Thunder von Turbofreak ================================================================================ Kapitel 4: Der Fit-Check der anderen Art ---------------------------------------- Im Hause Hikari angekommen, wurden erst einmal die Zimmer verteilt. Das Haus war groß genug für die ganze Bande, Fireball hatte sich freiwillig auf die ausziehbare Couch zurückgezogen, damit April ein Zimmer für sich alleine hatte. Die Freunde staunten nicht schlecht, als Hiromi sie durch das Haus führte. Colt murmelte: „Von außen sieht es viel kleiner aus, Misses Hikari.“ Hiromi drehte sich zu dem Cowboy um und lächelte ihn vielsagend an, verkniff sich dann allerdings jegliche Antwort, die zweideutig hätte ausfallen können. So blieb sie bei einer schlichten Erklärung: „Es sieht von draußen wirklich etwas kleiner aus, als es tatsächlich ist. Die Räume sind gut aufgeteilt, Colt.“ April kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das ganze Haus war voll mit Bildern und Gegenständen aus Fireballs Leben. Zum ersten Mal überhaupt sah sie ein Foto von Fireball als Jugendlicher und auf einem Foto trug Fireball eine Uniform und grinste spitzbübisch. Neben ihm stand ebenfalls ein junger Mann in Uniform. Fasziniert blieb April stehen und betrachtete es. Als Hiromi Aprils Zurückbleiben bemerkte, kam sie wieder auf das Mädchen zu, das schweigend vor dem Foto stand. Als April Hiromi neben sich bemerkte, fragte sie: „Wann ist das Bild gemacht worden, Misses Hirkari?“ Die Japanerin betrachtete das Bild, das da an der Wand hing und runzelte die Stirn. Allmählich fiel ihr wieder ein, wann es entstanden war und sie erzählte April: „Das Bild ist von der Abschlussfeier von Shinjis Jahrgang. Er hat damals mit Auszeichnung seine Prüfung bestanden. Der junge Mann neben ihm ist Seiji Katagiri, ein Kollege, mit dem er heute wieder zusammenarbeitet.“ Verwundert betrachtete April das Bild noch einmal aufmerksam, ehe sie schmerzlich antwortete: „Er war also wirklich Polizist.“ Die Blondine senkte den Blick und drehte sich zu den anderen. Hiromi hatte sofort gemerkt, wie gekränkt April war, kaum etwas von ihrem Sohn zu wissen. Sie konnte spüren, wie schwer es April fiel, all das zu verarbeiten und zu begreifen, es das erste Mal mit eigenen Augen zu sehen und sich gewahr zu werden, nicht einmal annähernd über den anderen Bescheid gewusst zu haben. Hiromi brachte die Freunde in ihren Zimmern unter, Saber und Synthia würden ihr altes Schlafzimmer beziehen, Colt und Robin bekamen Fireballs Jugendzimmer, Chris wurde ins Gästezimmer im ersten Stock verbannt und April würde im Gästezimmer im Erdgeschoss nächtigen. Colt ließ die Reisetaschen fallen und sah sich im Zimmer um. Als erstes fielen ihm gleich die vielen Autos und diese Ordnung auf. Stirnrunzelnd ging er auf ein Modellauto zu und fuhr mit dem Zeigefinger sachte darüber. Er betrachtete seinen Finger und grinste Robin entgegen: „Sogar die Autos sind pikobello geputzt.“ Robin schüttelte nur lächelnd den Kopf und machte sich daran, die Taschen auszuräumen. Die kleine Jessica hatte sie auf das Bett gesetzt und ihr was zum Spielen in die Hand gedrückt. Sie öffnete die Schranktür und musste feststellen, dass noch alle alten Kleidungsstücke von Fireball darin verstaut waren. Sie nahm einen Kleiderhaken, auf dem eine Uniform hing, heraus und zeigte sie Colt: „Ich wette, Fireball würde umwerfend darin aussehen.“ Der Cowboy ging näher heran, fühlte an der Uniform und sein Grinsen wurde noch breiter: „Wahrscheinlich sieht er darin wie ein Vertreter aus,“ etwas nachdenklicher fügte er noch hinzu: „Lass uns auspacken und ihn dann mal danach fragen.“ Die Lehrerin nickte. Sie brannte schon darauf, mehr über Fireball zu erfahren und sie hatte das Gefühl, dass diesmal einiges besser laufen würde, als bei ihrem letzten Treffen. Schließlich waren sie alle auf seinen Wunsch hier, auch wenn sie nicht wussten, was los war. Gedankenverloren machte sie im Schrank ein wenig Platz für ihre Kleidung und verstaute diese säuberlich darin. Colt hingegen war zum Fenster gegangen und blickte hinaus. Die Aussicht war für eine Stadt ziemlich gut, denn zwischen ihm und dem nächsten Haus lag ordentlich viel Grünfläche mit Bäumen und Sträuchern. Verstohlen gähnte er, allmählich wurde er wirklich müde. Colt dachte an alte Zeiten zurück, ihm gefiel die Situation, wie sie seit einigen Jahren war, nicht besonders. Er vermisste seinen Freund, den alten Matchbox ungeheuer. Seit Fireball damals verschwunden war, war das Leben ein Stück ernster für Colt geworden. Nicht, dass er Robin nicht schon immer heiraten wollte, aber er hätte Fireball schon gerne dabei gehabt. Er seufzte bei dem Gedanken, was Fireball im Leben der anderen alles verpasst hatte. Als April und Hiromi die Treppen wieder herunter kamen, waren Fireball und Laura gerade im Begriff zu gehen. Hiromi sah ihren Sohn verwundert an: „Wo wollt ihr beide denn jetzt noch hin?“ Lächelnd drehte sich Fireball noch zu seiner Mutter um, während Laura sich die Schuhe anzog: „Mum, ich muss noch zum Arzt, das weißt du doch. Und ich will nicht unpünktlich sein, Dr. Shirota ist so schon streng genug.“ Kopfschüttelnd antwortete Hiromi ihm: „Du bist der einzige, der so ungern zu Dr. Shirota geht, Shinji. Alle anderen sind begeistert von ihm.“ Fast genervt konterte Fireball: „Alle anderen haben auch nicht so eine Krankenakte wie ich.“ Unbewusst hatte er dabei April angesehen, die traurig den Blick von ihm abwandte. Getroffen wandte sich auch er ab und hielt Laura an: „Komm, Kleine. Ich will noch los, bevor der nächste Tag anbricht.“ Da waren die zwei auch schon bei der Türe draußen und man konnte hören, wie Laura den Motor startete. April stand neben Hiromi und kam sich fehl am Platz vor. Sie hatte das Gefühl, bei Fireball nicht willkommen zu sein. Schon bei der Ankunft hatte sie gemerkt, dass er ihr aus dem Weg ging, sie weder ansah noch ansprach, wenn es nicht notwendig war. Es schien ihr fast, als wäre es alleine Sabers Idee gewesen, sie mitzunehmen. So, wie sich Fireball verhielt, konnte sie sich kaum vorstellen, dass er alle eingeladen hatte, wenn er sie überhaupt eingeladen hatte. Mutlos schüttelte April den Kopf und bat Hiromi: „Macht es Ihnen was aus, wenn Sie mir vielleicht ein Glas Wasser bringen könnten, Misses Hirkari?“ Mitfühlend blickte Hiromi zu dem blonden Mädchen. Zaghaft legte sie April die Hand auf die Schulter und versuchte, ihr zu erklären: „Es ist schwer für ihn, April. Sehr schwer. Sei ihm bitte nicht böse, wenn er...“ sie sprach nicht mehr weiter. Verunsichert blickte April zu Hiromi auf. Was meinte sie? April konnte sich keinen Reim darauf machen, was Hiromi meinte, wenn sie sagte, April solle Fireball nicht böse sein. Was sollte er denn tun? „Du bist mir viel zu leise, Shinji.“ Der ehemalige Rennfahrer blickte gedankenverloren zum Beifahrerfenster raus und antwortete nicht. Seit die beiden im Auto saßen, hatte Fireball keine einzige Frage beantwortet, die Laura ihm gestellt hatte. Vergeblich versuchte sie ihn in ein Gespräch zu verwickeln, doch es gelang ihr nicht. Langsam begann sie sich zu fragen, was das Geheimnis hinter dem Besuch dieser sechs Fremden war. Schon, als sie diese Leute vom Raumhafen abgeholt hatten, war Fireballs Verhalten alles andere als normal. Er hatte sich ihr gegenüber nie so ruhig verhalten, es konnte ihrer Meinung nach nur mit diesen sogenannten Freunden zusammenhängen. Und da Laura bestimmt nicht auf den Kopf gefallen war, hatte sie sofort bemerkt, dass die Schuld bei dieser langhaarigen Blondine zu suchen war. Zwischen den beiden musste was vorgefallen sein, was immer noch zwischen ihnen stand und Fireball offensichtlich sehr belastete. Provozierend fragte Laura Fireball noch einmal: „Bist du wegen diesem einen Mädchen so ruhig, Shinji?“ Laura hatte es geschafft. Ein Paar haselnussbraune Augen blickte sie verwirrt an: „Was?“ Shinji hatte nicht zugehört. Er hatte nur seinen Namen eben vernommen und das Wort ruhig. Es hatte irgendwie seine Aufmerksamkeit erregt und nur deshalb hatte er sich umgedreht. Laura ließ den Wagen halten und das Fenster runterfahren. Sie löste das Parkticket und während sie wieder anfuhr, meinte sie nüchtern: „Seit diese Blondine angekommen ist, ist mit dir nichts mehr anzufangen und dabei ist sie noch keinen Tag im Land.“ Fireball unterdrückte nur mit viel Mühe ein Seufzen und erklärte Laura mit einem verschmitzten Lächeln: „Etwa eifersüchtig, Süße? Und mit mir ist nur deshalb nichts anzufangen, weil ich den Kopf voll mit Dingen habe, die sich nicht in Wohlgefallen auflösen werden. ...Leider.“ Das Mädchen schüttelte vehement den Kopf: „Ich und eifersüchtig auf so eine Bohnenstange?! Die Zeiten sind schon lange vorbei, denn um auf April, so heißt sie doch, eifersüchtig zu sein, müsste ich mit dir zusammen sein. Das sind wir de facto schon lange nicht mehr.“ Demonstrativ parkte sie ein, stellte den Motor ab und stieg aus. Laura wollte mit Fireball jetzt keine alten Geschichten aufwärmen, dazu hatte sie keine Lust. Sie war froh, mit Fireball wieder befreundet zu sein, die schlechten Jahre gut überstanden zu haben. „Ja, klar,“ Fireball stieß die Tür auf und grinste in sich hinein. Wenn er jetzt wollte, konnte er Laura aufzwicken, doch dann hatte er mit Sicherheit keine Fahrgelegenheit mehr nach Hause. So ließ er sich von Laura in die Arztpraxis begleiten und gab ihr als kleines Dankeschön ein Küsschen auf die Nase. Dr. Shirota, Fireballs Hausarzt, stand schon im Warteraum und lächelte Fireball an: „Kein Wunder, dass du immer zu spät zu deinen Terminen kommst, junger Hikari. Bei so einer hübschen Begleitung.“ Fireball begrüßte Dr. Shirota, als sei nichts passiert. Die beiden Männer gingen in die Ordination und ließen Laura bei der Sprechstundenhilfe zurück. Mittlerweile war Fireball gut in Übung, sich vom Rollstuhl woanders hin zu setzen und so war es ihm ein Leichtes, sich auf den Untersuchungstisch zu setzen. Er schälte sich aus seinem T-Shirt und grinste Dr. Shirota an: „Ist es Ihnen nicht zu blöd, die Ordination auch noch am Samstag offen zu halten?“ Der ältere Mann, dessen Haare schon lange schlohweiß waren, begann mit der Untersuchung und erklärte dem jungen Mann vor ihm: „Für Patienten wie dich sollte man sich viel Zeit nehmen und die hab ich unter der Woche nicht. Wenn ich mir deine Schulter so ansehe, hast du dir für deine Gesundheit nie viel Zeit genommen. Die Narbe sieht schrecklich aus.“ Fireball drehte den Kopf etwas nach hinten, um seinem Arzt beim Reden ins Gesicht sehen zu können. Er kannte Dr. Shirota schon, seit er ein kleiner Junge gewesen war und deshalb sprach er auch dementsprechend mit ihm: „Sie wissen ganz genau, dass ich mir damals für gar nichts die Zeit genommen habe. Weder für die Narbe da hinten, die ich ohnedies nicht sehen kann, noch für ...für andere Dinge halt.“ Der Arzt tastete Fireballs Rücken ab und antwortete in einem tadelnden Tonfall: „Du hast dir auch später keine Zeit für deine Gesundheit genommen. Die Akte vom KOK spricht Bände und das nicht allzu erfreuliche. ...Shinji, hast du dir denn keine Gedanken gemacht?“ Kritisch legte Fireball seine Stirn in Falten und überlegte lange, ehe er seinem Arzt eine Antwort gab. Zerknirscht meinte er: „Im KOK war keine Zeit für die Gesundheit. Wir waren wochenlang unterwegs, die Verletzungen sind nur sporadisch kuriert worden, ich weiß. Dr. Shirota, ich hatte im Oberkommando ganz andere Sorgen als vielleicht meine Schulter, oder den Gedächtnisverlust, der mich eine Weile geplagt hat.“ Dr. Shirota bedeutete Shinji, sich wieder anzuziehen. Er selbst drehte sich seinem Schreibtisch zu und fing in einem Krankenblatt zu blättern an. Schweigend wartete er ab, bis sein Patient wieder im Rollstuhl saß und zu ihm an den Tisch kam. Erst jetzt klappte er die Akte zu und faltete die Hände. Mit einem sanften Lächeln erklärte er dem jungen Mann vor ihm: „Es hat einen ganz bestimmten Grund, weshalb ich dich an einem Samstag zu mir rufe, junger Hikari. ...Ich habe endlich deine Krankenberichte aus Yuma bekommen und diese eingehend studiert. Und, mein Verdacht hat sich bestätigt.“ Mit einem fragenden Gesichtsausdruck hakte Fireball nach. Etwas passte dem Japaner gerade ganz und gar nicht an der Art von Dr. Shirota. Auf der einen Seite lächelte dieser und auf der anderen sprach er irgendwie von einem Verdacht, der sich nicht positiv für Fireball anhörte. Skeptisch blinzelte er dem Arzt entgegen: „Welcher Verdacht? Ist etwas nicht in Ordnung?“ Der Arzt stand von seinem Stuhl auf und schaltete die Röntgenbildtafel ein. Er erklärte Hiromis Sohn freudig: „Die Ärzte in Yuma haben sich geirrt. Was nicht in Ordnung ist, ist, dass du noch im Rollstuhl sitzt. Auf Yuma haben sie das Krankheitsbild verwechselt, was ich anhand des Erstberichts deines behandelnden Arztes auch verstehen kann. Sieh mal,“ Dr. Shirota deutete mit einem Stab auf die Röntgenaufnahmen von Fireball: „die beiden Wirbel hier haben sich verkeilt und deine Nervenbahnen eingezwickt. Wenn wir diese wieder grade biegen, dann wirst du auch wieder wie ein zwanzig Jähriger durch die Gegend laufen können.“ Fireball verstand nicht ganz, was ihm der Arzt da erklärte, die im Yuma Memorial Hospital hatten ihm ganz was anderes erzählt. Er ließ sich alles noch einmal haarklein von Dr. Shirota erklären und auch, was das alles nun zu bedeuten hatte. Der Doktor beendete seinen kleinen Ausflug in die Welt der verkeilten Wirbel mit einer deutlichen Ansage: „Du wirst wieder laufen können. Zwar nicht sofort, aber mit Hilfe der Physiotherapie wirst du nach der Operation schnell Fortschritte machen können.“ Verdattert richtete sich Fireball in seinem Stuhl auf. Im Augenblick war er hin und hergerissen. Sollte er sich freuen oder aber einen Wutanfall bekommen? Gerade jetzt konnte er es sich nicht leisten, wieder im Krankenhaus zu liegen. Seine Zukunft hing davon ab. Barsch fuhr er seinen Hausarzt deshalb an: „Operation?! Wann wollen Sie mich denn aufschlitzen?“ Der Arzt musterte den Jungen vor ihm verwundert. Jeder andere hätte sich wie an seinem zweiten Geburtstag über so eine Nachricht gefreut, nicht aber der junge Hikari. Sachlich legte er die Fakten auf den Tisch: „Je früher wir deine Wirbel wieder in die richtige Position bringen, desto größer ist die Chance, dass keine allzu großen Schäden bleiben werden. Ich würde dich gerne morgen um 17 Uhr im Tokio Center sehen.“ „Morgen schon?! Dr. Shirota, kann man die Operation nicht aufschieben? Ich hab ziemlich viel um die Ohren...,“ Fireball sah sich schon auf dem OP-Tisch liegen. Dr. Shirota schmunzelte: „Du fängst ja schon wieder so an. Hör zu, Shinji, wenn dir was an deiner Gesundheit liegt, dann kommst du morgen ins Tokio Center und zwar pünktlich. Alles andere kann warten. Die Gesundheit geht vor.“ Schnaubend gab sich Fireball geschlagen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und murmelte: „Krieg ich wenigstens ein Einzelzimmer?“ Der Arzt grinste: „Das muss ich mir noch überlegen. Kannst du dir das überhaupt leisten?“ Der dunkelhaarige Japaner lächelte schon wieder, er würde sich ohnehin damit anfreunden müssen: „Klar. Meine Krankenversicherung blecht der Staat und der hat bekanntlich die beste. Außerdem hab ich noch eine private Versicherung aus Rennfahrertagen. ...Also dann. Morgen um fünfe im Tokio Center. Ich kann’s kaum erwarten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)