Arash - Herr der Gezeiten von abgemeldet (Der ewige Winter) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1: Das Dorf der Jahreszeiten ----------------------------------------------- Es herrschte tiefster Winter in dem kleinen Dorf Octron, welches nahe den Bergen im Norden lag. Der Schnee war in der vergangenen Nacht kniehoch gefallen und bedeckten nun die Felder, Häuser, Scheunen, Wiesen und die Bäume der Wälder. Naomi schlich schwerfällig durch den Wald mit einem kleinen Korb in der Hand in dem ein paar weiße Schneebeeren lagen. Diese Beerenart wuchs nur im Winter und war um diese Jahreszeit ein sehr nahrhaftes und gesundes Gewächs. Naomi wurde von ihrer Mutter in den Wald geschickt um ein paar dieser Gutschmeckenden Beeren einzusammeln und diese nach Hause zu bringen. Vorsichtig setzte Naomi einen Fuß vor den anderen, sie sah nicht wohin sie trat, deshalb konnte jeder Schritt fatale Folgen haben. Sie hielt inne und blickte zum Himmel der mit dicken grauen Schneewolken bedeckt war. Der ganze Wald um Naomi herum leuchtete in einem wunderschönen atemberaubenden Weiß. Stille herrschte, nur das Knirschen des Schnees war zu hören und das Fallen der schweren wei-ßen Masse von den Bäumen. Natürlich war es für ein Mädchen in Naomis Alter nicht ungefährlich in solch einen Wald zu gehen, be-sonders jetzt, da der Winter schon sehr lange anhielt und die Nahrung knapp wurde. Die Könige der vier Länder, Eiscolt, Feuersturm, Blattregen und Blütentraum, gaben sich gegenseitig die Schuld an den verheerenden Schneestürmen welche bereits ihre Opfer gefordert hatten. Naomi lebte in einem Dorf, welches man als Dorf der Gezeiten bezeichnete. Hin und wieder kamen Ritter und Adelige in ihr Dorf geritten um Kundschaft zu erhalten, wie lange der Winter noch dauere. Doch auch die Ältesten konnten darauf keine Antwort geben, denn sie wussten es selbst nicht. Kriegerische Handlungen waren nun nicht mehr selten unter den vier Königen der vier Län-der. Wer nicht aufpasste, konnte zwischen die Fronten dieser übermächtigen Länder geraten und schneller sein Leben verwirken als der Schnee vom Baum fallen könnte. Sie hielt an, beugte sich nach vorn und zupfte sachte von einem Schneebeerenstrauch ein paar Beeren ab. Der Strauch selbst hatte heimtückische Dornen an denen man sich leicht verletzen konnte. In der Ferne hörte Naomi ein seltsames Knacken des Schnees. Irgendetwas Schweres schien durch den Schnee zu waten. Vielleicht ein Bär oder ein Schneepuma. Es hätte alles sein können, wenn Naomi nicht das Schnauben und Wiehern eines Pferdes gehört hätte. Sie stand auf und blickte in die Ferne aus der das Geräusch kam. Sie sah nichts. Fest umklammerte sie den Korb und sprintete nun durch den Schnee, nicht mehr darauf achtend wo sie hintrat. Wer sie dabei beobachtet hätte, hätte sicher gedacht die Schneeprinzessin persönlich durch-streife den Wald. So wunderschön sah das Bild aus. Zwischen den zugeschneiten Bäumen und Sträu-chern sprang das junge Mädchen in ihrem schneeweißen Mantel dahin. Ihr silbriges Haar wehte im Wind und ihre schnellen Bewegungen wirkten so elegant und anmutig. Dann sah sie was sie sehen wollte. Ein schwarzes Pferd schleppte sich durch den Schnee. Das Tier trug einen Sattel auf dem Rücken, hatte auch Geschirr um den Hals, doch der Reiter fehlte. Erneut wie-herte das geschwächte Tier, als rufe es nach seinem Herren. Naomi trat aus ihrer Deckung hervor auf das wunderschöne Wesen zu. Dieses hielt sofort inne und begutachtete die Schneeprinzessin neugie-rig. Naomi reckte dem Tier ihrer Hand entgegen und sofort, ohne lange zu überlegen, trat das Geschöpf ihr entgegen und ließ sich von der Hand des jungen Mädchens berühren. Es wieherte zufrieden und kläg-lich zugleich. Naomi sah die blutenden Vorderläufe des stolzen Tieres, es musste sehr, sehr weit gelau-fen sein durch die klirrende Kälte des Schnees. Vorsichtig ergriff Naomi die Zügel des Tieres und führte es langsam hinter sich her durch den tiefen und kalten Wald in Richtung ihres Dorfes. Das Tier wippte zufrieden mit dem Kopf und folgte dem jungen Mädchen ohne Widerstand zu leisten. Wo mochte es nur herkommen, dachte Naomi angestrengt nach und warf einen kurzen Blick auf das schwarze Pferd. Der junge schwarze Hengst schnaubte kurz und beschleunigte seine Schritte immer mehr. Naomi hatte Mühe dem Tier zu folgen. Zu ihrer Überraschung schien der junge Hengst genau zu wissen wohin Na-omi eigentlich wollte. Sie erreichten den Rand des Waldes und blickten von einem kleinen Hügel aus auf das Dorf Octron. Das Tier nickte mit dem Kopf und lief nun langsam und angestrengt dem Hügel hinab auf das Dorf zu. Kaum betrat sie das Dorf, kam auch schon einer ihrer guten Freunde aus seinem Haus. Er blickte sie nervös an, dann musterte er das schwarze Pferd, begeistert seufzte er: „Was für ein Tier? Wundeschön! Woher hast du es?“ „Es war im Wald, verletzt und schwach.“, erwiderte Naomi und streichelte die Nüs-tern des Hengstes. Sie reichte ihrem Freund, Marco, den kleinen Korb mit den Beeren und sagte: „Bring das zu meiner Mutter und hole mir ein paar Decken aus meinem Zimmer.“ Marco nickte verstehend, ergriff den Korb und stürmte davon. Naomi führte den schwarzen Riesen in die Scheune ihres Vaters. Dort standen bereits einige Tiere aus dem Dorf. Pferde wie Kühe, Schweine wie Ziegen, überall, in jeder Ecke stand irgendein anderes Haustier und schmiegte sich Wärme suchend an ein anderes Tier. Naomi führte den schwarzen Hengst zu einer freien Stelle im Stroh. Vorsichtig nahm sie Sattel und Geschirr ab, welches bereits auf der Haut des Tieres zu reiben begonnen hatte. Erst als der Hengst den Sattel und die Zügel los war, ließ er sich schwerfällig ins Stroh niedersinken und schnaufte tief durch. Sofort fielen dem Tier die Augen zu. Die Tür zur Scheune ging auf und Marco, gefolgt von Naomis Vater, kam herein. Marco gab Naomi die Decken und ihr Vater nahm die Vorderläu-fe des Tieres in Augenschein. Naomi deckte dem Pferd mit den Decken den Rücken ab um es zu wär-men. Mit einem tiefen Seufzen stand ihr Vater wieder auf und wandte sich an seine Tochter: „Du weißt, dass wir ihn nicht auch noch füttern können?“ Naomi blickte ihren Vater traurig an und dieser nickte und lä-chelte: „Aber ich kann seine Wunden versorgen und du kannst ihm Wasser machen.“ Naomi nickte und verließ zusammen mit Marco die Scheune. Mit Wasser machen meinte ihr Vater Schnee einsammeln und überm Feuer zu schmelzen. Zusammen mit ihrem guten Freund sammelte sie in einem großen eisernen Eimer Schnee ein und im Haus schmolz sie zusammen mit ihrer Mutter dieses. Ihre Mutter seufzte traurig: „Ich weiß, dein größter Traum war und ist ein eigenes Pferd. Ein neues Leben, weit weg von diesem Dorf.“ Naomi antwortete nicht darauf, sie wusste wie sehr es ihre Mutter schmerzte dies auch nur auszusprechen. Doch zu ihrer Überraschung sagte sie: „Vielleicht ist dieses Tier deine Chance für das Abenteuer nach dem du dich so sehr sehnst.“ Naomi hörte auf den Schnee im Topf zu rühren und blickte ihre Mutter an. Diese nickte lächelnd ihre Tochter an: „Ich kann dich nicht ewig halten und nur weil du von hier weggehst, heißt dies noch lange nicht, das es Leb wohl heißt. Wir sehen uns sicher einen Tag wieder. Es liegt nur an dir. Wenn du ge-hen willst, dann tu es solange du die Chance dazu hast.“ „Was ist aber mit Vater und dir, mit meinen zwei Brüdern?“, fragte Naomi mit zitternder Stimme nach. „Denk nicht daran. Wir haben doch ein gutes Leben. Und selbstverständlich wird dein Vater nicht sehr begeistert sein, doch lass mich mit ihm reden. Geh nun zu deinem Pferd.“, ihre Mutter schüttete den erhitzten Schnee in eine Schüssel und reichte diese ihrer Tochter. Naomi nahm diese entgegen, nickte und verließ das Haus. Immer darauf achtend nichts zu verschütten erreichte Naomi die Scheune. Zu ihrer Überraschung stand der Hengst schon wieder aufrecht auf seinen strammen und schönen Beinen. Ihr Vater sah sie etwas erstaunt und doch blass im Gesicht an. Die Wunden an den Beinen des Pferdes waren wieder verheilt und auch die Abschürfungen, verursacht durch den Sattel, waren längst nicht mehr zu sehen. Sie trat mit der Schüssel in der Hand auf ihren neuen tierischen Freund zu. Dieser trank gierig das leicht erwärmte Wasser. Ihr Vater seufzte zufrieden: „Er ist etwas sehr besonderes.“ Damit verließ er die Scheune. Naomi drehte sich herum und sah die Tür zufallen. Sie fühlte sich etwas schuldig, denn sie hätte ihren Vater als erste darauf ansprechen sollen, auf die Sache mit dem Dorf verlassen. Sie sah das Pferd an, welches sich wieder ins Stroh legte, sie fragte vorsichtig: „Wer bist du?“ Das Tier sah sie nur stumm an und bewegte leicht die Ohren. Naomi setzte sich zu dem schwarzen Pferd ins Stroh und seufzte: „Du brauchst einen Namen!“ Das Pferd wieherte daraufhin zustimmend und Naomi nickte: „Na gut. Wie wäre es mit Black?“ Der Hengst wieherte protestierend auf und schüttelte erzürnt den Kopf. Naomi lächelte und streichelte das Pferd nachdenklich: „Aber wie dann?“ Sie blickte sich in der Scheune um. Ihr Blick fiel auf den Lederbeschla-genen Sattel. Dieser war wundervoll verziert und da fiel Naomi ein wunderschöner Name ein, ein Name wie der eines sehr seltenen Edelsteines: Aneela. „Aneela, ich nenne dich Aneela!“, erwiderte Naomi erfreut und streichelte das Tier auf Vorfreude auf die kommende Reise. Plötzlich wurde die Scheunentür aufgerissen und Marco stürmte aufgeregt herein, er atmete sehr schnell und wedelte mit den Armen hin und her: „Ritter aus Eiscolt. Sie nähern sich unse-rem Dorf. Sie kommen aus dem Wald.“ Kaum hatte er dies gesagt, rannte er wieder nach draußen in die klirrende Kälte. Naomi stand ebenfalls auf, warf noch einmal ein Blick auf den schwarzen Hengst und folgte ihrem Freund schließlich. Draußen war ein großer Tumult im Gange. Mehrere Bewohner des Dorfes rannten aufgeregt hin und her, sammelten ein, was einzusammeln war. Schafften Kinder und die Ältesten in ein und dasselbe Haus und verriegelten es. Sicherheit war nun das wichtigste für die Ältesten und die Kinder, denn Ritter aus Eiscolt bedeuteten Ärger und Ärger wollten die Bewohner von Octron ganz gewiss jetzt nicht haben. Naomi rannte an den verschiedensten Leuten des Dorfes vorbei auf ihre Mutter und ihren zwei Brüdern zu die vor dem Haus standen. Kaum erreichte Naomi ihre Mutter, kam ihr Vater aus dem Haus, packte die beiden Jungs und drängte sie hinüber zu einem weiteren Haus, das mit Ältesten und Kindern gefüllt wurde. Naomi stellte sich zu ihrer Mutter, ergriff ihre Hand und flüsterte: „Was wollen sie von uns? Wie viele sind es?“ Doch ihre Mutter kam nicht zum Antworten, denn schon ritt die Vorhut der Eiscolt-Ritter in das kleine Dorf am Rande der Berge ein. Zwei Reiter saßen auf stolzen weißen Pferden. Die Ritter blickten sich kurz um und warfen dann einen Blick zurück zum Eingang des Dorfes. Von dort her kamen bereits sechs weitere Reiter. Auch diese saßen auf dem Rücken von schneeweißen Pferden und trugen weiße Rüstungen. Naomis Vater trat an ihre Seite und legte seine Hand auf ihre Schulter. Einer der beiden Reiter klappte sein Visier hoch und Naomi stellte verblüfft fest, dass dieser Mann nicht älter sein konnte als sie es selbst war. Er blickte sie kurz an, lächelte charmant und wandte sich dann an Naomis Vater: „Wir brauchen ein Lager für die Nacht.“ Naomis Vater blickte die Menschen im Dorf an und hob die eine Hand: „Ich weiß nicht was ich sagen soll. Abgeben von unseren Vorräten können wir nichts und auch eure Pferde können wir nur mit Wasser versorgen und einem Schlafplatz.“ „Mehr brauchen wir nicht. Wir haben verletzte unter uns. Sie brau-chen ärztliche Versorgung und einen warmen Platz zum Schlafen.“, entgegnete der junge Reiter und warf der hübschen Naomi ein Lächeln zu. Diese fühlte sich wahrlich geschmeichelt. Sie spürte wie sie rot anlief und wie unangenehm es ihr war, von jemand auf so eine Art und Weise angesehen zu werden. Naomis Vater bemerkte dies und warf sofort ein: „Ich werde sofort einen Arzt zu ihnen Schicken. Meine Tochter führt eure Pferde in die Scheune.“ Damit trat Naomis Vater zurück und verschwand in den Menschenmengen. Der junge Ritter stieg von seinem Pferd ab und die anderen Ritter taten es ihm nach. Naomi nahm lächelnd das Pferd des jungen Mannes in ihre Obhut und führte es zu der Scheune. Zu ihrer Überraschung folgten die anderen Pferde ihr automatisch. Und auch der junge Ritter schlich ihr lächelnd und leicht verlegen hinterher. Naomi stieß mit dem Fuß die Scheuentür auf und ließ die Pferde in die Scheune ein. Als alle Tiere drin waren betrat auch Naomi die Scheune zusammen mit dem jungen Ritter. Dieser sah sich kurz um und wandte sich dann an Naomi: „Ich bin sicher du wirst die Tiere auch absatteln und ih-nen Wasser geben.“ „Eigentlich nicht, werter Herr, mir wurde aufgetragen die Tiere in die Scheune zu bringen, nicht sie zu versorgen.“ Der junge Ritter lachte und blickte sich um, sein Blick verharrte auf Aneela. Dieser hatte sich wieder erhoben und die Decke von seinem Rücken heruntergeworfen. Er erwiderte den Blick des Ritters. Der Ritter lächelte nun längst nicht mehr, er sah Naomi ernst an: „Wem gehört dieses Pferd?“ Naomi sah den Hengst kurz an und zuckte mit den Schultern: „Mir.“ Der Ritter schien irgendwie von der Rolle zu sein: „Seit wann?“ „Schon seit einer ganzen Weile.“, erwiderte Naomi. Natür-lich war dies gelogen, doch sie wusste, dass der Ritter das Pferd zu kennen schien und dies bedeutete nichts Gutes. „Weshalb wollt Ihr das wissen, junger Herr?“, fragte Naomi nervös nach und der junge Ritter nickte ent-schlossen: „Nun ja. Diese Pferde sind äußerst selten, nur die Reiter des Niemandslandes besitzen sol-che Tiere.“ „Das Niemandsland? Ich kenne dieses Land nicht?“, erwiderte Naomi, bisher hatte sie wirk-lich nur von vier Ländern gehört. „Das Niemandsland. Ein Land in dem Kreaturen hausen die du nicht mal in deinem Träumen zu sehen bekommst, wo Menschen leben, die von dieser Welt ausgestoßen wurden und wo Wesen leben, wie dieses Pferd.“ „Ich fand es vor einigen Jahren.“, log Naomi und sah Aneela neugierig an. Der junge Ritter erwiderte: „Man sagt, der Herr der Gezeiten sei mit solch einem Tier gesehen wurden.“ „Der Herr der Gezeiten?“, fragte Naomi nach und der junge Ritter seufzte: „Ja, der Herr der Gezeiten. Er gebieten über den Frühling, dem Sommer, dem Herbst und dem Winter.“ „Dann ist es sein Verdienst, das der Winter kein Ende nimmt?“, seufzte nun Naomi und drehte sich zur Scheunentür um. Der junge Ritter nickte: „Ja, vermutlich sogar. Man sagt, dass der Herr der Gezeiten aus dem Nichts aufgetaucht sei. Urplötzlich, als hätte er etwas zu erledigen oder ist auf der Suche nach etwas. Er wurde gesehen im Osten von Eiscolt.“ „Dann sucht ihr nach ihm?“, fragte Naomi nach und der junge Ritter nickte entschlossen: „So ist es. Mein Herr, der König, verlangt es so. Wenn er den Herr der Gezeiten als Erster in die Finger bekommt, hat er die Macht.“ Im Osten also, dachte Naomi, sah Aneela noch einmal kurz an und verließ dann die Scheune zusam-men mit dem jungen Ritter. Kapitel 2: Kapitel 2: Das Lager der Sklavenhändler -------------------------------------------------- Sie saß zusammen mit ihren Eltern am Abendtisch und aßen. Stille herrschte, nur ihre Brüder ärgerten sich leise und kitzelten sich gegenseitig. Plötzlich sagte Naomis Vater: „Wann willst du aufbrechen? Was ist dein Ziel!“ Naomi war völlig überrumpelt, sie blickte erst ihre Mutter, dann ihren Vater an und nickte: „So schnell es geht. Am liebsten jetzt gleich, vor den Rittern von Eiscolt.“ Ihr Vater nickte verste-hend und deutete auf eine kleine Ledertasche: „Wir haben nicht viel. Trotzdem will ich dir auf deiner Reise etwas mitgeben. Ein wenig Geld und etwas zu Essen.“ „Danke!“, erwiderte Naomi den Tränen nahe und aß langsam weiter, ihre Brüder hörten aufmerksam zu. „Wo wird dich dein Weg hinführen?“, fragte ihre Mutter nach und Naomi blickte auf: „Osten von Eiscolt.“ „Warum gerade da?“, fragte Naomis Vater nach und aß ebenfalls weiter. Naomi gab Antwort: „Der Herr der Gezeiten, das schwarze Pferd gehört ihm, so sagte es mir der junge Ritter.“ „Und der Herr der Gezeiten soll dort zuletzt gesehen wor-den sein?“, stellte ihr Vater fest. Naomi stand plötzlich auf und verneigte den Kopf: „Bitte, Vater, Mutter, erlaubt mir noch heute Nacht aufzubrechen um meinen Weg zu finden und zu gehen.“ Stille herrschte, weder ihr Vater noch ihre Mut-ter gaben darauf eine Antwort, sondern aßen in Ruhe weiter. Mit einem Seufzen erhob Naomi sich wie-der, Tränen standen ihr in den Augen. Sie wandte sich um, nahm die Ledertasche in die Hand und zog sich den schneeweißen Pelzmantel an. Mit einem kurzen Blick auf ihre Eltern verließ sie das Haus und hang sich die Tasche um. Zielsicher schritt sie auf die Scheune zu, öffnete die Tür und erschrak sich zu Tode. Der junge Ritter stand zu-sammen mit einem weiteren Ritter neben Aneela. Dieser wieherte aufgeregt und scharrte mit der Hufe im Stroh. Der junge Ritter hielt eine Laterne in der Hand und hob diese, als er die Tür hörte. Er lächelte sofort: „So spät noch auf?“ Naomi reagierte nicht auf den jungen Ritter, sondern trat auf Aneela zu. Sie hob eine der Decken auf, faltete diese in der Mitte und warf sie dem stolzen Hengst über den Rücken. Den wunderschön verzier-ten Sattel befestigte sie als nächstes und schließlich noch das Geschirr. Aneela konnte es kaum abwar-ten die Scheune zu verlassen und von den Rittern weg zu kommen. Noch einmal bückte Naomi sich und hob eine weitere Decke auf. Diese legte sie so zusammen, dass sie sie um den Hals ihres Pferdes hängen konnte. Vorsichtig führte sie den Hengst an den Rittern und den anderen Pferden vorbei, hinaus in das Dunkel der Nacht. Die beiden Ritter folgten ihr, wobei der jüngere von Beiden fragte: „Was hast du vor? Willst du so spät nachts noch ausreiten? Kennst du die Gefahren nicht?“ Naomi nahm zum ersten Mal auf dem Rücken von Aneela Platz. Sie streichelte das Tier am Hals und schnalzte leise mit der Zunge sodass das Pferd sich in Bewegung setzte. Sie ritt am Haus ihrer Eltern vorbei, hielt noch einmal an. Plötzlich ging die Tür auf und ihre Mutter stürmte heraus. Sie lehnte sich zu ihrer Tochter hoch und schloss sie noch einmal tief in die Arme. Naomi kam nicht herum Tränen zu vergießen. Dann küsste sie ihrer Mutter auf die Stirn und gab Aneela die Spuren. Das Pferd wieherte zufrieden auf und preschte aus dem Dorf hinaus, hoch zum Rande des Waldes und schließlich auch hinein. Schon nach wenigen Sekunden war das Dorf nicht mehr zu sehen und der kalte Wind ließ die Tränen von Na-omi schnell trocknen. Naomi hatte nicht vor eine Pause einzulegen und auch Aneela schien keine zu brauchen. Es kam Nao-mi vor als wären erst ein paar Minuten vergangen, als sie ihre Mutter in die Arme genommen hatte, doch in der Ferne, im Osten, sah man einen kleinen Lichtstreifen, die Sonne ging langsam wieder auf. Den altbekannten Wald, den Naomi schon als Kind durchstreifte, hatten sie längst hinter sich gelassen und eine lange zugeschneite Straße machte sich vor den beiden Reisenden breit. „Wie soll ich ihn nur finden? Ich habe ihn doch noch niemals zuvor gesehen?“, erzählte sie dem Pferd und ritt nun in Schritttempo die Straße entlang. Das Pferd wieherte und wippte zustimmend mit dem Kopf. Es würde wirklich sehr schwer für Naomi werden diesen Herrn der Gezeiten zu finden, Geschwei-ge denn ihn zu erkennen. Noch ahnte sie nicht wie ihre Reise weitergehen sollte, sie hoffte schon immer einmal ein großes Aben-teuer erleben zu können und nun hatte sie ihre Chance. Die Sonne ging nun vollends auf und die Straße um sie herum wurde auch belebter. Hier und da liefen junge Frauen mit ihren Körben entlang und grüßten Naomi freundlich. Junge Männer mit ihren Schwer-tern streiften auf den verschneiten Wiesen entlang. Kutschen überquerten die Straße und hier und da lief auch ein herrenloser Hund über den Weg. Aneela hielt plötzlich inne und lauschte. Seine Ohren bewegten sich hin und her und auch sein Kopf wippte erst in die eine, dann in die andere Richtung. Plötzlich bewegte er sich wieder, jedoch schneller als zuvor. Wurden sie etwa verfolgt von den Rittern aus Eiscolt? Wenn dem der Fall war, konnte Naomi ihnen nicht entkommen, sie hatten den gleichen Weg vor sich und früher oder später würde sie den Rittern erneut über den Weg laufen, wobei ihr später lieber wäre. Naomi bemerkte das sich rechts und links von ihr ein schwarzer Wald erstreckte. Aneela legte die Oh-ren an und wieherte nervös. Er wurde unruhig und blieb stehen. Auch die anderen Pferde die auf der Straße unterwegs waren wurden unruhig und ein Straßenhund bellte in die Finsternis des Waldes hinein. Die Kutsche hielt an und zwei kleine Mädchen sahen heraus, ihr Vater versuchte die Pferde anzutreiben, doch auch diese liefen nicht weiter. Einige Edelmänner, die knapp hinter Naomi ritten, mussten ebenfalls halten. Ihre Pferde wieherte laut und unhaltbar auf, einige davon bäumten auf um die Reiter abzuwerfen. Wie aus dem Nichts, mit lau-tem Geschrei, brachen aus dem Unterholz des Waldes vermummte Männer hervor bis an die Zähne bewaffnet. Naomi sprang sofort vom Rücken des Pferdes, nahm die Ledertasche ab und befestigte diese am Sattel, dann flüsterte sie: „Geh! Verschwinde!“ Aneela wippte verstehend mit dem Kopf und bäumte sich auf, dann legte es die Ohren an und verschwand wie der Wind persönlich zwischen den Bäumen im Wald. Kaum drehte Naomi sich zu den Angreifern um, musste sie sich auch schon wegducken um einem Schlag mit einer Keule zu entgehen. Geschickt rollte sie sich über den Schnee hinter ihren Angreifer und trat mit dem rechten Bein zu. Sie traf ihren Gegner in die Kniekehle und brachte den Banditen damit ins Wanken. Es war noch ein weiterer Tritt erforderlich um den Riesen nun endgültig zu Fall zu bringen und die Oberhand zu gewinnen. Kurz nach dem Sturz ihres Gegners blickte Naomi sich um, mit erhobenen Schwertern schlugen die Edelmänner die übermächtigen Angreifer zurück. Die zwei kleinen Mädchen schrieen auf und bean-spruchten Naomis Aufmerksamkeit. Ein Mann hatte beide Mädchen ergriffen zu wollte diese gerade wegschleppen. Ein anderer Räuber schlug den Vater der Kinder nieder, während ein weiterer die Mutter zu Boden drückte. Naomi reagierte wie von selbst. Sie rannte auf den Mann mit den beiden Mädchen zu und rammte ihren Ellebogen in den Rücken des Mannes. Er schrie vor Schmerz abrupt auf, ließ die beiden Mädchen zu Boden fallen und drehte sich erzürnt herum. Die Mädchen standen sofort auf und rannten zur Seite um Schutz hinter der Kutsche zu suchen. Der Mann ihr gegenüber lächelte und knurrte sie an: „Kleines Balg. Du wirst sehen was du davon hast.“ Es verging nicht einmal eine Minute, da verspürte Naomi einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf und verlor so schnell, wie sie sonst reagiert hatte, das Bewusstsein … … … … … … … … … … Stimmen rissen Naomi aus der Bewusstlosigkeit raus. Sie zuckte zusammen und schlug die Augen auf. Sie saß zusammen mit einigen anderen Menschen in einem großen Käfig aus bambusähnlichen Stan-gen gefertigt. Sofort erkannte Naomi einige der Gefangenen wieder. Die beiden kleinen Mädchen waren zusammen mit ihrem Vater hier gefangen, während ihre Mutter nicht zu sehen war. Zwei der Edelmän-ner saßen dicht in Naomis Nähe. Es waren noch viel mehr Menschen hier eingesperrt, doch diese kannte Naomi nicht, sie waren ihr völlig fremd. Wo war sie nur gelandet? Sie stand vorsichtig auf. Sie hatte die ganze Zeit auf dem kalten Schnee gelegen und deshalb war ihre linke Seite völlig kalt und nass. Naomi klopfte den restlichen Schnee ab und trat an einigen der einge-sperrten Menschen vorbei. Die beiden Mädchen lehnten schluchzend an der Schulter ihres Vaters, wäh-rend dieser den Tränen ebenfalls sehr nahe war. Die meisten Menschen die hier eingesperrt waren, saßen nur regungslos in der Ecke und schienen weder Gefühle noch sonst irgendwelche Lebenszei-chen zu haben. Schwerfällig erreichte Naomi den Rand des Käfigs und blickte hinaus. Mehrere dieser vermummten Angreifer liefen hier hin und her und erledigten ihre Arbeit. Einige Pferde, so erkannte es Naomi, gehör-ten den Edelmännern und darunter waren auch die beiden Kutschpferde, doch Aneela konnte sie nir-gends sehen, er schien entkommen zu sein. Die Zelte die hier standen waren aus dicken Ästen aufgebaut und mit Tierhäuten bedeckt wurden. Hier und da war ein kleines Lagerfeuer zu sehen und manchmal sah man auch einfache Menschen in herun-tergekommenen Kleidern die den Räubern hinterher eilten um ihnen zu dienen und ihnen jeden Wunsch zu erfüllen, sei es auch mit ihnen zu schlafen. Naomi trat von den Bambusstäben zurück und schlang ihre Arme um den Oberkörper. Sie fror erbärm-lich und wäre dies nur das kleinere Übel gewesen, wäre sie noch erleichtert davon gekommen. Doch ihr Hinterkopf schmerzte und blutete noch immer leicht und in ihr rührte sich der Anflug von starkem Hun-ger und sie spürte dieses unangenehme Kratzen im Hals, welches auf eine Erkältung zurückzuführen war. Nach wenigen Sekunden schon, zog sie sich in eine freie Ecke zurück und setzte sich auf den schnee-bedeckten Boden. Sie lehnte den schmerzenden Kopf gegen die Bambusstäbe und schloss für wenige Minuten die Augen. „Es tut mir Leid.“, flehte eine etwas ältere Frau im Lager lautstark. Naomi erwachte aus dem Ruhezustand und zog sich mit aller Mühe in die Höhe. Sie erkannte eine Frau die sicher im Alter wie ihre Mutter befand, diese kniete auf dem Boden und verneigte den Kopf vor einem noch viel älteren Mann. Dieser war mit Sicherheit der Anführer dieser Verbrecherbande gewesen. Er stand erhobenen Hauptes da und blickte auf die Frau hinab wie auf eine ekelige Spinne. Er verzog angewidert das Gesicht und schüttelte erzürnt den Kopf: „Was glaubst du wer du bist? Du Abschaum der Natur! Sieh dir an was du getan hast!“ Dabei deutete der Mann auf seine schwarze Kutte die er trug, doch Naomi konnte nichts erkennen, vielleicht lag es auch an der Entfernung. „Ich bitte Euch, Herr.“, die Frau verbeugte sich erneut und jammerte vor sich hin. Der eitle, alte Mann lachte laut auf und deutete mit dem Finger auf die Frau während er seine Gefährten ansah: „Seht euch das an! Wie ein Hühnchen das geschlachtet werden soll!“ Naomi erhob sich vollends und trat an den sitzenden Gefangenen vorbei, erneut vor zu den Bambusgittern um zu sehen um was es eigentlich ging. Nun erst sah sie, dass die Kutte des Mannes mit einer zähen Flüssigkeit beschmiert wurde und nun furchtbar ekelig aussah. Mit einem Blick über die Schulter wollte sie die Reaktionen der anderen auffangen. Die beiden Kinder sowie deren Vater hockten nur in der Ecke und kümmerten sich um ihr eigenes Leid. Die beiden Edel-männer hingegen hatten sich ebenfalls erhoben um genaueres zu sehen. Die anderen Menschen je-doch hockten auf ihrem Platz und blickten ins Leere. Plötzlich traf Naomi auf einen Blick. Ein junger Mann, sicher sechs oder sieben Jahre älter als sie (sie ist 15), sah in ihre Richtung. Er fiel besonders auf! Seine Augen schimmerten silbern, so wie es Naomis Haare in der Sonne taten und die Haare des jungen Mannes waren so weiß wie Schnee, ein Albino unter den Menschen. Die Frau schrie plötzlich auf. Naomi wandte, wenn es ihr auch schwer fiel, den Blick von dem jungen Mann ab und sah zu der Frau zurück. Die lag sich krümmend vor Schmerzen am Boden. Sie weinte und jammerte vor sich hin und sprach Gebete in einer fremden Sprache. Naomi konnte einfach nicht zuse-hen, sie musste immer wieder daran denken, dass die Frau, die dort hockte, ihre Mutter sein könnte und dann hätte Naomi alles getan um ihr zu helfen. Vorsichtig streckte Naomi ihren Arm durch die Bambusstäbe hindurch. Fast zwei Meter von dem Käfig entfernt lag eine Armbrust zusammen mit einigen kleinen, spitzen Dolchen. Sie musste sich niederknien um sich weiter nach draußen zu strecken, doch dies reichte Gewiss noch lange nicht aus. Sie stand seufzend wieder auf, blickte die Armbrust noch einmal an und warf dann einen Blick auf die gekrümmte Frau. Sie versuchte es erneut. Doch egal wie sehr sich Naomi anstrengte, sie kam einfach nicht an die Waffe heran. Ein verzottelter Hund kam auf den Käfig zugetapst. Er hechelte erfreut und wedelte mit seinem buschi-gen Schwanz. Kurz vor der Armbrust hielt der Hund an, er starrte Naomi weiterhin mit seinen durchdrin-genden Augen an. Er schüttelte sein Fell, nieste immer wieder und packte schließlich die Armbrust, mit einem freudigen Ausdruck in den Augen legte er die Armbrust direkt vor dem Käfig ab und starrte Nao-mi an. Diese streckte die Hand durch die Bambusstäbe und streichelte den Hund mit den Worten: „Das hast du gut gemacht.“ Der Hund wedelte erneut mit dem Schwänzchen und rannte davon, als würde er ahnen was es für Är-ger geben würde. Naomi ergriff die Armbrust sofort zusammen mit den Dolchen. Sie stand auf, spannte einen Dolch ein und legte an. Einer der Edelmänner trat an Naomis Seite: „Das ist keine gute Idee.“ Naomi warf dem Edelmann einen kurzen Blick zu und flüsterte fast schon panisch: „Ich weiß.“ Dann schoss sie den Dolch ab. Der Aufschrei des Mannes ließ sie wissen, dass sie getroffen hatte. Sofort brach ein Tumult unter den Sklaventreibern aus. Naomi blickte in die Richtung des Mannes der die Frau die ganze Zeit gepeinigt hatte. Dieser zog den Dolch aus seinem Oberarm heraus und blickte sofort zu dem Käfig von wo aus der Pfeil kam. Mit schnellen Schritten entfernte er sich von der Frau und trat auf den Käfig zu. Die Gefangenen, die schon seit längerem hier gewesen sein musste, schreckten auf und traten soweit zurück wie es nur möglich war. Naomi blieb stehen wo sie war, sie warf auch nicht die Armbrust zu Boden, im Gegenteil, sie hob sie in die Höhe, spannte einen weiteren Dolch ein und visierte an. Der wütende Mann schlug mit der flachen Hand gegen die Bambusstäbe. Abrupt schrieen einige Gefangenen auf und gingen in Deckung. Naomi hielt dem Blick des alten Man-nes stand, dieser sagte plötzlich: „Noch so jung und schon den Wunsch zu Sterben? Ich bewundere dich Kind.“ Naomi lächelte und gab dem Mann Antwort: „Glaubt Ihr wirklich ich würde hier, in Gefangen-schaft, leben und dahin vegetieren? Lieber sterbe ich.“ „Dem Wunsch kann ich gern nachkommen.“, der alte Mann hob nur die Hand und schon lief einer seiner Männer herbei. Der Alte lachte: „Sie wird sicher liebend gern erfrieren wollen. Nehmt ihr den Mantel ab und platziert sie vor dem Käfig.“ Die Männer gehorchten sofort, einer schloss den Käfig auf und ein weiterer schlich vorsichtig auf Naomi zu, diese warf unachtsam die Armbrust zur Seite und zog den weißen Pelzmantel aus. Diesen warf sie ebenfalls zu Boden und freiwillig, ohne Widerstand zu leisten, trat sie aus dem Käfig heraus. Der alte Mann lachte kurz und streichelte Naomi durch das Haar als sie an ihm vorüberging, er sagte: „Wundervoll. Dieses Temperament! Schade nur dass du dich so stur stellst. Vielleicht bringt die Kälte dich zur Vernunft bevor du stirbst.“ Der alte Mann entfernte sich mit seinen Männern, er ließ einen einzelnen zurück um sie zu bewachen. Naomi hockte sich in den Schnee und starrte in die tiefe Nacht hinein. Der Mann der zu ihrer Bewachung da war, schlief schon nach wenigen Stunden ein und sonst war nie-mand in der Nähe der sie beobachtete. Ihre Knie waren hart wie Eis und ihre Fingerspitzen waren be-reits dunkelblau angelaufen. Vorsichtig erhob sie sich und schlich zu dem schlafenden Wachmann. Sie suchte leise nach dem Schlüssel, doch sie konnte nichts finden. Ein Schnaufen weckte ihre Aufmerk-samkeit. Der zottelige Hund saß hinter ihr mit dem Schlüssel im Maul der für den Käfig da war. Naomi streichelte erneut den Hund: „Brav!“ Mit dem Schlüssel in der Hand schlich sie auf den Käfig zu. Der Edelmann, der vorhin an ihrer Seite stand, stand erneut am Gitter und wartete auf sie. Plötzlich weiteten sich seine Augen und er schrie: „Vorsicht.“ Doch es kam zu spät. Naomi verspürte erneut einen harten Schlag. Doch dieses Mal verlor sie nicht das Bewusstsein. Sie sprang noch rechtzeitig zur Seite bevor noch schlimmeres geschehen konnte und drehte sich herum. Ein etwas älter wirkender Mann, mit grauen Haaren und nur noch einem Auge trat auf sie zu. Er bleckte sich seine verfaulten Zähne und rieb sich die Hände: „Mein Herr hat mir erlaubt mit dir zu spielen!“ „Oh, das tut mir aber Leid, aber ich bin aus dem Alter raus.“, Naomi trat entschlossen auf den alten Mann zu, tauchte unter den Armen des Mannes weg und stieß ihn von hinten mit dem Bein in den Rücken. Doch dann geschah etwas, das Naomi nicht kommen gesehen hatte. Der alte Mann bewegte sich zu ihrer Überraschung sehr schnell und tauchte hinter ihrem Rücken wieder auf. Er legte Naomi einen Arm um den Hals und drückte so fest zu wie er nur konnte. Naomi spürte, dass sie keine Chance gegen die Kraft und die Ausdauer dieses Mannes ausrichten konnte. Mit beiden Händen krallte sie sich in den Arm des Angreifers und versuchte den Griff zu lockern. Doch je mehr sie sich wehrte, desto mehr drückte der Mann zu, er hatte Spaß an ihrem Leid. Naomi schnappte bereits nach Luft. Ihr wurde schwindelig und schlecht, sie sah ihre Umgebung nur noch ver-schwommen und Schemenhaft. Sie drückte sich mit den Beinen so doll sie konnte vom verschneiten Boden ab. Der Angreifer verlor das Gleichgewicht und stürzte nach hinten gegen den Käfig. Eigentlich hatte Naomi gehofft, dass der Alte sich verletzte und sie losließ. Doch dem war nicht so, dafür war Naomi einfach zu schwach. Doch plötzlich lockerte sich der Griff und statt Naomi keuchte nun ihr Angreifer. Sie entwandt sich dem Griff und drehte sich sofort wieder um. Der junge Mann mit dem wunderschönen weißen Haaren hielt den Mann mit einem Arm um den Hals fest und drückte immer fester zu. Plötzlich war ein unangenehmes Knacken zu hören und der Mann sackte in sich zusammen. „Öffne die Tür.“, ermahnte der weißhaarige Mann die junge Naomi sofort. Diese steuerte die Tür an, steckte den Schlüssel hinein und drehte ihn herum. Sofort schnellte die Tür auf und der weißhaarige Mann trat an den anderen vorbei: „Ihr müsst leise sein. Sie dürfen uns nicht hören.“ Damit trat dieser an Naomi vorbei. Ihm folgten die anderen ebenfalls und erst als der Käfig leer war, setzte sich die kleine Gruppe in Bewegung Richtung Wald. Naomi konnte sich kaum auf den Beinen halten. Jedes Glied ihres Körpers zitterte wie Espenlaub in der klirrenden Kälte des Winterwaldes. Ihre Kopfverletzung schmerzte noch immer und der Schlag des Mannes und die Druckstelle am Hals machten ihren Weg nicht leichter. Sie fiel immer mehr von der Gruppe zurück. Schon nach wenigen Sekunden hörte sie nicht einmal mehr das Knirschen des Schnees, welcher unter den Füßen der Gefangenen widerhallte. Schließlich blieb sie stehen, es dauerte nicht sehr lange, da ließ sie sich erschöpft auf die Knie fallen. Ihr Atem ging schnell, ihr Herz raste und die Müdigkeit stieg mehr und mehr an und die Bewusstlosigkeit hatte sie fast erreicht. Ein Knacken riss sie wieder in die Realität zurück. Sie sah sich sofort um. An einem Baum nicht weit von ihr entfernt stand Aneela anmutig da. Er betrachtete sie von oben herab und schnaufte seinen hei-ßen Atem in die Kälte. Auf dem Rücken des Pferdes saß ein junger Mann, er hatte schneeweißes Haar und wirkte wie ein König einer vergessenen Welt. Voller Anstrengung erhob sich Naomi und trat wankend auf der Pferd zu. Ohne den Reiter zu beachten streichelte sie das Tier am Hals entlang und stützte ihren Kopf gegen den des Hengstes. Leise, kaum verständlich flüsterte sie: „Aneela, mein Freund.“ Grob ergriff der Reiter ihren Arm und zog sie an die Seite des Pferdes. Naomi versuchte sich zu wehren, doch da hätte auch eine Mücke einen Elefanten schupsen können. Mit einem kraftvollen Ruck hievte der Reiter Naomi in den Sattel vor sich. Mit einer Hand umklammerte er ihren Unterkörper und mit der anderen hielt er Aneelas Zügel. Nun verlor Naomi erneut das Bewusst-sein. Kapitel 3: Kapitel 3: Eiskalte Gefühle -------------------------------------- Das Knistern des Feuers ließ Naomi langsam wieder aufwachen. Sie lag zugedeckt mit einer Decke am Boden einer Höhle. Langsam setzte Naomi sich auf. Das Feuer war fast niedergebrannt und erhellte die Höhle nur so viel um etwas sehen zu können. Die Wärme ging von der Wolldecke aus, die Naomi von zu Hause mitgenommen hatte. Sie stand auf und hängte sich die Decke um die Schultern, so trat sie langsam und so leise wie möglich zum Ausgang der Höhle. Dort blickte sie hinaus. Es war bereits wieder Tag geworden, die Sonne glitzerte durch die schneebe-deckten Bäume. Hunger plagte das junge Mädchen, ohne auch nur auf ihren „Begleiter“ zu warten, verließ sie die Höhle und entfernte sich ein Stück von der Höhle. Zu ihrem Glück standen um sie herum jede Menge Schneebeerensträucher an die Naomi sich nähren konnte. Sie hockte sich vor die Sträucher und pflückte einige Beeren. Sofort aß sie die gepflückten. Während sie kaute blickte Naomi sich um. Der Wald war wie leer gefegt, wenn man sonst die Eichhörnchen spie-len sah und die Vögel schnattern hörte, war hier, wo sie jetzt war, nichts zu sehen. Es schien als ob sie an einem Ort der Einsamkeit gelandet war. Vielleicht war auch etwas Gefährliches an diesem Ort, wes-halb die Tiere sich hier keine Heimat bauten. Naomi stand mit einer Hand voll Beeren auf und schlenderte durch den Wald. Sie wusste weder wo dieser Wald hinführte noch ob er überhaupt ein Ende hatte. Mit einem mulmigen Gefühl in der Ma-gengegend setzte Naomi den Weg fort. Sie versank, je tiefer sie in den Wald ging, bis zur Hüfte in den Schnee. Es war nun schwerer den je einen Schritt vor den anderen zu setzen. Plötzlich hielt Naomi inne. Vielleicht hatte sie ja nur geträumt! Vor ihr bewegte sich eine Welle aus Schnee rasch durch den Wald. Ein Schritt weiter und das Etwas im Schnee hätte sie fressen können. Plötzlich bewegte sich die Welle, die Naomi nun bemerkt hatte, auf sie zu. Das Ding wurde immer schneller und erreichte Naomi in Windeseile. Diese sprang rechtzeitig zur Seite und versank vollends im Schnee. Sie hörte den Schnee rauschen, er kam erneut auf sie zu und verfehlte sie dieses Mal nicht. Kurz vor Naomi blieb das kleine Etwas stehen. Es sah aus wie eine Eidechse mit silbernen Flügeln und weißen Schuppen, es schien als ob es Funken sprühte. Naomi zuckte zusammen als sie das kleine geflügelte Tier sah. Die Eidechse ließ ein Geräusch von sich, das einem Kichern glich. Naomi lächelte und streckte vorsichtig die Hand nach dem kleinen Tier aus. Dieses flatterte wild mit den kleinen Flügeln und schlug hin und wieder einen Purzelbaum in der Luft. Irgendwie musste Naomi sich ein lautes Lachen verkneifen, denn das kleine Tier wollte sie mit Sicher-heit zum Lachen bringen. Mit einem tiefen Seufzen nahm Naomi nun entspannt in dem tiefen Schnee Platz. Wer nun an ihr Vorüberreiten würde, würde sie sicher nicht im Schnee entdecken können. Die kleine Eidechse blickte Naomi traurig an und ließ ein kleines Fiepen vernehmen. Das junge Mädchen interpretierte dieses Fiepen als eine Art Frage: Was ist los? „Ich glaube mein Vater würde mich jetzt auslachen. Er hatte Recht, ich bin dieser Welt nicht gewachsen. Ich hätte zu Hause bleiben sollen und lernen sollen wie man richtig kocht, Kleider wäscht und das Haus sauber hält.“ „Diese Einstellung verstehe ich nicht? Du hast dich doch gut geschlagen! Was willst du mehr?“, fragte eine fremde Stimme und Naomi antwortete geistesabwesend: „Ich hatte mir mehr erhofft, ein großes Abenteuer, etwas das ich tun kann, etwas zu verändern. Ein neues Leben als das was ich bisher hatte.“ „Dann musst du etwas dafür tun, wenn du ein neues Leben willst.“ Naomi wandte sich um. Hinter ihr stand Aneela mit dem Gutaussehenden Reiter auf dem Rücken. Sie lächelte verlegen und wandte der kleinen Eidechse den Kopf zu: „Erkläre mich für verrückt, aber irgendwie dachte ich, du würdest….“ Naomi winkte mit der Hand ab und erhob sich aus dem kalten Schnee und drehte sich erneut zu dem Reiter herum. „Du hast mir mein Pferd zurückgebracht! Dafür bin ich dir zu Dank verpflichtet.“, erwiderte der junge Mann und durchbohrte sie mit seinen silbernen Augen. Naomi lächelte und streichelte Aneela zärtlich: „Dann bist du der Herr der Gezeiten!“ Der junge Mann zog eine Augenbraue hoch und kratzte sich am Kopf, dann nickte er: „So ist es. Aber woher weißt du das?“ „In meinem Heimatdorf tauchten vor kurzem Ritter aus Eiscolt auf und als sie Aneela sahen, sagte einer von ihnen, es sei das Pferd des Herrn der Gezeiten.“ „So, so. Einfach mein Pferd umbenennen.“, sagte der Herr der Gezeiten leicht gereizt und reichte Naomi die Hand. Etwas irritiert ergriff sie diese und ließ sich mit einer leichten Handbewegung in den Sattel ziehen. Nun saß sie erneut vor dem Herrn der Ge-zeiten. Aneela setzte sich in Bewegung ohne dass der junge Mann etwas zu sagen brauchte und schon nach wenigen Sekunden versank das Pferd nur noch mit den Hufen im kalten weißen Schnee. Es war sehr schwer für Naomi, denn eigentlich war sie nicht der Typ, der einfach so den Mund hielt, sie redete für ihr Leben gern, doch in der Gegenwart von dem Herrn der Gezeiten fühlte sie sich nicht wohl. Naomi seufzte leise und ohne es selbst zu bemerken. Mit einer forschen Stimme meldete sich der junge Mann hinter Naomi: „Mein Name ist Arash.“ Naomi wandte den Kopf über die Schulter um den jungen Mann direkt anzusehen, doch dieser starrte einfach an ihr vorbei, nach vorn in den Wald der kein Ende nahm. Auch Naomi wandte den Blick wieder nach vorn und flüsterte leise: „Mein Name ist Naomi. Ich komme aus dem Dorf Octron, dem Dorf der Jahreszeiten.“ Es herrschte nur kurzes Schweigen, denn Arash sagte plötzlich: „Dem Dorf der Jahreszeiten? Davon habe ich schon einiges gehört, dort soll es Mal den Rat der Ältesten gegeben haben. Dieser konnte das Wetter voraussagen, wann Regen fiel, wann die Sonne schien, wie der April aussehen würde, ob es eine Dürre gibt oder eine Flut, sie wussten einfach alles.“ „Meine Ur-Ur-Großmutter soll auch zu diesem Rat gehört haben, so sagte es jedenfalls mein Vater.“, dachte Naomi laut nach und Arash seufzte: „Ja, das kann schon sein. Wenn du in diesem Dorf aufge-wachsen bist und von einem Seher abstammst, kann es ja sein, dass du ebenfalls diese Fähigkeit be-sitzt.“ „Und?“, fragte Naomi nach und blickte erneut über die Schulter. Arash erwiderte ihren Blick und nickte: „Dann kannst du vielleicht diesen schrecklich langen Winter beenden.“ Naomi lachte sarkastisch auf: „Na klar, wieso auch nicht? Ich sollte dir erzählen, dass die Kinder nach ihrer Geburt in den Kreis der Seher aufgenommen werden, wenn sie etwas Besonderes sind, mich hat man nicht aufgenommen. Mich hat man verschmäht. Also, wenn du wirklich eine Seherin brauchst, solltest du in meinem Dorf nach jemanden suchen, der auch dafür ausgebildet wurde.“ „Nur weil du nicht ausgebildet wurdest, heißt es nicht, dass du kein Potential hast.“, erwiderte Arash weise und legte seine Hand um Naomis Bauch, da Aneela seine Schritte beschleunigte. Naomi war diese Berührung sehr unangenehm, sie fühlte sich einfach nicht wohl! An was lag das nur? Der junge Mann hinter Naomi schien ihre Gedanken lesen zu können oder er spürte ihre Unwohlheit. Er nahm seine Hand zurück und umklammerte stattdessen den Zügel. Stille kehrte wieder ein und nur das Knirschen des Schnees war zu hören. Naomi mochte eigentlich die Stille nicht besonders, das zeigte einem, dass man allein war und dies war Naomi eigentlich nur ungern. Doch jetzt hoffte sie, dass Arash den Mund hielt und sie wirklich in Ruhe ließ. Aneela blieb wie angewurzelt stehen. Naomi wurde aus ihren Gedanken gerissen und sah sich erschro-cken um. Ihr Blick fiel nach vorn auf eine Straße. In der Ferne, sicher per Pferd eine Stunde entfernt, sah man eine kleine vom Schnee eingehüllte Stadt. Arash stieg aus dem Sattel, trat an Aneela vorbei und begutachtete den Schnee nachdenklich, dann sah er die Stadt in der Ferne an und machte ein seufzendes Geräusch. Naomi kletterte nun ebenfalls aus dem Sattel, jedoch nicht so elegant wie Arash, sie rutschte am Tret-bügel ab und stürzte lautstark in den Schnee. Aneela zuckte kurz zusammen und trat nervös zur Seite, dann warf er einen Blick auf seine kleine Begleiterin. Er wieherte ermahnend und scharrte drohend mit der Hufe im Schnee. Naomi erhob sich langsam wieder und klopfte die nassen Kleider von dem hängen gebliebenen Schnee ab. Sie streichelte Aneela kurz und sagte zu ihm: „Sei nicht immer so streng. Es können nicht alle so sein wie dein Herr.“ Aneela wieherte zustimmend und wippte mit dem Kopf. Arash, der sich von Naomis Sturz nicht unbedingt gerührt fühlte, trat an Aneelas Seite und nahm an der Seite aus der Satteltasche einen kleinen Beutel und einen Umhang heraus. Er nahm auch die kleine Ledertasche ab und warf sie über den Rücken seines Hengstes zu Naomi. Er zog sich rasch den schwarzen Umhang über und warf die zu große Kapuze übers Gesicht. Dann streichelte er sein Pferd und erzählte ihm: „Halte immer Abstand. Sei auf der Hut und lass dich von niemandem sehen.“ Vorsichtig trat er an Aneela vorbei und betrat leicht nervös die Straße. Aneela setzte sich in Bewegung und verschwand langsam zwischen den Bäumen des weißen Waldes. Naomi starrte dem Hengst nach, dann warf sie Arash einen fragenden Blick zu. Dieser erwiderte nur: „Das Pferd des Herrn der Gezeiten erkennt man überall. Außerdem sind hier vor kurzem Reiter entlangge-kommen. Sicher sind sie noch in der Stadt.“ Er sah Naomi nicht weiter an, sondern begann seinen Weg über die Straße der Stadt zu gehen. Naomi dachte nur wenige Sekunden nach, dann folgte sie dem jungen Mann der ohne Furcht seinen Weg des Schicksals betrat. Kapitel 4: Kapitel 4: Die Ritter aus Eiscolt -------------------------------------------- Naomi blieb immer zwei, drei Schritte hinter Arash. Er wirkte sehr nachdenklich und geheimnisvoll, so vermummt in seinem Umhang. Besonders störend, so empfand es Naomi, war die Kapuze, die ihm sehr tief im Gesicht hing. Es war wie in Geistesabwesendheit als Naomi fragte: „Was willst du eigentlich in der Stadt?“ Naomi hatte auch ganz unbewusst „du“ gesagt, nicht „wir“, denn immerhin hätte er es falsch verstehen können. Als keine Antwort dazu kam, seufzte Naomi kurz und ließ die Schultern betrübt hängen. Naomi hörte Pferdehufe hinter sich auf die gefrorene Straße schlagen und drehte sich abrupt herum. Arash setzte seinen Weg desinteressiert fort. Hinter ihr kamen zwei Reiter hintereinander auf braunen Hengsten geritten. Der Erste ignorierte Naomi völlig und warf Arash einen abgestoßenen Blick zu, der zweite Rei-ter hingegen bremste sein Pferd ab um bei Naomi stehen zu bleiben. Diese setzte ihren Weg jedoch langsam fort. Der Reiter auf dem braunen Hengst war viel älter als Naomi selbst, trotzdem warf er ihr interessierte Blicke zu, dies machte ihr schon Angst. Schließlich blieb Naomi mutig stehen, drehte sich herum und verschränkte die Arme vor der Brust: „Ich dachte eigentlich die Straße sei groß genug. Doch Ihr scheint dies nicht so zu sehen?“ Der alte Reiter lachte mit seiner rauen Stimme auf: „Liebes, süßes Mädchen, so allein unterwegs? Wenn du nett zu mir bist nehme ich dich mit in die Stadt!“ „Nett? Ich glaube ich bin alt und kräftig genug um meinen Weg allein weiterzugehen.“ Naomi wandte sich erneut um und setzte ihren Weg fort. Arash hatte bereits an Vorsprung gewonnen, sie musste sich hüten um nicht verloren zu gehen. Doch egal was sie machte, sie hätte auch rennen können, der Reiter auf dem Pferd war ihr immer im Vorteil. Er wich ihr nicht von der Seite und das machte Naomi nervös. Besonders da sie so gut wie völlig allein war und ihr niemand hätte helfen kön-nen, wenn er über sie herfiel. Plötzlich ergriff jemand Naomis Hand und zog sie zu sich heran. Erleichtert stellte sie fest, dass es A-rash war, der bemerkt hatte, dass seine kleine Begleitung fehlte. Er blickte den Reiter finster durch sei-ne Kapuze her an und fauchte leise: „Geht Eures Weges, werter Herr und belästigt die junge Dame nicht weiter.“ Der Mann auf dem braunen Pferd lachte laut und musterte Arash angewidert: „Was fällt Euch ein? Elender Narr, gekleidet wie ein Bettler! Vielleicht seit Ihr sogar eines dieser niederen Kreatu-ren.“ „Hütet Eure Zunge.“, schrie Naomi den Reitersmann nun an und trat von Arashs Seite weg. Sie war entschlossen die Ehre des jungen Mannes zu verteidigen und wenn es ihr den Kopf kosten würde. Doch Arash war viel zu selbstsicher, als sich von einem jungen Mädchen verteidigten zu lassen. Er zog Nao-mi an seine Seite zurück und verdeckte ihr mit der rechten Hand den Mund, dann sagte er zu dem Rei-tersmann: „Ich an Eurer Stelle würde schnell das Weite suchen. Wisst Ihr denn nicht, dass in der Stadt Ritter aus Eiscolt eingeritten sind?“ Der Mann auf dem braunen Pferd blickte erschrocken zu der Stadt die silbern in der Sonne glänzte. Mit einem ungeduldigen Lachen brachte Arash den Reiter noch weiter aus dem Konzept und er begann zu stottern: „Na… also, … wenn … wenn wir uns wieder sehen… dann … dann … werde ich keine Rücksicht nehmen.“ Er gab seinem Pferd die Spuren und ritt davon Richtung Stadt. Erst als er nur noch ein kleiner schwarzer Punkt war, ließ Arash Naomi los und setzte schweigend seinen Weg fort. Naomi folgte ihm wortlos. Sie lächelte in sich hinein bei dem Gedanken, dass Arash extra wegen ihr zurück-kam. Dieses Mal, so bemerkte es Naomi, lief Arash langsamer um seine Begleiterin nicht erneut bei einem perversen alten Mann zu sehen. Nach einiger Zeit erreichten die beiden Gefährten die Stadt. Wie es Arash vorausgesagt hatte standen am Rande der Häuser weiße Pferde verteilt. Naomi hielt sofort inne als sie einen jungen Ritter sah der eben gerade, fast zehn Meter vor ihr, aus einem Haus kam. Leise und schon fast panisch flüsterte Naomi Arash zu: „Schnell geh weiter.“ Arash wusste nicht recht was Naomi damit meinte, gehorchte aber und setzte seinen Weg fort. Zur rechten Zeit, denn der junge Ritter entdeckte Naomi sofort und kam entschlossen auf sie zu. Freundlich lächelte der Ritter und als er in hörweite war, sagte er sofort: „Wer hätte gedacht, dass das Schicksal uns so schnell wieder zueinan-der führen würde?“ „Ich habe es sicher nicht erwartet, Euch so schnell wieder zu sehen!“, erwiderte Naomi vornehm und der junge Ritter verneigte den Kopf leicht: „Mein Name ist übrigens Georg von Eisfelsen.“ Naomi blieb wie angewurzelt stehen: „Der Sohn des Königs von Eiscolt?“ „Habe ich das nicht erwähnt?“, fragte Ge-org ernst nach und drehte sich zu seiner Begleitung herum. „Dann solltet Ihr gehen.“, fuhr Naomi ernst auf und verschränkte stur die Arme vor der Brust. Georg zog eine Augenbraue hoch und lächelte, kam jedoch nicht zu Wort: „Ich will mit Euch nichts zu tun haben. Meine Reise ist etwas was mich daran hindert mit Euch zusammen durch eine Stadt zu gehen und zu plaudern. Es ist zu meinem Interesse, dass Ihr nun zu Eurer Einheit geht und Eure Aufgabe erfüllt wie Ihr es vorgehabt habt.“ Naomi trat an dem jungen Prinzen vorbei und entfernte sich so schnell sie nur konnte. Es fiel ihr ir-gendwie schwer, sie mochte den jungen Mann sehr und doch musste sie sich entscheiden. Was war ihr wichtiger? Der junge Prinz oder die Zukunft der Menschen? Naomi seufzte kraftlos und blieb stehen. Sie blickte zurück zu dem jungen Prinzen, der nun mit einigen der anderen Rittern sprach. Etwas schien im Gange zu sein. Als Naomi ihren Weg fortsetzen wollte, wäre sie fast mit jemandem zusammengestoßen. Zu ihrem Schrecken war es der alte Reiter, der sie auf der Straße in die Stadt hin angemacht hat. Sie trat einen gewaltigen Schritt zurück und verschränkte schützend die Arme vor der Brust. Der Mann hielt eine Fla-sche des besten Alkohols in der Hand und schwenkte diese hin und her, dabei nuschelte er: „Ich wusch-te, dasch wir unsch widder sehn.“ Er trank noch einmal aus seiner Flasche und legte seinen Arm um ihre Schulter. Naomi duckte sich unter seinen Arm hinweg und trat erneut einen Schritt zur Seite: „Ich glaube, Ihr wisst nicht recht, was ihr da macht.“ Der Mann hickste und winkte mit der rechten Hand ab: „Dieses Mal hast du keinen Beschützer!“ Er lach-te begierig und musterte sie mit argwöhnischem Interesse. Bevor der Mann jedoch noch etwas sagen konnte, sprach eine andere, bekannte Stimme: „Nicht doch. Glaubst du wirklich ich lasse sie aus den Augen.“ Aus einer Gasse trat Arash hervor. Sein Gesicht war nun nicht mehr bedeckt. Seine Augen ruhten misstrauisch auf dem Fremden: „Abschaum. Ein Adelstitel zu tragen bedeutet nicht, dass Ihr tun und lassen könnt was Ihr wollt.“ „Ich rufe die Ritter!“, drohte der Fremde und hob die Faust in Arashs Richtung, dieser zeigte nur Desin-teresse an seinen Drohungen. Er lächelte nur und nickte in die Richtung der Ritter: „Einer dieser netten und freundlichen Ritter dort vorn ist Georg von Eisfelsen. Wie der Zufall es will, kennt meine kleine Freundin den Prinzen sehr gut.“ Der Fremde sah Naomi erschrocken an, warf einen Blick zu dem Prinzen und verzog sich dann mit Murren und Zischen. Arash wartete bis der Fremde von dannen gezogen war, dann wandte er sich in die Gasse um und flüsterte: „Dieser Narr ist weg.“ Aus der dunklen Gasse trat ein zweiter Mann hervor. Er trug einen ähnlichen Umhang wie Arash, nur ohne Kapuze. Er musterte Naomi kurz und nickte Arash zu: „Bist du sicher, dass sie uns nicht verraten wird?“ „Was soll sie verraten, was sie ja doch nicht weiß?“ Arash trat auf den jungen Mann zu, dieser hatte schulterlanges, pechschwarzes Haar und wunderschö-ne grüne Augen. Arash nickte und sagte: „Dies ist Linus, mein Bruder, der Wind.“ Naomi klappte im wahrsten Sinne des Wortes der Mund auf. Sie stand da wie ein Ochse vor der verschlossenen Tür, mit zitternder Stimme flüsterte sie: „Ah ja. Dein Bruder? Ich wusste ja gar nicht, dass du einen Bruder hast!“ „Du weißt so einiges nicht.“, erwiderte Arash forsch und Naomi kehrte aus ihrer Erstaunung zurück. Zorn machte sich in ihr breit. Arash wandte sich seinem Bruder zu: „Gehen wir nun ins Wirtshaus?“ Linus beobachtete Naomi ganz genau, schließlich nickte er zögernd und ging zurück in die dunkle Gas-se aus der er gekommen war. Arash wartete einen Augenblick, sah Naomi noch einmal kurz, aber durchdringend an und folgte seinem Bruder dann. In Naomi raste die Wut nur so vor sich hin. Am liebsten hätte sie laut aufgeschrieen, wäre zu Georg gerannt und hätte Arash verraten. Doch die Vernunft holte sie in die Wirklichkeit zurück und ermahnte sie, solche Gedanken nicht weiter zu hegen. Schließlich folgte sie ihrem Begleiter und Be-schützer in die finstere Gasse. Die Gasse nahm schnell ein Ende. Der Ausgang führte zu einem kleinen Platz der umstellt mit Häusern war. Es war nur der Eingang eines Wirtshauses zu sehen, über dessen Tür stand groß geschrieben: Der Wind. Naomi dachte kurz nach, Linus war Arashs Bruder, der Wind, war es nur ein Zufall. Linus trat ein, gefolgt von Arash. Dieser wartete an der Tür und hielt sie offen, damit Naomi ihm auch wirklich folgte. Naomi dachte gar nicht daran allein in der Gasse zurückzubleiben und Gefahr zu laufen, dem jungen Prinzen und seinen Rittern erneut zu begegnen. Also trat sie ein. Arash schloss die Tür hinter ihr und trat zu seinem Bruder an den Tisch. Linus hatte sich bereits gesetzt und musterte seine Umgebung misstrauisch. Als Naomi an Arashs Seite wieder trat, wurde auch sie von Linus argwöhnisch gemustert. Arash setzte sich und Naomi tat es ihm nervös nach. Sie lehnte sich zurück und musterte nun ebenfalls das fast leere Wirtshaus. Es stand ein dicker Wirt hinter der Theke und putzte Gläser, während er dies tat, blickte er zu dem Tisch an dem Naomi und die beiden jungen Männer saßen. Zwei etwas älter wirkende Männer saßen fast vier Tische von Naomi weg und tranken schweigend ihre alkoholischen Getränke. Linus begann zu flüstern: „Was ist nur geschehen? Wieso hast du den Winter nicht längst beendet?“ Arash lachte bitter auf und lehnte sich ebenfalls zurück: „Na ja, ich kann es nicht. Etwas stimmt mit den Kugeln nicht. Meine Kraft, die sich auf den Frühling beläuft, kann ich nicht erwecken und damit, weil die Reihenfolge eingehalten werden muss, kann ich den Winter nicht beenden!“ Naomi sah Arash kurz an, sie verstand nicht recht, was ihr Begleiter mit den Kugeln meinte, jedoch bekam sie mit, dass mit einer dieser Kugeln etwas nicht stimmte und deshalb der Winter kein Ende nahm. „Wurde sie gestohlen?“, fragte Linus geschockt nach und Arash zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es nicht. Ich bin auf dem Weg zu den Kugeln, ich will sehen was den Winter so lange anhalten lässt.“ Linus seufzte und fuhr sich mit beiden Händen durch das schwarze Haar: „Es kann sich nur noch um Wochen handeln, dann wird es erste Opfer geben. Die Nahrung wird knapp und die Tiere sterben langsam auch an der klirrenden Kälte, außerdem geben die Kühe keine Milch mehr und die Hühner legen keine Eier. Also solltest du dich beeilen!“ „Sobald es Nacht wird werde ich aufbrechen!“, erwiderte Arash gleichgültig und blickte zur Tür. Diese hatte sich nämlich geöffnet. Ein junger Ritter in weißer Rüstung stand im Türrahmen und blickte sich hochmütig um. Schließlich trat er ein und nahm direkt an der Theke einen Platz ein. Naomi war dies nicht geheuer, niemals würde ein einzelner Ritter in ein Wirthaus gehen, sie waren wie Wölfe, immer im Rudel unterwegs. Naomi wandte den Kopf zur Tür, jedoch öffnete diese sich nicht wie sie erwartet hatte. Während Linus und Arash leise miteinander flüsterten beobachtete Naomi den Ritter an der Theke ganz genau. Ir-gendwie hatte sie das Gefühl diesen Mann schon einmal gesehen zu haben! Vielleicht gehörte er ja zu Georgs Einheit und war mit ihm zusammen in ihrem Heimatdorf. „Also brechen wir zusammen bei Sonnenuntergang auf!“, hörte Naomi Linus sagen und wandte ihren Blick auf den Herrn des Windes. Arash blickte seinen Bruder einige Sekunden schweigend an, dann lachte er: „Du willst mich begleiten?“ Linus nickte lächelnd und verschränkte die Arme vor der Brust. Naomi hingegen hatte das Gefühl, dass Arash damit nicht einverstanden war. Auch Linus schien dies zu bemerken und fragte enttäuscht nach: „Wieso nicht? Warum willst du deinen Bruder nicht dabei ha-ben?“ Linus sah Naomi kurz an, dieser Blick war so bösartig und verhasst, dass Naomi den eigenen Blick abwenden musste. Hatte sie etwa etwas mit Arashs Entscheidung zu tun? Arash lachte kurz und erwi-derte schließlich, dabei sah er jedoch Naomi an: „Es ist zu gefährlich. Geh deinen Weg wie du es vor-gehabt hast.“ Linus blickte seinen Bruder mit gerunzelter Stirn an. Arash sah nun seinen Bruder an und seufzte: „Nimm es mir nicht übel, doch jeder von uns hat nun ein-mal seine eigene Aufgabe!“ Doch Linus lachte und schlug mit der Faust auf den Tisch: „Niemals. Ich gehe mit. Du kannst mich nicht aufhalten, du wirst sehen!“ Naomi bemerkte die Blicke des Ritters der an der Theke saß und nun erkannte sie den älter wirkenden Mann auch wieder. Er war zusammen mit Georg in der Nacht ihrer Abreise bei Aneela gewesen. Auch er erkannte sie sofort wieder, sein Lächeln war höhnisch und heimtückisch. Während Arash und Linus miteinander stritten, bemerkten sie nicht wie der Ritter mit schnellen Schritten das Wirtshaus verließ. Naomis Herz raste, ihr Atem beschleunigte sich um das Doppelte. Ohne dass einer der beiden Streitenden etwas mitbekam, erhob sich Naomi ebenfalls und verließ das Wirtshaus. Die Sonne hatte bereits eine dunkelrote Farbe angenommen und war am untergehen. Naomi sah den Ritter der zielsicher durch die kleine Gasse lief um auf die Hauptstraße zu gelangen. „Wartet!“, rief Naomi so laut sie nur konnte. Der weiße Ritter blieb stehen und drehte sich herum. Naomi näherte sich vorsichtig und der Ritter lachte: „Bisher hat mein Prinz nie eine Abfuhr erhalten. Er wird sich sicher freuen zu hören, dass seine Begehrte zusammen mit dem Herrn der Gezeiten im Wirtshaus saß. Was glaubt Ihr wird er dann machen?“ Naomi sah den Ritter schweigend an, dieser lachte auf und winkte mit der Hand ab: „Er würde sich niemals gegen seinen Vater auflehnen. Wenn es sein müsste würde er Euch foltern um zu erfahren was er wissen will.“ Naomi lächelte ebenfalls und senkte die Stimme: „Selbstverständlich. Glaubt Ihr etwa ich laufe Euch nach um Euch zu bitten, Stillschweigen zu bewahren? Wenn Ihr dies geglaubt habt, dann liegt ihr mit Sicherheit falsch.“ Dem Ritter verging das Lachen und er wurde abrupt ernst: „Was meint Ihr damit?“ „Was denkt Ihr denn was ich meine?“, fragte Naomi hinterhältig nach. Bevor der Ritter antworten konnte, ertönte ein lautes Horn in der Stadt. Eine Stimme war laut zu hören: „Ritter aus Feuersturm reiten in die Stadt ein.“ Der weiße Ritter der vor Naomi stand blickte sie kurz an, dann rannte er von dannen. Kaum war er verschwunden hörte man auch schon das Hufschlagen der Pferde aus Feuersturm. „Dann muss ich wohl früher aufbrechen!“, sagte Arash, der hinter Naomi stand. Linus stand an seiner Seite und verbesserte ihn: „Dann müssen wir wohl früher aufbrechen.“ Arash trat an Naomi vorbei und diese blieb wie angewurzelt stehen. Sie blickte Arash nach wie er die Gasse betrat gefolgt von seinem Bruder. Naomi rief: „Arash. Die Ritter aus Eiscolt wissen, dass der Herr der Gezeiten in der Stadt ist. Sei auf der Hut.“ Arash nickte nur und verschwand um die Ecke zusammen mit seinem Bruder. Nun musste sich auch Naomi auf den Weg machen. Sie wusste, dass es sich nur noch um Sekunden handeln konnte bis der Ritter mit Georg zurückkam. Jedoch brauchte sie noch ein Pferd um schneller vorankommen zu kön-nen. Auf der Hauptstraße herrschte Chaos pur. Überall sah man rote und weiße Rüstungen die gegeneinan-der kämpften, weiße wie braune Pferde waren zu sehen die aufgeregt hin und her liefen. Niemand wür-de auf sie achten, es war ihre Chance dem Prinzen aus Eiscolt zu entkommen. Ein Pferd stand am Rand und trank aus einem Wasserkübel. Naomi ergriff sich sofort die Zügel und zog sich in den Sattel, sie ließ die Zügel knallen und mit einem lauten Wiehern machte die weiße Stute sich auf den Weg über die Hauptstraße die aus der Stadt herausführte. Die Hufe knallten auf der gepflasterten Straße, der kalte, verschneite Wind schlug Naomi entgegen. Sie fror leicht, konnte jedoch nicht anhalten, dazu war keine Zeit. Sie wollte ein neues Leben beginnen, nun ohne den Herrn der Gezeiten. Kapitel 5: Kapitel 5: Schnelles Wiedersehen ------------------------------------------- Es war tiefste Nacht. Weit, sehr weit in der Ferne sah man das Flackern einer brennenden Stadt. Natür-lich würde es solch ein Ende nehmen. Kriegerische Handlungen untereinander der vier Länder waren nicht unüblich. Die weiße Stute sprintete in einem hohen Tempo die leere Straße entlang auf den finsteren Wald östlich von ihr zu. Das Tier nahm nicht an Tempo ab, im Gegenteil, es nahm noch mehr zu, es schien sein Ziel zu kennen. Kaum betraten die beiden den Wald schnellte ein weiteres weißes Pferd aus dem Nichts hervor und rammte die Stute in die rechte Flanke. Das Pferd konnte zwar das Gleichgewicht halten, jedoch schaffte es Naomi nicht im Sattel sitzen zu bleiben. Sie stürzte herunter in den kalten Schnee. Naomi fing sich gerade noch so ab, sonst wäre sie mit dem Kopf auf einen Stein geschlagen. „Es scheint, dass du mich verfolgst.“, sagte eine bekannte Stimme und Naomi warf sich zur Seite auf den Rücken und blickte zu dem anderen weißen Ross. Auf dessen Rücken saßen Arash und Linus. „Ihr seid nicht sehr weit gekommen, oder sehe ich das Falsch?“, fragte Naomi nach. Sie erhob sich langsam aus dem kalten Schnee und ergriff die Zügel der weißen Stute. Als sie sich umsah bemerkte sie: „Wo steckt der schwarze Hengst?“ Arash seufzte: „Weg.“ „Weg?“, fragte Naomi und Linus fauchte: „WEG!“ Naomi stöhnte genervt auf und kletterte wieder in den Sattel der Stute. Sie schnallte mit der Zunge und brachte die Stute dazu weiterzugehen. Arash sprang von dem Rücken des weißen Pferdes, vertrat Naomi den Weg und ergriff die Zügel, mit ernster Stimme sagte er: „Der sture Hengst ist nicht wiedergekommen.“ Naomi zog an den Zügeln und entriss sie Arash, etwas erbost fuhr sie ihn an: „Was geht mich das an?“ Arash biss sich auf die Unterlippe und Linus rief nun fast feindselig: „Lass sie, wir finden das Biest schon noch.“ Arash reagierte nicht auf seinen Bruder. Er ergriff erneut die Zügel der Stute und deutete mit dem Fin-ger auf sie: „Er mag dich sehr, vielleicht kannst du MIR ja helfen.“ Naomi wischte sich den geschmolze-nen Schnee aus dem Gesicht und sagte mit verbitterter Stimme: „Meinetwegen.“ Es schien schon fast selbstverständlich zu sein, denn Arash zog sich hinter Naomi in den Sattel, nahm ihr mit einer Hand den Zügel ab und umklammerte sie mit dem anderen Arm um ihr sicheren Halt zu geben. Die dreier Grup-pen setzten ihren Weg fort, auch wenn Linus etwas dagegen hatte. Das hin und her schaukeln des Pferdes machte Naomi müde, sie lehnte ihren Kopf an Arashs Schulter und schloss die Augen. Eine fremde, raue Stimme war es, die Naomi wieder aus der Müdigkeit empor riss. Linus und Arash hatten eine lange, schmale Brücke erreicht die über einen Fluss führte der mit Eisschalen bedeckt war. Arash seufzte und blickte seinen Bruder kurz an. Naomi bemerkte den starken Griff ihres Mitreiters, er drückte sie so fest an sich, dass sie seinen Herzschlag hören konnte und seinen Atem im Nacken spür-te. Der Fremde der zusammen mit seinem Gefährten die Brücke verstellte rief erneut: „Ihr da, Reiter, Ihr habt keine Erlaubnis diese Brücke zu überqueren!“ Linus lachte kurz und nickte dem Mann zu: „Wir sind Reisende, mehr nicht, wir wollen nur unseren Weg fortsetzen.“ „Nichts da. Wenn ihr rüber wollt, müsst ihr schon schwimmen.“, erwiderte der alte Mann gereizt und hob sein Breitschwert in die Höhe. Nun erst erkannte Naomi die Rüstung der beiden Män-ner, sie stammten aus Blattregen. Vorsichtig nahm sie eine aufrechte Haltung ein und rief den Männern zu: „Warum dürfen wir nicht passieren?“ Der alte Mann blickte das junge Mädchen erschrocken an und verneigte sich kurz vor ihr, was Naomi seltsam vorkam, dann sagte dieser: „Wir wurden in letzter Zeit öfters von Eiscolt und Feuersturm überrannt, Mord und Todschlag war das Ergebnis. Dörfer wurden niedergebrannt und Vorräte gestohlen. Ein schlimmes Massaker war erst vor drei Tagen, vier Dörfer sind Feuersturm zum Opfer gefallen.“ „Nun habt ihr die Sicherheit verschärft!“, stellte Naomi fest und nickte dem Mann zu. Der etwas jüngere der Beiden seufzte: „Dies ist die einzige Brücke nach drüben, wir wollen wenigstens Eiscolt aufhalten.“ „So, so. Wie wollt ihr beide das anstellen? Wenn eine Armee hier anrückt überrennen sie euch ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.“ Der junge Blattregen-Ritter lachte und nickte: „Wir sind nicht zur Verteidigung gedacht!“ Er deutete auf einen großen Haufen Holz und Stroh der dicht neben der Brücke aufgestapelt lag. Naomi lächelte: „Ihr schlagt Alarm wenn sie kommen!“ „So ist es. Wir wissen, dass wir keine Chance hätten. Fast einen Kilometer von hier wartet unsere Armee und Verteidigungslinie.“ „Wie-so erzählt Ihr uns das? Wir könnten die Vorhut sein!“, fragte Arash nach der bisher geschwiegen hatte und der alte Mann lachte: „Ja, ja. Eiscoltritter haben keine Frauen bei sich. Wir werden von einer Frau, unserer Königin und ihrer Tochter, geführt und geleitet.“ „Deshalb redet Ihr so offen mit uns!“, fragte Arash lächelnd nach und der Alte nickte: „So ist es, trotz-dem können wir euch nicht passieren lassen.“ Linus stieg aus dem Sattel und trat auf die beiden Män-ner zu: „Sicher wir verstehen das natürlich. Wohl oder übel werden wir wirklich schwimmen müssen.“ Der etwas jüngere Ritter seufzte: „Es tut mir wirklich sehr Leid. Aber Vorschrift ist Vorschrift, wenn wir nicht gehorchen, kostet es unseren Kopf.“ Plötzlich ging alles blitzschnell. Linus holte aus und traf die beiden Männer mit einem kleinen nadelähn-lichen Gegenstand. Die Männer keuchten und gingen bewusstlos zu Boden. Naomi runzelte die Stirn und griff Linus mit Worten an: „Wir konntest du nur? Was wenn Ritter aus Eiscolt kommen? Sie werden gnadenlos getötet werden!“ „Ja, ja.“, Linus interessierte Naomis Meinung eher wenig, er stieg wieder in den Sattel seines Pferdes und ritt auf die Brücke zu. Ein seltsames Gefühl überkam Naomi. Es war ein Gefühl wie man es hatte, wenn etwas Großes bevorstand. Naomi glitt unter Arashs Arm hindurch und aus dem Sattel heraus. Sie trat auf die schmale Brücke zu und blickte links an der Seite herunter. Der Fluss war stürmisch und heimtückisch. Das Gefühl nahm immer mehr zu und fast schon eingeschüchtert trat Naomi weit, sehr weit vor der Brücke zurück. Linus ritt zielsicher über die Brücke hinüber. Es dauerte per Pferd nicht einmal fünf Minuten, da hatte er die andere Seite auch schon erreicht. Arash ritt an Naomis Seite: „Komm schon!“ Er ritt langsam auf die Brücke und folgte instinktiv seinem Bruder dem Wind. Als schließlich auch Arash die andere Seite er-reicht hatte, drehte er sich im Sattel herum und rief: „Nun komm schon!“ Auch Linus hatte angehalten und seinen Blick auf Naomi gerichtet. Naomi seufzte und rief zurück: „Ich kann nicht.“ Arash runzelte die Stirn und lachte: „Wieso nicht? Hast du Höhenangst?“ Naomi sah Arash kurz, aber dafür bösartig an, dann setzte sie einen Fuß auf die Brü-cke und rief zurück: „Ich habe ein beschissenes Gefühl bei dieser Brücke.“ „Wir sind doch auch rüber gekommen!“, warf Linus ein, der sich nun sichtlich Sorgen machte. Er hatte aber Recht, dachte Naomi und setzte nun langsam einen Fuß vor den anderen. Arash und Linus wirkten beide leicht besorgt, ahnten sie was Naomi meinte? Naomi hatte fast die Hälfte erreicht, als sie ein leises, kaum hörbares Knacken vernahm. Sie wusste, dass es nun kein Zurück ge-ben konnte, vielleicht war es ihr Schicksal gewesen, hier auf der Brücke von den beiden jungen Män-nern getrennt zu werden! Es dauerte nicht einmal eine Minute wo Naomi dies gedacht hatte, da brach ihr unter den Füßen das morsche Holz weg. Ohne wirklich zu wissen was geschah rauschte sie durch das Holz der Brücke, ratz-te sich die Arme und Beine auf und tauchte in das eiskalte Wasser des reisenden Flusses. Es war wie ein Schlag auf den Hinterkopf, alles um Naomi herum begann sich zu drehen und nun sah und hörte sie nichts mehr. Eine leise Stimme drang in ihr Bewusstsein ein: „Es war dein Schicksal!“ Dann trug sie der Fluss dahin ins Nirgendwo. Sie tauchte auf, umklammerte eine Eisschorle und versuchte die Augen zu öffnen. Die Brücke war längst nicht mehr zu sehen, genauso wenig wie Arash und sein Bruder. Ihr Gefühl hatte Recht behalten, es würde etwas Schreckliches auf der Brücke passieren und es war ihr Schicksal ge-wesen, nicht das des Herrn der Gezeiten. Vor Kälte konnte sie sich kaum bewegen, trotzdem musste sie an das Ufer kommen um zu überleben. Sie versuchte es. Naomi hangelte sich von einer Eisschorle zur nächsten und kam dem verschneiten Ufer immer näher. Der Fluss war so schnell und unzähmbar, dass Naomi sicher schon viele Kilometer von der Brücke entfernt war. Mit letzter Kraft die sie aufbringen konnte klammerte sie sich an einem Strauch am Ufer fest und zog sich an Land. Sie zitterte am ganzen Leib, nun würde sie zwar nicht mehr ertrinken, dafür aber wahrscheinlich erfrie-ren. Kapitel 6: Kapitel 6: Chris, der junge Prinz -------------------------------------------- „Du brauchst mich nicht schon wieder daran zu erinnern!“, sagte eine grobe Stimme leise. Eine weitere Stimme versuchte die erste zu beruhigen: „Aber mein Herr, mein Freund, ich will mir nicht anmaßen Euch Vorschriften zu machen oder Euch gar in Euer Handwerk zu reden, doch denkt daran was Euer Vater Euch sagte!“ Die erste Stimme lachte: „Ha, mein Vater, dieser Narr. Ein Pakt mit Eiscolt zu schließen, wie töricht.“ „Klug würde ich sagen. Es sichert das Überleben Eures Volkes, dies solltet Ihr nicht vergessen.“ „Dafür aber einen Krieg unterstützen? Einen Krieg gegen Feuersturm und Blattregen? Wir werden dafür bezahlen müssen, dass wir Partei ergriffen haben, daran dachte mein werter Vater aber nicht.“, erwider-te die erste Stimme gereizt und der andere seufzte: „Vielleicht, doch was zählt ist, dass es im Moment Eurem Volk an nichts mangelt.“ „Außer an Wärme und Lebensmitteln, dem wichtigsten Bestandmaterial überhaupt!“, mahnte die erste Stimme. Naomi schlug langsam die Augen auf. Sie lag in einem Zelt aus Tierhäuten neben einem kleinen Lager-feuer, zugedeckt mit einem Tierfell. Neben dem Feuer, fast schon im Schatten dessen, saßen die zwei jungen Männer die miteinander stritten. „Ich werde nicht zulassen, dass mein Vater sich diesem Eiscoltpack unterwirft, lieber würde ich ster-ben.“, entgegnete die erste Stimme bitter und der andere Mann lachte: „Ihr wisst, dass Euer Vater auch dies in Kauf nehmen würde.“ „Wenn ich ihm egal bin, interessiert ihn auch das Volk nicht.“, seufzte der junge Mann und blickte in Naomis Richtung: „Ihr seit wach?“ Naomi richtete sich schlagartig auf und seufzte: „Ja.“ Der junge Mann kroch auf allen Vieren zu ihr her-über und lächelte: „Ihr hattet Glück. Wir fanden Euch beim Holz suchen am Ufer des Flusses. Wie kamt Ihr dorthin?“ Naomi musste sich erst einmal fangen bis sie schließlich antwortete: „Weiter oben des Flusses existiert eine Brücke, dort stürzte ich hinein.“ „Dann ist es ein Wunder das Ihr noch lebt.“, sagte die zweite Stimme und der junge Mann an Naomis Seite nickte: „Mein Name ist Chris und dies ist mein Gefährte und Freund Rapanui.“ „Ihr seit ein Prinz!“, stellte Naomi fest und griff sich an die Stirn. Chris blickte sie überrascht an: „Woher wisst Ihr das?“ Na-omi lachte auf und nickte: „Euer Freund spricht so gehoben mit Euch und selbst ein bester Freund wür-de seinen Prinzen niemals duzen.“ „Gut beobachtet!“, erwiderte Rapanui und Chris lächelte: „Wirklich, da stimme ich meinem Freund zu. Wer seit Ihr?“ „Mein Name ist Naomi, ich komme aus Octron, dem Dorf der Jahreszeiten.“ „So weit seid Ihr gereist?“, stellte Rapanui verblüfft fest und Chris fragte neugierig: „Was macht Ihr hier, so weit von zu Hause entfernt?“ „Auf der Brücke war ich noch mit zwei Freunden zusammen, ich reise mit ihnen!“, erwähnte Naomi. „Eine Reise? Wo soll es hingehen?“, fragte Chris nach und Naomi hob die Schultern: „Ehrlich gesagt weiß ich es selbst nicht so genau. Es geht darum den Frühling zurück zu holen!“ „Also eine sehr wichti-ge Reise. Ihr wollt sicher schnell zu Euren Freunden zurück!“ „Nur wie?“, fragte Naomi enttäuscht nach und Chris lächelte: „Ihr erhaltet ein Pferd, Proviant und was Ihr sonst noch braucht, dann werdet Ihr sicher bald bei Euren Freunden sein.“ „So meint sie es sicher nicht!“, erwiderte Rapanui und sah Chris leicht erbost an, dann fuhr er fort: „Sie weiß nicht ob Ihre Reisegefährten weiter gezogen sind. Wenn dem so wäre, würde sie sie niemals wie-der finden.“ … Naomi schlief nachdem die beiden Männer sie verlassen hatten weiter. Immer wieder vernahm Naomi Stimmen die am Zelt vorbeizogen und auch das Wiehern von Pferden war nicht zu überhören. Als je-mand in das Zelt hereinkam, blies sofort eine kalte Brise durch das Zelt aus Tierhäuten. Als Naomi das Fell bis zum Hals zog und dann die Augen öffnete, erblickte sie den jungen Prinzen Chris, der sich an das kleine Lagerfeuer setzte. Er seufzte schwer und blickte Naomi lächelnd an. Er nickte und deutete auf das Zelt: „Hast du dich schon entschlossen was du machen willst?“ Naomi seufzte ebenfalls und setzte sich aufrecht hin: „Ich bin doch eigentlich nur im Weg wenn ich ehrlich bin. Mein Traum war es unabhängig zu sein, ein Abenteuer zu erleben. Doch wenn ich darüber nachdenke, war ich in der Zeit die ich jetzt unterwegs war nicht unabhängig. Mein Schicksal lag in den Händen meiner Begleiter, ich folgte ihnen wohin sie auch immer gegangen sind.“ „Ich weiß was du meinst. Es mag sich vielleicht albern anhören, aber ich wünschte ich wäre nie als Prinz auf diese Welt gekommen. Ein einfacher Bürger, der Freiheiten hat wie ich es mir nur in meinen Träumen vorstellen kann. Deshalb ist es vielleicht auch der Grund, weshalb ich mich gegen meinen Vater und seinen Entscheidungen auflehne.“, erwiderte Chris nachdenklich und Naomi seufzte: „Ihr seit Prinz aus Blütentraum. Ihr tragt viel Verantwortung, das verstehe ich sehr wohl. Vielleicht ist es das was ich will, mehr Verantwortung, etwas bewirken im Leben.“ Chris nickte: „Wir sind gar nicht so verschieden. Ich möchte die Freiheit von Entscheidungen treffen und du willst dazu verpflichtet werden. Seltsam!“ „So meinte ich das nicht. Ich will keine Völker unterwerfen, ich möchte etwas bewirken, diesen Winter beenden wäre zum Beispiel etwas was ich gern machen würde.“, träumte Naomi mit freudiger Stimme. „Dies ist aber auch widersprüchlich. Wenn du wirklich diesen Winter beenden willst und deine Freunde dir diese Möglichkeit bieten dabei zu sein, dann nutze sie, irgendwann kannst du zeigen, dass auch du wichtig bist. Früher oder später werden deine Freunde auch dich brauchen auf dieser Reise.“ Chris lächelte Naomi an, ergriff ihre Hand und seufzte: „Wenn du aufbrichst Naomi, versprich mir zurückzu-kommen wenn du es geschafft hast. Suche nach mir, ich bin sicher du wirst mich finden. Wir beide wer-den diese Welt verändern, wir zusammen werden etwas bewirken. Ich gehe meinen Weg, doch dazu brauche ich Hilfe.“ „Ihr wollt ein neues Leben beginnen?“, fragte Naomi nach und Chris lächelte: „Dazu muss sich die Welt verändern, der Winter muss enden. Ich habe viel nachgedacht darüber, wenn der Winter vorbei ist, werden neue Probleme auftreten. Das Erdreich ist ausgekühlt und wird nicht so schnell etwas zu wach-sen bringen, wir beide zusammen werden die Menschen unterstützen und versuchen Frieden zwischen den vier Ländern zu schaffen.“ „Da habt Ihr Euch aber viel vorgenommen.“, erwiderte Naomi lächelnd und Chris sprach ernst weiter: „Ich weiß das wir beide zusammen es schaffen können.“ „Ich werde zurückkommen wenn ich meine Freunde gefunden habe und der Winter beendet wurde.“, versprach Naomi lächelnd und Chris seufzte: „Ist es nicht eigenartig? Ich kenne dich kaum und trotzdem weiß ich, dass du es bist mit der ich die Welt verändern kann!“ Naomi kam nicht zur Antwort, Rapanui stürmte schwer atmend in das Zelt herein: „Chris, mein Herr, die Blattregenbrücke wurde von Eiscolt überrannt.“ Chris blickte seinen Freund ungläubig an und ent-schloss sich sofort: „Sammle die Truppen, räume das Lager, wir brechen auf, wir nehmen die Verfol-gung auf.“ Rapanui nickte sofort, verbeugte sich leicht und verließ gehetzt das Zelt, draußen war seine Stimme zu hören: „Räumt das Lager zusammen.“ Chris seufzte: „So schnell schon trennen sich unsere Wege wieder. Nur wenige Stunden hatten wir miteinander und doch weiß ich, dass du dein Versprechen einhalten wirst. Ich freue mich schon auf unser nächstes Wiedersehen. Ich lass dir saubere Kleidung bringen und sattle ein Pferd.“ Chris lächelte noch einmal kurz und verließ dann ebenfalls gehetzt das Zelt. Naomi seufzte, zog das Fell über die Schultern und wartete auf die neuen Sachen. Sie bekam eine einfache weiße Stoffhose mit einem passenden weißen Oberteil, auf jeden dieser Teile war das Wappen von Blütentraum zu sehen, ein blühender Kirschbaum. Selbst der weiße Fellmantel hatte auf der rechten Brustseite einen kleinen blühenden Kirschbaum, sie zog sich auch diesen über und kroch zum Ausgang des Zeltes. Als sie dieses verließ musste sie überraschend feststellen, dass das Lager bereits abgebaut war. Der Befehl dazu war nicht einmal vor fünfzehn Minuten gegeben wor-den und trotzdem war alles zusammengepackt, man sah nicht einmal mehr wo sich die Feuerstelle befunden hatte. „Wir brechen auf.“, rief Chris den Soldaten zu die bereits in ihren Satteln saßen und bereit zur Schlacht waren. Der junge Prinz kam ohne Umschweife zu Naomi zurück und lächelte: „Du hast deine Freunde bei der Brücke verloren! Da kannst du uns noch ein Stück begleiten!“ Chris blickte sich suchend um, er hielt nach einem freien Pferd Ausschau, doch Naomi entdeckte ihre Reitgelegenheit selbst. Aneela stand am Rand des zusammengepackten Lagers und blickte sie wiehernd an. Das Tier kam sofort auf das junge Mädchen zu und schmiegte den Kopf an deren Schulter. Naomi seufzte: „Ich glau-be nicht dass ich Euch weiterhin begleiten kann. Dieses Pferd wird mich an mein Ziel bringen ohne das ich weiß wo dieses Ziel sein wird.“ Chris nickte: „So soll es sein. Vergiss dein Versprechen jedoch nicht.“ Naomi nickte entschlossen und hievte sich in den Sattel. Chris reichte ihr ein silbernes Schwert hinter-her. Das junge Mädchen betrachtete das Schwert nachdenklich und Chris nickte: „Das will ich wieder haben.“ Dann verschwand auch er zwischen den anderen Pferden, sattelte auf und ritt zusammen mit Rapanui langsam los. Naomi lächelte das Schwert an und bindet es so fest es nur ging an ihre Hüfte fest, dann streichelte sie Aneela und flüsterte: „Du kennst mein Ziel, ich muss zurück. Bring mich zu Arash.“ Der schwarze Hengst stieg kurz auf, warf den Kopf in den Nacken und wieherte verstehend. Dann hechtete es voran, überholte sogar die ersten Reiter und huschte elegant an Chris und Rapanui vorbei. Anstatt auf der Straße zu bleiben, sprang der junge Hengst zwischen die Bäume des Waldes und be-wegte sich wie der Wind zwischen ihnen hindurch. Es schien als ob Naomi fliegen würde, mit Aneelas Schnelligkeit konnte nichts mithalten. Naomi warf noch einmal einen Blick über die Schulter. Die Armee aus Blütentraum war längst nicht mehr zu sehen. Sie dachte daran, was wohl nach dem Winter kommen würde. Chris hatte Recht, der lange Winter hinterlässt Spuren und er wollte zusammen mit ihr diese Spuren beseitigen. Naomi lächel-te kurz, dann streichelte sie freundlich Aneela. Kapitel 7: Kapitel 7: Das Haus im Wald der Stürme ------------------------------------------------- Naomi wusste nicht wie lange sie bereits auf dem Rücken des Pferdes gesessen hatte, immerhin war sie zwischendurch auch eingeschlafen, trotzdem hatte sie nicht geahnt, dass Arash so weit gekommen war. Hatte er sich nicht einmal die Mühe gemacht nach ihr zu suchen? Dachte er sie sei Tod? Naomi war völlig neben der Spur, Enttäuschung und Trauer machten sich langsam in ihr breit. Sie bereute es sogar überhaupt aufgebrochen zu sein, sie wäre lieber bei Chris und Rapanui geblieben und mit denen in den Kampf gezogen. Liebevoll streichelte sie das Schwert an ihrer Seite und lächelte. Ein starker Wind kam auf und ließ Na-omi frösteln. Sie zog den Mantel bis zum Kinn hoch und sah sich um. Sie ritten noch immer durch einen Wald, jedoch schien in diesem Teil des Waldes ein Sturm zu wüten. Viele der Bäume lagen erfroren am Boden und hier und da sah man Knochenreste von Tieren die hier ihr Ende fanden. Der Schneesturm schien schon ewig hier zu herrschen. Selbst die Bäume die noch standen, waren komplett aus Eis. Sie waren eingefroren. Naomi zitterte leicht und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Man konnte nichts hören, nur das Rauschen des Windes und des Schnees. Aneela zog den Kopf nach rechts und schloss leicht die Augen, auch ihm fiel das Laufen bei dieser Kälte schwer. Wie durch ein Wunder vernahm Naomi zwischen dem Rauschen des Windes und des Schnees noch etwas anderes, es war ein Zischen, ein Pfeifen eines Pfeils. Wie durch Geisterhand ließ Naomi sich links vom Sattel fallen und in den Schnee stürzen. Aneela blieb nach wenigen Metern stehen. Nun er-kannte Naomi wie sich durch den dichten Schneesturm einige Männer oder auch Frauen ihrem Stand-punkt näherten. Fast schon instinktiv zog Naomi das Schwert aus der Scheide und nahm eine Verteidigungsstellung ein. Aneela wieherte warnend als sich die Männer noch weiter näherten. Eine fremde, alte Stimme rief: „Leg die Waffe weg, Kind!“ Naomi lachte laut und rief so laut sie nur konnte zurück: „Dann werft eure Waffen zuerst zur Seite, verstanden?“ Der alte Mann lachte erneut: „Glaubst du wirklich, dass du eine Chance gegen die Elite aus Eiscolt hast?“ Naomi blieb die Luft weg, sie wusste nicht wie sie darauf reagieren sollte. Natürlich hatte sie keine Chance gegen die Elite, sie wusste, dass sie nicht einmal gegen drei normale Ritter eine Chance ge-habt hätte. Aneela trabte an Naomis Seite, diese kletterte so schnell sie konnte in den Sattel hinein. Noch während sie aufstieg, setzte Aneela sich in Bewegung. Erneut surrte ein Pfeil an Naomis Kopf vorbei und verfehlte sie nur äußerst knapp. Erst als das junge Mädchen richtig im Sattel saß legte Aneela an Tempo zu. Er wurde von Schritt zu Schritt schneller und hängte die Elite aus Eiscolt rasend schnell ab. Nachdem sich Aneela sicher war die Verfolger los zu sein, wurde er langsamer, mit Recht auch, denn plötzlich schienen sie außerhalb des Schneesturmes zu sein. Man sah rund herum den Sturm noch immer wüten, jedoch hier, auf der Lichtung, bewegte sich nicht einmal der Wind. In der Mitte der Lichtung stand ein kleines, altes Holzhaus. Die Tür stand sperrangelweit offen und bot jedem der es wollte Einlass. Naomi ritt noch ein Stückchen auf das Haus zu, dann kletterte sie aus dem Sattel und sah sich um. Hinter dem Haus war ein langer Zaun zu sehen, darin standen zwei weiße Pferde ohne Sattel. Zumindest erkannte Naomi die weiße Stute wieder. Vorsichtig führte sie auch Anee-la in das Gatter und lief dann eine Runde um das alte Holzhaus. Sie war mindestens einen Tag mit Aneela unterwegs gewesen um Arash zu finden. Er war nicht sehr weit gekommen, fand Naomi. So laut sie konnte rief sie: „Ist jemand da?“ Doch es kam keine Antwort. Langsam trat sie in das offen stehende Haus zu und sah sich neugierig um. Plötzlich rief eine Frauen-stimme vom Dach des Hauses aus: „Wer da?“ Naomi trat einige Schritte zurück und erblickte die junge, blonde Frau. Sie stand da oben aufrecht mit verschränkten Armen. Die junge Frau trug einen langen blauen Umhang wie ein Kimono die in Eiscolt getragen wurden. Mit erhobener Stimme fuhr sie Naomi an: „Was willst du hier Kind?“ Naomi runzelte die Stirn, antwortete aber nicht. Die Frau sprang mit einem Satz vom Dach herunter und zog musternd ihre Kreise um Naomi. Dann lachte sie: „Ein Mädchen aus Blütentraum? Wie kommt es, dass sich so ein junges Ding hier allein herum treibt? Gehörst du zur Armee die nahe des Flusses rastet?“ Naomi schüttelte den Kopf: „Ich stamme nicht aus Blütentraum, noch gehöre ich zu deren Armee.“ Die junge Frau zog unter ihrem Umhang einen langen Mönchsstab hervor. An der Spitze des Stabes war eine kleine blaue Klinge zu sehen. Die junge Frau verneigte den Kopf und stellte sich vor: „Mein Name ist Akane, Hüterin des Waldes der Stürme.“ Naomi lachte kurz auf und verschränkte nun ebenfalls die Arme: „Ich bin auf der Suche nach Arash und Linus.“ „Du wagst es…“, schrie die junge Frau und griff mit erhobenem Kampfstab Naomi an. Diese zog instink-tiv das Schwert von Chris und wehrte den Schlag der Hüterin ab. Mit einem eleganten Sprung setzte sie zurück und startete einen neuen Angriff, dabei schrie sie: „Eine Unwürdige wie du es bist wird es nie-mals vergönnt sein Arash zu treffen.“ Naomi wich geschickt aus und wehrte auch den zweiten Schlag mit dem silbernen Schwert ab, dabei rief sie: „Ich glaub du verstehst nicht. Ich kenne Arash bereits und er kennt auch mich. Ich habe etwas was ihm gehört.“ „So, so.“, schrie die junge Frau und machte einen weiteren Satz auf Naomi zu. Diese tauchte unter dem Schlag ab und drehte sich elegant an der Hüterin vorbei. Mit der stumpfen Seite des Schwertes holte sie aus und traf die junge Frau in die Kniekehlen. Sie keuchte und brach auf die Knie zusammen. Den Stab ließ sie an ihrer Seite niederfallen. Mit schmerzverzehrtem Gesicht hielt sie sich die Kniekehlen, in der Zeit stieß Naomi mit einem Fuß den Kampfstab weg. Akane lachte schmerzvoll auf und stand langsam auf: „Wirklich gut.“ Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und seufzte: „Doch so viel Glück wirst du kein zweites Mal haben.“ Sie zog unter ihrem Um-hang einen zweiten Kampfstab, jedoch etwas kleiner und ohne Klinge, hervor. Mit Kampfesgeschrei stürzte sie sich auf Naomi, diese wich erneut aus und wehrte erneut den Schlag ab. Das Spiel ging noch eine ganze Weile so weiter, wobei Akane sehr schnell an Kraft verlor. Die Hüterin sprang hin und her, war einfach immer in Bewegung. Naomi hingegen wich einfach den Schlägen aus und konnte sich sonst ausruhen. Akane schrie nun erbost auf: „Ich werde dir jede Gliedmaße einzeln ausreißen.“ „Aka-ne!“, rief eine Stimme vom Haus aus. In der Tür stand Linus an den Rahmen gelehnt. Er schien schon eine ganze Zeit die beiden zu beo-bachten. Er wandte sich an Naomi: „Ich dachte nicht das du den Sturz überleben würdest.“ „Ich dachte es eigentlich auch nicht.“, erwiderte Naomi und steckte das Schwert zurück in die Scheide, dann ver-schränkte sie stur die Arme vor der Brust. Linus lachte: „Blütentraumklamotten. Woher hast du sie?“ Bevor Naomi etwas dazu sagen konnte, un-terbrach Akane das kleine Gespräch: „Du kennst sie, Linus?“ Linus wandte seinen Blick auf die Hüterin, seine Augen verfinsterten sich: „Flüchtig, wieso?“ Akane verzog das Gesicht und blickte Naomi erbost an: „Woher stammst du?“ Naomi antwortete der jungen Frau nicht, sondern gab Linus Antwort: „Nach meinem kleinen Sturz habe ich Bekanntschaft mit einer Armee aus Blütentraum gemacht. Ich habe den jungen Prinzen, Chris, kennen gelernt.“ „Den Prinzen aus Blütentraum? Hier in der Gegend?“, fragte Linus überrascht nach und Naomi nickte: „Wir brauchen uns vor ihm nicht in Acht zu nehmen, wir sollten uns vor Eiscolt hüten, sie haben die Armee an der Brücke vernichtet.“ Linus seufzte und kratzte sich am Kopf: „Oje, unsere Reise wird wohl kein gutes Ende nehmen.“ Akane mischte sich wieder ein: „Sprecht mit mir. Ich will endlich wissen wer das ist!“ Dabei deutete sie auf Naomi, diese antwortete: „Mein Name ist Naomi. Ich stamme aus dem Dorf Octron, dem Dorf der Jahreszeiten.“ „Mehr nicht? Nur eine Bauerntochter?“, spottete Akane abfällig und Linus fuhr dazwischen: „Diese Bauerntochter war dir im Kampf überlegen, Akane! Wie willst du mir das erklären?“ In Linus Stimme lag eine Spur von Verachtung. Mit verbitterter Stimme fauchte Akane den Bruder des Windes an: „Wie kannst du es wagen? Ich bin hier die Hüterin…“ „So, so. Jetzt wieder die Hüterin. Wenn dem so ist, wo steckt dann die Kugel?“, frag-te Linus verärgert. Naomi hatte nicht die leiseste Ahnung von was für einer Kugel die beiden eigentlich sprachen. Arashs Stimme mischte sich ein: „Hört endlich auf zu streiten. Ist ja wie im Kindergarten mit euch beiden.“ Arash trat genervt aus dem Holzhaus heraus und fuhr sich durch das gefrorene Haar. Er lächelte Naomi an: „Ich habe nie gezweifelt, dass du es nicht schaffen würdest. Ich wusste einfach, dass du stark genug bist und den Sturz überlebst.“ „Nur mit fremder Hilfe, geradeso mit Ach und Krach.“, erwiderte Naomi mit einer Spur Verärgerung in der Stimme. Arash bemerkte dies zwar, reagierte aber nicht weiter darauf, er wandte sich an Akane: „Ich weiß, dass mein Bruder gern mit dir streitet, dich zu Äußersten treibt, dennoch hat er dieses Mal Recht. Wenn du die Hüterin bist, warum ist dann die Kugel weg?“ Akane ballte ihre Hände zu Fäusten und biss sich auf die Unterlippe, antwortete aber nicht. Arash lachte gereizt: „Ich werde meine Mutter erinnern für dich eine Ablösung zu schicken.“ Akane blieb noch immer wie angewurzelt stehen und begann aus Wut am ganzen Leib zu zittern. „Nun zu dir.“, ent-gegnete Arash etwas unfreundlich. Er verließ das Haus und trat auf Naomi zu: „Wie kommst du eigent-lich hier her?“ „Aneela tauchte plötzlich auf, er war es der mich herführte.“, sagte Naomi gelassen und Arash lachte: „Das dumme Tier, es ist einfach zu vernarrt in dich. Ich hatte ihm beigebracht zu Fremden nicht zutraulich zu sein, genau aus diesem Grund.“ „So fremd bin ich doch gar nicht mehr für ihn. Immerhin hatte ich mich eine kurze Zeit um dein Pferd gekümmert.“, erwiderte Naomi gleichgültig und Linus lachte kurz auf: „Ich will nicht stören bei eurem Geplauder, jedoch ist unsere Reise noch nicht beendet!“ Naomi nickte kurz und lächelte: „Linus, warst du es nicht der etwas dagegen hatte, dass ich euch begleite?“ „Dies hat sich nun geändert. Ich wusste nicht, dass du so gut mit dem Schwert umgehen kannst.“, sagte Linus respektvoll und Naomi lachte und schüttelte den Kopf: „Ich hatte zum ersten Mal ein Schwert in der Hand.“ Als hätte Naomi Salz in die Wunde gestreut, begann Akane plötzlich zu schreien: „Ich allein hatte die Verantwortung für die Kugeln. Es ist nicht meine Schuld, schiebt mir nicht eure Nachlässigkeit zu, Mas-ter Arash. Es ist Eure Aufgabe für die Jahreszeiten zu sorgen nicht meine. Ich bin Hüterin des Waldes, nicht er Kugeln.“ Arash blickte die junge Frau schweigend, aber durchdringend an, diese schrie unter Tränen weiter: „Ich habe mein Leben lang in diesem Wald gelebt, seit ich denken kann. Ich habe nie etwas anderes gemacht als diesen Wald zu beschützen. Ich sah nie die Menschen die mich beauftragt haben. Als Kinder, oh ja, als Kinder kam der werte Arash und Linus immer zu mir. Wir spielten zusam-men verstecken im Wald.“ Arash lachte kurz auf: „Glaubst du etwa nur du hattest ein schweres Leben? Ich, wie auch Linus, wir haben Aufgaben zu erfüllen. Deine war es den Wald zu beschützen und Fremde fern zu halten. Doch du hast versagt. Gefühle spielen keine Rolle, es war deine Pflicht und du bist dieser nicht nachgekom-men.“ „Im Wald irren drei Reiter aus Eiscolt herum.“, erwähnte Naomi nebenbei. Jetzt erst fielen ihr diese Männer wieder ein. Akane blickte erschrocken auf: „Was?“ Linus lachte: „Und wieder hattest du deine Aufgabe nicht ernst genommen, wenn dem so wäre, hättest du verhindern müssen, dass Naomi dieses Haus überhaupt entdeckt. Doch deine Liebe zu Arash macht dich blind und taub. Du glaubst der Sturm allein reicht aus um Fremde fern zu halten, doch was wenn der Winter wieder sein Ende findet?“ Arash hob anerken-nend die Hand und brachte seinen Bruder zum Schweigen. Akane blickte verbittert auf den verschnei-ten Boden. Mit einem Seufzen trat Arash zurück in die Hütte und Linus lachte verbittert auf: „Es gibt kein Platz für Gefühle. Du siehst doch was geschieht, wenn du mit den Gedanken woanders bist!“ „Wenn es keinen Platz für Gefühle gibt, dann braucht ihr den Frühling auch gar nicht erst zurückzuholen. Seht ihr nicht was geschehen ist? Die Länder, die einst in Frieden miteinander lebten, bekämpfen sich nun bis aufs Blut. Es gab ein Band zwischen ihnen, die Prinzen und Prinzessinnen spielten als Kinder oft zusammen, genau wie ihr. Nun jedoch ist es vorbei, aus Spiel wurde ernst. Selbst wenn ihr den Frühling zurückholt, wenn es aber kein Platz für Gefühle gibt, wird selbst die schönste Jahreszeit den Kampf nicht beenden können.“, Naomi schloss besorgt die Augen. Sie wusste nicht wirklich was in sie gefahren war. Es ging sie überhaupt nichts an wie Akane für Arash empfand, trotzdem dachte sie in diesem Moment an Chris, der auf ihre Rückkehr wartete. Sie lächelte kurz und Linus erwiderte: „Ich wusste auch nicht, dass du so eine begabte Rednerin bist.“ „Nicht ich spreche Euch an, Herrscher des Windes, nein, mein Herz spricht zu Euch. Was auch immer ein Mensch empfindet, es ist mehr wert als Gold. Das Herz eines Menschen ist entscheidend, was bringt viel Gold und Größe, wenn man doch ein kaltes Herz hat?“ Linus schien es die Sprache verschlagen zu haben und Naomi fuhr weiterhin fort: „Mir ist bereits aufge-fallen, dass Arash und du, das ihr anders seit. Ihr stellt euch über die einfachen Menschen, denkt ihr seit etwas besseres, doch auch ihr seit nicht mehr wert als der König aus Eiscolt und der aus Feu-ersturm. Ihr sucht einen Sündenbock und warum dann nicht gleich den Hüter anmaulen, ist doch einfa-cher, als sich erst einen suchen zu müssen.“ Akane erhob die Stimme: „Wie kannst du es wagen?“ „Ich wage gar nichts. Mich interessiert auch nicht wirklich was es mit diesen Kugeln auf sich hat. Wenn ihr denkt, ihr könnt so tun als seit ihr die Opfer und müsst nun den Peiniger allein finden, habt ihr euch geschnitten. Es gibt viele Menschen auf dieser Welt, denen es schlechter geht als euch.“ Naomi trat an Akane vorbei und schlich um das Holzhaus herum, sie öffnete das Gatter und führte die weiße Stute ungesattelt heraus. Aneela wieherte nervös und scharrte mit dem Huf im Schnee. „Ich werde gehen!“, sagte Naomi als sie zusammen mit der Stute bei Linus und Akane ankam. Sie lä-chelte geheimnisvoll und sagte: „Vielleicht, eines Tages, wird wirklich wieder Frühling werden. Und viel-leicht werden wir uns sogar wieder treffen! Bis es jedoch soweit ist, solltet ihr über meine Worte nach-denken… auch Ihr, ARASH!“ Arashs Namen rief sie extra laut, sie wusste, dass er die ganze Zeit mit-gehört hatte. Naomi umklammerte die Zügel der Stute noch fester, drehte sich herum und wollte diesen Ort verlas-sen. Plötzlich, wie durch Geisteshand, ließ sie die Zügel fallen und zog das silberne Schwert des Prin-zen aus der Scheide. Mit einer leichten Bewegung der Hand wehrte sie drei heransurrende Pfeile ab. Zwischen den Bäumen, aus dem Sturm heraus, tauchten die drei Männer auf denen Naomi bereits be-gegnet war. Einer der Männer lachte schallend auf und fuchtelte mit der Hand herum: „Wie man sich doch wieder trifft, nicht war Blütentraum Balg?“ Naomi lächelte und ließ das Schwert zu ihrer rechten herabhängen. Akane erwachte aus ihrer Erstar-rung, sprang plötzlich in die Höhe und hielt einen Mönchsstab in den Händen. Sie holte weit aus und schlug nach einen der Ritter. Der alte Mann wich nicht aus, nein, er zog ein Schwert unter seiner Rüs-tung hervor und wehrte den Angriff mit Leichtigkeit ab. So schnell war Naomi noch nie gelaufen, in Win-deseile stand sie an Akanes Seite und holte mit dem eigenen Schwert aus. Einer der anderen Ritter mischte sich ein, kam jedoch nicht zum Schlag, denn schon war Linus zur Stelle und preschte den Ritter mit Leichtigkeit zu Boden. Akane sprang wütend zurück, Naomi hingegen setzte ihre ganze Kraft ein und trieb den alten Mann langsam zurück. Der alte Mann sprang knurrend zur Seite und versuchte nun Hieb für Hieb Naomi in die Knie zu zwingen, doch diese schlug sich wacker weiter. Weder wich sie zurück, noch suchte sie das Weite. Auch Arash hatte sich in den Kampf eingemischt. Er war wie ein Blitz aus dem Holzhaus ge-schossen und hatte sich den dritten Mann vorgeknöpft. Bei Linus und Arash ging es sehr schnell, beide brauchten nur einen kräftigen rechten Hacken verteilen, damit lagen ihre Gegner auch schon am Boden. Naomi hingegen, die auch weniger Erfahrung im Kampf hatte, hatte länger zu tun. Der alte Mann war auch sehr schnell und passte sich Naomis Schwertküns-ten mehr und mehr an. Er wich immer geschickter aus und hatte sehr oft Chancen Naomi auch richtig zu treffen. Doch auch Naomi passte sich dem alten Mann automatisch an, immer wenn er aus ihrem Blickwinkel verschwand, tauchte sie ab, machte eine seitwärts Rolle und drehte sich so, dass sie den alten Ritter wieder sah. Arash und Linus sahen Naomi sehr interessiert zu, es schien ihnen zu gefallen. Akane blieb wie ange-wurzelt stehen und begutachtete Arash. Naomi sprang zur Seite, holte aus und verfehlte den alten Mann nur knapp. Auch wenn Naomi eigentlich keine Ahnung hatte was sie da tat, handelte sie aus dem Bauch heraus, als wäre sie mit einem Schwert aufgewachsen. Alles um sie herum schien sich ihren Bewegungen anzupassen. Selbst die Steine auf dem zugeschneiten Boden tauchten dann auf, wenn Naomi sie am dringendsten brauchte. Sie sprang elegant auf einen kleinen Felsen, zu ihrem Pech rutschte sie sofort wieder weg. In ihrem Sturz noch fing sie sich mit der linken Hand ab, schlug ein Rad und holte mit dem Schwert aus. Der alte Ritter hatte eine Sekunde lang nicht aufgepasst und musste den Schlag einstecken. Getroffen wurde er quer über den Bauch, sofort begann die Wunde zu bluten. Es dauerte nicht sehr lange, da begann der Ritter zu Taumeln und schließlich stürzte er zu Boden. Erst als er regungslos da lag, wischte Naomi das Blut von der Klinge und verstaute das Schwert in der Scheide, dann drehte sie sich herum. Arash und auch Linus klatschten beide in die Hände, wobei Linus rief: „Du bist immer für eine Überraschung gut. AKANE… bring die Stute ins Gatter und lass die Männer verschwinden.“ Arash trat an Naomis Seite und schob sie unsanft in Richtung Holzhaus, Naomi tauchte unter Arash ab und entging seinem Schieben: „Ich kann auch alleine gehen.“ Dann trat sie an Linus vorbei in das warme Haus ein. Kapitel 8: Kapitel 8: Der Magier des Prinzen -------------------------------------------- Im Haus nahm Naomi an einem kleinen Küchentisch Platz. Die Wärme auf ihrem Gesicht tat ihr sehr gut. Arash seufzte: „Wirklich gut, ich hätte nicht erwartet, dass du so gut kämpfen kannst.“ „Ich auch nicht.“, erwiderte Naomi schläfrig und streckte sich zur Decke. Sie blickte sich in dem dunklen Raum um. Es war hier sehr alt und sehr schmutzig. In diesem Haus schien keine Menschenseele seit Jahren gewohnt zu haben. Linus lachte und schüttelte den Kopf: „Du änderst dich von Mal zu Mal. Ist dir das schon aufgefallen?“ Arash nickte lächelnd: „Mein Bruder hat Recht. Du hattest behauptet du seiest nichts Besonderes, da hast du dich aber geirrt.“ Naomi antwortete nicht darauf, sie wusste selbst, dass sie sich verändert hat-te. Ihre Sinne wurden geschärft, als Kind hatte sie schon immer Gefahren voraussehen können, doch nun sah sie Gefahren, die nur für sie von Bedeutung waren, als Beispiel diente die Brücke. Zu dem kam noch die Sache mit dem Schwert, sie ging damit um wie ein Profi. Vielleicht war ja etwas in ihr drin zum Leben erwacht, dachte Naomi. Stille herrschte, Arash erhob sich und verschwand in einem anderen Zimmer. Erst nach wenigen Minuten kehrte der junge Mann zurück. Er legte auf den Tisch eine kleine braune Ledertasche. Vorsichtig packte er drei Kugeln aus, eine braune, eine weiße und eine dunkelgrüne. „Das sind wohl die Kugeln von denen ihr gesprochen habt?“, vermutete Naomi geistesab-wesend und legte den Kopf auf den Tisch. Linus berichtete: „So ist es. Es gibt vier Kugeln. Den Frühling, den Sommer…“ „Den Herbst und den Winter.“, unterbrach Arash, Linus fuhr fort: „Wie du siehst sind es nur drei Kugeln.“ „Die vierte fehlt. Der Frühling. Bekanntlich kommt nach dem Winter der Frühling, ohne diese Kugel gibt es keinen Frühling.“, erwiderte Arash enttäuscht und Linus nickte: „So ist es. Die vierte Kugel wurde gestohlen ohne das Akane etwas bemerkte.“ „Ein Magier?“, sagte Naomi in Gedanken versunken und Arash und Linus tauschten Blicke. Arash fragte nach: „Wie kommst du darauf?“ Naomi erwachte aus ihrem Halbschlaf und kratzte sich am Kopf, dann seufzte sie: „Keine Ahnung.“ Arash seufzte und Linus erwiderte: „Nun ja, mit der Brücke hattest du Recht. Sicher hast du auch hier wieder Recht.“ „Vertrauen würde ich aber nicht drauf.“, seufzte Naomi müde und Arash nickte: „Ich kenne einen Magier der in der Lage wäre etwas mit dieser Kugel anzufan-gen und außerdem ist er ein wenig Machtbesessen!“ Linus dachte einige Sekunden nach, dann fiel es auch ihm ein, doch Naomi stand Antwort: „Der Magier aus Feuersturm. Persönlicher Magier von Con, dem Prinzen aus Feuersturm.“ „Wow.“, gab Linus von sich und lehnte sich zurück. Naomi lachte kurz auf und sprach in einer ernsten Stimme weiter: „Wir wer-den sehr bald auf ihn treffen.“ „Wann?“, fragte Arash gespannt nach und Naomi seufzte: „Nicht wir tref-fen auf ihn.“ Sie erwachte aus ihrer Erstarrung und stand sofort auf: „Chris ist in Gefahr.“ Linus und Arash tauschten erneut Blicke aus und Naomi berichtete kurz: „Er war es der mit das Leben gerettet hat, ich stehe in seiner Schuld!“ „Er wird auf ihn treffen?“, fragte Arash nach. Naomi lächelte und schloss die Augen: „Er trifft auf die Prinzen aus Feuersturm und Eiscolt und auf die Prinzessin aus Blattregen. Magd wird unter ihnen sein und …“ Naomi führte den Satz nicht zu Ende, sondern blickte ihre Begleiter nachdenklich an. Arash flüsterte: „Magd, sein Name!“ Linus erhob sich: „So soll es sein. Retten wir deinen Prinzen und beenden diesen elend langen Winter!“ „Die Zeit drängt, wir müssen uns beeilen.“, erwiderte Naomi ernst und Arash seufzte: „Wenn wir uns beeilen sollen, nehmen wir Aneela und Skar.“ „Skar?“, fragte Naomi nach und Linus nickte: „Mein Pferd.“ „Diese beiden Tiere, aus dem Niemandland, haben so wie mein Bruder und ich, besondere Fähigkeiten. Diese erlauben es uns Sprünge durch die Dimensionen zu absolvieren.“, Arash klang so überzeugend und trotzdem hatte Naomi nicht die leiseste Ahnung was er mit Dimensionen überhaupt meinte. Sie nickte entschlossen, legte die rechte Hand auf das Schwert und lächelte: „Dann lasst uns endlich auf-brechen.“ Es war wirklich seltsam auf Aneelas Rücken zu sitzen. In Windeseile schoss er durch den Wald. Im einen Moment waren sie auf einer Landstraße, dann plötzlich auf einem verschneiten Feld, schließlich erreichten sie den Fluss an dem sie Stromaufwärts ritten um zur Brücke zu gelangen. Es war sicher nur der Ritt von zwei Stunden bis sie die Brücke erreichten. Mit einem einfachen Pferd hätte man mehr als zwei Tage gebraucht. Arash umklammerte Naomi an der Hüfte und drehte sich zu seinem Bruder herum: „Hörst du etwas?“ Linus schwieg, er hatte die Augen geschlossen und sich den Wind um die Nase wehen lassen. Arash sah sich um und fragte Naomi: „Wenn du weißt, dass dein Prinz in Gefahr ist, solltest du mir auch sagen können wo er sich befindet?“ Naomi blieb still. Sie dachte nach und lauschte ebenfalls, jedoch nicht auf ihre Umgebung, sondern vielmehr in sich hinein. Etwas war zum Leben erwacht, als hätte man eine Bestie aus dem Winterschlaf gerissen. So fühlte Naomi sich auch, leicht erschöpft und dach wieder voller Power und Tatendrang. Naomi seufzte: „Sie sind weiter Landeinwärts geritten, zur vernichteten Stadt in Blattregen.“ Arash nickte, zog an den Zügeln des schwarzen Hengstes und brachte ihn wieder in Bewegung. Auch Linus folgte auf Skar seinem Bru-der. Nach zwanzig Minuten ungefähr erreichten sie die niedergebrannte Stadt. Frauen und Kinder saßen am Rande der Stadt und jammerten und weinten. Männer schrieen aufgebracht und versuchten das wenige in der Stadt noch zu retten. Naomi blickte sich um. Sofort sah sie die Ritter aus Blütentraum. Mit einem Satz sprang sie vom Rücken des Hengstes und lief zu den Schwarm Rittern hinüber. Sie erkannte Ra-panui auf einem braunen Hengst, rannte auf ihn zu und klammerte sich Hilfe suchend in seinem Ärmel fest: „Rapanui, wo steckt Chris?“ Rapanui musste sich erst einmal fangen, bevor er überhaupt begriff wer da an seinem Ärmel hing. Dann nickte er: „Er ist in einer Besprechung mit den Prinzen und der Prinzessin aus den anderen drei Län-dern.“ Er deutete ans Ende der Stadt, sein Blick zeigte etwas Besorgtes. Naomi seufzte und zog Rapa-nui vom Pferd herunter: „Wer ist noch dort?“ „Einige Vertraute der Prinzen und der Prinzessin!“, erwider-te Rapanui ungeduldig und genervt. „Chris ist allein?“, fragte Naomi geschockt nach und Rapanui lach-te: „Selbstverständlich nicht. Er wurde von zwei Rittern begleitet.“ „Warum bist du nicht bei ihm?“, fragte Naomi fast schreiend nach. Arash und Linus näherten sich langsam auf den Rücken ihrer Pferde. Rapanui blickte die beiden Brüder kurz an, dann lachte er: „Du hast deine Begleiter also wieder gefunden!“ Naomi nickte kurz und sprach weiter: „Folge mir!“ Dann ging sie mit raschen Schritten zu dem Ende der Stadt. Naomi blickte sich um. Chris saß auf einem alten Holzstamm, während die beiden Ritter sich schützend an seiner Seite auf-stellten. Der Prinz aus Feuersturm stand zusammen mit einem in blau vermummten Mann sehr abseits von den anderen. Die Prinzessin hingegen stand in Chris Nähe zusammen mit einer Frau, diese hielt ein Schwert in der Hand. Georg von Eisfelsen hingegen war völlig allein, er saß auf einen Baumstumpf und spielte mit seinem Schwert in der Hand. Er blickte auf und erkannte Naomi sofort wieder: „Na so was? So trifft man sich wieder!“ Er erhob sich und hob sein Schwert leicht in die Höhe, er war bereit für einen Kampf. Chris lachte und stand auf, er trat an Naomis Seite und flüsterte ihr zu: „Der Winter ist noch gar nicht vorbei und wir sehen uns schon wieder, Schicksal!“ „Seit Ihr im Bunde mit diesem Weib?“, fragte Georg gereizt nach und Chris lachte: „Georg! Hütet endlich Eure Zunge, sie steht unter dem Schutze meiner Familie wie Ihr seht.“ Er deutete auf das Schwert, welches Naomi an der linken Seite festgebunden hatte. Die Prinzessin kicherte: „So, so.“ „Was führt dich her Naomi?“, fragte Chris ernst nach ohne auf die anderen zu achten. Rapanui sah sich misstrauisch um, während Arash und Linus von den Rücken ihrer Pferde abstiegen. Arash trat an Naomis Seite, sah sich kurz um und deutete dann auf den in Blau ver-mummten Mann: „Seinetwegen!“ Chris drehte sich Stirn runzelnd um und auch der Prinz aus Feu-ersturm wandte seinen Blick auf den Magier an seiner Seite. Der vermummte Mann lachte: „Wegen mir? Sollte ich mich jetzt geehrt fühlen?“ Naomi lachte ebenfalls: „Tut nicht so scheinheilig, Magier Magd.“ Magd knurrte leise und verschränkte die Arme: „Vielleicht er-klärt ihr mir was ich verbrochen habe!“ „Wir beschuldigen Euch des Diebstahles.“, erwiderte Linus scharf und gereizt. „Und was habe ich gestohlen?“, fragte der Magier lachend nach und Naomi antwor-tete siegessicher: „Den Frühling!“ Sofort brach unter den Prinzen ein Tuscheln aus. Chris blickte seine kleine Freundin an und wandte sich an den Feuersturmprinzen: „Eduard, was hat das zu bedeuten?“ Eduard wandte sich an seinen Magier: „Ist das wahr?“ Der Magier antwortete nicht. „Ihr tragt den Frühling bei Euch.“, fuhr Naomi fort. Es schien auch Arash zu überraschen wie Siegessicher seine Begleiterin plötzlich war. „Wieso?“, fragte Naomi plötzlich nach. Der Magier lachte erneut: „Wisst Ihr das nicht selbst? Seherin Naomi?“ Naomi lachte ebenfalls und schüttelte den Kopf: „Ich kann mich nicht in ein krankes Hirn hin-einversetzen, deshalb frage ich Euch ja.“ Magd knurrte erneut und ballte die Hände zu Fäusten, er fuhr fort: „Warum wohl? Macht! Ich hätte die vier Länder unterwerfen können, früher oder später, wenn sich die Prinzen und die Prinzessin die Köpfe eingeschlagen hätten, wenn die Länder am schwächsten wä-ren. Dann, ja, dann hätte ich einen einzigen Schlag vollführt und alle Länder wären mit Treu ergeben gewesen!“ „Nun ja, Ihr habt nicht damit gerechnet, dass Arash, der Herr der Gezeiten, Euch finden würde um Euer Vorhaben zu vereiteln!“, erwiderte Naomi belustigt und der Magier lachte laut auf: „Arash? Vor dem fürchte ich mich nicht. Seine Macht beschränkt sich auf die Kugeln und dem Winter. Er liebt den Winter, er ist ein Winterkind.“ „Das hat doch damit nichts zu tun. Trotz allem habt Ihr Euch gefürchtet und dem Prinzen aus Eiscolt von seiner Ankunft erzählt. Ihr habt ihm von dem schwarzen Wunderhengst berich-tet, damit er ihn für Euch einfängt.“ Magd begann zu stottern: „Nun… nun… ist eh alles zu spät für euch.“ „Eduard. Du weißt was du zu tun hast.“, erwiderte Chris mit verschränkten Armen. Eduard nickte: „Ich weiß es wohl. Magd, es liegt nicht in meiner Macht Euch weiterhin zu beschützen. Ich werde es den beiden Prinzen und der Prinzessin erlauben Euch zu richten.“ „Das ist nicht nötig.“, warf Naomi lachend ein: „Es ist Arash der über den Dieb richten wird.“ Der Magier warf seine Kutte über die Schultern, hob beide Hände und säuselte etwas, dann traf ein heller Blitz Na-omi direkt. Sofort verlor sie das Gleichgewicht und stürzte nach hinten. Benommen blieb sie liegen, es war Chris der an ihrer Seite erschien. Arash lachte bitter: „Dies, mein Freund, war ein Fehler! Ich richte über Euch, ich verlange Euer Leben für all das Leid was ihr den Menschen zugefügt habt.“ Kapitel 9: Kapitel 9: Der Frühling ---------------------------------- Arash zog langsam seinen Mantel aus und warf diesen achtlos zur Seite. Er lächelte hinterhältig und rief dem Magier zu: „Mach dich zum Kampf bereit.“ Der Magier lachte laut auf und zog seine Kutte ebenfalls aus. Chris half Naomi auf die Beine und stützte sie leicht. Arash lachte ebenfalls und erzeugte um sich herum einen Schneesturm, dieser wurde so dicht, dass Arash sich darin auflöste und nicht mehr zu sehen war. Eduard trat an Georgs Seite und auch die Prinzessin rückte näher an Chris heran um Schutz zu su-chen. Linus trat zu Naomi und lächelte: „Das wird ein Spaß!“ Arashs Schneesturm breitete sich immer weiter aus und hatte fast den ganzen freien Platz hinter der Stadt eingenommen. Einige der Bewohner kamen aus der Stadt gelaufen um zu sehen was hier geschah. Der Magier schrie urplötzlich schmerzerfüllt auf. Naomi erkannte wie Magd sich wegduckte und sich die Augen zuhielt. Der alte Mann trat lachend zurück, hob beide Hände und sprach ein paar sehr merkwür-dige Worte in einer anderen Sprache. Es kam ein sehr starker Wind auf der den Sturm versuchte weg-zublasen. Linus lachte, trat vor und bewegte seine Hände so rasch hin und her, dass der Wind des Ma-giers einfach erlosch. Linus rief dem Magier zu: „Leg dich nicht mit dem Herrn der Winde an, elender Narr.“ Naomi löste sich von Chris und trat zu Linus, sie flüsterte: „Nimm dich in Acht.“ Linus wusste nicht was Naomi damit meinte, doch der Magier schrie erneut ein paar Worte. Der Boden begann zu rütteln, Erdspalten taten sich auf und heißer Dampf sprühte heraus. Die Prinzen zogen plötzlich ihre Schwerter. Aus den Spalten kletterten skelettähnliche Wesen heraus. Naomi zog ihr Schwert aus der Scheide, trat an Linus vorbei und schloss die Augen. Sie verstand nicht wirklich was hier geschah, sie reagierte so, wie es ihr Herz ihr sagte. Vorsichtig setzte sie mit geschlossenen Augen einen Schritt vor den anderen. Ein lautes Knurren ließ die Stadtbewohner aufschreien und die Prinzen zurücktreten. Auch Linus nahm Abstand. Ein Schnauben war zu hören, dann mit einem lauten Husten brachte das Ungeheuer aus der Erdspalte den Schneesturm dazu aufzuhören. Zu Naomis Überraschung stand Arash direkt neben ihr mit erhobenem Mönchsstab. Vor den beiden stand ein gewaltiger Drache aus Knochen. Er prustete und hustete grüner Nebel. Kleine Skelette tanzten um ihn herum und griffen sowohl die Prinzen als auch Linus und die Bewohner der Stadt an. „Er ist ein Nekromant!“, rief Arash erschrocken und trat auf den Drachen zu. Naomi flüster-te: „Du musst den Nekromanten töten, dann verschwinden die Monster ebenfalls.“ Arash nickte verste-hend und löste sich nun im Nichts auf. Er verstand sein Handwerk sich zu tarnen, auch ohne den Schneesturm. Naomi selbst trat auf den Drachen zu und erhob das silberne Schwert. Linus erschien an ihrer Seite, hob ebenfalls ein Schwert in die Höhe und flüsterte: „Ich überlasse dir den Spaß sicher nicht allein.“ Naomi lächelte kurz, dann duckte sie sich unter dem grünen Nebel weg und sprintete auf den Knochen-drachen zu. Dieser holte mit seiner knochigen Klaue aus und schlug nach Naomi, diese rollte sich zur Seite und warf sich auf den Boden, da der Schwanz des Untiers nach ihr peitschte. Linus hingegen nutzte seine Windkraft aus. Er schwebte über dem Ungeheuer, ließ sich fallen und landete im Nacken des Monsters. Das Schwert rammte er ihm in den knochigen Hals um besseren Halt zu haben. Das Monster knurrte und schimpfte, dann breitete es die Knochenflügel aus, die mit einer dünnen Haut überzogen waren. Er stieß sich mit den Hinterläufen vom Boden ab und verschwand zwischen den grauen Wolken. Naomi hingegen muss-te sich mit den Skeletten anlegen. Doch es fiel ihr nicht sonderlich schwer sich zu behaupten, nur ein leichter Schlag und die Kreaturen zerfielen zu Staub. Als sie endlich Luft hatte zum atmen, warf sie einen Blick in den Himmel, doch der Drache war nirgends zu sehen. Sie vernahm einen Schmerzensschrei des Magiers und wandte den Blick ab. Arash stand erhobenen Hauptes über dem knienden Nekromanten, dieser flehte und jammerte nun. Arash lachte bitter auf: „Das ist deine Strafe.“ Er holte mit dem Stab aus und schlug dem Magier den Kopf ab. Mit einem lauten Rauschen stürzte der Drache vom Himmel herunter. Zu Naomis Pech stand sie direkt daneben als der Drache aufprallte. Sie zog sofort den Kopf ein und ging in Deckung. Kno-chensplitter sausten ihr um die Ohren und Staub wirbelte auf. Linus kam neben Naomi zum Stillstand und lachte laut auf: „Das sollte ich öfter machen.“ Auch die an-deren Skelette lösten sich nun auf und zerfielen zu Staub. Arash trat an Naomis und Linus Seite. In seiner Hand hielt er eine rosa Kugel die ein wenig leuchtete. Mit einem Lächeln im Gesicht reichte er die Kugel Naomi, dabei rief er laut: „Jetzt, jetzt endlich kann ich den Winter beenden.“ Naomi lächelte eben-falls und gab der Kugel einen Kuss. Schließlich reichte sie die Kugel an Arash zurück. Dieser nahm sie vorsichtig entgegen und seufzte: „Endlich.“ Er nahm den Mönchsstab und da es ja eigentlich Routine für ihn war, schlug er den Stab dreimal laut in den Boden. Ein Klingeln ertönte, wie das Klingeln kleiner Glöckchen. Es ging in Win-deseile. Der Schnee schmolz in nur wenigen Sekunden weg und zeigte die wunderschöne grüne Wiese, die grauen Wolken verschwanden und machten der gelben Sonne Platz. Naomi lächelte und Chris trat an ihre Seite: „Denk an dein Versprechen.“ Vorsichtig reichte sie das Schwert dem jungen Prinzen, doch dieser schüttelte den Kopf: „Sieh es als ein Geschenk an.“ „Damit ist meine Aufgabe erfüllt.“, sagte Arash plötzlich. Wie aus dem Nichts ritten Skar und Aneela an die Seite der Brüder. Linus stieg sofort in den Sattel und rief Naomi zu: „Auch wenn wir nur kurz das Vergnügen hatten, bin ich doch begeistert, dass es jemanden gibt wie dich.“ Arash trat auf Naomi zu und deutete auf Aneela: „Ein Geschenk.“ Naomi blickte den schwarzen Hengst kurz an, dann wandte sie sich an den Herrn der Gezeiten: „Aber, ich kann doch nicht… es ist dein Pferd!“ „Mag sein. Doch er mag dich viel lieber als mich. Also was soll ich mit ihm. Er ist ein Geschenk damit du mich niemals ver-gisst, ich glaube nicht dass wir uns so schnell wieder sehen werden.“ „Mag sein, aber…“, Arash unterbrach Naomi indem er seinen Zeigefinger auf ihre Lippen legte und er sagte: „Schweig still.“ Er trat zu Linus und kletterte hinter ihn in den Sattel, er drehte sich noch einmal herum und sagte an alle: „Es wird nun sehr schwer für euch Menschen. Bis der Boden wieder Früchte tragen kann und sich alles so einregelt wie es sein sollte, wird viel Zeit vergehen. Es liegt an euch wie ihr diese Zeit verbringen wollt.“ Linus gab Skar die Spuren und das Pferd preschte davon. Chris trat an Naomis Seite und seufzte: „Wo er Recht hat, hat er Recht.“ Schlusswort: Puh, endlich geschafft. Es ist sehr, sehr lange her als ich das letzte Mal eine Geschichte beendet habe und wie immer existiert das Problem mit der wörtlichen Gestaltung der Umgebung. Ich habe es einfach nicht so mit Umgebungsbeschreibungen. Es gibt auch keinen wirklich gefährlichen Kampf, vielmehr ist diese ganze Geschichte ein einziges Abenteuer. Selbstverständlich ausgedacht und wie immer mit einem offenen Schluss. Man weiß ja nie, vielleicht treffen sich Naomi und der Herr der Gezeiten wieder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)