Melancholy Requiem von Flordelis ================================================================================ Kapitel 3: Enshrouding Darkness ------------------------------- Sherry schaltete die Taschenlampe ein. Die Dunkelheit war unnatürlich. Klar, es wurde selten einfach so dunkel. Aber sie konnte auch mit dem bloßen Auge nichts sehen. Nur die Taschenlampe schaffte es, die Dunkelheit ein wenig zu vertreiben. Plötzlich sprangen auch die Straßenlaternen an. Es gab also noch Strom. Reue war wohl nicht die einzige Bewohnerin der Stadt. Überhaupt Reue... was war das für ein seltsamer Name? Und was tat sie wohl jetzt? Vielleicht wusste sie ja etwas über die Dunkelheit? Sie drehte sich um und rüttelte an der Tür, welche allerdings keinen Zentimeter nachgab. Hatte Reue etwa abgeschlossen? „Super... und wohin jetzt?“ Greg kam ihr wieder in den Sinn. Vielleicht wartete er immer noch bei Neely's und vielleicht wusste er, was hier vor sich ging. Wenn sie die Karte richtig im Kopf hatte, musste sie an der nächsten Kreuzung links und dann immer geradeaus, bis sie die Bar sehen konnte. Aber bereits nach wenigen Schritten endete ihr Weg an einer Mauer. Seufzend begutachtete sie das Bauwerk. Sie sah nicht so aus als wäre sie von einem Menschen erbaut worden. Aber eine blutige Spur zog sich über die Wand und schien in eine bestimmte Richtung zu deuten. Sherry leuchtete mit der Taschenlampe hinüber. Ein Durchgang war zu sehen, kaum groß genug, um ein Kind durchzulassen. Aber Sherry konnte sich sicherlich durchquetschen, wenn sie es versuchen würde. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob sie das auch wollte. Vorsichtig leuchtete sie mit der Taschenlampe hinein. Unter dem Gitterboden herrschte gähnende Schwärze aus der seltsame Geräusche ertönten. Was, wenn die Gitter nun nachgaben? Was, wenn sie in diese Schwärze fallen würde? Schritte entfernten sich. Sherry leuchtete mit der Taschenlampe hinterher, sah aber nur noch, wie ein kleiner Junge wegrannte. „He!“, rief sie ihm hinterher. „Warte! Warte mal!“ Sie zwängte sich durch den Spalt und lief ihm hinterher. Ihre Schritte hallten in dem Gemäuer wider. Der Junge entwischte immer wieder ihrem Blick. Dabei müsste sie doch eigentlich schneller laufen als er. Mit einem furchtbaren Knirschen gab das Gitter unter ihren Füßen nach. Sherrys Hände griffen ins Leere, sie fiel in die Dunkelheit und verschwand dort. *** „Und Gott sprach, trenne vom Fleisch jene, die die Wiedergeborene Mutter, und jenen, der Empfänger der Weisheit ist.“ Wo hatte sie das nur schon mal gehört? Warum kam ihr das jetzt in den Sinn? Und warum schmerzte ihr Körper so sehr? Ein Sturz... sie war in die Dunkelheit gestürzt. Sie öffnete ihre Augen. Zuerst war alles noch ein wenig verschwommen, aber langsam wurde alles klar. Sie befand sich irgendwo im Untergrund. Eine Art Versorgungsschacht, wie es schien. Sie hatte davon gehört... Der Schacht verlief unter der ganzen Stadt, an manchen Stellen konnte man an die Oberfläche gelangen. Gelbe Lampen glühten auf dem Gang, erhellten aber kaum die Umgebung. Ob hier unten noch jemand war – außer ihr? Vorsichtig richtete Sherry sich auf. Die Taschenlampe lag direkt neben ihr und sie funktionierte sogar noch. Sie legte den Kopf in den Nacken und leuchtete nach oben. Die Decke verlor sich in der Entfernung. Wie hatte sie den Sturz überlebt? Sie stand vom Boden auf. In einiger Entfernung war ein seltsames Kratzen zu hören. Es klang als würde jemand versuchen, etwas mit einem Messer in Stein zu ritzen. Allein bei dem Geräusch lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Sie leuchtete die Wand ab. Tatsächlich war ein Straßenname zu erkennen: Nathan Ave.. Wenn hier unten die Straßen darüber gekennzeichnet waren, konnte sie ja einfach unterirdisch zum Treffpunkt kommen. Vielleicht war das ja besser so. Was immer das für eine Dunkelheit gewesen war, sie war nicht natürlich gewesen... aber was hatte sie ausgelöst? Ihr Kopf schmerzte, wenn sie versuchte, darüber nachzudenken... deswegen konzentrierte sie sich lieber wieder auf etwas anderes. Mit langsamen Schritten lief sie den Gang entlang und bog in den Schacht der Neely Street ein. Sie lief endlos, so schien es ihr. Das Messer, welches sie in ihre Tasche gesteckt hatte, wurde immer schwerer. Plötzlich erklangen Schüsse, gefolgt von unmenschlichen Schreien. Sherry blieb einen Moment stehen. Was war das gewesen? Bevor sie noch irgendwelche Zweifel entwickeln konnte, rannte sie in die Richtung aus der die Schüsse gekommen waren. Schon nach wenigen Schritten entdeckte sie eines dieser Wesen in einer Blutlache liegend. Ein Mann saß nur wenige Schritte entfernt. Er riss die Waffe hoch und zielte auf Sherry, welche einen erschrockenen Schrei ausstieß: „Nein, nicht!“ „Du bist... ein Mensch?“ Seine Stimme klang sanft und verständnisvoll. Sherry nickte. „Mein Name ist Sherry Blossem. Sie sind...?“ Er stand auf und reichte ihr die Hand. „Ich bin Andrew Monk, Polizist aus Ashfield.“ Sie schüttelte seine Hand und musterte ihn dabei. Er trug keine Uniform, sondern eine braune Hose und ein roter Pullover. Seine schwarzen Haare waren kurzgeschnitten, seine Wangen waren blass und eingefallen. Seine Hand fühlte sich kalt an. „Sie sehen nicht aus wie ein Polizist.“ „Ich bin undercover nach Silent Hill gekommen, aber jetzt... habe ich mich irgendwie verlaufen. Plötzlich wurde alles dunkel und dann war ich hier unten. Diese Stadt ist seltsam... Was tun Sie hier?“ In einem ersten Impuls zuckte sie mit den Schultern. „Ich weiß es nicht so genau. Ich wollte eigentlich nicht mehr hierher, aber ich wurde überredet. Dann haben wir einen Unfall gebaut und mein Begleiter ist schon mal vorgegangen. Seitdem suche ich ihn. Aber gerade eben... habe ich einen kleinen Jungen gesehen und eine seltsame Frau in einer Kirche.“ Sie sah ihn abwartend an, aber Andrew schüttelte bedauernd seinen Kopf und antwortete auf ihre unausgesprochene Frage: „Ich habe bislang niemanden gesehen. Außer diese seltsamen Wesen... Du bist wohl auch schon einem begegnet.“ Er ging einfach zum Du über und deutete auf das Blut auf ihrer Kleidung. „Ja, im Keller des Postgebäudes. Ich habe es mit einem Cutter-Messer... getötet.“ Bei dem Gedanken daran wurde ihr wieder übel. Andrew klopfte ihr vorsichtig auf den Rücken. „Alles okay, ich weiß. Wenn man das erste Mal jemanden tötet, ist es immer schlimm.“ „Andrew, was hast du jetzt vor?“ „Ich versuche, hier herauszukommen. Wollen wir uns nicht zusammentun? Dann erreichen wir vielleicht mehr? Ich irre hier nämlich schon ein paar Tage herum.“ „Tage? Ohne etwas zu essen oder zu trinken?“ Er seufzte. „Ich hatte Vorräte in meinem Rucksack, aber die sind seit heute auch alle, deswegen habe ich den Rucksack irgendwo zurückgelassen.“ „Okay, gehen wir also? Mein Begleiter wartet in einer kleinen Bar auf mich. Wenn wir hier immer geradeaus laufen, müssten wir dort rauskommen.“ „Gut, gehen wir.“ Sie setzten ihren Weg gemeinsam fort. Es war ein wenig gewöhnungsbedürftig für beide, dass jetzt vier Schritte von den Wänden widerhallten. Plötzlich fragte sie sich, was Gregory wohl gerade machte. Wartete er wirklich noch auf sie? Und warum hatte Reue ihn Walter Sullivan genannt? Sherry kannte den Namen. Sullivan war ein bekannter und grausamer Serienmörder gewesen. Er hatte zehn Menschen, darunter zwei Kinder, umgebracht und ihnen das Herz entnommen. Niemand wusste so genau, weswegen er diese Morde begangen hatte. Im Gefängnis hatte er sich schließlich selbst umgebracht, indem er sich einen Löffel in den Hals gesteckt hatte. Und dann... vor kurzem war diese Mordserie weitergegangen, nur ohne die Herzentnahme. Sullivan konnte es allerdings nicht gewesen sein, er war immerhin tot. So plötzlich wie die neue Serie angefangen hatte, hatte sie nach weiteren zehn Morden auch wieder geendet. Und ein Apartmenthaus in South Ashfield war unbewohnbar geworden... Es war seltsam. Aber sie kannte den Namen auch noch von irgendwo anders. Auch diese Stadt... Woher kannte sie all das nur? „He, was hast du eigentlich in Silent Hill gewollt?“, fragte Andrew plötzlich und ließ sie aus ihren Gedanken hochfahren. „Ich... ich habe hier vierzehn Jahre gelebt, dann bin ich weggerannt. Und seitdem wohne ich in Ashfield. Was wolltest du hier?“ „Wir haben einen Vermissten gesucht. Ich wurde alleine vorgeschickt, aber man wollte mir Verstärkung schicken... Ich frage mich nur, wo die bleiben.“ Beide schwiegen einen Moment, dann fragte Andrew plötzlich: „Darf ich dich fragen, warum du von zu Hause fortgelaufen bist?“ Sherry brauchte einen Moment, um sich das alles wieder in Erinnerung zu rufen. „Um ehrlich zu sein: So ganz sicher bin ich mir auch nicht mehr. Seit einiger Zeit scheine ich verschiedene Erinnerungen in mir zu haben... Aber wenn ich mich richtig erinnere, waren es meine Adoptiveltern... sie erwarteten zu viel von mir.“ „Was denn?“ Sherry war sich sicher, dass er Dinge erwartete, wie auch alle anderen Jugendlichen sie erfüllen mussten: Gute Noten, ein toller Freundeskreis, Hilfsbereitschaft, Ordnungsliebe. Aber mit ihrer Antwort hatte er bestimmt nicht gerechnet: „Sie wollten, dass ich das Paradies erschaffe.“ „Was?!“ „Ich weiß auch nicht genau, was sie von mir wollten. Wir lebten in einem der Apartmenthäuser von Silent Hill und sie waren Mitglieder eines Ordens.“ „Es mag sich lächerlich anhören, aber ich habe gehört, dass es einen Orden in der Stadt gab, der auf die Wiedergeburt Gottes hinarbeitete.“ Von so etwas Ähnlichem hatte Reue auch geredet. Wenn sie herausfand, wer diese Cecilia war, konnte sie bestimmt mehr darüber erfahren. „Was wollte dein Bekannter in der Stadt?“, fragte Andrew weiter. Sherry runzelte ihre Stirn. „Wenn ich das wüsste... Er erzählte etwas davon, dass er herausfinden will, was mit ihm geschehen ist. Aber als ich mehr wissen wollte, haben wir diesen Unfall gebaut...“ „Hat sich einer von euch beiden dabei verletzt?“ Sie schüttelte ihren Kopf, antwortete aber auch nicht. Stumm setzten sie ihren Weg fort. Irgendwo tropfte Wasser herunter. Warum war sie nur in diese Stadt gekommen? Sie hätte in ihr Apartment in Ashfield fahren sollen und schlafen. Plötzlich blieb Andrew stehen. „Hörst du das?“ Sie blieb ebenfalls stehen und lauschte. Schnelle Schritte waren zu hören. Es waren die Geräusche von Hundepfoten. Und es waren viele. Zu viele. „Lauf!“, rief Andrew. Sherry rannte ohne sich umzusehen. Andrew war direkt hinter ihr. Endlich kam eine Leiter in Sicht. „Schnell!“, rief er. „Nach oben!“ In aller Eile erklomm sie die Sprossen der Leiter und drückte oben gegen den Schachtdeckel. Verzweifelt hämmerte sie dagegen. Ihre rechte Hand begann zu bluten. „Was ist los?“, fragte Andrew. „Mach schon!“ „Es geht nicht. Ich krieg den Deckel nicht auf!“ Echte Panik schwang in ihrer Stimme mit. „Dann lass mich vor!“ Sie sprang die paar Sprossen wieder herunter. Andrew kletterte hinauf und versuchte sein Glück mit dem Schachtdeckel. Das Geräusch der Hundepfoten wurde lauter. Sherry erinnerte sich wieder an ihren Traum und an die hundeähnlichen Wesen darin. Was, wenn sie es in die Realität geschafft hatten? War dies überhaupt die Realität? Vielleicht träumte sie auch noch immer? Das alles konnte doch nicht wahr sein. Plötzlich hörte sie Schritte. „Hierher.“ Sherry fuhr herum und sah einen kleinen Jungen. Vermutlich war es der Junge von vorhin. „Schnell!“ Er winkte sie zu sich her. „Andrew, komm mit!“ Ohne darauf zu achten, ob der Mann ihr folgte, lief Sherry dem Jungen hinterher. Er führte sie in einen Seitengang, faule Luft kam daraus hervor. „Los, schnell!“ Als Andrew hinter Sherry in den Gang kam, schloss der Junge das Gitter. „Wir müssen noch weiter!“ Sie folgten ihm tiefer in den Gang entlang. Hinter ihnen rannten die Hunde gegen die Gitterstäbe und jaulten dabei vor Schmerzen laut auf. Die kleine Gruppe durchlief noch weitere Gänge, der kleine Junge schloss unzählige Gitter und drängte sie weiter, bis sie schließlich in der Kanalisation standen. Daher war der faule Geruch gekommen. Der Kleine lief immer noch ohne Pause. „He, Kleiner.“, sagte Andrew schließlich. „Danke für die Hilfe, aber wer bist du eigentlich?“ „Ich bin Walter.“ Sherry und Andrew blieben wie angewurzelt stehen. „Etwa Walter Sullivan?“ Sie sahen sich überrascht an. „Du kennst ihn?“ Walter blieb ebenfalls stehen und drehte sich zu ihnen um. „Ich bin Walter Sullivan. So nennen mich alle... aber manche nennen mich auch Wally.“ „Du musst ein anderer Sullivan sein.“, bemerkte Andrew schließlich. „Der Sullivan ist schon vor einigen Jahren gestorben und war außerdem schon 24. Aber woher kennst du ihn, Sherry? Die Sullivan-Morde sind schon 16 Jahre her.“ „Ich... ich weiß nicht.“ Sie sah den kleinen Walter im Waisenhaus, hörte ihn einen Namen sagen: Cecilia... schon wieder dieser Name. „Wally... kennst du ein Mädchen namens Cecilia?“ Der Kleine schob nachdenklich seine Unterlippe vor, so dass es aussah als würde er schmollen. Sie kannte diesen Blick, da war sie sich ganz sicher. Aber woher nur? „Ja, ich kenne eine Cecilia.“, antwortete er schließlich. „Sie war eine Freundin von mir, bis sie sie weggeholt haben.“ „Weggeholt?“, fragte Andrew. „Wir haben keine Zeit mehr.“, sagte Wally. „Wir müssen weiter.“ Sie liefen weiter. Den beiden Erwachsenen blieb nichts anderes übrig als dem kleinen Jungen zu folgen, der sich hier unten auszukennen schien. Vor einer weiteren Leiter blieb er wieder stehen. „Hier könnt ihr nach oben.“ „Was ist mit dir?“, fragte Sherry. „Willst du nicht mitkommen?“ Er schüttelte heftig seinen Kopf. „Nein. Ich muss hier bleiben.“ „Aber...“ Ein weiteres Kopfschütteln unterbrach Sherrys Widerspruch. „Ist schon okay. Geht jetzt, schnell!“ Andrew nickte. „Sherry?“ Sie kniete sich hin und umarmte Wally. „Danke. Sei vorsichtig.“ Er nickte und rannte in die Dunkelheit davon. Hastig wischte sie sich Tränen aus den Augen. „Kommst du jetzt?“, fragte Andrew. Sie nickte und wandte sich zu ihm um. Ein scharfer Schmerz zuckte durch ihren Kopf. „Was...? Was ist das?“ „Sherry? Sherry, was ist los?“ Andrews Stimme klang weit entfernt und gedämpft. Sie kniete sich hin und hielt sich den schmerzenden Kopf. Ein hoher Pfeifton, Schreie waren zu hören. Plötzlich machte es Klick und alles war stumm. Die Umgebung verschwamm, ohne Halt fiel Sherry rückwärts zu Boden – und wurde ohnmächtig. ******************************************* Puh... über dieses Kapitel habe ich lange nachdenken müssen... Vielleicht wird euch jetzt klarer, wer oder besser gesagt, was Sherry wirklich ist. XD Vielleicht könnt ihr ja auch raten, wer Cecilia war. Wie auch immer, bald geht es hoffentlich ein wenig inspirierter weiter. Mann, ich bin schon wieder genervt, weil SCHON WIEDER ein Sender behauptet, FFVII wäre das Mega-Killerspiel. *grummel* Und seit wann ist Sephiroth da der Held???? *ausrast* Na, anyway... auf zum nächsten Kapitel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)