen auf der Welt werden sich vereinen, um die Ungläubigen zu zerstören. So wie es unser Herr geweissagt hat und so wie es eintreten wird!“ Die Gruppe erhob einen huldvollen Lobgesang, der raunend durch die verwitterten Gänge der Ruinen schwebte, und nach und nach entblößte jeder der Anwesenden seinen rechten Arm und streckte ihn der Mitte des Pentagramms entgegen. Dort war eine schlichte Tonschale in den Sand eingelassen, die nun das Blut der Geächteten auffing und sammelte, als diese sich ihre Arme aufschlitzen. „Nehmt dieses Blut und zeichnet damit unsere Feinde, den Verräter und die FBI-Agenten. Sie seien verflucht! Es wird uns helfen unsere Ziele zu verwirklichen, sie in die Falle zu locken und uns auf ewig zu ihnen führen, sollten sie uns jetzt noch entkommen.“ Er lächelte dämonisch. „Wir werden nicht zulassen, dass diese Agenten unsere Existenz gefährden, oder irgendjemand sonst auf der Welt. Wir werden ihnen das Fürchten lehren, so dass ihnen nichts anderes übrig bleiben wird als aufzugeben!“ Mittlerweile war es im Lager still geworden. Beinah alle Lichter waren gelöscht und die Menschen hielten sich in ihren Hütten auf. Verdeckt von den Gebäuden schlichen zwei Gestalten vorsichtig zu der dunkel daliegenden Hütte der FBI-Agenten, lauschten mehrere Augenblicke regungslos und öffneten dann behutsam die unverschlossene Tür. Mulder und Scully schliefen fest, erschöpft von dem ersten Tag in so ungewohnter und fremder Umgebung. Sie bekam nichts von ihrem nächtlichen Besuch mit. Die Gestalten traten zuerst an Scullys Nachlager, murmelten leise eine voneinander unabhängig scheinende Wortfolge und zeichneten der Agentin behutsam ein auf dem Kopf stehendes Kreuz auf die Stirn. Tiefrot schimmerte es im Licht des grade aufgehenden Mondes und sandte einige winzige Tropfen über ihre Haut, die sich im offenen Haar verfingen. Die zwei verneigten sich leicht und traten dann an Mulders Lager, um denselben Akt noch einmal zu wiederholen. Dann verschwanden sie, ebenso lautlos und unauffällig wie sie erschienen waren. Kapitel 9: Chapter IX --------------------- Lager der Independent Group Sierra Madre / Mexico 01:15 h 25. Mai Einige Stunden später, an einem Ort nur wenige Meilen vom Lager entfernt, begann sich etwas zu regen. Es hatte aufgehört zu regnen und so konnte der aufsteigende Nebel, der sich über einigen Löchern im Boden bildete, ungehindert formieren und verdichten. Für wenige Augenblicke schien er undurchsichtig zu werden, dann sank er wieder zu Boden und gab ein großes, düsteres Wesen frei. Es schien keine erkennbaren Körperformen zu besitzen, als wären sämtliche Gegensätze in ihm vereint. Es stand hoch aufgerichtet da, wirkte aber gleichzeitig gebeugt und sehr alt. Seine langen Haare wehten geschmeidig im Wind, schienen aber gleichzeitig vollkommen verfilzt und ungepflegt. Als es sich in Bewegung setzte waren seine Bewegungen grotesk, unbeholfen und unkoordiniert, doch zugleich auf eine seltsame Art und Weise federleicht und gewandt, vor Kraft strotzend. In seinen mattleuchtenden gelben Augen glomm Scharfsinn. Mit schnellen Schritten verschwand das Wesen im Dickicht des Regenwaldes, ohne auch nur irgendein Geräusch zu verursachen oder Spuren zu hinterlassen. Seine Füße schienen den Boden kaum zu berühren. Als es das Lager erreichte, umkreiste es dieses erst mehrere Male misstrauisch, ehe es auf alle Viere sank und es im Schatten der Hütten betrat. Behutsam schlich es von einem Gebäude zum nächsten und verharrte dann mit einem Mal aufmerksam. Prüfend sog es die Nachtluft in seine Atemlöcher, die sich an der Stelle befanden, an der sich eine Nase hätte befinden müssen. Der schlanke Körper spannte sich und ein seltsames Grollen entwich seiner Kehle. In seinen Augen blitzte es. Im Innern der Hütte erwachte die junge Frau mit einem Ruck. Es war stockfinster und nur der schmale Mond warf sein blasses Licht durch die zugezogenen Gardinen. Nichts regte sich. Und doch war sie sicher, dass irgendetwas sie geweckt hatte. Unsicher ließ sie ihren Blick durch die kleine Hütte gleiten und lauschte. Nichts. Seufzend sank sie zurück in ihre Kissen und rollte sich behaglich in das dünne Laken, als sie erneut hochschreckte und mit weit aufgerissenen Augen auf das kleine Fenster über sich starrte. Ihre Finger krallten sich derart stark in das Laken, dass ihre Knöchel weiß hervortraten, doch sie konnte nichts tun, außer auf den Schatten zu starren, der sich im Mondlicht vor ihrem Fenster abzeichnete. „Lass mich ein!“ Erschrocken zuckte sie zusammen und wimmerte leise. Was immer dort auf ihrem Fenstersims hockte, es redete mit ihr. „ Lucàr? - Wer ... wer ist dort? Lucàr, bist du das? Lass den Unsinn!“ Doch anstatt eine Antwort zu bekommen, hörte sie diese Stimme erneut: „Lass mich ein! Öffne das Fenster, San, und du wirst es wissen.“ San war sich nicht wirklich sicher, ob sie sie wirklich hörte. Entschlossen setzte sie sich auf und schlug schwungvoll die Gardinen zurück. Gelbe, irre rotgeränderte Augen starrten sie an und die junge Frau prallte mit einem entsetzten Aufstöhnen zurück, wobei sie um ein Haar vom Bett gefallen wäre. Die Kreatur verzog ihre Mundwinkel zu einer höhnischen Fratze, die ihre langen Zähne entblößte und scharrte ungeduldig am Fensterrahmen. „Komm San, mach das Fenster auf und lass mich ein!“ Die junge Frau ächzte und wollte den Kopf abwenden, doch sie konnte es nicht. Wenn sie in diese Augen schaute empfand sie keine Furcht und die Panik in ihrem Innern erstarb. Sie brauchte nur weiterhin in diese Augen hineinblicken und das Fenster öffnen, das Wesen hereinbitten, und all ihre Sorgen wären vorbei. Langsam beugte sie sich wieder dem Fenster entgegen. „San! San, öffne das Fenster!“ Diese Stimme... „Komm, lass mich ein!“ Sie streckte die Hand aus, legte den Bügel um und zog das Fenster zögernd nach Innen auf. Die ganze Zeit wandte sie den Blick nicht von den Augen dieser Kreatur ab. Es würde alles gut werden... „Komm herein.“ Mit einem lauten Knall wurde ihr das Fenster aus der Hand gerissen, dass es quietschend in seinen Angeln herumwirbelte und gegen die Wand schlug, dass der Putz abbröckelte. Sie selbst wurde auf ihr Bett zurück geschleudert. Die Kreatur hockte an dessen Fußende und starrte San eine Weile reglos an. Dann stürzte sie sich wie eine Heuschrecke auf die junge Frau. Ein stummer Todeskampf begann, in dem sich die Frau nach Kräften zur Wehr setzte. Doch die Kreatur war ihr weit überlegen. Ihr Wiederstand wurde schwächer und schwächer und nach einer Weile ergab sie sich. Es würde alles gut werden ... alles... Die Kreatur schlug ihre verrotteten Zähne in den nunmehr ungeschützt dargebotenen Hals, die sich stöhnend aufbäumende San einem Schraubstock gleich an sich gepresst. Klauenhafte Finger tasteten über ihren Körper, zerrissen ihr dünnes Hemd und die darunter verborgene Haut, umschlossen ihre Brüste. San wollte schreien, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Der faulige Atem der ihr entgegen schlug ließ sie voller Ekel würgen. Sie konnte spüren, wie ihr eigenes Blut heiß ihren Hals hinabrann, eine Spur hinterließ, die wie Feuer zu brennen schien und ihren Lebenshauch mit sich nahm. Gierig saugte das Wesen das Leben aus Sans wehrlosem Körper und ergötzte sich an dem Leid der jungen Frau, an dem Geschmack frischen Blutes, das in sein Maul rann und das ihm die Macht über diese Frau verlieh. Es drängte sie zurück in die blutgetränkten Laken, schob seinen Körper näher an den der Sterbenden und schmiegte sich gewaltsam zwischen ihre Schenkel. Der stechende Schmerz in ihrem Schoß riss Sans umwölkten Geist noch einmal in das Jetzt und Hier zurück, brutale Stöße die Wellen unsagbarer Qual durch ihre Seele sandten. Und sie schrie. Ein einziger, grauendurchtränkter Ton der die Stille der Nacht zerriss. Hastige Schritte näherten sich der Hütte und wenig später riss die Nachtwache die Tür auf. Der Mann blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen, die Augen weit aufgerissen und starrte fassungslos auf das bizarre Bild. Der Kopf der Kreatur ruckte herum, dass sich ein dünner Schleier roten Blutes über die Wand verteilte und gelbleuchtende Augen blitzte den Eindringling wütend an. Sie fauchte drohend, ließ die sterbende San achtlos fallen und war mit einem Satz an der Tür. Voller Entsetzen prallte der Nachtwächter zurück, taumelte rücklings vor der lauernd zusammengekauerten Kreatur weg, ehe er seine Stimme wieder fand und laut zu schreien begann. Mit einem einzigen gewaltigen Satz floh das Wesen auf das Dach der Hütte, auf dem es sich noch einmal umwandte und den halb gelähmten Nachtwächter aus unergründlichen Augen fixierte. Dann verschwand es in der Nacht. Kurz darauf war das gesamte Lager in Aufruhr. Leandres kam beinah ungebremst in die Hütte von Mulder und Scully gestürmt und weckte sie unsanft. „Agent Scully, Agent Mulder, wachen sie auf! Es gab einen Mord, hier im Lager. Kommen sie. Schnell!“ Verschlafen schälten sich die beiden Agenten aus ihren Decken und schauten zu Leanders hinüber, der bereits ungeduldig in der Tür stand. Dieser wurde aschfahl und ein Schatten huschte über seine entgeisterten Züge. „Leandres.“ Scully schwang die Beine über die Bettkante und beobachtete den Mann besorgt. „Leandres was haben Sie denn?“ „Mein Gott...“ Seine Stimme schien kurz davor überzuschnappen. „Sie...sie...“ Er brach ab und deutete statt dessen mit zitterndem Finger auf Scullys Stirn. Sein warf ihrem Partner einen fragenden Blick zu, der sie seinerseits mit großen Augen musterte, und hob erstaunt eine Augenbraue. „Mulder, Sie haben ein umgekehrtes Kreuz auf Ihrer Stirn.“ „Sie auch, Scully.“ Flüsterte er, fasste sich an die Stirn und begutachtete seine Fingerkuppen. Sie schimmerten in einem matten Rot. „Das ist – Blut!“ Leandres eilte zu der Waschschale neben der Tür und warf ihm einen nassen Lappen zu. Er schien sich wieder gefangen zu haben, doch Scully entging nicht, dass er noch immer leicht zitterte. „Hier, wischen Sie es weg! War bestimmt nur ein dummer Streich.“ Ein ängstlicher Unterton schwang in seiner Stimme und Scully beschloss später mit Mulder darüber zu reden. Leandres brachte sie zu der Hütte, in der der Mord geschehen war. Neben der Eingangstür kauerte der noch immer vollkommen verstörte Nachtwächter und scheinbar hatte sich jedes Mitglied der Gruppe auf dem Platz vor der Hütte eingefunden, so dass sie in einem großen Halbkreis auf den Ort des Geschehens starrten. Mulder und Scully betraten die Hütte allein. Beide waren sie über das Bild, das sich ihnen bot, schockiert. Das Innere der Hütte glich dem Schauplatz einer Blutschlacht. Überall klebte Blut, an den Wänden, am Fenster, auf dem Boden, auf dem Bett. Eine junge Frau lag rücklings auf dem vollkommen zerwühlten Bett, starrte mit verschleiertem Blick zur Decke und zuckte nur hin und wieder schwach mit den Fingern. Ihr ganzer Körper war mit Blut bedeckt, tiefe Risswunden zogen sich über ihren Rumpf und zogen bereits die ersten Fliegen an. Ein süßlicher Geruch hing in der Luft. Ihre Kleider hingen in Fetzen und Mulder wandte entsetzt den Blick von der Geschändeten ab. Kaltes Grauen schlich seinen Rücken hinauf und setzte sich lauernd in seinen Nacken. Scully beugte sich über die Frau und untersuchte sie flüchtig. Schnell fanden ihre kundigen Finger einen schwachen Puls. „Noch können wir ihr helfen. Sie braucht sofort eine Bluttransfusion.“ Mulder lachte humorlos. „Scully, bei allem Respekt, das ist unmöglich! Wir sind Gott weiß wie weit von der nächsten Stadt entfernt und diese Gruppe besitzt nichts außer sich selbst. Medizinische Versorgung gibt es hier nicht!“ Scully fuhr herum und stieß ihren Partner unsanft zur Tür: „Verdammt, Mulder! Ein Menschenleben steht hier auf dem Spiel und Sie ... Sie – Los, gehen Sie raus und tun Sie was Sie können, um wenigstens etwas ausrichten zu können. Vielleicht können sie uns doch helfen.“ Entschuldigend hob er die Hände und verschwand. Scully blieb allein zurück. Mutlos stand sie am Bett der Sterbenden, so ohne weiteres konnte sie nichts für sie tun. Mulder hatte ja recht, aber Scully war Ärztin und sie konnte nicht einfach so tun, als gäbe es keine Hoffnung mehr. Auch wenn sie wusste, dass sie wahrscheinlich tatsächlich nichts unternehmen konnte, um die Frau am Leben zu halten. Währenddessen hatte Mulder Leandres zur Seite genommen und um Hilfe gebeten. Doch Leandres war vollkommen überfordert. „ Es tut mir leid, Agent Mulder, aber wir können ihr nicht helfen. Die Geräte, die man zu solch einem Eingriff benötigt, könnten wir hier oben gar nicht instand halten. Zum einen haben wir gar keinen Strom und des weiteren würde die hohe Luftfeuchtigkeit die Geräte zerstören. Wir haben doch noch nicht einmal einen richtigen Veterinär. Eine Bluttransfusion ist unmöglich.“ Mulder schnitt eine Grimasse und blickte zu dem Jeep hinüber, der ein Stück abseits geparkt stand. „Vielleicht hat sie eine geringe Chance, wenn wir sie nach Chihuahua ins Krankenhaus bringen.“ Leandres schüttelte den Kopf. „Sie würden dort niemanden finden, der Ihnen helfen würde – vor allem bei so einem Fall. Und Sie würden verhaftet und bestraft werden, da Sie gegen das mexikanische Gesetzt verstoßen würden.“ Mulder brauste auf. „Verdammt, ich bin amerikanischer Bundesagent! Die können mich nicht so einfach einbuchten.“ Er wirbelte auf dem Absatz herum und wollte zum Jeep hinüber, doch Leandres hielt ihn am Ärmel zurück. „Sie können! Agent Mulder, denken Sie nach! Das würde uns allen doch nicht weiterhelfen.“ Der Agent sah sich ratlos um. Was sollte er tun? Wo er auch nach Hilfe suchte, er fand nur unüberwindliche Barrieren. Also ging er geschlagen zurück zu Scully. Sie kannte die Antwort noch bevor ihr Partner die Tür hinter sich geschlossen hatte. Hilflos sah sie ihn an. Ihr wurde klar wie sehr sie hier oben tatsächlich auf sich allein gestellt waren. Sie würden gegen die leichteste Lungenentzündung nichts ausrichten können. Sie waren total machtlos. Mulder deckte die Leiche mit einer Wolldecke zu und wandte sich an Scully. „Ab jetzt müssen wir zusammenhalten. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Frau würdig begraben wird, oder wir unterstützen das Böse das hier umgeht.“ Sie hatten kaum die Hütte verlassen, da legte sich tiefes Schweigen über die anwesenden Menschen und erwartungsvolle Augen ruhten auf den beiden Agenten. Scully räusperte sich. Sie fühlte sich alles andere als wohl in ihrer Haut. „Wir...wir konnten nichts mehr für die Frau tun. Ohne eine Bluttransfusion konnte ihr Leben nicht gerettet werden. - Es tut mir leid. Es fehlt einfach die notwendige medizinische Versorgung.“ Betretenes Schweigen folgte und es wurde unangenehm still auf dem kleinen Platz. Ein junger Mann, der keine zwanzig Sommer gesehen hatte, trat zitternd vor und blickte die beiden Agenten hilflos an. „Sie...sie ist also wirklich...tot?“ hauchte er leise und rang mit seinen Händen. „San soll tot sein?“ Tränen rannen ihm über das Gesicht und Mulder warf fluchend einen kurzen Blick gen Himmel: „Gott, er ist doch noch ein halbes Kind!“ Dann ging er auf den Jungen zu und ergriff ihn an den Schultern. „Es tut uns leid, wir haben alles versucht. Wir mussten San sterben lassen, weil wir nichts in unsrer Macht stehende für sie tun konnten. Bitte versteh das! Wir wissen nicht wieso deine Freundin auf diese Art sterben musste und wir wissen auch nicht, wer ihr das angetan hat. Aber ich verspreche dir, dass wir es herausfinden werden und den Schuldigen seiner gerechten Strafe zukommen lassen werden. Sie soll eine würdige, christliche Beisetzung erhalten, zumindest das können wir jetzt noch für sie tun.“ Der Junge nickte schwach und begann dann hemmungslos zu weinen. „Das können wir nicht tun! Sie ist ermordet worden, auf die selbe Art und Weise wie die anderen. Der Wächter behauptet, er habe den Abgesandten des Teufels gesehen und wie sie es mit ihm getrieben hat. Sie ist selbst Schuld an ihrem Schicksal und dieser Beisetzung nicht würdig! Sie ist verflucht - das war sie schon immer.“ Zustimmendes Gemurmel erklang und Mulder und Scully wandten den Kopf der Frau zu, die das gesagt hatte. Sie wollten ihren Ohren kaum glauben, so absurd waren diese Spekulationen. „Sie können es vielleicht nicht wissen, aber es verstößt gegen unsere Regeln jemanden zu beerdigen, der so gestorben ist. Noch dazu auf eine solch unerklärliche Art und Weise. Oder können sie uns sagen was passiert ist?“ „Noch nicht.“ antwortete Scully knapp und sah fragend zu ihrem Partner. Sie spürte, dass eine Spannung in der Luft lag, die sich jeden Augenblick zu entladen drohte. Aus den hinteren Reihen der Menschen wurde eine verärgerte Männerstimme laut, die schnell Unterstützung von weiteren Stimmen bekam: „Wieso können sie uns denn nie eine konkrete Antwort geben? Ich dachte sie sind gekommen um uns zu helfen? Also tun sie das auch!“ Scully trat neben Mulder, der noch immer an der Seite des völlig aufgelösten Jungen stand. „Mulder, wir müssen ihnen irgendetwas sagen, oder sie prangern uns an.“ Mulder schaute sie an. „Sie können mit der Wahrheit noch nicht umgehen.“ Dann wandte er sich der Gruppe zu. „Wir wollen euch nichts sagen, bevor wir nicht hundertprozentig überzeugt sind. Ihr sollt nichts falsches von uns hören, was euch womöglich größere Sorgen bereitet als nötig wäre. Ersteht ihr das denn nicht?“ Einige protestierten laut und ein Mann trat aus dem Kreis heraus und auf Mulder zu. Er starrte ihn wütend an. „ Nein, wir verstehen nicht. Ihr wisst doch in Wahrheit gar nichts. Wir 'Independent Groups' waren euch und eurer verruchten Regierung doch immer nur ein Dorn im Auge, der ohnehin ausgemerzt werden sollte. Ihr tut nichts um uns zu helfen!“ Er stieß Mulder hart vor die Brust, dass dieser rückwärts stolperte. Der Mann setzte ihm nach „So ist es doch, oder? Wir werden alle sterben nur weil hier zwei korrupte und unfähige Agenten stehen.“ Seine Augen funkelten, aber Mulder konnte in ihnen nur die nackte Panik erkennen. Stumm schüttelte er den Kopf. Er Mann biss die Zähne aufeinander, dass es knirschte. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Dann schlug er Mulder erneut vor die Brust, dass dieser ins Wanken geriet. Ein weiterer Schlag verfehlte sein Gesicht nur um wenige Zentimeter. „Ihr scheiß Bundesagenten!“ Mulder wich zurück, fing sich wieder und packte den Mann, der zu einem weiteren Angriff auf ihn zustürmte. Er rammte ihm unsanft den Ellenbogen in den Magen und schleuderte ihn zu Boden. Wütend richtete der Agent sich auf. „Glaubt ihr das wirklich? Glaubt ihr wirklich wir wären hier, wenn wir nur in Washington bleiben müssten, um euch sterben zu sehen?“ Niemand antwortete. „Ich weiß, dass ihr alle wahnsinnige Angst habt. Vor allem nach diesem heimtückischen Mord. Aber ihr dürft nicht zulassen, dass diese Angst euch blind macht! Wenn wir nur gegeneinander kämpfen kommen wir alle nicht sehr weit – und das Ergebnis könnt ihr euch vorstellen. Wir, Scully und ich, versuchen alles. Aber ohne eure Hilfe sind wir aufgeschmissen. Also hört auf gegen uns zu arbeiten! Ich kann nicht verlangen, dass ihr uns vertraut, aber glaubt mir zumindest eins: Diese Frau muss würdig begraben werden oder ihr unterstützt das was euch bedroht – und die Lage würde erneut schlimmer werden. Versteht wenigstens das! Ich kann es euch zu diesem Zeitpunkt noch nicht erklären, aber sobald die Zeit gekommen ist werdet ihr es erfahren.“ Seine Worte wirkten, der Zorn war verflogen. Niemand sagte mehr ein Wort. „Und jetzt geht wieder in eure Hütten. Wir sind, glaube ich, alle etwas nervös. Morgen können wir von mir aus gerne noch einmal darüber reden, aber nicht mehr jetzt!“ Keiner widersprach diesen Worten und die Gruppe zog sich zurück. Kapitel 10: Chapter X --------------------- Lager der Independent Group Sierra Madre / Mexico 09. 48 h 25. Mai Als Mulder und Scully am nächsten Morgen zu der Hütte der Ältesten gingen, wichen ihnen die Dorfbewohner aus, warfen ihnen verstohlene, fast scheue, aber auch misstrauische Blicke zu. Mulder schüttelte den Kopf. „Also erklär mir einer dieses Verhalten! Gestern Nacht hätten sie uns am liebsten hinausgeworfen, und heute...“ Scully hob die Schultern. „Vielleicht wissen die drei mehr.“ Sie klopfte an die Holztür und betrat die Hütte. Es war nur einer der drei Alten anwesend, aber er war nicht allein. Bei ihm stand ein Riese von einem Mann, den Scully hier noch nie zuvor gesehen hatte. Er war muskulös, und sein Gesicht hart und ausdruckslos, als er sich zu ihnen umwandte. Eine lange, hässliche Narbe zog sich über seinen Schädel und entstellte ihn auf grausame Weise. Er warf noch einen Blick auf den Alten und sagte etwas in einer Sprache, die weder Scully noch Mulder verstanden, dann verließ er die Hütte. Scully wich vor ihm zur Seite und warf Mulder einen prüfenden Blick zu. Ihnen war beiden der Schreck aufgefallen, der sich auf den Zügen des Alten breit gemacht hatte, als sie so unvermittelt die Hütte betreten hatten. Und dieser Ausdruck war auch jetzt noch nicht gänzlich aus seinen Augen gewichen, als sie die Tür hinter sich schlossen. „Agent Mulder, Agent Scully! Ich...bin sehr froh, dass sie gekommen sind. Treten sie doch näher.“ Mulder schürzte die Lippen und musterte ihn. „Ich möchte mich auf diesem weg bei ihnen entschuldigen. Es tut mir wirklich leid was gestern nacht geschehen ist. Es war nicht recht! Sie sind hier um uns zu helfen, und wir behandeln sie wie Schwerverbrecher!“ Scully verzog die Mundwinkel. „Nunja, so schlimm ist es ja nicht gewesen. Die Gruppe scheint sich mittlerweile ja wieder beruhigt zu haben und gestern Nacht waren wir alle äußerst gereizt.“ Der Alte hob die Schultern. „Sie müssen das verstehen! Wir wissen alle nicht mehr weiter – sie sind unsere einzige Hoffnung – aber wir können nicht von einem Tag auf den anderen unsere Traditionen und unsere Vorurteile, die weiß Gott falsch sein können, ablegen. Die Gruppe ist verängstigt und gibt allmählich die Hoffnung auf Rettung auf, wenn sie ihr nicht ihr Wissen mitteilen. Einige könnten denken, dass sie uns wirklich nur hintergehen wollen. Die Regierung war doch nie unser Freund gewesen!“ Scully nickte. „Es ist verständlich, dass sie Misstrauen empfinden, aber...“ „Das gibt uns nicht das Recht, unsere Gäste so schändlich zu behandeln. Wir fühlen uns alle sehr schuldig und ich muss mich schämen für den Mann, der Sie angegriffen hat, Agent Mulder. Ich habe immer versucht der Gruppe Respekt zu lehren, aber sie scheinen es nicht zu verstehen.“ Mulder schmunzelte ob dieser theatralischen Rede und winkte ab. „ Das ist Geschichte. Ich hoffe nur, dass wir ab sofort mehr auf ihre Unterstützung zählen können. Scully und ich können nicht alles allein tun, wir brauchen jede helfende Hand. - Wie steht es eigentlich mit der Beisetzung von San?“ Der Alte blickte sie einen Moment mit einem undefinierbaren Blick an, ehe er antwortete. „Ein kleiner Teil von uns ist heute Morgen vor Sonnenaufgang mit ihrem Leichnam zu unserem Friedhof aufgebrochen. Man wird sie dort zu den anderen Gräbern legen.“ „Und wo liegt dieser Friedhof?“ „Bei allem Respekt, Agent Mulder, aber diesen Ort kennt nur unsere Sippe und das soll auch so bleiben. Ich möchte nicht, dass jemand fremdes diesen Ort betritt.“ Scully blinzelte misstrauisch. Ihr war aufgefallen, dass der Alte im Verlauf des Gesprächs immer nervöser geworden war, und mittlerweile war sie sicher, dass er ihnen nicht die Wahrheit sagte. Zumindest nicht die ganze. Mulder unterbrach ihren Gedankenfluss. „Der eigentliche Grund aus dem wir hier sind ist, dass wir fragen wollten, ob wir mit dem Wächter von gestern Nacht sprechen könnten.“ „Selbstverständlich. Seine Hütte ist gleich schräg gegenüber. Gehen sie ruhig, ich bin sicher, er erwartet sie bereits. Er hat mit noch niemandem geredet.“ Der Nachtwächter saß mit starrem Blick auf seinem Bett und schien nicht zu merken, dass Scully und Mulder seine Hütte betraten. Mulder zog sich einen Schemel ans Bett und setzte sich. Er versuchte den Blick des Mannes aufzufangen, als er leise fragte: „Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen, zu dem Mord von gestern Nacht. Aber wenn Sie noch nicht darüber sprechen wollen, können wir noch warten.“ Der Mann erwachte aus seiner Erstarrung, seufzte und schüttelte den Kopf. „Es ist schon in Ordnung. Ich...ich bin nur noch nicht ganz über den Schock hinweg. Wissen Sie, soetwas passiert einem nicht alle Tage.“ Scully musste unwillkürlich grinsen, wurde aber sofort wieder ernst. „Können Sie sich noch an irgendwelche Details erinnern? Zum Beispiel wie der Mörder ausgesehen hat? Ob er irgendetwas auffälliges an sich hatte, was ihn möglicherweise identifizieren könnte? Wir brauchen alles woran sie sich noch erinnern können.“ „Er war der Sohn der Hölle. Seine Gestalt war knorrig – gebeugt und irgendwie auf eine absurde Weise verrenkt. So wie er da über San hockte... Ich habe ihn zwar gesehen, aber...“ Der Nachtwächter hob den Blick und schaute ratlos zwischen Mulder und Scully hin und her. Dann rieb er sich seufzend die Augen. „Es gibt keine Beschreibung für das was er ist. Ich kann mich nur an das erinnern, was mein Geist bereit gewesen war wahrzunehmen. Es war so...man kann es nicht begreifen mit seinem menschlichen Verstand. Selbst das, woran ich mich erinnern kann ist nicht wirklich greifbar. Ich glaube es gesehen zu haben, aber ich kann mir kein richtiges Bild machen. Wenn ich die Augen schließe, sind da nur seine Augen die mich anstarren, und der kalte Hauch des Todes und des Alters den ich spüre. Bitte, ich würde ihnen eine genaue Personenbeschreibung geben, wenn ich es nur könnte.“ Mulder und Scully tauschten einen kurzen Blick, ehe Mulder sich wieder an den Mann wandte: „Was haben sie gefühlt in der Anwesenheit dieses...Höllensohnes?“ Der Mann blickte missmutig vor sich hin. Es schien ihm unbehaglich zu sein, darüber zu sprechen. „Ich...ich hatte wahnsinnige Angst. Es war der Wahnsinn! Als er mich ansah - direkt in meine Augen – da hatte ich das Gefühl, als würde er...“ Er brach ab und sah sich hilflos um. „Dieser Blick war so endgültig gewesen und so eisig. Er hat etwas in mir hinterlassen, eine Gewissheit, dass es nicht vorbei ist. Und diese Gewissheit, dass ich gewusst hatte, dass es passieren würde – dass ich es seit jeher schon gewusst habe.“ Die Stimme des Nachtwächters war immer leiser geworden und als er weitersprach nicht lauter als ein Flüstern. Dieses Wesen – ich weiß nicht wer oder was es ist, aber wir kennen es alle. Alle die hier auf diesem Plateau leben. Aber wir können es nicht ergreifen, nicht aussprechen. Es ist älter als die älteste Generation. Das alles wurde mir schlagartig in dem Moment bewusst, als er mich ansah. In diesem Bruchteil einer Sekunde. Es ist verrückt, so verrückt, dass ich Angst vor mir selbst habe.“ er sah auf und blickte die Agenten flehentlich an. „Sie müssen uns helfen! Sie müssen einfach!“ Mulder nickte. „Natürlich. Wir werden alles tun was in unserer Macht steht. - Kennen Sie den Weg zu dem Ort, an dem damals, lange vor Ihrer Zeit, eine satanistische Sekte verscharrt worden ist?“ Der Mann schüttelte verstört den Kopf. „Nein. Das wissen nur die Ältesten. Und die verraten den Weg niemals. Nicht einmal dem amtierenden Vorsitzenden.“ Mulder stand auf und ging zur Tür. „Wir danken Ihnen für Ihr Entgegenkommen. Und falls Ihnen noch irgendetwas einfallen sollte...wir sind ständig für Sie ansprechbar.“ Draußen am großen Lagerfeuerplatz warf Mulder seiner Partnerin einen leicht amüsierten Seitenblick zu. „Nun, Scully, was denken Sie?“ Sie überhörte seinen neckischen Unterton und schaute ihn todernst an. „Er steht unter Schock. Man kann ihm nicht glauben. Wahrscheinlich schlägt seine Fantasie Purzelbäume.“ Mulder wiegte den Kopf. „Ich würde nicht alles sofort als Unfug abtun. Wir sollten uns den Ort, an dem die Sekte damals vergraben worden ist, wirklich einmal näher anschauen, denke ich. Schaden kann es nicht und falls sich meine Befürchtungen bewahrheiten sollten, können wir etwas tun.“ „Mulder, Sie haben doch gehört was der Mann gesagt hat. Niemand kennt den Weg dorthin, außer den drei alten Männern. Und ich glaube kaum, dass sie uns den Weg verraten würden.“ „Aber wir müssen dorthin! Ohne zu wissen wie es dort aussieht und ob der Ort mit den Morden in Verbindung steht, kann ich nicht weiter ermitteln.“ Scully sagte nichts dazu. Es kam ihr doch alles recht seltsam vor. Ihr Blick glitt zum Horizont, an dem sich erneut gewaltige Gewitterwolken auftürmten, über ihren Köpfen aber schimmerte der Himmel noch immer in einem satten Azurblau, von dem die Sonne gnadenlos herunterbrannte. Scully schnitt eine Grimasse. Dieses Wetter machte ihr wahrlich zu schaffen. „Mulder, was denken Sie eigentlich über die Kreuze auf unseren Stirnen?“ Er sah sie fragend von der Seite her an. „Also wie ein schlechter Scherz kam mir das nicht vor. Dafür hat Leandres zu seltsam reagiert. Er erschien mir zutiefst erschreckt.“ Sie zögerte und schüttelte dann ratlos den Kopf. „Irgendetwas ist in diesem kleinen Dorf ganz und gar nicht in Ordnung.“ Als ihr Partner noch immer nichts darauf erwiderte, schaute sie auf. Hinter seiner Stirn arbeitete es, dass konnte sie deutlich erkennen, aber er verlor kein Wort über das, worüber er so angestrengt nachdachte. Resigniert blieb sie stehen. „Mulder, das gefällt mir nicht! Ich werde das dumme Gefühl nicht los, dass hier etwas hinter unserem Rücken geschieht. Es kommt mir beinah so vor, als würden die Bewohner etwas vor uns verheimlichen. Und dann dieser Mann den wir in der Hütte der Ältesten angetroffen haben... Er war mir nicht ganz geheuer, fast unheimlich. Ich traue dem Frieden hier nicht ganz.“ Mulder war stehen geblieben und sah sie aufmerksam an. Seine Augen glitzerten. „Seltsam, nicht? In einem Moment sieht es so aus, als seien sie kooperativ und hilfsbereit. Doch im nächsten errichten sie eine Mauer des Schweigens. Ehrlich gesagt weiß ich nicht wie es weiter gehen soll. Sie erwarten von uns, dass wir ihnen helfen, aber sie denken nicht mal im Traum daran uns dabei zu unterstützen. Es sieht fast so aus, als hielten sie es für ein Ding der Unmöglichkeit.“ Er hielt inne und blickte auf, als ein Mann zu ihnen trat. Es war der Schwarzhaarige, der Mulder und Scully gestern zu den Tatorten begleitet hatte. Er musterte die Agenten lange und ein schwaches Lächeln umspielte seine schmalen Lippen. „Sie wollen also zu den Ruinen?“ Scully blinzelte misstrauisch, sein Lächeln wirkte auf sie bedrohlich und besaß etwas haifischähnlches. Seine Augen lagen weit auseinander und waren von einem tiefen, blutigen Rot gerändert, was die tiefe Schwärze von ihnen noch unterstrich. Scully konnte kein Spiegelbild in ihnen erkennen und sie hatte das Gefühl, als würden sie sich auf eine absurde Weise ausdehnen und jegliches Licht absorbieren. Sie musste sich gewaltsam von diesem Anblick losreißen. Ihr fiel ein Sprichwort ein, das besagte, dass die Augen eines Menschen die Fenster zu dessen Seele seien. Wenn dies so war, so blickten diese aus einem leeren Raum. Auch Mulder blieb skeptisch. „Es würde uns in unseren Ermittlungen möglicherweise ein gutes Stück voranbringen. Wieso...“ Der Mann unterbrach ihn. „Wenn sie wollen, kann ich sie dorthin bringen. Vielleicht hat man ihnen ja schon von mir erzählt. Mein Name ist Lucàr. Ich bin der beste Pfadfinder in diesem Dorf den sie finden können.“ Er reichte ihnen die Hand. Zögernd erwiderten Mulder und Scully die Geste. „Nach dem Ärger gestern Nacht habe ich über Ihre Worte nachgedacht, Agent Mulder. Ich wünsche mir wirklich, dass dieser Fall gelöst wird, und zwar schnellstmöglich. Und ich wäre stolz, wenn ich ihnen dabei behilflich sein könnte.“ Mulder sah Scully flüchtig von der Seite her an. „Schön und gut, aber uns wurde gesagt, dass niemand außer den drei Ältesten den Weg dorthin kennt und dass sie es nicht dulden, sollten Fremde dorthin gelangen.“ Lucàr grinste verlegen. „Das ist richtig und eigentlich sollte es auch so sein, aber... Sie waren doch auch einmal jung und grade wenn einem so sehr verboten wird etwas nicht zu tun, macht man es erst recht. Oder nicht? Also bin ich losgezogen, um diesen Ort zu finden. Es war wahrhaftig nicht einfach, aber mit einiger Mühe wurde ich schließlich doch noch fündig. Es wäre für mich wirklich kein Problem sie dort hin zu bringen, wenn sie es für ihre Ermittlungen so dringend benötigen.“ Scully kannte Mulders Antwort auch ohne ihn ansehen zu müssen und willigte ein. Sie musste. Denn wenn sie es nicht tat, würde Mulder allein gehen. „Wann können wir aufbrechen?“ Lucàr hob die Schultern. „Von mir aus sofort. Es ist nicht sehr weit von hier. Ungefähr die selbe Strecke wie gestern.“ Kapitel 11: Chapter XI ---------------------- Ruinen Regenwald der Sierra Madre 10. 25 h 25. Mai Der Weg erwies sich als wesentlich beschwerlicher als der, der zu den beiden Tatorten geführt hatte. Es ging beständig bergauf und nicht selten mussten sie über feuchte, rutschige Hänge klettern. Der Boden war durch die heftigen Regenfälle der letzten Tage aufgeweicht und bot nur mäßig sicheren Halt. Zudem wurde das Licht untern den Bäumen immer schwächer, so dass sie ihren Weg nur schemenhaft vor sich ausmachen konnten und immer wieder gefährlich ins Stolpern gerieten. In der Ferne rollte bereits leiser Donner. Als sie nach einer schier endlosen Zeit die Ruinen erreichten waren sie alle drei außer Atem und in Schweiß gebadet. Mulder fluchte unwirsch und lies sich erschöpft an einem Baum nieder, um einen Moment Atem zu schöpfen. „Verdammt, ich denke ich verstehe jetzt, was es mit dem Spruch 'sich in die Büsche schlagen' auf sich hat.“ Missmutig betrachtete er seine Handflächen, die blutig waren von dem ungleichen Kampf mit den Waldpflanzen. „Zu meinem Hobby wird das jedenfalls nicht.“ Scully bedachte ihn lediglich mit einem „Selber-Schuld“-Blick und folgte Lucàr, der bereits zu den Ruinen hinüber gegangen war und an einem der Eingänge auf die beiden Agenten wartete. Wie schwarze Löcher fraßen sich diese Zugänge in die verwitterten Steinmauern, der überwiegende Teil allerdings verborgen hinter einer Wand aus Schling- und Kletterpflanzen. Die Gemäuer standen in einigem Abstand zueinander und unter ihren Füßen konnte Scully noch immer stellenweise gefliesten Boden erkennen, was sie vermuten lies, dass es sich hier einst um einen großen Platz gehandelt haben musste. Doch schon lange hatte die Natur diesen Ort wieder für sich zurück gewonnen. Ebenso wie an den Gebäuden selbst der Zahn der Zeit nagte und sie verfallen lies. Versunken in dem Meer der grünen Hölle ließen sich ihre damaligen Ausmaße lediglich erahnen, einst beeindruckender Prunk zu Staub zerfallen. Lucàr riss die Agentin aus ihren Gedanken, als sie langsam zu dem jungen Mann herantrat. „Dies hier ist das ehemalige Hauptgebäude. Es ist das einzige, welches man noch ungefährdet betreten kann. Alle umliegenden sind eingestürzt oder drohen es in naher Zukunft zu tun. Allerdings muss ich sie darauf aufmerksam machen, dass auch hier eine gewissen Gefahr nicht ausgeschlossen werden kann. Diese Gebäude sind alt, sehr alt und niemand kann voraussagen wann sie sich dem Sog der Vergangenheit geschlagen geben werden.“ Mulder hatte sich wieder auf die Beine gekämpft und kam nun zu ihnen herüber. Ehrfürchtig glitt sein Blick dabei über die Gemäuer, er mochte gar nicht abschätzen wie lange sie hier bereits ihr Dasein fristeten. Nur schwach bahnten sich Lichtstrahlen einen Weg bis hier herunter, ließen die Luft flirrend vibrieren und tauchten den Ort in sanftes, grünlich-graues Zwielicht. Er schauderte. „Diese Gefahr werden wir wohl eingehen müssen. Wir sind bis hierher gekommen, da lass ich es mir nicht nehmen auch den Rest zu sehen.“ Sie betraten die Ruine hintereinander. Lucàr ging voraus, Scully folgte ihm und Mulder bildete den Schluss. Bereits nach wenigen Schritten mussten sie die mitgebrachten Fackeln entzünden und folgten dem Pfandfinder den Gang hinunter, der sich um unzählige Kurven wand, an düsteren Räumen und Abzweigungen vorbei immer tiefer hinein in das Herz. Mit jeder Treppe die sie hinabstiegen wurde die Luft verbrauchter und stickig, die Flamme der Fackel zuckte unruhig, als wolle sie sich über diesen Umstand beschweren. Als Lucàr für einen kurzen Moment an einer Kreuzung stehen blieb um sich zu orientieren, platzte Scully die Frage heraus, die ihr bereits seit geraumer Zeit auf der Zunge brannte: „Sagen Sie, Lucàr, sind Sie sich auch sicher, dass Sie sich hier auskennen“ Ich an meiner Stelle hätte bereits lange die Orientierung verloren.“ Sie war noch immer misstrauisch, was Mulder ihr nicht verübeln konnte. Von einer unbekannten Person derart abhängig zu sein wie sie es im Moment waren, waren sie beide nicht gewohnt – und es missfiel ihnen. Lucàr lächelte kühl und sah sie nicht einmal an, als er antwortete. „Hätte ich einen Grund sie hier her zu bringen, wenn ich mich hoffnungslos verlaufen würde? Es entspricht nicht meinem eigenen Kodex jemanden zu betrügen, der ernsthaft daran interessiert ist, meinen Freunden zu helfen.“ Scully lies es dabei bewenden und folgte ihm weiter den Gang hinunter, auch wenn das flaue Gefühl in ihrem Magen blieb. An vielen Stellen war die Decke des Ganges bereits eigestürzt oder sie mussten umkehren, weil sie sich in einer Sackgasse befanden. Als sie schon nicht mehr zu glauben wagten, etwas zu finden, erreichten sie das, wonach sie gesucht hatten. Den Raum, in dem vor Jahrzehnten die Sekte hingerichtet und verscharrt worden war. Die Decke hing hier besonders niedrig über ihren Köpfen und war durchzogen von faustgroßen Rissen. Recht mittig des Raumes waren sogar vereinzelte Steinquarder herausgebrochen. Gedämpftes Licht sickerte durch diese Öffnung und ein schwacher Luftzug wirbelte den Staub am Boden darunter auf. Lucàr machte eine Geste durch den Raum. „Hier ist es. Ein einziges der acht Gräber ist noch intakt und unangetastet. Ich kann ihnen nicht sagen wer so etwas getan haben könnte, aber wie sie sehen sind die anderen sieben vollkommen zerstört.“ Mulder und Scully gingen Seite an Seite von Grube zu Grube. Jede einzelne von ihnen war ausgegraben worden, die Leichen herausgehoben und bis zur Unkenntlichkeit zerstört worden. Jetzt waren nur noch bleiche Knochenhäufchen zwischen Sand und Trümmern zu erkennen. Mulder ging neben dem noch erhaltenen Grab in die Hocke und ließ seine Finger behutsam durch den feinen Sand gleiten. Seine Augen wurden schmal und er runzelte die Stirn, als er mehrere kleine Löcher im Boden über dem vergrabenen Sarg entdeckte. Er griff nach einem Stock und begann in sie hinein zu stochern. Sie waren so tief, dass er den Boden nicht erreichen konnte. „Scully, sehen Sie sich das einmal an!“ Sie kam zu ihm herüber und warf einen Blick über seine Schulter. Er deutete auf die Löcher, wobei er sie allerdings nicht ansah, so dass er ihre plötzliche Blässe nicht bemerkte. „Können Sie sich das erklären?“ Sie schüttelte den Kopf. „Vielleicht ein Tier oder ähnliches. Ein Insekt das sich in dem geschützten Hohlraum eine Bleibe eingerichtet hat. Aber gesehen habe ich so etwas noch nie.“ Eine Weile schwiegen sie beide grübelnd. Doch dann richtete sich Scully auf und schaute sich suchend um. „Mulder!“ Ihre Stimme klang alarmiert und Mulder reagierte sofort. Er stand auf und begriff, was Scully so beunruhigte. Lucàr war verschwunden. Schulter an Schulter standen sie da und blickten sich ratlos um. Drei weitere Räume grenzten an diesen an, und der Gang aus dem sie zuvor gekommen waren. Doch nirgends konnten sie den Pfandfinder entdecken. Scully fluchte. Ich wusste, dass wir ihm nicht trauen können!“ Ihrer Stimme war deutlich anzuhören, dass sie viel mehr Angst hatte, als sie Ärger empfand. Scully hatte selten Angst, aber wenn, dann war es zumeist berechtigt. So wie jetzt. „Lucàr?“ Mulder lauschte, doch außer seines eigenen Echos war nichts zu hören. Nichts rührte sich, es herrschte absolute Stille. Langsam bekam auch der FBI-Agent ein ungutes Gefühl im Magen. „Wir müssen ihn suchen, oder zumindest einen Weg nach draußen finden.“ Er warf einen prüfenden Blick in das Loch in der Decke, doch der Schacht war für einen erwachsenen Menschen viel zu eng. „Nun gut, Sie suchen in diesem Raum, ich in diesem. Aber wir bleiben immer in Blickkontakt!“ Sie begannen zu suchen. Die umliegenden Räume, die dahinter liegenden Gänge – nichts. Sie verfolgten den Weg zurück den sie gekommen waren, suchten im Sand nach Fußabdrücken und riefen nach Lucàr. Doch sie erhielten noch immer keine Antwort. Schleichende Nervosität ergriff von den beiden Agenten Besitz. Sie kannten den Weg nicht, der nach draußen führte, und selbst wenn doch, so würden sie den Weg zurück ins Lager noch wesentlich weniger finden. Wenn Lucàr tatsächlich verschwunden war, warum? Plötzlich hörten sie Schritte die sich ihnen aus einem der Gänge, die von den angrenzenden Räumen abgingen, näherten. Alarmiert huschten Mulder und Scully tiefer in die Schatten der Fackeln, Mulders Hand schwebte über seinem Revolver. „Lucàr?“ Die Schritte hielten inne, als die Stimme des FBI-Agenten durch die Gewölbe hallte, um sich dann in drückender Stille zu verlieren. Der Gang war nur wenige Schritte weit beleuchtet und wurde dahinter zu einem formlosen schwarzen Loch. Noch immer konnten sie nicht erkennen wer Verursacher der Schritte gewesen war. Um ein Haar hätte Mulder den Pfandfinder über den Haufen geschossen, als dieser mit verwundertem Blick aus dem Gang trat. „Mensch Leute, ich habe sie gesucht! Wo zum Teufel sind sie gewesen? Ich habe ihnen doch ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass wir uns in keinem Fall trennen dürfen.“ Tadelnd blickte er von Scully zu Mulder. „Nicht wir waren es, die urplötzlich verschwunden sind. Sie waren mit einem Mal fort, Lucàr.“ Scullys Augen waren nicht mehr als schmale Schlitze und sie sah den jungen Mann mit unverhohlenem Misstrauen an. „Wo waren Sie?“ Lucàr hob entschuldigend die Hände. „Oh ich bitte Sie! Ja, ich war für ein paar Sekunden im Nebenraum, nicht sehr weit. Ich b in sofort wieder zurückgekommen, aber da waren sie bereits weg. Ich wäre doch schön blöd, wenn ich sie her unten allein sitzen lassen würde.“ „Wir haben die Räume abgesucht, aber Sie haben wir nirgends gesehen.“ „Dann sind wir vermutlich die ganze Zeit im selben Abstand umeinander herum geschlichen. Ich habe sie schließlich auch rufen hören. Wären sie stehen geblieben, wäre ich gleich wieder bei ihnen gewesen.“ Ärger schwang in seiner Stimme und für einen Augenblick rang sein Blick mit dem von Scully. Dann riss er sich los und stapfte zurück in den Raum mit den Gräbern. Dort ließ er sich an einer der Wände zu Boden rutschen und blieb dort sitzen, ohne die Agenten noch einmal zu beachten. Seine Kiefer mahlten. Nur mühsam hatte er seinen Zorn eben beherrschen können, der sich noch immer blitzend in seinen Augen spiegelte. Mit einem Knirschen zerbrach er einen dürren Knochen, mit dem er gespielt hatte. Er schnaubte abfällig, dann schloss er die Augen. Mulder schritt noch einmal die zerstörten Gräber ab und ließ seinen Blick umherschweifen. Er wollte sich jedes Detail einprägen. Als sein Fuß gegen etwas hartes stieß, dass bereits halb vom Sand verschüttet worden war, ging er in die Hocke. Steinscherben aus brüchigem, alten Ton. Er hob eine davon vor seine Augen, doch die verzierte Inschrift war bereits bis zur Unkenntlichkeit verblasst. Er richtete sich wieder auf und wandte sich zu Scully, ohne jedoch den Blick dabei zu heben. „Scully, für wie alt halten Sie die?“ Als seine Partnerin nicht reagierte schaute er verwundert auf. Erschrocken ließ er die Scherbe in seiner Hosentasche verschwinden, streckte die Arme aus und konnte sie im letzten Moment noch auffangen, als sie vor seinen Augen zusammenbrach. Sie war aschfahl und kalter Schweiß bedeckte ihr Gesicht und ihren ganzen Körper. Schwach strich ihr Atem über Mulders Wange, als er sie behutsam auf den Boden gleiten ließ, und ein Zittern huschte gleich einem Schauer über sie hinweg. „Scully...“ Besorgt prüfte er ihre Vitalfunktionen und sah zu Lucàr auf, der aufgestanden war und nun zu ihm herüber kam. Seine schwarzen Augen funkelten und Mulder war, als würde er einen Hauch grimmiger Befriedigung in ihnen erkennen. Doch der Moment verflog und ein leises Stöhnen der Agentin lenkte seine Aufmerksamkeit davon ab. „Was hat sie?“ Mulder schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Vermutlich ist die Luft hier unten zu schlecht. Das Klima allgemein scheint ihr recht stark zuzusetzen. Ihr Puls ist sehr schwach und sie atmet nur flach. Wir müssen sie hier herausbringen, damit sie wieder befreiter atmen kann und zu sich kommt.“ Er stand auf und hob Scully vom Boden. Bewusstlos wie sie war lastete sie schwer auf seinen Armen. „Bringen Sie uns auf dem schnellsten Wege hier heraus, Lucàr!“ Als sie aus den Ruinen heraustraten wehte der Wind in kleinen Böen um die Gemäuer und die Sonne war gänzlich hinter tiefliegenden Wolken verborgen. Die Luft war feucht und drückend und bot nicht allzu große Erleichterung gegenüber der abgestandenen Luft unter der Erde. Mulder fröstelte. Er fühlte sich an diesem Ort alles andere als wohl. Irgendwo in seinem Hinterkopf spürte er Angst aufsteigen. Angst vor etwas das er zwar kannte, aber nicht benennen konnte. Er setzte Scully am Fuße eines Baumriesen ab und fächelte ihr, so gut es eben ging, frische Luft zu. Doch es dauerte noch eine ganze Weile, bis sie ihr Bewusstsein wiedererlangte. Verwirrt sah sie zuerst Lucàr, dann Mulder an. „Was ist passiert?“ Der Pfadfinder streckte ihr hilfsbereit eine Hand entgegen, als sie versuchte aufzustehen. „Sie sind zusammengebrochen. Ich nehme an, dass dieser kleine Trip Sie doch mehr angestrengt hat als wir anfangs dachten. Sowas kann schon mal vorkommen, sorgen Sie sich nicht.“ Scully ignorierte die angebotene Hilfe und stand aus eigener Kraft auf. Sie hatte die Auseinandersetzung von vorhin keinesfalls vergessen und auch nicht den Blick, den sie anschließend mit ihm gewechselt hatte. Dieser Mann war gefährlich. Mulder funkte dazwischen, ehe diese offen dargelegte Ablehnung Scullys zu erneutem Streit führen konnte. „Wir sollten uns auf den Weg zurück zum Lager machen. Es wird bald dunkel und ich möchte nicht nach Anbruch der Nacht draußen umherwandern.“ Schweigend stimmten sie diesem Vorschlag zu und ergriffen ihre Macheten, um sich einen Weg nach Hause durch diese grüne Hölle zu bahnen. Kapitel 12: Chapter XII ----------------------- Lager der Independent Group Sierra Madre / Mexico 18.03 h 25. Mai Jeder von ihnen war am Ende seiner Kräfte, als sie das Plateau endlich erreichten. Sie waren nur sehr langsam voran gekommen und hatten der erschöpften Scully oft helfen müssen. Sie hatte sich für den Rest des Tages hingelegt und so fand Mulder die Ruhe und Zeit, um ausgiebig über seine Theorie nachzugrübeln. Er beschloss, Lucàr noch einmal aufzusuchen. Er war überzeugt, dass der junge Mann etwas wusste und Mulder musste es irgendwie aus ihm herausbekommen. Denn dass es sich um wichtige Kenntnisse handelte, daran zweifelte der Agent keinen Augenblick. Lucàr schreckte auf, als der FBI-Agent seine Hütte betrat. Er lächelte, aber seine schwarzen Augen straften diese Geste Lügen. Mulder spürte, dass er ungelegen kam. „Entschuldigen Sie diesen Überfall zu später Stunde, aber ich finde einfach noch keine Ruhe. Die ganze Zeit versuche ich schon mir einen Reim aus den Erkenntnissen zu machen, die wir hier machen konnten, aber noch fehlen mir zu viele Teile, um ein ganzes Bild erschaffen zu können.“ Er blickte den Pfandfinder aufmerksam an, konnte jedoch keinerlei Reaktion auf dessen Zügen erkennen. „Ich glaube aber, dass Sie mehr wissen, als sie mir und meiner Partnerin bislang erzählt haben. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will Ihnen daraus keinen Vorwurf machen, wahrscheinlich haben Sie ihre Gründe. Aber ich brauche einfach noch weitere Informationen, um das Puzzle zu vervollständigen. Und ich habe gehofft, dass Sie mir dabei behilflich sein könnten.“ Lucàr nickte langsam und bedeutete Mulder sich zu setzen. „Wir werden sehen, was sich machen lässt. Stören Sie sich nicht an der Unordnung, so sieht es hier meistens aus.“ Er setzte sich dem FBI-Agenten gegenüber auf den Boden und sah ih erwartungsvoll an. „Nun?“ Mulder schaute auf seine Finger. Für einen Moment geriet er ins Straucheln, ob er diesen zwielichtigen Burschen tatsächlich in seine Vermutungen einweihen sollte. Doch wie er es drehte und wendete, es gab keinen anderen Weg. „Ich kann ohnehin nicht mehr lange an der Wahrheit – oder besser ausgedrückt meiner Vermutung - vorbeireden.“ Er hob den Blick. „Lucàr, kennen Sie sich mit Vampiren aus?“ Der Blick des jungen Mannes wurde kalt. „Wie man's nimmt. Weshalb fragen Sie?“ „Wissen Sie etwas über die Unfälle, die sich in den letzten Jahren hier in der Gegend ereignet haben?“ „Nur aus Erzählungen. Früher bin ich des öfteren mit meinen Freunden zu diesen Orten gewandert, bis es uns zu gefährlich wurde. Seltsame Dinge sind uns dort begegnet, wissen Sie? Und wir wollten nicht das selbe Schicksal erleiden wie die unglückseligen Opfer.“ Mulder nickte, ging aber nicht weiter auf diese Äußerung ein. „Gab es früher mehrere dieser schwarzen Sekten? Vielleicht ohne dass es die Ältesten wussten?“ Lucàr wurde ungeduldig: „Hören Sie, Mann! Warum fragen Sie mich all diese seltsamen Dinge? Sie können doch nicht allen Ernstes Glauben, dass unsere Gruppe von Vampiren bedroht wird?“ Seine Augen blitzten. „Vielleicht, vielleicht nicht. Doch ich möchte diese Möglichkeit nicht ausschließen. Ich frage Sie, weil ich bei den Ältesten das Gefühl habe, dass sie meiner Partnerin und mir gewisse Dinge vorenthalten, die aber zwingend notwendig für den Erfolg unserer Ermittlungen sein würden. Und da Sie vorhin sagten, dass Sie stolz wären, wenn Sie uns bei der Lösung des Falls behilflich sein könnten, bin ich zu Ihnen gekommen.“ „Ich kann Ihnen da aber nicht helfen, Agent Mulder. Wir Dorfbewohner haben lediglich untereinander hin und wieder Geschichten erzählt. Geschichten! Mehr nicht.“ „Erzählen Sie mir von diesen Geschichten.“ Lucàr musterte Mulder grimmig. „Das werde ich nicht tun. Ich bin kein Geschichtenerzähler und wir haben auch grade keine Märchenstunde. Aber...fragen Sie doch einmal Salvatore. Als ich vorhin bei ihm war, hat er sich äußerst merkwürdig verhalten. Wer weiß, vielleicht können Sie ihn besser von ihrer – Vermutung überzeugen als mich.“ Mulder sah den jungen Mann lange und wortlos an, ehe er langsam nickte, aufstand und ohne ein weiteres Wort zu verlieren ging. Draußen vergrub er die Hände in seinen Hosentaschen und blickte nachdenklich vor sich hin, während er zu Salvatores Hütte ging. Lucàrs Reaktion hatte ihn wirklich überrascht – und nur noch misstrauischer gemacht. Mulder war sich sicher, dass er mitten ins schwarze getroffen hatte, was Lucàr ganz und gar missfallen hatte. Irgendetwas an diesem Mann stimmte nicht und weswegen er sich so plötzlich weigerte, einige wenige Fragen zu beantworten, war dem Agenten schleierhaft. Er erreichte die Hütte von Salvatore, klopfte an und trat ein. Überrascht blieb er aber auf der Schwelle stehen, ehe er behutsam die Tür hinter sich schloss und in den kleinen Raum hineintrat. Salvatore hatte sich in die hinterste Ecke der Hütte gekauert, die Beine an den Körper gezogen und mit den Armen umschlungen. Seine Augen waren geschlossen und ein deutliches Zittern überlief seinen Körper in unregelmäßigen Abständen. Er schien Mulder nicht einmal bemerkt zu haben. In dem schwachen Licht, das noch von draußen hereinschien, glitzerte Schweiß auf dem blassen Gesicht und das Hemd klebte vollkommen durchtränkt an seinem Oberkörper. Besorgt trat Mulder näher. „Salvatore?“ Der Mann öffnete erschrocken die Augen und blinzelte zu Mulder herüber. „Ist alles in Ordnung? Soll ich Scully holen? Sie ist Ärztin und kann Ihnen helfen.“ Der FBI-Agent ließ sich auf die Bettkante sinken und musterte Salvatore eingehend. Der seufzte und rieb sich die Augen. „Nein. Nein, es ist schon in Ordnung. Ich denke mal, dass ich mir gestern bei unserem kleinen Ausflug eine deftige Erkältung zugezogen habe. In ein paar Tagen ist das vorbei.“ Er sah Mulder an. „Aber ich vergesse mich. Wie kann ich Ihnen helfen, amigo?“ Mulder runzelte die Stirn. Salvatore hatte sich bemüht unbekümmert zu klingen, wohl aber ein wenig zu übermotiviert, denn Mulder hatte die entsetzliche Sorge in seinen Augen deutlich erkennen können. Hatte denn hier jeder ein Geheimnis zu verbergen? Er beschloss, die Sache erst einmal auf sich beruhen zu lassen und Salvatore im Auge zu behalten. Er würde Scully später bitten einmal einen Blick auf den offensichtlich kranken Mann zu werfen. „Salvatore, die Frage mag Ihnen ein wenig befremdlich erscheinen, aber...wissen Sie etwas über Vampire?“ Er schüttelte verblüfft den Kopf. „Ich komme grade von Lucàr. Er hat mich hier her geschickt und meinte, Sie könnten mir vielleicht mehr verraten.“ Als Salvatore noch immer nichts sagte, fuhr er fort: „Er sagte mir, dass man sich hier hin und wieder ein paar Schauermärchen erzählen würde.“ Diesmal bekam er eine Antwort. „Das ist wahr. Aber ich glaube kaum...“ „Bitte! Erzählen Sie mir von ihnen. Vielleicht hilft es ja doch etwas.“ Salvatore schwieg eine Weile, es war ihm merklich unangenehm darüber zu sprechen. „Die Älteren aus unserer Gruppe erzählen manchmal, dass früher, als es noch kein Ausgehverbot gegeben hat, einige wenige etwas seltsames gehört oder gesehen hätten, das sich des nachts hier auf unserem Plateau herumschleichen würde. Die Erzählungen hätten sich jedes Mal verblüffend geähnelt. Immer war die Rede von einer großen, dunklen Gestalt, die sich darauf verstand sich lautlos zu bewegen und von einer Sekunde auf die andere zu verschwinden. Große Gefahr sei von ihr ausgegangen und nach jeder Sichtung wurde am darauf folgenden Tag ein totes Tier gefunden.“ Mulder runzelte die Stirn, hatte er doch eine andere Geschichte als die über den bösen schwarzen Mann erwartet. „Gab es denn besondere Umstände – spezielle Witterungen – unter denen diese Gestalt gesichtet worden war?“ „Nein. Man wusste vorher nie wie, wann und wo man ihr das nächste Mal begegnen würde. Und niemand wusste, wer ihr als nächstes begegnen würde. Einige wenige behaupteten, dass die Sichtungen gehäuft um Neu- und Vollmond vorkamen. Aber das wurde wohl niemals wirklich bestätigt. Eines jedoch war seltsam: Diese Gestalt wurde jedes Mal ein klein wenig anders beschrieben. Mal war es eine verkrüppelte, furchteinflößende Gestalt, mal ein stattlicher, muskulöser Mann. Doch inwieweit diese Geschichten der Wahrheit entsprechen, vermag ich nicht zu sagen, Agent Mulder.“ Mulder nickte und starrte nachdenklich an die gegenüberliegende Wand. „Glauben Sie, dass es etwas mit Ihrem Fall zu tun hat?“ „Es ist gut möglich.“ Er sah Salvatore an. „Näheres werden wir aber erst nach ein paar weiteren Untersuchungen wissen. Wir werden uns sobald als möglich an die Gruppe wenden.“ Er schwieg eine Weile, in der er Salvatore offen musterte. Mulder konnte nicht genau sagen was es war, doch ihr Freund schien sich zu verändern, bereits verändert zu haben. Etwas geschah mit ihm und besorgt registrierte der Agent die unheilvolle Vermutung, die in ihm aufstieg, aber, so hoffte er, nicht zur Gewissheit werden würde. „Ich hoffe inständig, dass wir helfen können.“ sagte er sanft, stand auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. „Gute Besserung, Salvatore. Wenn wir Ihnen irgendwie helfen können...“ Der Mexikaner schüttelte nur heftig den Kopf, sah Mulder aber mit einer solchen Angst in den Augen an, dass es dem Agenten kalt den Rücken überzog. Blanke Hilflosigkeit und Schmerz löschten jeden Zweifel, den er vorher noch gehegt hatte. Unschlüssig blieb er noch einen Augenblick stehen, dann verließ er beinah fluchtartig die winzige Hütte. Auf halbem Weg wurde Mulder von Lucàr abgefangen. Er verließ grade die Hütte der Ältesten und kam schnellen Schrittes auf den FBI-Agenten zu, als er diesen gewahrte. „Agent Mulder, gut dass ich Sie treffe. Mir ist da noch etwas eingefallen, dass ich vorhin während unseres kleinen Gespräches ganz vergessen hatte.“ Er hielt kurz inne und schaute Mulder prüfend in die Augen. „Aber kein Wort an die anderen, haben wir uns da verstanden?“ Mulder blinzelte skeptisch ob des urplötzlichen Sinneswandel und schürzte die Lippen, nickte dann jedoch bedächtig. Er wollte wissen was dieser seltsame junge Mann ihm diesmal zu erzählen hatte. „Heute Nacht ist Vollmond, wie Sie vielleicht wissen. Der sechste in diesem Jahr. Wenn Sie der Wahrheit wirklich näher kommen wollen, dann gehen Sie nach Anbruch der Dunkelheit zu den Ruinen. Es gibt nur wenige Menschen, die spüren was heute Nacht vor sich gehen wird. Folgen Sie ihrem Instinkt, Agent Mulder!“ Mulder blickte wie hypnotisiert in Lucàrs unergründliche Augen. Sie besaßen eine unendlich tiefe, alles verschlingende Schwärze, die sich auszudehnen schien, mit jeder Sekunde, die man länger in sie hinein sah. Der Pfandfinder trat auf Mulder zu, der mit einem Mal ein heißes Brennen zwischen seinen Augen fühlte. Gebannt starrte er Lucàr an. Der grinste dämonisch, während er flüsterte: „Sie müssen dorthin gehen, Mulder! Tun Sie das nicht, werden Sie die Wahrheit nie erfahren.“ Eine Weile standen sie sich noch schweigend gegenüber, dann ging Lucàr. Als Mulder ihre Hütte betrat, fand er Scully schlafend vor. Leise ging er zu seinem Bett, legte sich hin und schrieb seine letzten Erkenntnisse und Vermutungen in Stichworten auf einen Zettel. Er begann darüber nachzugrübeln, und darüber, was er über den jungen Pfadfinder dachte. Was zum Teufel hatte der Kerl da eben grade mit ihm angestellt? Versuchte er sich zurück zu erinnern, begann das Brennen zwischen seinen Augen erneut und wurde in nur kurzer Zeit schier unerträglich. Mulder fühlte sich auf eine seltsame Art und Weise geschwächt. Nachdenklich sah er auf den Zettel mit seinen Notizen. Er vertraute Lucàr kein bisschen, genauso wenig wie Scully, aber er spürte auch, dass er Wissen besaß, welches ihnen womöglich als einziges weiterhelfen konnte. Ob gewollt oder ungewollt konnte er nicht sagen, denn er fühlte genauso sehr die Abneigung, die Lucàr ihm und Scully entgegenbrachte. Etwas war vollkommen gegensätzlich in ihm, was Mulder verunsicherte. Tief in sich spürte er, dass dieser junge Mann eine Gefahr verbarg oder gar selbst verkörperte. Aber er wusste mit der selben Überzeugung, dass er nicht auf dessen 'Hilfe' verzichten durfte, welcher Art sie auch immer sein mochte. Seufzend schloss er die Augen. Es war am besten, wenn er mit Scully darüber sprach. Im Augenblick hatte er das Gefühl, als drohe das alles ihm über den Kopf zu wachsen. Es waren so viele Fragen auf die es keine Antworten gab, es gab noch so viele Lücken und alles war so unheimlich verworren und unklar. Mulder wusste nicht mehr, was er nun wirklich glauben sollte und was nicht. Als er das nächste Mal die Augen aufschlug und auf die Uhr sah, war beinah eine ganze Stunde vergangen. Erstaunt rieb er seine müden Augen, er musste eingeschlafen sein. „Ich weiß nicht seit wann Sie geschlafen haben, aber Sie waren komplett weggetreten.“ Mulder wandte den Kopf und blickte zu Scully hinüber, die auf ihrem Bett saß und seine Notizen las. „Interessante Ansichten, Mulder. Aber wie kommt es, dass Sie sich so sicher sind?“ Er stand auf und dehnte sich. „Wenn ich es wüsste, hätten wir den Fall in Kürze gelöst. Meine Güte, so erschöpft bin ich seit Jahren nicht mehr gewesen.“ Sie sah musterte ihn forschend. „Krank sind Sie jedenfalls nicht. Wahrscheinlich liegt es am Wetter, mir geht es ähnlich.“ Er nickte und griff nach seiner Jacke. „Wo wollen Sie denn hin? Draußen ist es doch bereits dunkel?“ „Haben Sie meine Notizen nicht gelesen? Dann wissen Sie auch welcher Sache ich jetzt auf den Grund gehen will.“ Er ging zu Tür. „Ach, Scully, währen Sie so gut sich Salvatore einmal genauer anzusehen?“ Sie hob eine braue und schwenkte den Notizzettel ihres Partners. „Sie meinen wegen seines Zustandes? Und wonach soll ich Ihrer Meinung nach schauen? Vielleicht nach spitzen Eckzähnen oder Fledermausflügeln?“ Er grinste spitzbübisch und verließ ohne darauf zu antworten die Hütte. Kapitel 13: Chapter XIII ------------------------ Regenwald Sierra Madre / Mexico 20.30 h 25. Mai Tatsächlich hatte sich die Nacht mit ihrer samtenen Schwärze bereits über das Plateau gelegt und niemand hielt sich mehr außerhalb der Hütten auf. Mulder holte seine Taschenlampe heraus und huschte zum Waldrand hinüber, an dem er sich noch einmal vergewisserte, dass ihm niemand folgte. Dann tauchte er in das Unterholz ein und war verschwunden. Er konnte Lucàrs Hinweis nicht einfach so ignorieren. Was wenn er Recht hatte? Sie müssen dorthin gehen, Mulder! Tun Sie das nicht, werden Sie die Wahrheit nie erfahren. Mulder schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben und folgte konzentriert dem Pfad, den sie vorhin selber angelegt hatten. Er merkte nicht, dass er von einem Paar kindlicher Augen beobachtet und verfolgt wurde. Je weiter Mulder in den Wald vordrang, desto unsicherer wurde er. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, ganz allein zu gehen? Er wusste nur zu genau, dass er sich möglicherweise in Lebensgefahr befand. Immer wieder leuchtete er seine Umgebung ab. Seine Nackenhaare sträubten sich, als er die Rufe und Geräusche der Nachttiere hörte, die mal weit entfernt, mal ganz in seiner Nähe ertönten. Sie schienen in der Stille der Nacht lange widerzuhallen und erschienen ihm weitaus gefährlicher als tagsüber. Er fluchte leise, als er merkte, dass das Licht seiner Taschenlampe langsam aber beständig schwächer zu werden begann. Die Sicht war so oder so schon schlecht genug. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den nächsten und versuchte sich so leise wie möglich zu bewegen. Dennoch wäre er um Haares breite in eine schwarze Felsspalte gestürzt, die sich urplötzlich neben ihm aufgetan hatte. Sein Herz machte einen Sprung und er schloss für einen Moment die Augen, um sich zur Ruhe zu zwingen. Es war dumm gewesen, allein zu gehen und noch dazu bei Nacht. Er blieb stehen und lauschte angestrengt. Aber das einzige was er hörte, war das Flüstern des Windes im Laub, sein eigener, harter Herzschlag, dass Knarren der Bäume und – das Rascheln von Schritten auf trockenem Laub. Regungslos stand er da und wartete. Doch nichts geschah. Für einen kurzen Moment überlegte Mulder, ob er nicht doch besser umkehren sollte. Aber das unwiderrufliche Gefühl etwas zu verpassen wenn er nicht weiterging, das in seinem Kopf die Alarmglocken läuten ließ, ließ ihn nicht los. Er musste weiter, es war wie ein Zwang. Während er weiterging, versuchte er den Grund für sein verrücktes Verhalten zu finden. Normalerweise war er nie so leichtsinnig. Er konnte sich sein eigenes Verhalten nicht erklären. Ein leises Rascheln hinter ihm ließ ihn herumfahren. Misstrauisch suchte er die Dunkelheit jenseits des Lichtkegels ab. Jeder Muskel in seinem Körper war gespannt und seine Sinne arbeiteten um ein vielfaches intensiver als zuvor. Er war nicht bewaffnet. Wenn ihn jetzt etwas angriff, war er so gut wie vollkommen wehrlos. Ein kalter Schauer huschte seinen Rücken entlang, als der Wind ihm von hinten in den Nacken blies und die Büsche sanft wiegte, so dass sie lange, verzerrte Schatten im Licht der Taschenlampe verursachten. Zischend sog Mulder die Luft zwischen den Zähnen ein, als er eine Bewegung ganz in seiner Nähe ausmachte, wich einige Schritte zurück und richtete den Strahl seiner Lampe darauf. Verblüfft, aber auch erleichtert, stöhnte er auf, als das Licht ein kleines Mädchen erfasste. „Was zum Teufel machst du hier?“ Mulder entspannte sich wieder und ging vor dem Mädchen in die Hocke. „Du hast mich ganz schön erschreckt, weißt du das?“ Innerlich zog er eine Grimasse. Erschreckt war bei weitem untertrieben. Seine Nerven waren kurz davor gewesen durchzubrennen. Die Kleine sah ihn aus großen, unschuldigen Augen an, sagte aber kein Wort. Angst spiegelte sich in ihnen, was Mulder ihr nicht verübeln konnte. Er lächelte sanft. „Ausreißer. Deine Eltern werden vor Sorge umkommen wenn sie entdecken, dass du fort bist. Es ist gefährlich sich nachts im Freien aufzuhalten, das weißt du doch, oder?“ Er sah sie forschend an. „Weshalb bist du mir überhaupt gefolgt?“ Sie sagte noch immer nichts. Stattdessen ergriff sie die Hand des Agenten und zog ihn ein paar Schritte mit sich, zurück in die Richtung, in der sich das Lager befand. „Nein, nein.“ Mulder versuchte seine Hand zurückzuziehen, aber das Mädchen klammerte sich beharrlich an ihn. „Ich muss in die andere Richtung! Ich...“ „Das darfst du nicht! Du darfst dort nicht hingehen! Dieser Ort ist verflucht, es könnte deinen Tod bedeuten.“ Die Stimme der Kleinen war dünn und zitterte vor Angst. Dennoch schwang so viel Inbrunst in den Worten, dass Mulder hellhörig wurde. Er sank erneut auf ein Knie und schaute dem Mädchen in die Augen. Tränen schimmerten in ihnen. „Woher willst du das wissen? Und woher weißt du überhaupt wo ich hinwill?“ Sie sah ihn scheu an. „Mein Vater sagte es mir, bevor er mich hinter dir herschickte. Er sagte, du und deine Partnerin wären in großer Gefahr. Mehr als du es im Augenblick vielleicht weißt. Bitte komm mit mir!“ Eine Weile blieb Mulder noch hocken und überlegte. Er wusste nicht, von wem dieses Mädchen das Kind war. Aber wer immer es auch war, er musste mehr wissen, als Scully und er. Und es musste ihm wirklich viel daran gelegen haben ihn aufzuhalten, wenn er seine eigene Tochter schickte. Er musste darauf gezählt haben, dass Mulder ein guter FBI-Agent war und nie im Leben ein noch nicht einmal zehn Jahre altes Mädchen allein im Regenwald zurücklassen würde. Da lag er verdammt richtig. Mulder knirschte mit den Zähnen und stand auf. Er hatte keine andere Wahl, wenn er das Mädchen nicht einer noch viel größeren Gefahr aussetzen wollte, indem er sie einfach mitnahm. Sie zog nervös an seiner Hand, ihr war deutlich anzusehen, dass sie Todesängste ausstand. „Wir müssen uns beeilen! Er weiß bereits, dass du hier bist und er wird diese Chance nicht außer Acht lassen. Er wird dich nicht wieder gehen lassen wollen.“ Mulder war zu verwirrt um nachzufragen von wem sie denn überhaupt redete und folgte ihr ohne weiteres Zögern. Wenn ihr Vater Recht hatte, mussten sie wirklich so schnell wie möglich zurück ins Lager. Sie rannten fast die gesamte Strecke zurück. Mulder wusste nicht genau wieso, aber er hatte das Gefühl, als würde der Wald immer näher rücken, sie immer mehr einengen. Und irgendwann wusste er mit Gewissheit, dass sie verfolgt wurden. Er warf einen Blick über die Schulter, konnte aber in der düsteren Finsternis nichts erkennen. Aber dafür fühlte er um so deutlicher, mit allen Sinnen die er besaß, dass dort etwas auf sie zukam. Etwas Furchtbares, etwas für das menschliche Auge nicht Greifbares. Gehetzt wandte er sich wieder nach vorn, nahm das Mädchen auf den Arm und begann schneller zu laufen. Er fühlte mit einer beklemmenden Intensität, dass sie es nicht schaffen würden. Mulder spürte, wie Panik in ihm aufstieg und sein Denkvermögen zu beeinflussen begann. Er stürzte vorwärts, krampfhaft darauf bedacht den Weg nicht zu verlieren. Das Mädchen schützend an sich gedrückt brach er rücksichtslos durch das dichte Unterholz und kämpfte sich durch das Wirrwarr an Pflanzen, die allesamt zu versuchen schienen, ihn am Vorwärtskommen zu hindern. Hinter ihnen erhob sich ein Flüstern und Wispern in den Bäumen und Büschen, Pfützen und Sträuchern, verdorrtem Laub und verrottetem Holz. Es klang, als würden Stimmen in einer fremden Sprache, aus einer anderen Dimension, zu ihnen sprechen. Mulder schüttelte den Kopf und biss die Zähne zusammen, dass es knirschte. Er durfte nicht darauf hören! Er durfte nicht aufgeben, auch wenn das Wispern in seinem Kopf quälend widerhallte und beständig lauter zu werden schien, ihn schier dazu zwingen wollte, stehen zu bleiben. Endlich lichtete sich der Regenwald ein wenig und das Felsplateau war zwischen den Bäumen zu erkennen. Mulder raffte seinen letzten Willen auf und versuchte noch einmal dem Unheil zu entkommen. Aber er musste erbittert kämpfen. Er hatte kaum noch die Kraft sich auf den Beinen zu halten, kam immer wieder ins Wanken. Sein Blick verschleierte sich zusehends. Mit einem Mal begann das Mädchen in seinen Armen laut zu schreien und zu weinen, und Mulder wurde bewusst, dass er fast verloren hatte. Keuchend taumelte er aus dem Wald heraus auf das Plateau – und stürzte. Das Mädchen machte sich zappelnd von ihm los und floh, ließ ihn allein zurück. Mulder fuhr herum und stieß einen verzweifelten Hilfeschrei aus. Was er dort sah, was sich dort über ihn beugte, war für den menschlichen Verstand einfach zu grausam. Rücklings versuchte er wegzukriechen, konnte den Blick jedoch nicht von dem abwenden, was er sah. Oder was er imstande war zu sehen. Er fühlte es vielmehr, als dass er es wirklich sah. Es erschien körperlos und hatte auf eine unwirkliche Art dennoch eine Gestalt. Und es war schwarz. Schwarz wie die Hölle und absolut vernichtend. Dann formte sich etwas vor den Augen des FBI-Agenten, dass die Grausamkeit eines jeden vorstellbaren Horrors weit überstieg. Mulder krümmte sich gepeinigt, schlug die Hände vor das Gesicht und schrie. Er brüllte und wand sich hilflos unter dem Anblick, dem er nicht gewachsen war. Kapitel 14: Chapter XIV ----------------------- Lager der Independent Group Sierra Madre / Mexico 23.50 h 25. Mai Als Mulder wieder zu sich kam, fand er sich im Versammlungsraum des Lagers wieder. Er lag auf einer reihe von Stühlen, in eine Wolldecke gewickelt und mit einem feuchten Tuch auf der Stirn. Scully saß neben ihm und schaute ihn besorgt an. „Sie haben uns allen einen gewaltigen Schrecken eingejagt, Mulder. Und uns beiden eine ganze Menge Ärger aufgehalst. Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, allein in den Wald zu gehen?“ Er richtete sich vorsichtig auf und schnitt eine Grimasse, als er sich an den Kopf fasste. „Was ist passiert? Ich kann mich – nicht erinnern. Das letzte was ich weiß ist, dass ich gestürzt bin.“ Scully seufzte ergeben. „Ich kann es mir nicht erklären, aber Sie hatten einen Anfall. Ich hatte schon gehofft, dass Sie uns sagen könnten, was vorgefallen ist.“ Mulder verbarg für einen Moment das Gesicht hinter seinen Händen. Er wusste durchaus was passiert war, aber er konnte es noch nicht in die richtige Reihenfolge setzen. Hilflos sah er auf und begegnete dem Blick von Salvatore, der neben Scully getreten war. Er lächelte und zog seine kleine Tochter an sich. „Ich muss Ihnen danken, Agent Mulder. Sie haben meiner Tochter das Leben gerettet. Ohne Sie wäre sie im Regenwald verloren gewesen.“ Mulder runzelte die Stirn und hob dann verblüfft die Brauen. Schlagartig wurde ihm alles wieder bewusst. Er sprang auf, kam für einen Augenblick ins Wanken und bedeutete Scully und Salvatore mit ihm zu kommen. Sie folgten ihm in einen der angrenzenden Räume, wo Scully ihren Partner sofort auf den nächstbesten Stuhl drückte. „Sind Sie verrückt geworden? Sie haben den Schock höchstwahrscheinlich noch immer nicht überwunden und führen sich schon wieder auf, wie...wie. Sie brauchen Ruhe!“ Mulder nickte nur, damit beschäftigt einen aufsteigenden Schwindelanfall zu unterdrücken. „Scully, Sie müssen mir zuhören! Die Leute verlangen eine Stellungnahme von uns und wir können die Wahrheit nicht noch länger hinauszögern. Wir müssen jetzt handeln, und zwar so schnell wie möglich.“ Hilflos sah Scully ihn an. „Aber was sollen wir ihnen denn erzählen? Irgendwelche lausigen Vampirgeschichten aus dem Mittelalter?“ Er erwiderte ihren Blick ungerührt. „Sie werden ihnen von dem erzählen, was sie bereits wissen, nur nicht wahrhaben wollen. - Und Salvatore wird Ihnen dabei helfen.“ Verunsichert sah sie zuerst ihren Partner, dann Salvatore an. „Wie...“ Mulder hob abwehrend die Hand und wandte sich an den Mexikaner. „Salvatore, aus welchem Grund haben Sie Ihre Tochter hinter mir hergeschickt? Lügen Sie uns jetzt nicht an! Ich weiß, dass Sie etwas wissen, das uns allen vielleicht den Hals retten kann. Warum lag Ihnen so viel daran, mich aufzuhalten?“ Salvatore schwieg eine Weile. Er sah besser aus als am Abend, wo Mulder zu ihm in die Hütte gekommen war. Doch auf seinem Gesicht zeichneten sich deutliche Spuren starker Ausmergelung ab. Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, als er auf Mulders Frage antwortete. Ich...Daniele war ein Vorwand. Als ich Sie das Lager verlassen sah, da ahnte ich wohin Sie gehen würden, dass Sie in ihr eigenes Verderben laufen würden. Sie hatten mir schließlich selbst gesagt, dass Sie kurz bevor Sie zu mir gekommen waren, Lucàr einen Besuch gestattet hätten. Also schickte ich Daniele, meine Tochter, um uns eine Menge Ärger zu ersparen, der möglicherweise zur Einstellung Ihrer Ermittlungen geführt hätte. Und um sicher zu gehen, dass Sie auch wirklich umkehren. Es war leichtsinnig, ich weiß, aber was ist ein Leben gegen das der ganzen Gruppe?“ Scully hob eine Braue und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie sind ja wahnsinnig. Woher wollen Sie denn so genau gewusst haben, dass dieser Weg zu Mulders sicherem Tod geführt hätte? Und aus welchem Grund sind Sie nicht schon viel eher an uns herangetreten?“ Er wich ihrem Blick aus. Ein Zittern lief über seinen Körper und nun fiel auch Scully auf, in was für einem erbärmlichen Zustand sich der Mann tatsächlich befand. Er schien um Jahre gealtert zu sein. Seine Haar war zerzaust und hatte, wie auch seine Augen, jeglichen Glanz verloren. Seine Haut war ausgedörrt und blass und seine Bewegungen wirkten fahrig. Er schien sehr schwach zu sein. „Salvatore, geht es Ihnen nicht gut? Mulder hatte so etwas bereits erwähnt, aber ich bin noch nicht dazu gekommen sie aufzusuchen. Kann ich ihnen etwas bringen?“ Salvatore sah auf. „Es wird von Stunde zu Stunde schlimmer. Ich schlafe tagsüber und wenn ich dann doch mal aufstehe, habe ich kaum die Kraft die Hütte zu verlassen. Ich will auch gar nicht mehr hinaus, die Sonne tut mir so weh, als würde sie mich verbrennen. Und essen kann ich auch nichts. Allein der Gedanke daran bereitet mir Übelkeit.“ Eine Weile herrschte betroffenes Schweigen und Scully wechselte einen ungläubigen Blick mit ihrem Partner. Dann kam sie auf ihre Frage zurück, war jetzt aber nicht mehr so barsch wie noch vor einigen Augenblicken. „Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, Salvatore.“ Er blickte sie verbittert an. „Ich hatte Angst, Agent Scully. Angst, dass er mich doch noch holt, um mich zu einem der ihren zu machen, wenn ich zu Ihnen gehe und alles hinaus plappere. Aber das können Sie sich anscheinend nicht vorstellen.“ „Und diese Angst hatten Sie nicht, als Sie uns anforderten? Und jetzt auch nicht mehr?“ „Oh doch! Aber ich habe nichts mehr zu verlieren. Sehen Sie mich doch an! Dieser Bastard hat mir alles genommen.“ Mulder legte den Kopf auf die Seite und blinzelte. „Von wem sprechen Sie?“ Salvatore musterte ihn. „Das wissen Sie genauso gut wie wir alle. Sie sind ihm bereits begegnet, Agent Mulder.“ Er unterbrach sich und rieb sich die Nasenwurzel. „Er kommt in unregelmäßigen Abständen um 'Nachschub' für seine kleine Armee zu besorgen. Ich war einer von ihnen, doch ich konnte fliehen, bevor er mich gänzlich meiner Seele berauben konnte. San sollte wahrscheinlich der Ersatz für mich sein, schließlich konnte er mir nichts mehr anhaben, solange Sie sich bei uns im Lager aufhielten. Ich hatte so sehr gehofft, dass es noch nicht zu spät sei, dass ich noch rechtzeitig entkommen bin – aber ich habe mich wohl getäuscht. Als die Symptome immer stärker wurden, wurde mir bewusst, dass mir meine Angst nun auch nicht mehr helfen würde und beschloss, Ihnen alles zu erzählen. Sie müssen handeln, auf der Stelle! Sie müssen aufgehalten werden, bevor sie sich noch mehr verbreiten! Und wir können nur hoffen, dass sie nicht schon längst unter uns sind!“ Mulder seufzte und schüttelte den Kopf. „Aber wie, in Gottes Namen, sollen wir sie denn aufhalten? Salvatore, wenn Sie gebissen worden sind, woher sollen wir dann wissen, ob nicht auch andere diesen blutsaugenden Schmarotzern zum Opfer gefallen sind?“ „Ich weiß es selbst nicht. Aber seien Sie sich sicher: Sie können nicht jedem vertrauen! Halten Sie sich von Lucàr fern! Er spielt ein falsches Spiel mit Ihnen.“ Scully und Mulder warfen sich einen viel sagenden Blick zu, ehe Scully fragte: „Und was können wir tun, um zu verhindern was Sie befürchten?“ „Unsere einzige Chance besteht darin, die Gruft zu zerstören. Und mit ihr den Kopf diese ganzen Clans. Dann haben wir bessere Karten gegenüber seinen Untergebenen.“ murmelte Salvatore verbittert. Mulder hob die Hände und schloss für einen Moment die Augen. „Moment, Moment. Nicht so schnell. Sie sind doch mit Sicherheit nicht der Einzige, der über diese Vorgänge hier bescheid weiß, richtig? Zumindest die Ältesten und euer Vorsteher werden davon Kenntnis haben. Warum wurde nicht schon früher etwas gegen diese Machenschaften unternommen? Warum wird diese...'Ausbeute' geduldet?“ Salvatore schnaubte abfällig. „Weil sie schwach sind und die Augen vor der Wahrheit verschließen. Sie glauben, dass es der Wille ihres Gottes ist, der die Menschen sterben und verschwinden lässt. Oder aber sie glauben, dass das Opfer mit dem Teufel im Bunde ist und Auslöser dieses Unglückes war. Sie verzerren die Wahrheit so sehr, dass sie sie wahrscheinlich schon selber glauben.“ Langsam nickte Mulder und bedachte Scully mit einem beinahe unglücklichem Blick. „Nun gut, dann ist es jetzt wohl an der Zeit diese Scheinwelt zu zerstören und die Menschen mit der tatsächlichen Geschichte zu konfrontieren. Ich denke nicht, dass es leicht werden wird, aber wenn wir eine Chance haben wollen, müssen wir es zumindest versuchen.“ Tiefes Schweigen legte sich über die versammelten Menschen, als wenig später Scully, gefolgt von Salvatore, den Versammlungsraum betrat. Sei spürte die erwartungsvollen Blicke, die auf ihr ruhten und zwang sich zur Beherrschung, ehe sie es wagte zu sprechen. „Agent Mulder, Salvatore und ich haben uns in der Zeit eben beraten, wie wir euch unsere Befürchtungen und unser Wissen am besten nahe bringen können, damit ihr versteht. Mulder hätte dies mit Sicherheit besser umschreiben können als ich, aber ich kann nicht zulassen, dass er so kurzfristig nach diesem unerwarteten Schock all das erlebte noch einmal durchstehen soll.“ Sie machte eine kurze Pause und entschloss sich dann, unverblümt mit der Wahrheit zu beginnen. „Auf Grund von Mulders Wissen und seinen Nachforschungen über hier oft genutzte Bräuche, durch meine medizinischen Untersuchungen und durch Salvatores Ehrlichkeit, haben wir den dringenden Verdacht, dass es sich um einen oder sogar mehrere Vampire handelt, die hier ihr Unwesen treiben. Oder zumindest jemand, der es danach aussehen lassen möchte. Salvatore hat uns eine Menge über die Sitten eurer Vorfahren erzählt, die teilweise heute noch zu existieren scheinen. Und auch von den Tathintergründen der letzten Unfälle in dieser Gegend, nachdem wir dort bei den Ältesten leider auf beharrlichen Wiederstand gestoßen sind.“ Sie tauschte einen Blick mit den drei Männern, die daraufhin unruhig auf ihren Stühlen umher rutschten und ihren Blick zu meiden versuchten. Scully schnaubte verächtlich. „Viele seiner Erzählungen glichen oder waren identisch mit dem, was mein Partner heute erlebt hat. Und wir wissen, dass einige von euch das selbe durchgemacht haben, ohne es uns jemals gesagt zu haben. Auf Grund dieses handfesten Verdachtes, neben den medizinischen Ergebnissen, lässt sich die Vermutung Agent Mulders nicht von der Hand weisen – und das wisst ihr alle, vielleicht sogar besser als ich.“ Sie stoppte und schaute unsicher in die Runde, ihre Befürchtung bewahrheitete sich: Es kamen Wiedersprüche. Eine Frau erhob sich ruckartig und trat herausfordernd auf die FBI-Agentin zu. „Diese Erklärung können wir nicht akzeptieren! Das sind Schauermärchen die man Kindern erzählt, aber keinen erwachsenen Menschen! Außerdem hat ihr Partner vorsätzlich eines unserer Gesetzte gebrochen, indem er nach Einbruch der Dunkelheit seine Hütte verlassen hat. Man kann ihm nicht trauen! Das ist die Konsequenz seiner Tat. Und Salvatore hat ebenfalls unser Vertrauen missbraucht. Das ist alles doch viel zu fadenscheinig!“ Scully biss die Zähne zusammen. Sie hatte geahnt, dass so etwas kommen würde. „Agent Mulder hätte allenfalls gegen seine Pflichten als Bundesagent verstoßen, wäre er im Lager geblieben obwohl er genau wusste, dass sich ein zehnjähriges Mädchen allein draußen im Regenwald befindet. Es ist seine Pflicht als FBI-Agent, und ebenso euer aller Pflicht als Bekannte des Mädchens, das Leben des Kindes zu schützen, soweit man dazu fähig ist. Und das, in Gottes Namen, ist wichtiger als irgendwelche Gesetze einzuhalten. Alles andere wäre fahrlässige Tötung durch Unterlassen gewesen! Was Salvatore betrifft, so war er der Einzige der den Mut gehabt hatte uns zu helfen. Ihr alle habt behauptet, uns zu helfen, aber Salvatore war der Einzige, der es tatsächlich tat. Und jetzt klagt ihr denjenigen an, der als Einziger Fakten vorlegen konnte um uns, und nicht zu vergessen euch alle, zu unterstützen. Das finde ich fadenscheinig! Wieso hab ihr so ein Gesetz wie das, was Mulder übertreten haben soll, aufgestellt? Warum gibt es so strenge Regelungen im Umgang mit dem Regenwald?Und wieso zu Teufel schweigen alle so beharrlich über die Vergangenheit?“ Betretenes Schweigen folgte und Scully sah mit Bedauern, dass ausnahmslos jeder ihren Blick mied. Sie schüttele den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich von euch halten soll. Wie hätten wir euch denn helfen sollen, hätten alle so geschwiegen wie ihr es jetzt tut? Glaubt uns zumindest das: Ihr werdet von etwas bedroht, das handelt wie die Vampire in alten Sagen und Märchen, und es ist durchaus gefährlich – aber nicht unbesiegbar. Und sein Ursprung liegt in den Ruinen, in welchen vor langer Zeit Menschen bestialisch getötet und verscharrt worden sind. Dort wo die schwarze Sekte vergraben liegt.“ Noch während sie das sagte, löste sich ein Mann aus der Menge und stürzte sich auf Scully. Er riss sie mit sich zu Boden, ohrfeigte sie mehrmals und umschloss ihre Kehle mit seinen zu Klauen verkrümmten Fingern. Mit einem dämonischen Grinsen schnappte er nach ihrem bloßgelegten Hals. Aber Scully wehrte sich, trat ihn, mit einer für den Angreifer unerwarteten Wucht, von sich weg und sprang auf. Schwindel ließ ihr Blickfeld für Sekunden verschleiern, doch sie konnte einem erneuten Angriff im letzten Moment noch ausweichen, duckte sich unter dem nachlässig geführten Schlag gegen ihren Kopf hinweg und rammte dem Angreifer beim Aufrichten das Knie in den Magen. Keuchend taumelte dieser von ihr weg, ungläubige Verwunderung in den Augen. Salvatore beendete das Schauspiel dann und schickte ihn mit einem unsanften Schlag gegen die Schläfe zu Boden, bevor der Mann sein volles Bewusstsein wiedererlangen konnte. Reglos blieb er am Boden liegen. Scully atmete zitternd aus und schloss für einen Moment die Augen, um ihre Fassung zurückzugewinnen. Auf einen tatsächlichen Angriff war sie nicht vorbereitet gewesen. Sie wurde aus ihren wirbelnden Gedanken gerissen, als Salvatore alarmiert ihren Namen rief. „Agent Scully, ich glaube wir haben den endgültigen Beweis.“ Sie drehte sich um. Der Mexikaner kniete neben dem Angreifer und hatte dessen Oberlippe zurückgeschoben. Er entblößte so zwei spitze, ungewöhnlich lange Eckzähne. Sie tauschten einen kurzen Blick, dann richteten sie den Bewusstlosen auf, dass jeder sein Gebiss sehen konnte. Auffordernd blickte Scully die versammelten Menschen an, die neugierig näher getreten waren. „Was für einen Beweis braucht ihr noch? Ihr könnt euch entscheiden, jetzt und hier: Entweder ihr unterstützt Salvatore, Mulder und mich bei der Bekämpfung dieser Bedrohung, oder ich und mein Partner verschwinden noch in dieser Nacht, mit der Begründung unwiderruflich an den Ermittlungen gehindert worden zu sein.“ Ein Murmeln ging durch die Reihen und schließlich stand Leandres auf, um sich direkt vor Scully zu stellen. Auf seinen Zügen lag ein düsterer Schatten. „In Ordnung, uns allen ist wohl die erste Variante am angenehmsten...auch wenn Sie unsere Traditionen unverzeihlich mit Füßen treten! Aber wie sollen wir uns, verdammt noch Mal, gegen diese Gefahr wehren?“ Sie sah ihn mit einem sarkastischen Grinsen an. „Stellen Sie sich vor, Mulder und ich haben uns sogar schon überlegt was man denn tun könnte. Allerdings brauchen wir dazu Hilfe – euer aller Hilfe. Und diesmal wirklich. Allein können wir nicht viel ausrichten, aber gemeinsam haben wir eine Chance.“ Leandres knirschte mit den Zähnen, doch er nickte schließlich, wenn auch wiederwillig. „Und wie, wenn ich fragen darf? Wir haben keine Waffen.“ „Die brauchen wir auch nicht.“ Salvatore hob seine Machete direkt vor Leandres Augen. „Und das weißt du. Alles was wir brauchen sind unsere Machten, Feuer und Holzpflöcke.“ Der Lagervorsteher verdrehte die Augen. „Oh bitte! Damit hat man früher Kinder verschreckt. Das ist grober Unfug! Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie solchen Schauermärchen Glauben schenken, Agent Scully?“ Sie wiegte den Kopf. „Es ist die einzige Möglichkeit die wir hier haben und diese Waffen bekommen wir hier mit Leichtigkeit. Oder wissen Sie etwas Besseres?“ Wut blitzte in seinen Augen auf und für einen Moment sah es so aus, als wäre er kurz davor zu explodieren. Dann wandte er sich mit einem Ruck um und verließ das Gebäude. „Wenn noch jemand der Meinung ist, er müsse tatenlos zusehen wie sich seine Gruppe zur Wehr setzt, nur weil man sich weigert einer alten Legende Glauben zu schenken, der möge jetzt gehen.“ Sie wartete einige Lidschläge ab, ehe sie weitersprach, doch niemand rührte sich. „Diejenigen, die bereit sind uns zu helfen, sollen zwei gleich starke Teams bilden. Eines davon kommt mit Mulder und mir, und bricht morgen nach Tagesanbruch zu den Ruinen auf. Das andere Team hält hier im Lager die Stellung und kommt nach, wenn wir zum Abend nicht wieder zurückgekehrt sind. Ich weiß nicht was uns erwartet, aber bereitet euch darauf vor, dass es nicht leicht wird.“ Kapitel 15: Chapter XV ---------------------- Ruinen Sierra Madre / Mexico 02.00 h 26. Mai Dumpfes Zwielicht erhellte den bereits zur Hälfte eingestürzten Raum und ließ die Gestalten zu Schemen werden, die nebeneinander in einem Halbkreis vor einer der Wände hockten und monoton vor sich hinsangen. Einer von ihnen stand um einige Schritte außerhalb dieses Halbkreises, den Kopf gesenkt und die Arme leicht ausgebreitet. Zu seinen Füßen war ein Pentagramm in den Boden geritzt worden. An der Wand gegenüber dieser Zeremonie standen zwei Männer, nackt bis auf einen dünnen Lendenschurz und am gesamten Körper mit verschlungenen Runen gezeichnet. Ihre Hände und Füße waren mit massiven Eisenketten an das Gestein befestigt worden. Die Pupillen in ihren glasig schimmernden Augen waren geweitet und beobachteten mit einem irren Ausdruck das Geschehen um sie herum. Vor ihnen am Boden stand eine Tonschale, die mit einer dunklen, dickflüssigen Substanz gefüllt war. Die wenigen Kerzen, die Licht in diesen unterirdischen Raum brachten, brannten ruhig und schienen auch den letzten Sauerstoff aus der Luft zu saugen. Nicht eine Bewegung war auszumachen, es herrschte eine durch und durch düstere Atmosphäre und die Betenden sanken nach und nach in eine tiefe Trance. Mit einem Mal jedoch fauchte ein kalter Wind durch den Raum und ließ die Kerzen flackern. Einige verloschen gänzlich, so dass die Schatten tiefer und trügerischer wurden. Etwas hatte den Raum betreten, etwas Dunkles und unglaublich Böses. Dunkelheit breitete sich aus und mit ihr eine Kälte, die mit normalen Temperaturen nichts mehr gemein hatte. Dann war er da. Ohne einen laut, ohne eine Bewegung. Niemand konnte bezeugen, dass er wirklich da war, aber jeder der Anwesenden spürte es. Der monotone Gesang verstummte, als der Mann außerhalb des Kreises begann, in voneinander vollkommen unabhängigen Sätzen, in einer längst vergessenen Sprache, zu reden. Er schaute dabei nicht einmal auf. „Das Problem mit den beiden FBI-Agenten hat sich erheblich verschärft. Sie planen einen Angriff sobald die Sonne die Nacht vertreibt. Wir müssen in die Offensive gehen, um unsere Existenz zu verteidigen! Dabei dürfen wir aber nicht noch mehr riskieren, als wir es in den letzten Tagen bereits getan haben.“ Er zögerte einen Augenblick, ehe er weitersprach. „Zwei von uns haben den Wusch geäußert die niedere Kaste zu verlassen, um aufzusteigen. Keinesfalls aus Selbstsucht, sondern allein in dem Bestreben, Euch den Rücken zu stärken und den Kampf als vollendete Kreatur aufnehmen zu können. Bitte nimm dich ihrer an! Noch können wir siegen, denn gemeinsam sind wir unbesiegbar!“ Als erneut keine Reaktion auf seine Wort folgte, hob er den Kopf und blinzelte in das Zwielicht. Er konnte nichts erkennen, nur ein Huschen, das wie die Bewegung eines durch die Kerzen verursachten Schattens aussah. Eine Stelle in seinem Blickfeld, als könne er nicht scharf sehen, nur ein schwarzer Fleck auf seiner Wahrnehmung. Mal schien dieser Fleck Konturen zu bekommen, dann schien er wieder mit seiner Umgebung zu verschmelzen. Dennoch hatte der Mann das Gefühl, von unsichtbaren Augen angestarrt zu werden. Augen, die bis in sein tiefstes Inneres blicken konnten. Dann, endlich, kehrte dieser Blick von ihm ab und vor seinen Augen verschwammen nun die zwei Männer, die angekettet an der Wand standen und auf ihr Schicksal warteten. Ein Schatten schien den Blick auf sie zu verwehren, drohend die Schwingen der Endgültigkeit über ihnen auszubreiten. Die Gruppe war wieder in den monotonen Sprechgesang verfallen. Nur der im Pentagramm stehende Mann konnte nicht die Augen von dem unheimlichen Schauspiel abwenden, das vor ihm geschah. Er konnte nur erahnen was wirklich passierte, aber es genügte, um selbst ihm das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Der erste der beiden Männer bäumte sich stöhnend auf, riss mit all seiner Kraft an den Ketten, die ihn jedoch unbarmherzig an die Mauer fesselten und versuchte so, das Bevorstehende zu verhindern. Er wurde von dem Schatten fast gänzlich verschluckt. Ein gurgelnder Schrei entwich der Kehle des immer schwächer werdenden Mannes, dass Blut über seine Lippen sickerte, hallte durch die uralten Gewölbe. Hilflos zappelte er in den Fängen des Wesens, das ihm alles Leben aus dem Körper zog und versuchte seinen Hals zu erreichen. Doch vergebens. Für Augenblicke schienen sämtliche Adern durch seine Haut hindurch zu schimmern, welche mehr und mehr an Farbe verlor und in einem ungeheuerlichen Tempo austrocknete. Dann, noch bevor der Blick des Opfers brechen konnte, ließ der Schatten etwas in dessen schmerzverzerrten Mund tropfen. Es war das Versprechen des ewigen Lebens und gleichzeitig die ewige Verdammnis. Der Mann sank zu Boden, wo er reglos liegen blieb, während sich der Schatten dem zweiten Angeketteten zuwandte, um auch ihn aus dem menschlichen Leben zu reißen. Nur wenige Momente später war es vorbei, der Bann gebrochen. Als die Gruppe aufsah, standen zwei Männer vor ihnen, umgeben von der selben, unheimlichen Aura wie der Schatten. Ein hässliches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus, der die Verwandlung mitverfolgt hatte. „Sie werden auf Knien um ihr Leben betteln!“ Kapitel 16: Chapter XVI ----------------------- Lager der Independent Group Sierra Madre / Mexico 07.50 h 26. Mai Die Gruppe hatte sich in der Mitte des Lagers eingefunden und sich in drei Teams geteilt. Eine hatte sich dafür ausgerüstet, mit Mulder und Scully zu den Ruinen zu gehen. Die andere, die sich unter der Leitung von Salvatore befand, hatte alles vorbereitet um zu folgen, sollten sie nach Anbruch des nächsten Tages nicht zurück sein. Die letzte der drei sah dem regen Treiben nur zu, überzeugt von der Irrsinningkeit des Vorhabens. Unter ihnen befand sich auch Leandres, der die kleine Gruppe düster beobachtete. Die Ausrüstung wurde ein letztes Mal überprüft. Jeder hatte eine Machete, mehrere Holzpflöcke und Fackeln dabei, für den Fall dass sie getrennt wurden. Scully warf Mulder einen amüsierten Seitenblick zu, als dieser hecktisch nach etwas zu suchen begann. „Mulder, Sie werden vergesslich.“ Verärgert sah er sie über die Schulter hinweg an und hob fragend die Brauen. „Falls Sie ihren Revolver suchen, er liegt noch immer an der Stelle, wo Sie ihn gestern Nacht noch hingelegt haben, um ihn eben nicht zu vergessen.“ er warf ihr einen vernichtenden Blick zu und lief noch einmal zurück zu ihrer Hütte. Auf halbem Weg drehte er sich um. „Ihr könnt schon einmal aufbrechen, ich hol euch schon ein.“ Als er in die Hütte kam, musste er erst eine Weile suchen. In Gedanken verfluchte er sich zum hundertsten Mal, dass er selbst im Dienst so schrecklich unordentlich sein musste. Wenn er etwas suchte, fand er es nie. Als er sich umwandte, fiel sein Blick auf den Boden unter seinem Bett, wo sein Revolver lag. Er verdrehte die Augen. Vergesslich auch noch. Scully hatte ganz Recht. Während er das Holster an seinem Gürtel befestigte, glitt sein Blick noch einmal durch den kleinen Raum und blieb an etwas Glitzerndem auf Scullys Bett hängen. Neugierig trat er näher. Es war Scullys Goldkette, an der ein kleines, filigranes Kruzifix baumelte. Verwundert hob er es vor seine Augen und betrachtete es. Sie hatte es jederzeit um den Hals getragen, selbst nachts, und machte einen mächtigen Aufstand, sollte es jemals verschwunden sein. Behutsam ließ er es durch seine Finger gleiten und ließ es in seiner Hosentasche verschwinden. Er würde es Scully bei Gelegenheit übergeben. Dann ging er und folgte der Gruppe in den Wald. Sie erreichten die Ruinen gegen Mittag. Es war drückend heiß und am Himmel hingen dicke, graue Wolken. Doch kein Luftzug ging. Auch hell hatte es unter den Baumriesen nicht recht werden wollen und dicker, feuchter Nebel wand sich am Boden. Sie hatten das letzte Stück der Strecke schweigend zurückgelegt und hatten sich bemüht, sich so leise wie möglich fortzubewegen. Jedem von ihnen war deutlich anzusehen, dass er sich alles andere als wohl fühlte. Eine beinah unerträgliche Spannung lag in der Luft, die wie eine dunkle Vorahnung über ihnen hing. Bevor sie die Ruinen betraten, versammelten sie sich neben dem Eingang, den sie vor ein paar Tagen mit Lucàr genutzt hatten. Schon jetzt waren sie erschöpft, die heftige Schwüle lastete schwer auf ihnen. Mulder ließ sich in die Hocke sinken und sah sich in der kleinen Runde um. Das Einzige, was er in den Gesichtern las, war pure Angst. Angst, deren Grund sie noch nicht einmal kannten. Er seufzte und warf einen Blick hinüber zu Scully. Sie sah genauso hilflos aus wie er sich fühlte. „Wir sind alle nicht glücklich mit unserer momentanen Lage, aber wir werden das schon schaffen. Wenn alles gut geht, können wir in nicht mal einer Stunde wieder hier draußen sein und die Aufgabe erledigt haben. Wir haben Folgendes zu tun: Wir haben genügend Pflöcke mit, für den Fall, dass es uns nicht sofort gelingt. Aber einer muss in das Herz des Vampirs vordringen, sonst wird er wieder aufstehen. Nach der Pfählung werden wir ihm dann den Kopf abschlagen und mit dem Gesicht nach unten in seinen Sarg zurücklegen. Dann zerstören und verbrennen wir die Grabstätte.“ Er zögerte einen Moment. Wie konnte er ihnen allen nur wenigstens etwas Mut zusprechen? Er wusste es nicht. „Wir gehen jetzt da hinein und ziehen das Ding durch. Sollten wir auf irgendjemanden oder irgendetwas stoßen, muss sich jeder auf jeden verlassen können! Und wir müssen in jedem Fall zusammenbleiben. Keiner bleibt zurück und keiner eilt voraus.“ Als niemand etwas einwandte, stand er auf und warf sich seinen Rucksack über die Schulter. „Ach, und...seht ihm niemals in die Augen! Wenn ihr das tut, habt ihr schon verloren.“ Sie zündeten drei Fackeln an, dann betraten sie das alte Gemäuer. Mulder und Scully gingen voraus. „Das gefällt mir nicht.“ murmelte Scully nach einer Weile und hob die Fackel in der Hoffnung, etwas mehr sehen zu können. „Was?“ hakte Mulder nach, nachdem sie nicht weiter gesprochen hatte. Er konnte sich ausmalen, was sie meinte, aber er wollte nicht voraussetzen, dass es jedem seiner Begleiter so erging wie ihm. Nämlich dass er sich alles andere als allein mit den fünf Männern und Scully fühlte. Ich habe die ganze zeit schon das Gefühl, verfolgt oder zumindest beobachtet zu werden. Irgendetwas ist hier und weiß, dass wir kommen. Und das macht mir Angst.“ flüsterte sie und sah ihren Partner einen Moment lang bedrückt an. Er nickte und verzog die Mundwinkel. „Ich weiß, ich fühle das selbe. Und ich bin mir verdammt sicher, dass die anderen es auch gemerkt haben. Haben Sie sie sich schon einmal richtig angesehen? Die sind halb tot vor Angst und wären schon längst getürmt wenn sie nicht wüssten, dass das ihre einzige Chance ist.“ Scully warf einen flüchtigen Blick über die Schulter. „Vielleicht ist es ja nicht ihre einzige Chance, nur die erste, die uns in den Sinn gekommen ist. Mulder, ich glaube fast die Aktion ist falsch und viel zu gefährlich.“ Er blieb stehen, als sie an einen leicht abschüssigen Teil des Ganges anlangten, an dessen Ende die Gruft lag. „Es ist vielleicht gefährlich, aber nicht falsch. Ich weiß nicht wieso, aber es ist der einzige Weg dem gegenüber zu treten, der die Schuld an all dem trägt.“ Die Männer waren zu ihnen getreten und hatten ihm aufmerksam zugehört. Mulder war sich sicher, dass sie auch den Rest des Gespräches gehört hatten. „Wem gegenübertreten?“ fragte einer kleinlaut und warf einen angstvollen Blick an Mulder vorbei den Gang hinunter. Mulder sah sie an. „Das wisst ihr wahrscheinlich sogar besser als ich.“ „Aber ich nicht!“ unterbrach ihn Scully. „Sagen Sie es mir! Was wird es sein?“ Er wich ihrem Blick aus. „Die Vergangenheit. Die Schuld. Die Fehler die ein Stamm, der einst hier gelebt hat, begangen hat.“ Es fiel ihm nicht leicht das in Worte zu fassen, was nur in Fetzen in seinem Kopf umhergeisterte. „Es hat sich zu etwas zusammengefügt. Zu etwas, das unsere Vorstellungen von dem furchtbarsten aller Dinge sprengt. Es liegt jenseits unserer menschlichen Fantasie.“ „Aber was ist es?“ Er sah sie lange und hilflos an, ehe er sich kopfschüttelnd abwandte und sich mit allen zehn Fingern durchs Haar strich. „Ich weiß es nicht. Oder doch, ich weiß es, aber ich kann es nicht in Worte fassen. Jedes Mal wenn ich das Bild ergreifen will, entgleitet es mir wieder. Ich kenne es, ich weiß wie, was und warum es ist – aber es ist mir unmöglich es zu verstehen.“ Eine Weile schwiegen sie alle. Mulder hatte grade das versucht zu beschreiben, was sie alle empfanden. Und sie wussten, dass er Recht hatte. Plötzlich erzitterte die Ruine unter einer großen Erschütterung, auf die ein lautes Knirschen und Krachen folgte. Staub rieselte von der Decke. Alle legten den Kopf in den Nacken und sahen hinauf. Ein breiter Riss führte quer von einer Wand zur nächsten und verursachte ein regelrechtes Spinnennetz kleiner Risse im Umkreis von mehreren Schritten in Decke und Mauerwerk. Instinktiv wichen sie zurück. Keinen Moment zu früh. Polternd brach die Decke über der Stelle ein, an der sie noch vor wenigen Lidschlägen gestanden hatten und begrub alles unter sich, was sich nicht rechtzeitig in Sicherheit hatte bringen können. Staub wurde aufgewirbelt und verwehrte für eine kleine Ewigkeit die Sicht, das ganze Gewölbe war von einem ohrenbetäubenden Lärm erfüllt. Was darauf folgte, war absolute Stille. Nichts rührte sich, niemand sagte ein Wort. Sand rieselte leise und vereinzelt klapperten Steine. Scully tastete nach der Fackel, die sie noch bis vor wenigen Augenblicken in der Hand gehalten hatte und zündete sie an. Es war stockfinster gewesen und sie hatte rein gar nichts erkennen können. Die Sicht konnte man zwar selbst jetzt lediglich als mäßig bezeichnen, da noch immer aufgewirbelter Staub in der Luft hing, aber sie konnte sich durch das Licht der Fackel zumindest ein wenig besser orientieren. Mulder lag unweit von ihr entfernt und blinzelte zu ihr herüber. Etwas weiter hinten im Gang entdeckte sie zwei ihrer Begleiter. Doch die anderen drei konnte sie nicht finden. Stöhnend stand sie auf, ging zu Mulder, half ihm auf die Beine und folgte ihm zu den beiden anderen. Die waren sichtlich entsetzt über das was passiert war, und kurz davor in Panik auszubrechen, sonst aber unverletzt. „Habt ihr die drei anderen gesehen?“ fragte Scully und sah sich noch immer suchend um. „Sie...sie sind weggerannt. In die andere Richtung!“ murmelten sie fast gleichzeitig. Mulder musterte den riesigen Steinhaufen, der ihnen jetzt den Rückweg an die Oberfläche verwehrte. „Wir können nur hoffen, dass sie noch rechtzeitig davongekommen sind. Wir werden sie suchen, sobald wir hiermit fertig sind. Wenn das so etwas wie eine Warnung gewesen sein soll, so wird es mit Sicherheit nicht die letzte gewesen sein.“ Mit diesen Worten gingen sie den Gang weiter hinunter und erreichten nach nur wenigen hundert Metern die Gruft. Kapitel 17: Chapter XVII ------------------------ Ruinen Sierra Madre / Mexico 11.40 h 26. Mai Sie zündeten zwei weitere Fackeln an und standen eine Zeit lang tatenlos nebeneinander. Seit sie das letzte Mal hier gewesen waren hatte sich nicht allzu viel verändert. Mit Ausnahme der Wände. Sie waren bis zur Decke mit verschlungenen Zeichen und Runen beschrieben worden und im Boden waren noch immer die Spuren eines Pentagramms zu erkennen. Deutliche Spuren, die von einer nicht all zu weit zurück liegenden Benutzung dieses Ortes kündeten. Vorsichtig betraten sie die Gruft, als würden sie sich vor jedem weiteren Schritt erneut überwinden müssen. Es besaß beinah etwas apokalyptisches, etwas vollkommen endgültiges. Aber auch etwas lähmendes. Jetzt kam es auf jede kleinste Handlung an, sie durften keine Fehler machen. Behutsam setzte Scully einen Fuß vor den nächsten, wobei sie ihre schattenhafte Umgebung nicht einmal aus den Augen ließ. Noch nie war ihr etwas derart schwer gefallen, wie das Betreten dieser Gruft! Es kam ihr vor als würden ihre Sinne um das Doppelte verschärft arbeiten. Die Fackel, die sie hielt, wurde schlüpfrig durch den Schweiß an ihren Händen. Angst stieg schleichend in ihrem Innern auf. Auch wenn sie Mulder nie so recht hatte glauben wollen – jetzt, wo sie das Grab sah, wo sie die Gruft mit all ihren unheimlichen Runen vor sich hatte, glaubte sie. Und das mit einer unerschütterlichen Intensität. Unschlüssig blieb sie stehen. „Ich habe so etwas noch nie getan und ich...weiß auch gar nicht so recht wie man es macht.“ murmelte Mulder bedrückt und schaute hilfesuchend zu Scully hinüber. Sie erwiderte seinen Blick ratlos und sah dann zu den Gruben hinüber. „Ich würde sagen – nach allem was ich so über den klassischen Vampir gehört habe – kommt hier nur ein Grab in Frage.“ Mulder trat an das Pentagramm im Boden heran, verwischte es gänzlich und setzte statt dessen ein Kreuz an die Stelle. Dann ging er zu dem einzig intakten Grab und winkte die drei anderen herbei. Neugierig und furchtsam schlichen sie zu ihm hinüber, die fackeln wie ein Schild vor sich haltend. Mulder fühlte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken huschte und ihm Schweiß auf die Stirn trat, als er seine Hände in den feinen Sand grub, um ihn fort zu schaufeln. Er wusste nicht was ihn erwartete, geschweige denn was er tun sollte. Er hoffte nur, dass die Legenden wahr waren und helfen konnten. Irgendwann stieß er auf etwas Hartes, befreite es vom Sand und zog es heraus. Es war ein Stück Holz, herausgebrochen aus einem größeren. Erneut griff Mulder zu, um das ganze Gebilde mit einem beherzten Ruck aus der Erde zu ziehen, aber noch ehe er etwas erfassen konnte brach das Stück, das er ausgegraben hatte, ein und stürzte in eine darunter verborgene Holzkiste. Instinktiv wichen alle zurück und wandten angewidert den Kopf ab, als ihnen ein bestialischer Geruch nach Fäulnis und Verwesung entgegenschlug. Dennoch traten sie nach dem ersten Schreck erneut neugierig näher, um einen Blick in die freigelegte zu können. Was sie dort sahen, verschlug ihnen allen den Atem. In der Kiste lag etwas. Ein Ding, dass zur einen Hälfte aussah wie ein Mensch, zur andern wie ein Tier, entsprungen aus den Tiefen einer anderen, dunklen Dimension. Dem Knochenaufbau nach zu urteilen hatte es durchaus Ähnlichkeit mit einem Menschen, aber damit hörte diese auch schon wieder auf. Es war verunstaltet und auf eine abstoßende Weise verkrüppelt. Der ganze Körper wirkte in sich verdreht und missgestaltet. Die Haut erschien ledrig und erweckte den Anschein sofort zu zerbröseln, würde man sie berühren. Hände und Füße endeten in langen, klauenhaften Gliedern, an denen die Nägel zu monströsen Krallen herangewachsen waren. Das Gesicht war das eines Toten, mit leeren, tiefen Augenhöhlen, einer abgefaulten Nase und einem Mund, der die Betrachter mit seinem fauligen Gebiss und vertrockneten Lippen dämonisch anzugrinsen schien. „Seht doch!“ Einer der Fackelträger ging neben der Grube in die Hocke und deutete auf die unübersehbaren Eckzähne des Wesens. Mulder trat neben ihn und auch Scully beugte sich ein Stück weiter über die Holzkiste. „Ich glaube wir haben gefunden, wonach wir gesucht haben.“ Mulder streckte die Hand nach dem Arm des Wesens aus. „Was haben wir denn da? Sieht aus wie eine Verbindungshaut, die sich zwischen Arm und Oberkörper spannt.“ Seine Hand schwebte nur wenige Zoll über dem Wesen, als eine Klaue hervor schoss und Mulder am Handgelenk packte. Mit einem entsetzten Schrei sprangen sie von dem Grab zurück und Mulder wandt sich in dem eisernen Griff der Kreatur. Er versuchte sich mit aller Macht loszureißen und stemmte die Füße in den Sand, als sie ihn unerbittlich näher zu sich heranzog. Verzweifelt suchte er nach Halt. „Scully, die Fackel! Greifen Sie es mit der Fackel an!“ Er schrie auf, als die Kreatur jetzt auch mit der zweiten Klaue nach ihm griff und sich mit einem seltsam raschelnden Geräusch aus ihrer Kiste erhob. Scully zögerte noch, gebannt von dem grauenvollen Anblick, der sich ihr da bot. Doch dann schloss sich ihre Hand fester um den Griff ihrer Fackel und sie sprang vor, um der Kreatur das brennende Ende in die Fratze zu stoßen. Ein schriller Pfeifton entrang sich ihrer Kehle und sie wich zurück, ohne Mulder jedoch aus ihrem Griff freizugeben. Erneut schlug Scully mit der Fackel nach ihr und trat zu, als das noch immer keine Wirkung zeigte. Die Kreatur wurde in die Holzkiste zurückgeschleudert und schien für einige Augenblicke wie betäubt. Ohne noch eine Sekunde länger zu zögern, warf Scully ihre Fackel hinterher, sodass das morsche Holz sofort Feuer fing, riss ihren Partner am Arm auf die Beine und stürmte hinter den drei Männern aus der Gruft. Hintereinander hasteten sie den Gang hinunter und blieben verblüfft stehen, als sie nach mehreren hundert Metern die eingebrochene Decke nicht erreicht hatten. Gehetzt sahen sie sich um. Mulder fluchte ungehalten. „Verdammt, hier irgendwo muss es doch sein! Seid ihr in den falschen Gang gelaufen?“ Ohne auf diese Frage zu antworten liefen sie den Weg zurück zu der ersten Kreuzung, die sie passiert hatten, und blieben unschlüssig stehen. Sie hatten die Orientierung verloren. Rauchschwaden begannen sich in den Gängen auszubreiten und die Sicht trübte sich. Scully lief noch ein Stück den Gang hinunter und gestikulierte wild in der Luft herum. „Wir müssen zurück zur Gruft. Vielleicht sind wir tatsächlich in die falsche Richtung gerannt und finden von dort aus den Weg nach draußen.“ Sie folgten ihr, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Als sie an den Eingang der Gruft zurückkehrten, wallte dicker Rauch daraus hervor und die Sicht ging gegen Null. Lediglich ein flackernder Feuerschein drang bis zu ihnen vor. Zögernd blieben sie stehen, dicht beieinander, und sahen sich hektisch um. Weit und breit war kein Anzeichen zu finden, dass die Kreatur in der Nähe war. Aber sie wussten, dass sie jederzeit an jedem Ort sein konnte. Durch diese trägen Rauchschwaden war es nicht einmal sicher, dass sie die gegenüberliegende Wand überhaupt erreichten. Mulder sah zu den anderen, die hinter ihm standen und mit huschenden Augen den Dunst vor ihnen zu durchdringen suchten. Ihr beiden mexikanischen Freunde hatten die Augen dabei weit aufgerissen und zitterten am ganzen Körper. Der Agent war sich sicher, dass sie bei der nächstbesten Gelegenheit entweder flüchten oder durchdrehen würden. Er ergriff Scullys Hand. „Fasst euch an den Händen, dann verlieren wir uns wenigstens nicht. Keiner darf die Hand des anderen loslassen. Auf gar keinen Fall! Wir können das Risiko nicht eingehen und umkehren, sollte einer verloren gehen.“ Eng aneinander geklammert betraten sie die Gruft und tasteten sich behutsam Schritt um Schritt weiter. Sie bemühten sich, eine möglichst gerade Linie beizubehalten. Je näher sie dem Zentrum der Gruft kamen, um so unerträglicher wurde die Hitze. Jeder Atemzug begann in ihren Lungen zu brennen und ihre Augen tränten unaufhörlich, was es schier unmöglich machte überhaupt irgendetwas zu erkennen. Blind und hustend taumelten sie vorwärts, der rettenden Wand entgegen. Durch den Rauch drang ein glühender, roter Schein und lautes Kisten erfüllte die Luft. Mulder keuchte, schnappte hilflos nach Luft und starrte mit angstverzerrtem Gesicht hinüber, die freie Hand schützend vor sich haltend. Kalter Schweiß rann ihm den Rücken hinunter und er bekam das Gefühl, als wenn ihm am ganzen Körper die Haare zu Berge stehen würden. Noch nie hatte er solch eine Angst verspürt, sie machte ihn fast wahnsinnig. Hinzu kam noch das ständige Gefühl, unerbittlich verfolgt zu werden. Das Gefühl es nicht zu schaffen. Scully riss an seinem Arm, als er so sehr zu schwanken begann, dass es aussah, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. „Mulder, lassen Sie sich nicht in die Irre führen! ER ist es, ER will es so. Sie dürfen nicht auf ihn hören!“ Sie alle hatten panische Angst. Aber wenn nur einer aufgab oder ein Zeichen von Schwäche aufzeigte, war es gut möglich, dass die Situation eskalierte. Für einen kurzen Augenblick stockten sie, als ein Schatten über sie hinweg huschte von dem sie nicht wussten, ob ihn die Flammen verursacht hatten oder etwas anderes. Verunsichert suchten sie ihre Umgebung ab, soweit dies überhaupt noch möglich war. Der Rauch waberte um sie herum und erweckte immer wieder zuckende, undeutliche Schatten zum Leben. „Raus hier!“ murmelte Scully. „Und zwar auf dem schnellsten Weg.“ Keiner ließ sich das zweimal sagen. Sämtliche Vorsichtsmaßnahmen wurden in den Wind geschlagen und die Vier rannten los. Tatsächlich erreichten sie die gegenüberliegende Wand in nur wenigen Schritten, stürmten in den nächstbesten Gang – und hatten Glück. Mehr oder weniger, denn jetzt erhob sich vor ihnen der schier unüberwindliche Steinhaufen der zusammengebrochenen Decke. Und sie hatten keine Ahnung wie tief er sich erstreckte. Die zwei Mexikaner kletterten hinauf und begannen so schnell es ihre Kraft erlaubte die Trümmer fortzuräumen. Mulder folgte ihnen, während Scully mit den Fackeln am Fuß des Haufens stehen blieb und den Gang hinter ihnen misstrauisch beobachtete. Immer wieder hob sie die Fackel, um den Gang weiter auszuleuchten. Sie war nervös und spürte fast körperlich, dass sich dort am anderen Ende des Ganges etwas manifestierte und von Sekunde zu Sekunde stärker wurde. „Mulder.“ Ihre Stimme zitterte. „Da kommt etwas auf uns zu, beeilen sie sich!“ Erschrocken hielt er inne und kam zu ihr herunter. Sein Blick suchte den Gang ab. „Wo?“ Langsam wich Scully zurück. „Fühlen Sie es denn nicht?“ Mulder lauschte in sich hinein und fuhr sichtlich zusammen, als ihm seine innere Stimme unüberhörbar 'Gefahr' zuschrie. Alarmiert sah er sich um, warf einen Blick auf die beiden Mexikaner, die ihre Arbeit unterbrochen hatten, und suchte flüchtig den Boden ab. Scullys Kruzifix in seiner Tasche vergessend, griff er nach den beiden Fackeln, die Scully in der Hand trug, entriss sie ihr unsanft und zog sich seinen Gürtel aus der Hose. Irritiert blickte Scully ihren Partner an, der die Fackeln jetzt mit seinem Gürtel in einem rechten Winkel zusammenband, so dass sie ein Kreuz ergaben. Dann drückte er es Scully wieder in die Hand. „Segnen Sie es!“ Entsetzt sah sie Mulder an. „Los schon. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“ „Aber ich...“ „Nun machen sie schon!“ fuhr er die wie erstarrte Scully an. Überfordert blinzelte sie das Kreuz in ihren Händen an. Es brannte an allen vier Enden. Etwas bewegte sich im Nebel, der ihnen jetzt immer stärker aus dem Gang entgegen wallte, und Mulder war sich sicher, dass es diesmal keine Einbildung war. Er schluckte hart und wandte kurz den Blick ab, als Scully leise das 'Vater unser' zu murmeln begann. Sie schloss es mit „Im Namen des Vaters...“ Mulder wandte seinen Blick wieder dem Gang zu und konnte den Schrei nicht mehr unterdrücken, der sich seiner Kehle entrang. „... des Sohnes...“ Rücklings stürzte er zu Boden, riss die Arme vor sein Gesicht und krümmte sich wimmernd unter dem Anblick. „... und des Heiligen Geistes...“ Ihm gefror das Blut in den Adern. Jegliche Bewegung war ihm unmöglich. Er starrte nur wie ein Kaninchen in der Falle in diese Augen. „... Amen!“ Das Kreuz begann in Scullys Händen in einem überirdischen Licht schwach zu leuchten. Ungläubig starrte sie es an, warf einen Blick auf Mulder und erschrak. Er war vollkommen in den Bann geschlagen von dem, was sich hinter ihr befand. Grauen stieg ihren Nacken hinauf und ließ ihre Finger zittern. Doch sie riss all ihren Mut zusammen, umfasste das Kreuz mit beiden Händen und drehte sich um. Entsetzt riss sie die Augen auf, als sie sah was dort hinter ihr stand. Sie konnte es nicht richtig erkennen, aber sie spürte, dass es durch und durch böse war. Und genauso dunkel und abgrundtief hässlich. Für einen Moment schien Scullys Stimme versagen zu wollen, aber sie zwang sich mit all ihrer Kraft zur Ruhe. Schützend hob sie das Kreuz vor sich, Mulder und die zwei Mexikaner. Sie blickte ihrem Gegenüber fest in die blutunterlaufenen Augen. „Der Herr ist mein Hirte.“ Die Gestalt krümmte sich zischend und schlug mit den knochigen klauen nach dem Kreuz, das mit einer immer stärker werdenden Intensität zu leuchten begann. Ein gequälter Schrei hallte durch den Gang, dennoch wagte die Gestalt einen letzten Angriff. Scully hieb mit dem Kreuz auf sie ein, wodurch das Wesen mit Macht gegen die Wand und dann zu Boden geschleudert wurde. Scharfer Brandgeruch von versengter haut erfüllte die Luft. „Erneut sprang Scully vor und rammte die Spitze des Kreuzes in den zuckenden Leib der Kreatur, die sich zischend unter ihr wand. Ein gleißend heller Lichtstrahl brach aus der Wunde hervor und erneut kreischte das Wesen schmerzerfüllt. Entsetzt wich die FBI-Agentin zurück, als sie endlich erkannte, was sie dort angriff. Das Wesen hatte starke Ähnlichkeit mit dem Ding, das sie zuvor in dem Holzsarg gefunden hatten, nur wirkte es hier noch wesentlich abstoßender. Es erinnerte sie an eine Art menschenähnlichen Flughund mit den Formen einer Riesengottesanbeterin. Nur viel viel missgestalteter. Wie, zum Teufel, hatte dieses Ding dem Flammeninferno in der Gruft entkommen können? Scully schluckte und hielt ihm das Kreuz direkt vor die Augenhöhlen. Ihr Stimme war sehr leise, aber fest. „Verschwinde!“ Das Leuchten des Kreuzes wurde für Augenblicke unerträglich gell, ehe es langsam und zögerlich schwächer wurde. Scully blinzelte, die Kreatur war weg, einfach verschwunden. Sie hatte sich in Nichts auflöst. Ehrfürchtiges Schweigen hielt die vier Menschen gefangen, jeder von ihnen schaute auf das warme, pulsierende, aber immer schwächer werdende Licht des Kreuzes. Mulder rieb sich die Augen und fuhr sich fahrig durchs Haare. Er fühlte sich, als sei er soeben aus einem tiefen Schlaf erwacht. Wankend stand er auf, ging zu seiner Partnerin hinüber und sah ungläubig auf die Fackeln hinab. Ihre Blicke trafen sich und Scully lächelte kurz. Er nickte nur und drehte sich um. „Es ist noch nicht vorbei.“ Sie hielt ihn am Arm zurück. „Mulder... Wieso ich?“ Er wandte sich ihr noch einmal zu, um ihr ernst in die Augen zu sehen, aber der Blick seiner Augen war sanft. „Weil Sie dir Einzige sind, die einen festen Glauben hat, Scully. Einen festen Glauben an Gott.“ Mit diesen Worten ging er zu den beiden Mexikanern, die das Geschehen gelähmt vor Schreck mitverfolgt hatten. Kapitel 18: Chapter XVIII ------------------------- Ruinen Sierra Madre / Mexico 13. 15 h 26. Mai Sie mussten sich den Durchgang mit den Händen graben, was sehr viel Zeit und vor allem sehr viel Kraft kostete. Und selbst als sie bis zur anderen Seite vorgestoßen waren beanspruchte es ihrer aller Nerven weiterzukommen, da der Weg keinen Meter an Höhe und Breite maß. Quälend langsam mussten sie sich durch diesen schmalen Spalt hindurchzwängen, ohne das Ende an der Schulter des Vorgängers vorbei sehen zu können. Nachdem sie diese Barriere endlich hinter sich gelassen hatten, kamen sie wieder schneller voran. Sie liefen die Gänge entlang zurück zum Ausgang. Als sie die letzte Kreuzung erreichten, der Torbogen in die rettende Freiheit war keine zwanzig Schritt entfernt, fanden sie die anderen drei Mexikaner, die mit ihnen gekommen waren. Reglos lagen sie am Boden, bedeckt von ihrem eigenen Blut, das sich in dünnen Rinnsalen seinen Weg durch den Sand suchte. Fliegen umschwirrten die Leichen bereits in großen Schwärmen. Erschüttert sanken Mulder und Scully neben ihnen in die Hocke, während ihre Begleiter wild durcheinander schrieen. Scully warf ihrem Partner einen Blick zu, den er lediglich mit einem knappen Nicken bestätigte. Alle drei waren gebissen worden und würden schon bald in die Sphäre der Untoten überwechseln. Jede Hilfe kam zu spät. „Was ist mit ihnen? Sind sie...sind sie tot?“ Die Stimme des Mexikaners klang hohl, Angst machte es ihm schwer die amerikanischen Worte zu finden. Mulder wiegte den Kopf. „In unsrem Sinne schon. Aber es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis sie wieder zu 'neuem Leben' erwachen.“ Entsetzt starrten die beiden ihre Freunde an. Scully schüttelte grimmig den Kopf. „Wir müssen diesen Bastard finden, oder er bringt uns alle noch ins Reich der Untoten.“ Sie fischte einen Hammer aus ihrem Rucksack und reichte ihrem Partner einen der Holzpflöcke. Erschreckt fuhr sie zusammen, als sie unsanft an der Schulter herumgerissen wurde und in das wutverzerrte Gesichte eines der Mexikaner blickte, das nur wenige Zoll von ihrem entfernt war. Seine Hand umschloss ihr Handgelenk wie ein Schraubstock. „Was wollen Sie damit? Unsere Freunde durchbohren? Ihre Leichen schänden?“ „Wir werden ihre Seelen retten und ihnen Ruhe schenken, die sie andernfalls niemals mehr finden würden.“ Mulders Stimme war sanft und vertrieb den hasserfüllten Ausdruck aus den Augen des Mexikaners. Dennoch erntete er einen fassungslosen sowie fragenden Blick. „Es ist die einzige Möglichkeit die wir haben. Es tut mir leid. Und dann – werden wir das tun, weshalb wir überhaupt hier hergekommen sind.“ Es traf genau das ein, was Mulder schon lange erwartet hatte. Die zwei Mexikaner tauschten einen kurzen Blick, fuhren auf dem Absatz herum und flohen. Mulder und Scully blieben allein zurück. Vorsichtig schlichen sie wieder tiefer in die Gewölbe der Ruine, immer darauf vorbereitet einem unerwarteten Angriff ausgesetzt zu werden. Der Rauch und die Hitze des Feuers hatten mittlerweile weite Teile des Tunnelsystems eingenommen und in der Nähe der Gruft war es bereits unerträglich heiß. „Wir werden ihn nie finden! Womöglich ist er längst verschwunden.“ Aus der Art wie sie das sagte konnte Mulder schließen, dass seine Partnerin bereits resigniert hatte und der Verzweiflung nahe war. Er konnte es ihr nicht verübeln, denn schließlich war ihre Mission bislang keinesfalls so verlaufen, wie sie ursprünglich geplant gewesen war. Er ließ sich auf alle Viere nieder und kroch dicht an den Boden gepresst näher an den Raum heran, der neben der in hellen Flammen stehenden Gruft lag. Eine unbeschreibliche Spannung schien von dort auszugehen, die ihm ein Gefühl der absoluten Finsternis und Bosheit vermittelte. Und plötzlich wandelte sich dieses Gefühl in eine Vorahnung, die ihn erschauern ließ. Fast im selben Augenblick hörte er Scully hinter sich, die Stimme vor Angst verzerrt. „Mulder! Mulder kommen Sie her!“ Er wirbelte herum und erstarrte mitten in der Bewegung. Hinter ihm stand er. Eingehüllt in einen langen, wallenden schwarzen Mantel und mit langem schwarzen Haar. Seine Augen schimmerten im Wiederschein des Feuers, aber es war kein lebendiges Schimmern. Es war der Wiederschein der Hölle. Mulder riss seinen Blick los und sprang auf die Füße, um sich in Scullys Blickfeld zu stellen. Sanft ergriff er ihr Kinn und zwang sie statt dessen in seine Augen zu blicken. „Scully, sehen Sie ihm niemals in die Augen! Niemals! Nicht eine Sekunde lang. Sonst hat er bereits gewonnen bevor es überhaupt begonnen hat.“ Er suchte in ihren Augen nach einem Hinweis, dass er zu spät gehandelt hatte, aber zu seiner großen Erleichterung konnte er ihn nicht finden. Dann drückte er ihr seinen Holzpflock in die Hand und lächelte, als er ihrem verständnislosen Blick begegnete. „Es kann ihn nur einer pfählen. Ich werde versuchen ihn zu Fall zu bringen.“ Mit diesen Worten fuhr er herum und stürmte auf den Dunklen zu. Alles schien mit einem Mal in Zeitlupe abzulaufen. Mulder sah, wie der Dunkle beide Hände, zu Klauen gekrümmt, nach ihm ausstreckte, um ihn zu packen und womöglich noch in der Luft zu zerreißen. Aber er duckte sich bevor er sprang, und die scharfen Nägel fuhren unschädlich knapp über seinen Rücken hinweg. Mulders Hände krallten sich in den Umhang, doch noch ehe er ihn mit seinem eigenen Schwung umreißen konnte, wurde er von einer ungeheueren Macht zu Boden geschleudert. Pfeifend wurde ihm die Luft aus den Lungen gepresst und er stöhnte auf, versuchte aber noch mit einer kurzen Drehung die Beine seines Widersachers wegzutreten. Gewandt wich ihm der Dunkle aus, hob eine Hand und ohrfeigte Mulder, der sich grade wieder aufrappelte. Die Wucht des Schlages riss ihn herum, dass er sich überschlug und heftig gegen die Mauer prallte. Benommen blieb er einige Herzschläge liegen und kämpfte gegen die aufsteigende Ohnmacht an. Dann stemmte er sich mit grimmiger Entschlossenheit erneut in die Höhe, sprang auf die Füße und versuchte noch einmal, den Dunklen mit sich zu Boden zu reißen. Vergebens. Er wurde gepackt und mehrere Meter weit durch die Luft geschleudert. Lange Krallen rissen sein Hemd auf und hinterließen vier blutige Striemen auf seinem Bauch. Diesmal blieb Mulder zusammengekauert am Boden liegen und schaute ängstlich auf, als der Dunkle auf ihn zukam. Er hob eine Hand, so dass sich ein Schatten über das Gesicht des FBI-Agenten legte, und fing seinen Blick auf. Diesmal konnte er sich nicht mehr wehren, jegliche Willenskraft und jeglicher Mut schwanden aus seinem Körper. Gequält wand er sich am Boden. Vor seinen Augen erschien erneut sein Traum, der Traum, den er im Zug gehabt hatte. Und die Gewissheit lähmte ihn. Auf seinem Gesicht spiegelte sich die pure Todesangst wieder. Endlich erwachte Scully aus ihrer Erstarrung und stürzte vorwärts. Sie warf sich mir ihrem ganzen Körpergewicht auf den Dunklen, der seine gesamte Konzentration auf ihren Partner fixiert zu haben schien, und schleuderte ihn gegen die Wand. Flink wie ein Tier wirbelte er zu herum und schnappte mit den langen Klauen nach Scully, die sich geistesgegenwärtig zur Seite drehte und somit seinen Fängen entging. „Mich bekommst du nicht!“ murmelte sie grimmig, riss den Pflock zwischen sich und dem Angreifer hoch und jagte ihn mit mehreren kraftvollen Hammerschlägen in dessen Brust. Dunkles Blut spritzte hervor. Gepeinigt schrie der Dunkle auf und griff nach Scullys Handgelenk, mit der anderen packte er sie an der Schulter. Sie fühlte sich zurückgedrängt und begann heftigen Wiederstand zu leisten. Die Gedanken rasten hinter ihrer Stirn, suchten fieberhaft nach einem Ausweg. Erneut stellte sich der Dunkle gegen sie. Sie konnte spüren, wie ihr Wille immer schwächer wurde, stieß einen verzweifelten Schrei aus und drückte diesen lebendig gewordenen Alptraum zurück an die Mauer. Dann riss sie ihre Schulter los, ungeachtet der Krallen die ihr dabei die Haut aufrissen, und ließ den Hammer noch einmal auf den Pflock niedersausen. Gleichzeitig begann sie das 'Ave Maria' zu sprechen. Ein infernalisches Brüllen entrang sich der Kehle des Dunklen, das sich in hunderten Echos in den langen Gängen brach und wiederhallte. Seine Klauen schlugen nach Scully und versuchten sich noch einmal zu befreien. Aber Scully ließ nicht einen Augenblick nach. Immer und immer wieder schlug sie auf das Ende des Holzpflocks ein, trieb ihn immer tiefer in die Brust des Vampirs. Tiefrotes Blut bespritzte ihre Hände, ihr Hemd und ihr Gesicht, aber sie beachtete es nicht. Der Dunkle verdrehte die Augen, Blut sickerte über seine blassen Lippen und der Schrei erstickte in einem kehligen Gurgeln. Angewidert wandte Scully nun doch den Kopf ab, wich zurück und schlug ein letztes Mal zu. Das ausströmende, dunkelrote Blut färbte sich schwarz und der Wiederstand des Vampirs erstarb schlagartig. Sein Körper begann unkontrolliert zu zucken und Scully wich entsetzt mehrere Schritte zurück, als er in Sekundenschnelle zu altern begann. Seine Haut wurde fahl, schlug Falten und löste sich stellenweise vom Knochen, um zu Staub zu zerfallen. Die Augen sanken in die Höhlen, seine Zähne und Haare fielen aus und Fingernägel und Knochen wurden schwarz. Fassungslos verfolgten Mulder und Scully die rasende Metamorphose. In unglaublicher Geschwindigkeit zerfiel der Vampir zu Staub. Nichts blieb zurück bis auf die Eckzähne, die als böse Erinnerungen im Sand liegen blieben. Schweigend starrten die Agenten auf die Stelle, an der bis vor wenigen Augenblicken noch der Vampir gelegen hatte. Beide mussten sie erst einmal verkraften, was sie da grade erlebt hatten. Dann wurde Mulder mit einem Schlag bewusst, dass sie hier nicht mehr allein waren. Er hob den Kopf und fuhr sichtlich zusammen. Vor ihnen stand ungefähr ein halbes Dutzend leichenblasser Mexikaner. Einige von ihnen kannte er, einige nicht. Er seufzte, als er auch San unter ihnen erkannte. Lage, spitze Zähne, die bis über die Unterlippe reichten, funkelten im Feuerschein. Langsam griff Mulder nach Scullys Handgelenk und begann vorsichtig zurückzuweichen. Erschrocken sah sie auf, aus ihren tiefen Gedanken gerissen. „Laufen Sie!“ murmelte er leise. „Sie wollen ihren Herrn rächen. Laufen Sie wie Sie noch niemals zuvor gelaufen sind, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist.“ Ihre Blicke trafen sich kurz, dann wirbelten sie herum und flohen hinaus in den Dschungel. Kapitel 19: Chapter XIX ----------------------- Regenwald Sierra Madre / Mexico 17. 00 h 26. Mai Keuchend stolperten sie aus der Ruine heraus und sogen die rauchfreie Luft tief in ihre schmerzenden Lungen. Schon jetzt rann ihnen der Schweiß in Sturzbächen über den Körper. Gehtzt sah Scully zurück. „Folgen sie uns?“ „Mit Sicherheit. Ich glaube kaum, dass sie uns so einfach gehen lassen, nach dem was wir getan haben.“ Sie sahen sich an. Beide fühlten sich furchtbar elend. Aus den Eingeweiden der Ruine erklangen Schritte und wispernde Laute, die noch entfernt zu sein schienen, aber zweifellos näher rückten. Mulder ergriff Scully am Arm und fiel in einen leichten Trab. Zu mehr fehlte ihnen beiden die nötige Kraft. „Wir müssen den Wald erreichen. Vielleicht haben wir dort eine größere Chance sie abzuschütteln.“ Scully nickte nur und folgte ihrem Partner schweigend. Schnell verschwanden sie im Dickicht und versuchten sich schnell, aber möglichst lautlos vorwärts zu bewegen. Immer wieder verharrten sie regungslos und lauschten angestrengt in die unnatürliche Stille hinein, die sich über den Regenwald gelegt hatte. Beim kleinsten Geräusch fuhren sie zusammen und sahen sich mit vor Angst geweiteten Augen um. Dicht hintereinander liefen sie weiter. Ihre Augen suchten ununterbrochen die Umgebung ab. Trotz allem kamen sie nur quälend langsam vorwärts, ihre Nerven lagen blank. Nach einer kleinen Ewigkeit kauerten sie sich dich beieinander hinter ein Gebüsch, um zumindest ein wenig wieder zu Atem zu kommen. Da hob Mulder zwei Finger an die Lippen und duckte sich noch ein ganzes Stück tiefer in den Schutz des Strauches. Schon seit einiger Zeit hatten sie das unbeirrbare Gefühl, dass ihnen etwas nah auf den Fersen war. Zu nah. Erschreckt zuckten sie zusammen, als ganz in ihrer Nähe Äste knackten und das Laub leise raschelte. Gleich darauf war wieder alles still. „Es hilft nichts.“ flüsterte Scully erstickt. „Wir müssen zurück zum Lager. Nur dort haben wir eine Chance uns zu verteidigen.“ Mulder nickte und wollte sich bereits erheben, als er dem Blick aus toten, leeren Augen begegnete. Der Mexikaner grinste gehässig, wobei er ein messerscharfes Gebiss entblößte. Sekunden vergingen, ohne dass sich einer bewegte. Dann stürzte Mulder los und riss die vollkommen überraschte Scully hinter sich her. Hals über Kopf flohen sie weiter. Rücksichtslos brachen sie durch das Unterholz und nutzten jede zur Verfügung stehende Deckung. Es half nichts. Die Verfolger ließen sich nicht abschütteln. Dann endlich erreichten sie den Steilhang, der zum Plateau hinunterführte. Erschrocken stoppte Mulder und schloss für einen Moment die Augen, als ihm schwindelte. Scully, die mit rudernden Armen um ihr Gleichgewicht kämpfte, warf einen Blick zurück, konnte aber niemanden ausfindig machen. Ein schwacher Hoffnungsschimmer erschien in ihren Augen. Vielleicht schafften sie es ja doch. „Weiter!“ Vorsichtig begannen sie den Hang hinunter zu schlittern, teils auf den Füßen, teils sitzend. Dabei traten sie eine Gerölllawine los, die einen ohrenbetäubenden Lärm verursachte. Unsicher blickten sie nach oben, wo tatsächlich die ersten Gestalten erschienen. „Schneller!“ murmelte Mulder. „Wir müssen schneller sein als sie.“ Mit diesen Worten sprang er auf die Füße und rannte den letzten teil des Steilhanges hinab. Scully folgte ihm zögernd. Es war lebensgefährlich ein so steiles Gefälle auch noch hinab zu laufen. Andererseits wusste sie, das Mulder Recht hatte. Sie mussten einfach schneller sein! Sie erreichten das Lager völlig außer Atem, steuerten auf das Versammlungsgebäude zu, rissen die Tür auf und taumelten hinein. Scully schloss hastig die Tür und warf noch einen besorgten Blick auf den Waldrand, so dass sie nicht sah, wie ihr Partner kraftlos auf die Knie fiel und entsetzt die Augen schloss. „NEIN!“ Sein Schrei hallte von den Wänden wieder, verklang jedoch ungehört. Lediglich Scully drehte sich erschrocken zu ihm um, nur um gleichermaßen entsetzt sämtliche Farbe aus dem Gesicht zu verlieren. Wie vor den Kopf gestoßen stand sie da und blickte auf das grausame Bild zu ihren Füßen. Der Boden war übersät mit den reglosen Leibern der Dorfbewohner, die Kleider vollgesogen mit Blut und mit klaffenden Wunden überzogen. Es stank fürchterlich nach Tod und bereits einsetzender Verwesung. Und es gab Fliegen. Scharenweise Fliegen. „Das darf nicht wahr sein.“ wisperte Scully tonlos. „Das kann einfach nicht wahr sein! Sie...sie müssen es von Anfang an gewusst haben. Sie waren schneller als wir, Mulder. Und sie sind es schon immer gewesen. Sie haben sie alle umgebracht...“ Mulder fuhr sich fahrig durchs Haar, stand auf und ließ seinen Blick über das Schlachtfeld gleiten. Ja, hier hatte eine Schlacht stattgefunden. „Sie haben nicht alle getötet. Es sind zu wenige. Wahrscheinlich haben sie den Rest entführt und sind grade dabei sie auf ihre Seite zu bringen.“ Schweigend standen sie da und starrten die Toten an. Jede Hoffnung war mit einem Schlag zunichte gemacht worden. Sie waren allein. Allein gegen eine ganze Armee rachsüchtiger Untoter. Mutlos drehten sie sich um und traten hinaus in das abendliche Licht der Sonne. Zwischen den Häusern rührte sich nichts. Sie wussten nicht, wohin sie sich wenden sollten, um zumindest in die Nähe einer Gegend zu kommen, in der sie in Sicherheit wären. „Wir müssen zumindest versuchen zu fliehen. Vielleicht... Wir lassen uns doch sonst nicht so leicht unterkriegen!“ Scully schnaubte gekünstelt. „Leicht? Das nennen Sie leicht?“ Sie sah ihren Partner an, wusste aber, dass er Recht hatte. Er erwiderte ihren Blick entschlossen. „Wir sollten ihnen wenigstens die Jagt erschweren. So leicht bekommt man uns nicht. Uns nicht!“ Verwundert hob sie eine Braue und musste dann gegen ihren Willen schmunzeln. „Auf einen Versuch sollten wir es jedenfalls ankommen lassen.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren gingen sie los, schlichen durch die Gassen des Lagers auf die Straße und den dort geparkten Jeep zu. Schnell stiegen sie ein, doch Mulder versuchte vergebens den Motor zu starten. Immer und immer wieder drehte er den steckenden Zündschlüssel, doch der Motor schwieg beharrlich. „Verdammt!“ Mulder ließ seine Faust auf das Lenkrad krachen und sank frustriert in den Sitz. Scully starrte aus dem Fenster und fühlte, wie auch ihre Zuversicht immer weiter schwand. „Wozu haben wir uns überhaupt Hoffnungen gemacht? War doch klar, dass sie den Jeep untauglich machen und ich gehe jede Wette ein, dass die gesamte Straße gesäumt ist mit diesen Bestien. Den Weg können wir unmöglich nehmen.“ Sie sahen sich an. Unglücklich und mutlos. „Wir müssen durch den Regenwald.“ fuhr sie leise fort. „Auch wenn wir uns dort mit großer Wahrscheinlichkeit verlaufen werden. Aber es ist unsere letzte und einzige Chance.“ Mulder nickte schwach, stieß die Tür auf und verließ den Wagen. Scully folgte ihm und erschrak, als ihr Blick auf das zerrissene und blutige Hemd ihres Partners fiel. „Mulder, warten Sie!“ Er wandte sich zu ihr und stöhnte vor Schmerz auf, als sie sein Hemd hob und seinen Rücken mit spitzen Fingern berührte. „Verdammt Mulder, warum haben Sie mir das nicht gesagt? Sie müssen dringend verarztet werden.“ Der FBI-Agent brummte, wehrte sich aber nicht, als sie seinen Pulli zerriss und begann, ihm einen notdürftigen Verband anzulegen. „Wann hätte ich Ihnen das denn sagen sollen? Auf unserer Flucht vielleicht?“ Scully seufzte. „Besser wäre es auf jeden Fall gewesen. Verstehen Sie denn nicht? Die können Sie doch meilenweit wittern. Wir hätten nicht mal den Ansatz einer Chance zu entkommen.“ Er wollte etwas erwidern, verstummte aber, als er die Gestalten bemerkte, die langsam durch die Gassen auf sie zukamen. „Scheiße verdammte!“ murmelte er ungehalten und drängte Scully mit sich zurück, bis er den Jeep hinter sich fühlen konnte. Hastig sah er sich nach einem Fluchtweg um, aber es war bereits zu spät. „Großer Gott!“ Scully riss entsetzt die Augen auf. Sie waren eingekesselt. Zwischen den Bäumen und zwischen den Hütten kamen immer mehr der dunkel vermummten Gestalten auf sie zu. Langsam aber unerbittlich begann sich der Kreis zuzuziehen. „Verdammt, verdammt noch mal.“ Scully biss sich verzweifelt auf die Unterlippe. Panik stieg in ihnen auf. Sie saßen in der Falle. Wo sie auch hinsahen, es gab nicht die winzigste Lücke durch die sie hätten fliehen können. „Wo sind die alle hergekommen?“ Scullys Stimme zitterte. „Ich könnte schwören, dass sie eben noch nicht da gewesen sind.“ „Waren sie auch nicht.“ antwortete Mulder tonlos. „Sie kommen und gehen, gleich dem Winde der die Schatten treibt.“ Er zog seinen Revolver und zielte wahllos auf die Gestalten vor sich, als sie bis auf wenige Schritte heran waren. Scully kam seinem Beispiel nach, ließ ihre Hand jedoch wieder sinken, als sie die ihr am nächsten stehende Person erkannte. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ihre Stimme versagte ihr ihren Dienst. Sie konnte einfach nicht fassen was sie da sah. „Sie haben uns hereingelegt.“ krächzte Mulder heiser. „Sie haben uns die ganze Zeit über angelogen.“ er fühlte wie ein lähmendes Gefühl der Hilflosigkeit von ihm Besitz ergriff. Hilflosigkeit und eine tiefe Verbitterung. Vor ihm stand Leandres, flankiert von den drei Ältesten und dem unheimlichen Mann, dessen Gesicht von einer Narbe so übel entstellt worden war. „Sie Mistkerl!“ zischte Scully giftig. Hilflosigkeit und bodenlose Wut machten sie fast rasend. „Sie verdammter Mistkerl. Sie haben uns von Anfang an in die Irre geführt. Ihr...ihr habt alle unter einer Decke gesteckt?“ Fassungslos schüttelte sie den Kopf. Ihr wurde jetzt so einiges klar. „Wir hätten machen können was wir wollten. Ihr hättet alles so gedreht, dass es unmöglich gewesen wäre es in unsere Ermittlungen mit einzubeziehen. Wir hatten nie eine Chance.“ „Wie konnten wir nur so blind sein?“ murmelt Mulder. „Der Plan war perfekt. Natürlich – wir konnten gar keine Chance haben. Die armen Schweine, die nicht mitmachen wollten, mussten elendig sterben. Und den Rest habt ihr, genau so wie uns, nach Strich und Faden angelogen. Und wahrscheinlich eliminiert ihr jetzt grade diejenigen, die zu viel Wissen nach außen bringen könnten.“ Leandres lachte kalt. „Gut gefolgert, Agent Mulder. Nur leider war bereits viel zu viel nach Außen gelangt, weshalb sie überhaupt erst hier sind. Salvatore...nunja ich muss gestehen, dass es ein Fehler war, ihn in unsere Kreise aufzunehmen. Er war von Anfang an gefährlich und ahnte schon recht früh welchem wahren Glauben unsere kleine Gemeinschaft hier nachging. Es ist immer das selbe Problem mit Fremdzugängen, Personen die ihre Wurzeln nicht hier in dieser Gemeinschaft haben. Sie können es nicht verstehen, wissen Sie? Dummerweise war es meine Entscheidung, ihn nicht zu töten und statt dessen zu einem unserer Gefolgsleute zu machen. Er entkam uns, noch bevor wir die Neuerschaffung seiner Seele abschießen konnten – und rief sie zwei Hübschen auf den Plan. Seine Zeit als – Zwischenwesen – war begrenzt, aber sie genügte uns eine ganze Menge Ärger einzubrocken.“ Er musterte die beiden Agenten mit einem Blick, der keinen Zweifel daran ließ, was er von ihnen hielt. „Aber nun, jetzt waren sie also hier und wir mussten uns mit diesem Problem auseinandersetzen. Leider waren sie viel zu hartnäckig und neugierig, unser kleines Schauspiel einer heilen Welt schien sie nicht so zu überzeugen wie ich mir das vorgestellt hatte und so – mussten wir zu subtileren Mitteln greifen. Wir leben hier seit Jahrhunderten in friedlicher Eintracht zusammen und wünschen eigentlich, dass das auch so bleibt. Es wäre folglich fatal, wenn das Wissen über unsere Existenz nach außen dringen würde. Verstehen Sie? Salvatore wurde bereits unschädlich gemacht, dafür haben meine treuen Diener gesorgt...fehlen also nur noch sie beide.“ Leandres lächelte zuckersüß und trat einige Schritte auf Scully zu, die angewidert vor ihm zurückwich, bis der Jeep ihr jedes weitere Entkommen verwehrte. Kalt legte sich der Stahl einer Machte an ihren Hals. Als er gleich darauf den kühlen Lauf von Mulders Revolver an seiner Schläfe spürte, bleckte er in dämonischer Freude seine langen Fangzähne. „Tun Sie das nicht, Agent Mulder. Sie wissen, dass Sie mich nicht töten können, und ihrer süßen Partnerin würde es auch nicht grade zu Gute kommen.“ Der FBI-Agent zögerte noch einige Herzschläge, er rang sichtlich mit sich. Dann ließ er den Revolver langsam sinken. Leandres hatte Recht, er konnte nichts tun. „Ein nobles Ziel, das ihr da verfolgt, Leandres. Aber wieso glaube ich, dass es nicht ganz der Wahrheit entspricht? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr zufrieden damit seid hier in aller Bescheidenheit zu leben. Selbst Vampire benötigen frisches, fremdes Blut, um ihre Art zu erhalten und nicht an Inzucht eingehen zu lassen.“ Die unergründlichen Augen des Mannes bohrten sich in die des Agenten, als wollten sie seine tiefste Seele ergründen. „Sie erweisen ein wirklich überaus feines Gespür und ich bin beeindruckt, wie viel sie über meine Rasse doch wissen. Aber doch, wir sehnen uns durchaus nach einem friedlichen Leben untereinander – sobald die menschliche Rasse der unseren unterworfen worden ist.“ Er grinste böse. „Und das, mein lieber Mulder, wird nicht mehr lange dauern.“ Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Scully und sein Lächeln erstarb schlagartig. „ Ich würde keine Sekunde länger zögern, euch umzubringen. Aber...ich habe euch einen Deal vorzuschlagen. Ihr habt erstaunliche Leitungen vollbracht, ich muss zugeben, ihr habt uns Kopfzerbrechen bereitet. Jemanden wie euch – könnten wir brauchen. Tretet auf unsere Seite und werdet Teil dieses unglaublichen Siegeszuges des Lebens über den Tod. Tretet uns bei und ihr werdet ewig leben. Tretet uns bei und wir verschonen euch.“ „Das nennt ihr Leben?“ Mulder schraubte abfällig. „Ihr seid weder das eine noch das andere, gefangen in einem Dazwischen, aus dem ihr nicht mehr entkommen könnt.“ Er blickte Leandres fest in die Augen. „Niemals!“ Aus dem Augenwinkel sah er, wie Scully diese Entscheidung nachdrücklich bestätigte. „Dann werdet ihr das Tageslicht nie wiedersehen.“ Was dann folgte war ein traumatisches Erlebnis, dem sie nur durch ein Wunder entfliehen konnten. Mulder packte Leandres und riss ihn von Scully zurück. Mit einer katzenhaften Gewandtheit konnte dieser sich aber aus dem Griff des Agenten lösen und brachte ihn mit einem brutalen Tritt in die Nieren zu Fall. Scully zögerte keine weitere Sekunde, hob ihren Revolver und schoss Leandres mit einem gezielten Schuss direkt zwischen die Augen und gleich darauf zwei Mal in die Brust. Er wurde von der Wucht der Einschläge zurückgeschleudert, brach zusammen und blieb blutüberströmt liegen. Noch ehe er die Gewalt über seinen Körper zurückerlangen konnte, reckte sich Mulder nach dessen Machete und Knüppel, bekam aber nur letzteres zu fassen, sprang auf und fing in letzter Sekunde den Hieb einer Machete ab, der gegen seinen Kopf gerichtet war. Er taumelte mehrere Schritte zurück, fasste den Knüppel mit beiden Händen und hielt ihn schützend vor sich und Scully. Dennoch hatte er Mühe, die auf sie niederprasselnden Schläge zu parieren. Die Wunden an seinem Rücken brachen wieder auf und färbten die Stofffetzen dunkelrot ein. Während Mulder sich und Scully verzweifelt verteidigte, sah sie sich fieberhaft nach einer Fluchtmöglichkeit um. Aber nach wie vor wies der Kreis keine Schwachstelle auf. Stattdessen viel ihr auf, dass die Vampire nicht gemeinsam angriffen. Es wirkte auf sie beinah wie ein Ritual, in dem jeder die Möglichkeit erhielt, sich dem Feind allein zu stellen und seine Kraft zu beweisen. So lange, bis Mulders und ihre Kräfte erlahmten und sie ihnen wehrlos ausgeliefert sein würden. Kaum hatten sie einen mit vereinten Kräften niedergeschlagen, griff auch schon der nächste an. Und zu allem Übel kam dann noch die Tatsache, dass sie ihre Gegner nur für einen gewissen Zeitraum außer Gefecht setzten, nicht aber vernichteten. Dazu fehlten ihnen schlicht und ergreifend die Mittel. Mulder wurde neben ihr gegen den Jeep geschleudert und krümmte sich unter einem Schlag in seine Seite, so dass Scully nur mit aller mühe dem nächsten Hieb ausweichen konnte. Sie ließ sich auf ein Knie fallen und schoss den Mann nieder. Ihr Magen revoltierte bei dem Anblick, aber sie hatte keine andere Wahl. Nachdem sie noch drei Mal gefeuert hatte, schlug der Schlagbolzen ins Leere. Dennoch stürzte der Angreifer getroffen zu Boden und ließ den Rest für einen Herzschlag verunsichert innehalten. Atemlos sahen sich Mulder und Scully um. „Wir müssen ihren Kreis durchbrechen, aber lange halten wir hier nicht mehr durch. Wir müssen hier raus!“ Wie um seinen Worten den entsprechenden Nachdruck zu verleihen, ging Mulder ein paar Schritte auf den Kreis zu. „Gott, steh uns bei!“ murmelte er verzweifelt. Er wich dem nächsten Angreifer mit einem Ausfallschritt aus und schlug ihn nieder. Dann rannte er los, benutzte seinen Knüppel wie einen Rammbock. Sie hatten die Überraschung auf ihrer Seite. Scully und er durchbrachen die Mauer aus untoten Leibern rücksichtslos, rissen einige mit sich zu Boden – und waren frei. Mulder tauschte hastig seinen Knüppel gegen eine Machete und stürzte hinter Scully her, die grade im Regenwald verschwand. Eine Weile flohen sie so Seite an Seite immer tiefer in das Gehölz, dann übernahm Mulder die Führung und bahnte ihnen einen Weg mit der Machete. Kapitel 20: Chapter XX ---------------------- Regenwald Sierra Madre / Mexico 19.30 h 26. Mai Die Machete erleichterte ihnen das Durchkommen und veranlasste, dass sie schneller vorankamen. Gleichzeitig hinterließen sie jedoch eine Spur, die sich unübersehbar durch das Gehölz zog und ihren Verfolgern den Weg wies. Noch war von diesen allerdings nichts auszumachen. Unter den Bäumen zeichnete sich das Herannahen der Nacht bereits deutlich ab, die Schatten wurden länger und tiefer und hüllten die Umgebung mehr und mehr in Finsternis. Scully sah sich unsicher um. Sie glaubte, dass allein ihr rasender Herzschlag über Meilen hinweg zu hören sein musste. „Mulder, das gefällt mir ganz und gar nicht. Ich fühle mich die ganze Zeit über schon beobachtet. Vielleicht sollten wir uns lieber einen Ort suchen, an dem wir uns für die Nacht verschanzen können und morgen früh weiter ziehen.“ Er sah sie kurz über die Schulter hinweg an und schüttelte müde den Kopf. „Sie würden uns auch dort aufspüren. Ich würde mich auch lieber ausruhen, anstatt hier mit der Machete um mich zu schlagen. Aber sie haben so oder so schon leichtes Spiel mit uns. Je müder und unaufmerksamer wir werden, desto leichter wird es ihnen fallen, uns zu beeinflussen. Wir dürfen keine Schwäche zeigen! Und wer weiß, vielleicht haben wir ja soviel Glück, dass wir uns irgendwann aus ihrem Zugriffsbereich entfernen können...“ Sein Blick glitt hinauf zu den Baumwipfeln über seinem Kopf. Zwischen dem dichten Laubwerk drang kaum noch ein Lichtschimmer bis zu ihnen herab. Die Nacht hatte sie eingeholt. Ein Schauer huschte ihm über den Rücken. Scully hatte vollkommen Recht, auch er fühlte sich, als würden gleich mehrere Augenpaare jede seine Bewegungen verfolgen. Instinktiv schlug er heftiger mit der Machete zu, um zugleich seine Müdigkeit und Angst zu bekämpfen. Sie mussten aus diesem verfluchten Regenwald raus. Nach nur wenigen Schritten hielt er mitten in der Bewegung inne, als er ganz in seiner Nähe ein leises Rascheln vernahm. Vorsichtig wandte er den Kopf und versuchte die Dunkelheit unter den Bäumen zu durchdringen. Doch er konnte nichts erkennen, keinen Schatten, keine Bewegung. Lediglich der Wind fuhr leise wispernd durch die Äste. Es klang bedrohlich, beinah ein wenig unnatürlich, und dem FBI-Agenten stellten sich die Nackenhaare auf, als er sich erinnerte, wo er dieses Wispern schon einmal gehört hatte. Als er und Daniele aus dem Wald geflohen waren hatte ihn genau dieses Wispern verfolgt. Es klang, als würden unzählige Stimmen jenseits der rationalen Wahrnehmungskraft zu ihm sprechen. Was sie sagten konnte er nicht verstehen, aber er ahnte, dass es nichts Gutes bedeuten konnte. Scully und er fuhren herum, als hinter ihnen Laub knisterte und ein leises Geräusche zurückschwingender Äste erklang. Schatten schienen sich zu bewegen und die Büsche selbst schienen zum Leben zu erwachen. „Laufen Sie.“ flüsterte Mulder mit zugeschnürter Kehle. „Los, laufen Sie schon!“ Scully wirbelte herum und rannte los, stolperte und fiel. Mulder war mit einem Satz an ihrer Seite und riss sie am Arm mit sich. Ohne auf die ihnen entgegenschlagenden Äste und Dornen zu achten, brachen sie durch das Unterholz, stolperten und strauchelten durch schlammige Rinnsale und fanden sich immer wieder vor schier undurchdringlichen Mauern aus Pflanzen wieder. Hinter ihnen huschte es, nur ein leises Rascheln verriet ihre Verfolger. Leise und ohne auch nur ein verräterisches Geräusch zu verursachen, verringerten sie den Abstand zwischen sich und den flüchtenden Agenten. Hastig liefen Mulder und Scully einen umgestürzten Baumstamm zu einer Felsklippe hinauf. Geduckt, fast auf allen Vieren kriechend, balancierten sie auf einem schwindelerregend schmalen Grat entlang. Scully hielt entsetzt inne, als der Fels jäh vor ihr abbrach und mehrere dutzend Meter in die Tiefe stürzte. An seinem Fuß glitzerte ein See. „Niemals!“ stieß sie hervor und prallte rücklings gegen ihren Partner, der sie unsanft zurück an die Kante drängte. „Scully, wir können unmöglich umkehren. Sie sind uns zu nah!“ Hinter ihnen erreichten die ersten Schatten den Felsgrat und schlichen vorsichtig näher. Sie bewegten sich mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit auf diesem unsicheren Terrain und in dieser alles verschlingenden Dunkelheit, das Scully das kalte Grauen packte. Solchen Jägern konnten sie nicht entkommen. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie zu den immer mehr werdenden Schemen hinüber. „Also gut, jetzt oder nie.“ Mulder riss seinen Revolver aus dem Holster und feuerte auf die Schatten, die ihnen am nächsten waren. Er schaffte es, ihren Vormarsch für einige Herzschläge in Stocken zu bringen und einigen wenigen gar das Gleichgewicht zu nehmen. Sie stürzten, hielten sich jedoch nur wenige Meter unter ihnen einer Eidechse gleich an der fast senkrechten Felswand fest und begannen den Aufstieg erneut. Im gleichen Atemzug sprangen Mulder und Scully. Der Sturz erschien ihnen wie eine halbe Ewigkeit, ehe sie brutal auf der Wasseroberfläche aufschlugen. Das Wasser umschloss sie, verschlang sie vor den suchenden Blicken ihrer Verfolger... Wenig später wateten sie durch einen seichten, schlammigen Nebenarm, umschwirrt von einer ganzen Horde Moskitos, die sie allerdings kaum noch zur Kenntnis nahmen. Nicht ein einziges verräterisches Geräusch drang mehr zu ihnen vor, lediglich das leise Plätschern, das ihre Füße verursachten, und das zarte Zirpen einiger Zikaden durchbrach die nächtliche Stille. Mit der Nacht war die Kälte gekommen und ließ die vollkommen durchnässten Agenten jetzt erbärmlich frieren, kroch unaufhaltsam bis auf die Knochen. Scully klapperte mit den Zähnen. Ihre Nerven lagen blank, sofern sie denn überhaupt noch existieren sollte, und sie war am Ende ihrer Kräfte angelangt. Ihre Umgebung hatte sie bereits lange Zeit schon aufgegeben zu beobachten, ihre überanstrengten Nerven narrten sie ohnehin immer wieder von neuem. Ihr Blick fiel auf Mulder, der mit hängenden Schultern vor ihr herlief, und sie fragte sich, ob sie genau so müde aussah wie er. Es schien, als würde er jeden Augenblick zusammenbrechen. Sie wunderte sich kein bisschen darüber, denn schließlich waren sie beide seit dem Morgen ununterbrochen auf den Beinen. Es kam ihr unwirklich vor, dass all das, was sie in den zurückliegenden Stunden erlebt hatten, tatsächlich alles an einem einzigen Tag geschehen war. Dass sie aufgebrochen waren, um die Gruft zu zerstören, schien für sie bereits Wochen her zu sein. Auf einmal fuhr Mulder vor ihr zusammen, wich zurück und hob die Machete. Verwirrt versuchte sie an seiner Schulter vorbei zu schauen und in dem aufsteigenden Dunst zu erkennen, wovor er sich so sehr erschreckt hatte, und sog scharf die Luft ein. Vor ihnen, noch halb im Fluss liegend und offenbar besinnungslos, lag Lucàr. Seine Kleider hingen in Fetzen und schwärende Wunden zeichneten sich auf seiner Haut ab. Behutsam näherte sich Mulder dem Mann und streckte zögernd die Hand nach ihm aus, um nach seinem Puls zu tasten. Er stöhnte unter der Berührung und regte sich schwach, dann schlug er die Augen auf. Mulder wich sofort von ihm zurück und musterte ihn misstrauisch. Die Spitze der Machete wies unerschütterlich auf seine Brust. Beide Agenten waren von einem Moment auf den anderen hellwach, die Müdigkeit und die Erschöpfung vergessen. Lucàr rieb sich über das Gesicht. „Gott, welch ein Glück, dass ich sie gefunden habe! Ich wollte schon die Hoffnung aufgeben und befürchtete hier sterben zu müssen.“ Scully runzelte skeptisch die Stirn, keineswegs besänftigt. „Was soll das heißen, Sie haben uns gesucht? Jeder Ihrer – Brüder – scheint im Moment nach uns zu suchen, da sind Sie keine Ausnahme. Nur dass wir Sie töten werden, bevor Sie sie dazuholen können.“ Der schwarzhaarige Mann starrte sie entsetzt an und hob abwehrend die Hände. „Bitte, Agent Scully, Sie missverstehen mich! Ich habe nicht vor Ihnen auch nur ein Haar zu krümmen. Ich will hier genauso mit heiler Haut herauskommen wie Sie. Sie müssen mir glauben!“ Er sah sie beschwörend an, doch die Agentin wandte schnaubend den Blick ab. Ein leises Kribbeln überhalb ihrer Nasenwurzel lenkte sie ab. Mulder ließ sich in die Hocke sinken, um auf Augenhöhe mit dem Mexikaner zu kommen. „Kennen Sie denn den Weg hier raus? Können Sie uns hier wegbringen, raus aus dem Wald?“ Ein dämonisches Lächeln huschte über die Züge des Mannes, das allerdings genauso schnell wieder verschwand wie es gekommen war. Sein Blick bohrte sich in den des Agenten. „Selbstverständlich. Niemand kennt den Regenwald so gut wie ich. Das habe ich Ihnen bereits erzählt.“ Scully war verwirrt. Mulder musste doch wissen, dass er Lucàr nicht trauen konnte. Sie konnten niemandem aus der Gruppe mehr trauen, den sie hier trafen. Niemandem! Sie zog Mulder zur Seite, der nur widerstrebend den Blick von dem Schwarzhaarigen nahm und sich gedankenverloren die Stirn rieb. Ein leichter Kopfschmerz schien sich direkt über seiner Nasenwurzel anzukündigen. „Was soll das? Wissen Sie denn nicht mehr, was Salvatore sagte? Er spielt ein falsches Spiel mit uns. Es ist wahnsinnig, sich ihm anzuvertrauen!“ wisperte Scully aufgebracht. Mulder nickte ungeduldig. „Ja ich weiß. Aber Scully, sehen Sie ihn sich doch einmal an. Es sieht ganz so aus, als sei er tatsächlich vor seinen Freunden geflohen und das nicht, ohne sich diese Flucht mit Gewalt zu ermöglichen. Wir irren jetzt schon eine Ewigkeit orientierungslos durch diese Wälder, ohne nennenswert vorangekommen zu sein. Wir werden niemals allein den Weg hier heraus finden. So aber haben wir wenigstens eine geringe Chance. Verstehen Sie das denn nicht?“ „Nein, das tue ich tatsächlich nicht! Nur weil wir ihn vorhin nicht unter den Angreifern gesehen haben, heißt das noch lange nicht, dass er nicht zu ihnen gehört. Ist Ihnen schon mal der Gedanke gekommen, dass das hier eine geschickt gelegte Falle sein könnte und Lucàr uns lediglich zurück in die Fänge der Vampire treiben soll?“ Ihre Augen funkelten verärgert. Ihr Partner hob kraftlos die Schultern und wandte sich von ihr ab. „Ich weiß es doch auch nicht, ehrlich. Aber ich will zumindest versuchen hier lebend wieder weg zu kommen, und dazu ist mir jedes Mittel recht. Ich werde mit Lucàr weiterziehen. Sie können es sich von mir aus überlegen, ob Sie sich uns anschließen oder ob Sie ihr Glück lieber allein versuchen.“ Scully blieb konsterniert der Mund offen stehen. Was war nur los mit ihm? Hatte die Erschöpfung ihn etwa so unvorsichtig werden lassen, dass er bereitwillig jegliche Warnung in den Wind schlug? Eine Weile blickte sie den beiden Männern unschlüssig hinterher, die sich mit langsamen Schritten von ihr entfernten. Dann knurrte sie wütend und folgte ihnen. Sie wollte partout nicht allein bleiben in diesem Alptraum. Und wenn schon Mulder zu blind war, um die Gefahr nicht zu erkennen, so durfte sie ihn nicht im Stich lassen und tatsächlich ins offene Messer rennen lassen. Sie würde aufmerksam bleiben und wenn es sein musste handeln. Tatsächlich schienen ihre Zweifel unbegründet, denn Lucàr leitete sie sicher und ohne zu zögern durch den nächtlichen Dschungel. Mit der Zeit ließ ihre Anspannung nach und machte Platz für die Müdigkeit, die dafür mit Macht zurückkehrte. Scully gähnte. Ein fataler Fehler. Lucàr hatte die immer größer werdende Erschöpfung der beiden FBI-Agenten sehr wohl mitbekommen und geduldig gewartet, bis ihre Aufmerksamkeit gegen Null strebte. Mitten in der Bewegung kreiselte er zu Mulder herum und stürzte sich wie toll auf den Agenten. Mit Leichtigkeit überwältigte er die schwache Gegenwehr, schlug ihm die Machete aus der Hand und rang ihn zu Boden, so dass Mulder wehrlos auf dem Bauch lag. Lachend stemmt er ihm das Knie in den Rücken und zerrte seinen Kopf in den Nacken. Mulder bekam keine Luft mehr. Er war wie betäubt, alles war in Bruchteilen weniger Sekunden abgelaufen. „So ein Pech aber auch, dass Sie so vertrauensselig sind, Agent Mulder.“ raunte er und lachte gehässig. Scharfe Fingernägel glitten über seinen entblößten Hals. „Sie werden sterben und mir Ihre Lebenskraft überlassen.“ Sein Blick huschte zu Scully, die sich hinter seinem Rücken vorsichtig näher geschlichen hatte. Er knurrte drohend. „Überlegen Sie gut, was Sie als nächstes tun, Miss Scully.“ Ein klein wenig mehr Druck genügte, und seine Nägel schlitzten Mulders Haut auf. Ein winziger Tropfen Blut bildete sich über der Wunde, den Lucàr gierig ableckte. Scully verzog angewidert das Gesicht, machte jedoch keine weiteren Versuche den Vampir anzugreifen. Warum auch musste sie immer Recht haben? Angstvoll schielte Mulder zu Lucàr auf und stemmte sich verzweifelt gegen seine Umklammerung. Doch ohne Erfolg. Immer wieder sanken seine Hände tief in den schlammigen Untergrund des Baches und gerieten ins Rutschen. Am ganzen Körper begann ihm der Schweiß auszubrechen und er wimmerte leise, als er spürte, wie etwas eiskaltes nach seiner Seele griff. Lucàrs Atem strich ihm über den Nacken und er schloss entsetzt die Augen, als er spitze Zähne an seinem Hals spürte. „Bald schon werden meine Freunde hier sein und an meinem Erfolg Teil haben.“ Scully beschloss zu handeln. Sie ergriff die am Boden liegende Machete, holte aus und legte all ihre verbliebene Kraft in den Schlag. Doch sie verfehlte Lucàrs Genick um Haaresbreite, obgleich sie ihn schwer verletzte. Wutschnaubend drehte er sich herum. Seine Augen funkelten hasserfüllt und Scully wich erschüttert vor dem Animalischen zurück, das deutlich in ihnen geschrieben stand. Seine spitzen Eckzähne ragten über seine Unterlippe hinaus, als er seinen Mund zu einem dämonischen Grinsen verzog. Drohend hob Scully die Machete und schlug ein zweites mal zu. Lucàr wich geschickt aus, riss ihr die Waffe aus der Hand und schlug ihr hart mit der Faust ins Gesicht. Die Agentin wurde zurück geschleudert und fiel. Sie hatte keine Chance, sich gegen den zweiten Angriff zu wehren. Lucàr beugte sich über sie, schlug ihr ein zweites Mal ins Gesicht und drehte ihren Kopf zur Seite. Scully kämpfte nicht länger gegen die Ohnmacht an, die lauernd am Rande ihres Bewusstseins wartete. Sie hatte keine Kraft mehr und auch keinen Willen mehr, sich noch einmal gegen das Unvermeidliche zu stemmen. Ihr Körper erschlaffte. Wie vom Donner gerührt beobachtete Mulder das unheimliche Schauspiel. Er war wie in Trance, sein Gehirn blockiert. Erst als Lucàr sich hinabbeugte, um seine Fänge in Scullys Hals zu schlagen, kam die Erkenntnis wie ein Blitzschlag über hin. Das Kruzifix! Scullys Kruzifix, welches sie normalerweise an ihrem Hals trug und das er heute morgen auf ihrem Bett gefunden hatte. Mit all seiner Willenskraft schüttelte er die Starre ab, in der er gefangen war, rappelte sich auf und durchwühlte hektisch seine Hosentaschen. Ihm wurde heiß. Wo verdammt war das Kruzifix? Als er es endlich ertastete, entglitt es seinen zitternden Fingern und er musste es erneut aufheben. Einen Moment lang betrachtete er es mit gemischten Gefühlen, dann warf sich dann zwischen seine Partnerin und Lucàr. Lucàr schrie wütend auf und wollte sich ohne zu zögern erneut auf Mulder stürzen, doch er prallte zurück, als sei er gegen eine Wand gestoßen. Wie ein Schild hielt Mulder das schimmernde Kreuz vor sich und Scully, wagte kaum zu atmen in der verzweifelten Hoffnung. Dann musste er geblendet die Augen schließen. Das Kruzifix begann an der zierlichen Kette hell und pulsierend zu strahlen, ähnlich den Fackeln in der Gruft, und das Licht schien sich, einer schützende Aura gleich, um die zwei Agenten zu legen. Lucàr raste. Er schlug mit seinen zu Klauen verkrümmten Händen nach dem Kreuz, wandte sich heulend vor Schmerz in dem Licht und wich Schritt um Schritt zurück, je intensiver das Licht wurde. Hinter seinem normalen, menschlichen Gesicht, schien das personifizierte Grauen Gestalt anzunehmen. Mulder schluckte hart und drückte Scully, die besinnungslos in seinen Armen lag, schützend an sich. Er hob das Kruzifix mit zitternden Händen noch ein Stück höher und murmelte halblaut: „Der Herr ist mein Hirte. Hier, jetzt und immer. Möge er dich auf deinen Wegen begleiten, wo auch immer er dich hinführen mag – bis in das Verderben!“ Lucàr fuhr herum und stürzte in heilloser Flucht davon. Ein unmenschliches Kreischen entrang sich seiner Kehle und er warf Mulder noch einen letzten, hasserfüllten Blick zu, dann verschwand er in der Dunkelheit. Kapitel 21: Chapter XXI ----------------------- Irgendwo in der Sierra Madre Mexico 05. 30 h 27. Mai Am Ende seiner Kräfte und zu Tode erschöpft wankte Mulder durch den Regenwald der Sierra Madre. Auf seinem Rücken trug er Scully, die ihr Bewusstsein seit dem nächtlichen Angriff nicht mehr wiedererlangt hatte, und an seinem Hals baumelte das glitzernde Kruzifix. Es hatte noch die ganze restliche Nacht hindurch geleuchtet und ihn und Scully vor weiteren Vampir-Angriffen geschützt. Mulder war überzeugt, dass sie beide einen weiteren Angriff nicht überlebt hätten. Er konzentrierte sich nur noch darauf, einen Fuß vor den nächsten zu setzten, ohne dabei zu stolpern, doch immer wieder knickten seine Beine vor Schwäche ein, als wollten sie ihm ihren Dienst verweigern. Er bemerkte nicht einmal, wie sich der Regenwald um ihn herum langsam lichtete. Er blieb erst fassungslos stehen, als er einen breiten Schotterweg unter seinen Füßen hatte. Schnurgerade führte er bergab, hinunter in ein Tal, wo winzige Felder und ein Dorf zu sehen waren. Mulder wusste nicht, was er fühlen sollte. Für einen kurzen Augenblick zweifelte er sogar an seinem Verstand. Tränen schimmerten in seinen Augen, als die Sonne langsam am Horizont immer höher stieg und ihre rettenden, wärmenden Strahlen über den Himmel sandte. Er wandte den Kopf zu Scully, die noch immer bewusstlos war. „Wir haben es geschafft, Dana. Es ist nicht mehr weit, dann sind wir endlich in Sicherheit.“ Langsam setzte er sich in Bewegung, vorsichtig und endlich mit einem Ziel vor Augen, das ihm neue Kraft verlieh. Er genoss es, die Wärme der Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht zu spüren. Und er schwor sich, nie wieder anzuzweifeln, wie wichtig diese Sonne für die Menschheit war. Es war 03.15 h in Washington D.C., als der Anrufbeantworter im Apartment von Assistant Director Walter Skinner ansprang. Leise drang die Ansage durch die Wohnung: Hallo. Sie sind mit dem Anrufbeantworter von Walter Skinner verbunden. Leider bin ich im Augenblick nicht zu erreichen, aber Sie können eine Nachricht nach dem Signalton hinterlassen. Es piepste durchdringend. „Sir, hier spricht Fox Mulder. Wenn Sie da sind, dann gehen Sie bitte ran! - Scully und ich befinden uns im Augenblick in einem kleinen Dorf in der Nähe des 'El valle de esperanza'. Wir sind gezwungen worden unsere Ermittlungen überstürzt einzustellen. Die Situation ist eskaliert und wir mussten fliehen. Die 'Independent Group' existiert nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr so, wie wir sie zu Beginn unserer Ermittlungen angetroffen hatten. - 'Cadaver Sanguisugus' nennt man dieses Phänomen in Fachkreisen. Ich kann es Ihnen im Augenblick nicht näher erklären. Ich bin – es ist alles noch zu früh, um mehr sagen zu können. Es wird auch keinen Sinn haben, einen abschließenden Bericht hierüber zu verfassen. Ich möchte Sie bitten, uns so schnell wie möglich von hier abholen zu lassen. Scully benötigt dringend ärztliche Hilfe und ich kann noch immer nicht für unsere Sicherheit garantieren. Womöglich werden uns die Schatten der Finsternis für immer verfolgen für das, was wir getan haben... Für Sie ist es wahrscheinlich relativ leicht die Existenz von Telepathie oder Telekinese zur Kenntnis zu nehmen. Aber die Vorstellung, dass das Böse, das Menschen getan haben, weiterlebt, ist viel grausamer und schwerer zu begreifen.“ Der Apparat schaltete sich aus, nachdem Mulder geendet hatte. Das kleine Signallämpchen begann pflichtbewusst zu blinken. - Ende - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)