Melancholy Requiem von Flordelis ================================================================================ Kapitel 12: True ---------------- Sherry und Walter gingen durch die Tür in die Kirche hinein. Alessa öffnete ihre Augen und sah Wally an. „Du lässt sie wirklich gehen?“ „Was soll ich tun? Sie will es unbedingt.“ „Sie ist eure letzte Verbündete, Valtiel, das ist dir hoffentlich klar?“ Er nickte. „Er wird schon auf sie aufpassen, sie ist nicht allein, sie wird nicht so wie du enden.“ „Warum lasst ihr mich nicht einfach sterben?“ „Du kannst gehen, wenn sie deinen Platz übernimmt.“ Alessa lächelte grimmig. „Dann will ich doch mal abwarten, wie es weitergeht.“ *** Sherry war noch nie während eines Gottesdienstes in einer Kirche gewesen, egal welchen Glaubens. Aber sie war sich sicher, dass es so normalerweise nicht während einer Messe aussah. Auf den Bänken saßen Tote, blutige Pfützen hatten sich unter ihnen gebildet, auf dem Altar lag die Leiche eines scheinbar jungen Priesters. Die einstmals sicherlich bunten Fensterscheiben, waren schwarz. Sie schluckte. „Was ist hier passiert?“ „Samael scheint nicht gern völlig allein zu sein“, vermutete Walter. Ein leises Kichern erklang aus der ersten Reihe. Plötzlich sprang ein kleines Mädchen auf, lief quer durch den Raum und verschwand durch eine Tür. „He, das war ich!“, rief Sherry aus. „Aber... wie ist das möglich?“ „Folgen wir ihr“, schlug Walter vor. Sie gingen ebenfalls durch die Tür und befanden sich plötzlich in - „Ashfield“, murmelte Sherry. „Aber wir haben das Gebäude doch gar nicht verlassen.“ Walter sah sich interessiert um. „Das muss eine Projektion sein. Irgend jemand will, dass wir das hier sehen. Da! Da drüben bist du!“ Sie folgte seinem Blick und erkannte tatsächlich sich selbst, wie sie die Straße hinunterlief. Es war ein seltsames Gefühl, fast so als ob man die Wirklichkeit verlassen hätte. Irgendwie kam es ihr auch mehr so vor als ob sie das alles aus den Augen eines anderen sehen würde. Einige Schritte hinter ihr lief etwas, es war kaum zu erkennen, aber es war ganz deutlich da. Es war Valtiel! Sie erinnerte sich deutlich daran, dass sie sich immer irgendwie verfolgt gefühlt hatte. Deswegen war sie ja beim Arzt gewesen und deswegen hatte man bei ihr eine Art paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Was ihre Ärzte wohl sagen würden, wenn sie das sehen könnten? Bestimmt würden sie es dennoch nicht glauben. „Das bist du, oder?“, fragte sie an Walter gewandt. „Du warst die ganze Zeit bei mir.“ Er nickte. „Natürlich. Das war immerhin auch mein Auftrag. Dich zu beschützen hatte immer oberste Priorität. Und deswegen hast du auch den Autounfall überlebt.“ „Aber warum habe ich dich erst heute gesehen? Oder wann auch immer es war.“ Sie konnte nicht glauben, dass alle Ereignisse an einem einzigen Tag geschehen sein sollten. Alles, was sie vor ihrer Fahrt nach Silent Hill erlebt hatte, erschien ihr wie ein völlig anderes Leben. „Nun ja,“, antwortete Walter, „die Stadt hat dich erst heute gerufen, deswegen ging es erst heute. Du bist nicht ohne Grund in den Park gegangen.“ Die Stadt hatte sie gerufen... Ja, sie war eine Närrin gewesen, zu glauben, dass sie vor dieser Stadt hatte fliehen können. Wen Silent Hill erst einmal in den Klauen hatte, den ließ es nicht mehr los. Heftig schüttelte sie ihren Kopf. Die andere Sherry blieb plötzlich stehen und fuhr herum. Ein helles Licht erstrahlte. Als es wieder erlosch, befanden sie sich wieder in dem Zimmer der Ridgeview Medical Clinic. Eine Gestalt lag auf dem Bett und schluchzte heftig. Sie hatte große Ähnlichkeit mit Sherry, es musste Cecilia sein. Ihre Unterarme bluteten leicht, schienen aber nicht wirklich verletzt zu sein. Mit Blut getränkte Verbände lagen rings um das Bett verstreut. Die Tür öffnete sich und eine Krankenschwester kam herein. Ohne ein Wort zu sagen kniete sie sich neben das Bett, hob die blutigen Verbände auf und legte sie in eine extra dafür mitgebrachte Schale. Sie stand wieder auf. Cecilias Hand schnellte hervor und packte die Frau am Unterarm. Erschrocken schrie sie auf. Die Schale in ihrer Hand fiel klappernd zu Boden. „Wo ist es?“, zischte Cecilia. „Wo ist mein Kind!?“ „Doktor!“, kreischte die Krankenschwester „Doktor!“ Noch einmal öffnete sich die Tür. Ein Arzt kam hereingestürmt. „Cecilia, lass sie los. Sie hat damit doch gar nichts zu tun.“ Das Mädchen ließ die Krankenschwester los, welche sofort schluchzend aus dem Zimmer rannte. Cecilia richtete sich auf. „Wo ist mein Kind!?“ „Sie hat es nicht überlebt, es war eine Totge...“ „Lügner!!“, unterbrach sie ihn. „Sie lebt! Ich kann es spüren! Wo ist sie!?“ „In Sicherheit, du brauchst dir keine Sorgen um sie zu machen.“ „Ich will sie sehen.“ „Das ist leider nicht möglich.“ Cecilia kniff ihre Augen zusammen und fixierte ihn. Mit einem ängstlichen Gesichtsausdruck wich er zurück. „Nein, bitte nicht. Das ist doch nicht meine Idee gewesen.“ Er griff sich keuchend an die Brust. „Bitte... ich sage dir auch, wessen Idee es war. Aber bitte...“ Seine Brustschmerzen schienen nachzulassen, er lächelte erleichtert. „Danke. Also, es war Dahlias Idee. Sie meinte, das Kind sollte bei einer Ordensfamilie aufwachsen, damit Gott nicht auf dumme Gedanken kommt.“ „Dahlia, also...“, murmelte Cecilia. „Vielen Dank für die Information.“ „Oh, kein Problem, ich...“ Er brach mitten im Satz ab, seine Augen waren angsterfüllt geweitet. Sein Kopf drehte sich einmal knacksend um die eigene Achse – und fiel dann einfach herunter. Blut spritzte an die Wand und als die Leiche auf dem Boden aufschlug auch dorthin. Gelassen stand Cecilia auf und begann, sich anzuziehen. „So war das also...“, murmelte Sherry. Wieder erstrahlte dieses Licht und als es erneut erlosch, waren sie wieder woanders. Auch diesmal erkannte Sherry es sofort. „Das ist das Apartment in dem meine Adoptiveltern gelebt haben.“ Es klopfte an der Tür. Ihre Adoptivmutter öffnete gut gelaunt, immerhin hatten sie für heute Gäste erwartet. Doch als sie die Person vor der Tür erblickte, entfuhr ihr ein lauter Schrei – dann fiel sie auch schon kopflos zu Boden. Die Frau vor der Tür kam herein, es war Cecilia. Sherrys Adoptivvater stellte sich in die Wohnzimmertür, so dass die junge Sherry nicht hinaus kam. In seiner ausgestreckten Hand hielt er eine Art Siegel. „Verschwinde von hier! Du bekommst das Mädchen nicht!“ „Wer sagt, dass ich das Kind will?“ „Huh?“ Sein Arm mit dem Siegel verdrehte sich. Er schrie auf und übertönte damit fast das Geräusch der brechenden Knochen. Schließlich riss der Arm aus der Schulter und landete auf dem Boden. Noch mehr Blut... Die junge Sherry stand hinter ihm und starrte ungläubig darauf, sogar zu schockiert um zu schreien. Mit einem heftigen Ruck verdrehte sich sein Kopf und der leblos gewordene Körper fiel zu Boden. Das kleine Mädchen setzte sich neben ihn und rüttelte an seiner Schulter. „Daddy, Daddy, sag doch etwas. Daddy!“ Natürlich gab er keine Antwort. Die erwachsene Sherry würgte leicht, Tränen stiegen ihr in die Augen. Auch wenn ihre Adoptiveltern immer einiges von ihr verlangt hatten, sie waren dennoch ihre Eltern gewesen und so zu sterben hatte niemand verdient. Cecilia zertrat das Siegel und sah auf das inzwischen weinende Mädchen hinab. „D-daddy... mommy...“ „Du solltest nicht weinen“, sagte Cecilia sanft. „Die Götter haben so entschieden, nun lauf und komm wieder in die Stadt zurück, wenn deine Zeit gekommen ist.“ Die junge Sherry sah sie ungläubig an. „Wer bist du?“ „Das wirst du schon noch erfahren. Nun lauf, bevor die anderen Gäste kommen. Dieses blutige Spektakel willst du bestimmt nicht miterleben.“ Die Szene blendete aus. Sherry erinnerte sich, dass sie danach gehört hatte, dass man elf Leichen in der Wohnung gefunden hatte. Und dass sie als vermisst galt. Erneut fanden sie sich in Ashfield wieder, diesmal vor einem Geschäft, welches Fernseher verkaufte. Im Schaufenster standen einige Ausstellungsstücke, welche alle die neuesten Nachrichten zeigten. Sherry als Schülerin stand mit einigen Mädchen aus ihrer Klasse davor. Bilder von Walter Sullivan waren zu sehen, er war gerade nach seinem zehnten Mord festgenommen worden. Die Mädchen seufzten. „Er sieht so gut aus, wie kann so jemand nur ein Mörder sein? Das ist bestimmt ein Irrtum.“ „Aber sein Name war in die Leichen eingeritzt“, wandte eine andere ein. „Egal, er sieht auf jeden Fall geil aus.“ Nur Sherry schien den seltsamen Blick des Mannes zu bemerken, spürte den Drang in ihm für sein Ziel weiter zu morden, egal wie viele Gitter versuchen würden, ihn festzuhalten. Das war der Moment gewesen, in dem sie angefangen hatte Walter Sullivan zu bewundern. Diese Entschlossenheit, dieses Durchhaltevermögen, die Rücksichtslosigkeit mit der vorgegangen war. Sie wollte genauso werden wie er, um den Tod ihrer Adoptiveltern zu rächen. Irgendwann hatte sie dieses Ziel aus den Augen verloren, vergessen, verdrängt, was auch immer. Aber Walter Sullivan war immer ihr Vorbild geblieben, auch nach der Nachricht seines Todes. Und als die Morde in seinem Namen weitergegangen waren, war sie der festen Überzeugung gewesen, dass es Walter war. Obwohl er tot war, verfolgte er sein Ziel weiter und ihre Bewunderung für ihn war ins Unermessliche gestiegen. „Darum siehst du aus wie Walter Sullivan? Du hast diese Szene damals mitbekommen?“ Walter/Valtiel nickte. „Richtig. Der echte Walter existiert nicht mehr. Auch der kleine Walter nicht. Wir sind beides Valtiels, welche einfach die Gestalt angenommen haben, der du am ehesten vertraut hättest.“ „Ich dachte immer, es gäbe nur einen Valtiel.“ „Es gibt so viele von uns wie es Götter gibt. Ich glaube, wir kommen in den Kern der Erinnerung.“ Plötzlich befanden sie sich an einem Ort, den Sherry noch nie gesehen hatte. Es war düster und irgendwie unheimlich. Ein seltsames Wesen lag auf dem Boden, es schien tot zu sein. Alessa saß einige Meter davon entfernt und schluchzte leise. „Dad...“ Plötzlich erhob sich ein Schatten im Hintergrund und kam langsam auf sie zu. Alessa wandte den Kopf. Und auch Sherry sah genauer hin. Es war wieder Cecilia. War diese Frau etwa der Kern? Der Ursprung von dem hier? Hatte sie Sherry deswegen immer tiefer in die Stadt gelockt? Cecilia lächelte Alessa an und erneut verblasste die Szene. Diesmal befanden sie sich in einem Raum, den Sherry sehr gut kannte. Es war eine der Sicherheitszellen im St. Jerome Krankenhaus. So manches Mal war sie bereits hier drin gewesen, weil die Ärzte befürchtet hatten, sie würde sich etwas antun, aber sie war auch stets wieder herausgekommen. Jenseits der Tür konnte sie etwas spüren, eine mächtige Aura. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Walter/Valtiel legte eine Hand auf ihre Schulter. „Du kannst dich nun entscheiden. Zurück kannst du nicht mehr, aber du kannst weitergehen und weitere Entscheidungen fällen oder du kannst hierbleiben und darauf warten, dass du stirbst.“ Sie lächelte grimmig. „Ich bin extra dafür gekommen. Und wenn es wirklich Cecilia ist, kann ich endlich Rache für meine Adoptiveltern nehmen. Ich...“ Sie wandte sich ihm zu. „Ich möchte dir danken, dass du die ganze Zeit an meiner Seite warst. Du hast mir wirklich geholfen. Aber ich denke, den Rest muss ich alleine machen.“ Er nickte. „Eine gute Wahl.“ Dann holte er einen Revolver hervor und gab ihn ihr. „Es ist nicht viel, aber besser als nichts und auch besser als nur ein Messer. Sei vorsichtig und wäge deine Entscheidungen gut ab.“ „Danke.“ Sie schaffte es, den Revolver in ihrem leeren Halfter unterzubringen, während sie das Messer in der linken Hand behielt. Noch einmal atmete sie tief aus. Dann öffnete sie die Tür und trat hindurch. ********************************* Das letzte Kapi vor dem Finale und dem Bad Ending. Ich kann nicht glauben, dass sich diese FF dem Ende zuneigt. T___T Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)