Raftel (1) von sakemaki (When Spirits Are Calling My Name ...) ================================================================================ 38 - Filmriss ------------- Es war eine Mischung aus Peinlichkeit und Karneval, aus Lumpensammler und Silvesterrakete. Arm in Arm in einer Dreierreihe liefen der Sogeking, der Gummijunge und das Rentier die Straße entlang, sangen ausgelassen ein recht dümmliches Lied, welches sie gerade auf dem Fest gelernt hatten und lallten so auffällig, dass sich wirklich ein jeder nach ihnen umdrehte. „Kling Klang, du und ich, Kling Klang, die Straßen entlang...“ gröhlte es aus ihren Kehlen und selbst ein Partyfreund wie Franky konnte nur noch fassungslos den Kopf schütteln. Die Tonlage war mehr als schief und der Tanzstil äußerst skurril. Er hielt sich daher lieber in sicherer Entfernung hinter den Dreien auf, um im Zweifelsfalle jegliche Zugehörigkeit abstreiten zu können. Dabei gab es doch soviel zu feiern! Usopps Geschirr-Abwasch-Automat mit Trocknung, der nur lief, nachdem Franky einen nicht explodierenden Motor eingebaut hatte, mystische Kerzenlegenden und Zoros Sieg. Wo steckte der eigentlich wieder? Na egal! Kling Klang, die Straßen entlang ... Wo war eigentlich Brook, wenn man ihn mal brauchte? Er hätte da sicherlich einen genialen Rhythmus untergemixt und aus diesen schrägen Tönen noch ein Lied gezaubert. Es wäre wirklich an der Zeit, dass sie ihn mal wieder vom Twin Cape abholen sollten, dachte sich der Cyborg und trabte weiter hinter dem Gesangstrio hinterdrein. Man gut, dass Nami und Robin schon lange vorausgegangen waren. Die Navigatorin wollte den neuen Kurs festlegen, denn sie hatten einen heißen Tipp erhalten, wie es nun weitergehen könnte. Die Archäologin wollte dazu die passenden Bücher und die alten Karte aus Perkas Truhen wälzen. Schon bald könnten sie aufbrechen. Aber dazu wollten sie erst auf dem Schiff mehr berichten, denn Luffy hatte nichts Gescheiteres zu tun gehabt, als sich seinen Magen so lange mit Fleischleckerein voll zu stopfen, bis er einem Ballon glich. In dieser Lage war er für crewinterne Entscheidungen quasi nicht mehr zu gebrauchen und Nami war nicht in der Laune gewesen, sich mit ihrem Captain darüber auseinander zu setzen. Also wurde der Kurs klargemacht. Ohne Kapitän. Der wäre eh überzeugt, sobald es nach Abenteuern riechen würde. Der Schiffsbauer blickte sich weiter suchend um. Nicht nur Zoro war wieder einmal abhanden gekommen, auch von Tashigi und Sanji fehlten jede Spur. Franky gingen die Bilder des vergangenen Abends nicht aus dem Kopf, wie die junge Frau durch den Weingenuss immer stiller und stiller wurde. Die Kleine machte nicht den Eindruck, dass sie diese rauen Mengen gewohnt war. Hoffentlich hatte sie den Weg zu ihrem Bett auf dem Schiff gefunden und geisterte nicht noch hier so ganz allein herum. Er machte sich doch ein wenig Sorgen um sie, denn er schätze sie derzeit für recht labil ein. Sie hatte viel durchmachen müssen und war doch recht tapfer gewesen. Immerhin war sie so ein Piratenleben nicht gewohnt. Dennoch passte sie in die Mannschaft und brachte frischen Wind in die Truppe. Das war auch gut so. Die Kleine war ihm einfach sympathisch mit ihren Kulleraugen, ihrer kindhaften Tollpatschigkeit und ihrer Naivität. Zudem hatte er festgestellt, dass sie den Schwertkämpfer ohne viel Tun verdammt gut im Griff hatte. Und das war noch viel besser. Der Cyborg musste unweigerlich schmunzeln. „Na, da schau mal an! Wo hat der wohl die Nacht verbracht?“ überlegte Franky für sich grinsend, als er Zigarettenqualm roch und ihm nächsten Moment auch den dazugehörigen Raucher an eine Häuserwand im Halbschatten gelehnt entdeckte. Lässig wie immer zog der Koch der Strohhutbande an seinem Glimmstängel, versteckte seine leichten Augenringe einer durchgemachten Nacht hinter einer Sonnenbrille und gesellte sich dann zu dem Schiffsbauer. Aus den Augenwinkel heraus konnte dieser noch das leichte Zuschlagen einer Fensterlade hinter sich ausmachen. Dahinter versteckte sich ein junges Mädchen in eine Bettdecke gehüllt und lugte sehnsüchtig dem blonden Smutje hinterher. Es war der traurige Blick eines gebrochenen Herzens. Sanji musste es wohl tatsächlich mal geschafft haben, ein Mädel abzuschleppen. Meist ließen ihn bekanntlich die Damen am Ende der Fete stehen. „Was treiben die Idioten da?“ erkundigte sich Sanji leicht gereizt und blickte auf den Dreierchor. „Das könnte ich dich auch fragen, so wie du aussiehst!“ fragte der Cyborg provozierend. Doch der Koch blieb ihm eine Antwort schuldig. Emotionslos blickte er die Straße entlang einem neuen Morgen entgegen, zog noch mal kräftig an der Zigarette und ärgerte sich ein wenig, dass die Herzdame der letzten Nacht nun hier bleiben musste. Augen wie Mandeln, Lippen so zart wie ein Pfirsich und die Haut so weich wie ein frischgeschlagenes Soufflé. Ein wahres Sahnestückchen. So süß und zärtlich. Aber das richtige Sahnehäubchen oben drauf fehlte irgendwie und da es überall Sahneschnitten auf der Welt gab, würde sicher bald wieder eines davon seinen Weg kreuzen. Vielleicht hätte es sogar noch eine weit bessere Rezeptur. Man müsste nur erst mal kurz dran naschen, ob es mundete. Diese Erkenntnis brachte den erhofften Trost. Als Tashigi langsam erwachte, wusste sie erst nicht, wo sie war und schon gar nicht, wie sie hierher gekommen war. Langsam schoben sich die doppelten Bilder eines grauen Klotzes vor ihren Augen zu einem Originalen zusammen. Nein, es war keine Klotz, sondern ein großer Felsen aus graublauem Stein. Oh, diese verfluchte Achterbahn in ihrem Kopf! Es rauschte und ratterte so furchtbar in den Ohren. Erst jetzt traute sie sich, mit einem Augenblinzeln den Rest der Umgebung zu mustern. Ohne Zweifel war dieses eine langgezogene Bucht mit einem kargen Steinstrand, an welchem wahllos viele dieser großen Felsen herumlagen, als wären sie einem Riesen im Gehen aus der Tasche gefallen. Hier und da sah man Spuren eines frischen Kampfes, denn einige Gräben und Trümmer mischten sich zwischen diese in Fels geprägte Idylle. Und nun konnte sie sich auch dieses Rauschen erklären. Natürlich kam es nicht von einer Achterbahn, sondern es war die wilde Schönheit des Meeres, wie es seine Wellen immer gleichmäßig an dem Strand zerschellen ließ. Eine kalte Brise vom Meer wehte über all dieses hinweg über den Strand zu den Dünen, wo sich ein Hauch von Morgendämmerung ankündigte. Irgendwie kam ihr dieser Ort vertraut vor, als wäre sie schon einmal hier gewesen. Doch sie konnte es gerade nicht einordnen. Sie lag seitlich gekrümmt auf einem großen flachen Fels, der an einem weiteren etwas größeren Felsen lehnte. Um ihren Oberkörper wickelte sich gelber, dünner Stoff schützend vor dem Wind. Ihr Kopf ruhte auf weicher Baumwolle und es fühlte sich angenehm warm an. Sie schloss wieder die Augen, döste eine Weile ausnüchternd vor sich her und lauschte den Wellen, die beruhigend rauschten und sie in einen leichten Schlaf wogen. Wenn es ihr später besser ginge, könnte sie sich Gedanken machen, wie um alles in der Welt sie hierher gekommen war. Ihr vermeintliches Kopfkissen entpuppte sich letztendlich als Zoros linker Oberschenkel. Der Schwertkämpfer saß mit ausgestreckten Beinen dicht neben ihr, nutze den einen Felsblock als Lehne und hielt in der rechten Hand eine fast leere Sakeflasche. Schweigend, fast nachdenklich beobachtete er, wie die Wellen sich erst auftürmten und dann zerbrachen. Langsam verblassten die Sterne am Nachthimmel und der Vollmond zog schnurgerade zur Ziellinie seines nächtlichen Marsches. Stiller war es geworden auf dem Fest drüben im Dorf, denn die meisten hatten sich mit vielen Fässern von dem leckeren Getränk eingedeckt und feierten auf ihren Schiffen. Manch eine Mannschaft war sogar schon von ihrem Kapitän zum Aufbruch ermahnt worden. Es mochten nicht mehr allzu viele Menschen auf der Insel sein. So schnell wie das Fest und deren Besucher gekommen waren, so schnell verflüchtigten sie sich auch wieder. Das Ende der Erntesaison war eingeläutet. Bald würden die Büsche vom Herbstwind kahl gezupft und die Nächte kühler werden. Zoro zog langsam die kühlenden Luft ein, die vom Meer her den Geruch von Salz und Herbst brachte. Es lag Vergängliches in ihr, aber bald würde sie nach Eiswasser riechen und alles Alte ersticken. Erst der Frühling würde diese Melancholie beenden. Obwohl es eine Sommerinsel war, würde es auch hier einen Herbst mit seinen Farben und Winden geben, obgleich dieser um einiges milder wäre als andernorts. Er mochte den Herbst. Vielleicht lag es daran, dass er im Herbst geboren worden war oder er aus einer Gegend stammt, dessen Klima eher herbstlich war. Er wusste es nicht. Lange hatte er in den letzen Wochen nachgedacht und feststellen müssen, dass er kaum etwas aus seiner Vergangenheit wusste. So sehr er sich auch erinnern wollte, sein Mosaik der Erinnerungen wies beträchtliche Lücken auf. Wie hieß sein Dorf doch gleich? Es wollte ihm partout nicht in den Sinn kommen. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er Heimweh und wollte dahin zurück, woher er kam, bevor die Erinnerungen ganz verblassten. Er blickte auf das Mädchen an seiner Seite, welches ein Teil aus seiner Vergangenheit war. Oder war es die Gegenwart? Die Mosaiksteinchen dieses Rätsels fielen aus seinen Händen und zerbröselten zu Pulver. Er leerte mit einem letzten Schluck die Flasche uns stellte sie neben sich auf dem flachen Stein ab. Ohne den Blick vom Meer abzuwenden, legte er sanft seine Hand auf ihre Taille und streichelte sie, bis sie sich durch diese ungewohnte Berührung regte. Sie wollte erschrocken hochfahren, doch ihr dicker Schädel vom Weingenuss in den Stunden zuvor machte ihr einen bösen Strich durch die Rechnung. Schwindel und ein heftiger Kopfschmerz ließen sie wieder zurücksinken. Noch nie hatte sie soviel Wein getrunken. Um ehrlich zu sein hatte sie noch nie in ihrem Leben Alkohol getrunken. Wie hielten die Piraten das nur aus? Besonders Zoro soff das Zeug wie Wasser ohne mit der Wimper zu zucken, dass man meinen könnte, er hätte ein handfestes Alkoholproblem. Mystische Gespenster jagten durch ihren Kopf und spielten Fangen mit ihren Traumbildern, die sie festhalten wollte. Doch in diesem Wirbelsturm tänzelten sie wie bunte Drachen im Wind und flatterten zu Vögeln geworden davon. Immer schneller und schneller wie ein altes Karussell. Gleich würden dem Felsen Beine wachsen und loshoppeln! Sie bekam Panik und klammerte sich nun reflexartig an den Arm des Schwertkämpfers, obwohl sich weder Steinblock, noch Umgebung in irgendeiner Weise bewegten. „Nie wieder Alkohol“, dachte sie und war der Verzweiflung nahe, den Unterschied zwischen oben und unten zu verlieren. Nun aber schmiegte sie sich noch ziemlich schläfrig an Zoros Oberarm und starrte durch eine schiefsitzende Brille direkt auf das schwarzen Kopftuch vor ihrer Nase. Ein Tuch, welches ihr gestern so eine Angst bereitet hatte, als sie im Verhörraum der Marine gequält wurde. Aber es war hier an seinem rechten Platz. Alles war soweit in Ordnung. Oder doch nicht? Irgendetwas irritierte sie furchtbar, bis es „Klick“ in ihrem benebelten Köpfchen machte. Sie war samt Kleidung nass bis auf die Knochen und nur Zoros Hemd schütze sie vor dem kühlen Wind. Im Gegenzug saß der Schwertkämpfer natürlich nun mit freiem Oberkörper neben ihr. Ruckartig rückte sie einen halben Meter von ihm weg, sodass sie von ihm nur einen erstaunten Blick über diese Hektik erntete. „Was mache ich hier? Wieso bin ich pitschenass und habe dein Hemd an? Was hast du mit mir gemacht?“ brüllte sie ihn an. Was auch immer gerade für wilde Fantasien in ihrem Kopf herumspukten, ihre Vorstellungen waren in diesem Moment mehr als belustigend. Zoro musste einfach laut loslachen, fügte dann aber übelst grinsend in geheimnisvollem Tonfall hinzu: „Nur perversen Schweinkram...!“ Seine Augen funkelten frech, denn es war ihm vollkommen bewusst, dass diese Worte sicherlich zu explosionsartigen Reaktion ihrerseits führen würde. Und das taten sie auch. Tashigi starrte ihn erst geschockt mit einem Rotschimmer auf den Wangen an, als wäre Leib und Seele vollkommen entblößt worden. Dann lief sie knallrot vor Wut an: „Du ... ! Du, du bist echt das Allerletzte! Du, du ... Pirat!“ Immer noch musste in ihrem Wortschatz Pirat ein Synonym für das absolut Allerschlimmste sein, was wohl auf Erden wandeln könnte. Da schien selbst jeder andere Kraftausdruck wie Arschloch oder dergleichen vollkommen bedeutungslos. Jedoch hatte Zoro keinen weiteren Moment, sich über dieses Tatsache zu belustigen, denn in der nächsten Sekunde fühlte er einen zwiebelnden Schmerz auf seiner Wange. Dieses Weib hatte ihm doch tatsächliche eine gelangt, dass es lauter klatsche als die Wellen dort unten an die Felsblöcke! Und angesichts des glühenden Schmerzes lag in dieser Ohrfeige eine unerwartet große Kraft voller Wut und Enttäuschung. Etwas verlegen biss er sich auf die Unterlippe. Ohne etwas gesagt zu haben, hatte sie recht. Diese boshafte Lüge war taktlos gewesen und verdiente eine derartige Bestrafung. Kein Haar hatte er ihr gekrümmt. Warum musste er sie auch so aufziehen? Er erkannte sich selbst nicht wieder und wusste auch nicht, was in ihn gefahren war. Doch der Reiz, sie immer wieder so zu necken, übte einen großen Spaß aus. „Das hätte nun aber nicht so heftig sein müssen. Ich habe dir gar nichts getan“, kam es nun aber doch leicht vorwurfsvoll von ihm zurück und er sah beschämt in ihr wütendes Gesicht. Sie rieb sich ihre Hand, mit sie gerade ausgeholt hatte. Tränen standen ihr in den Augen, doch sie kämpfte gegen einen Heulkrampf tapfer an. „Dann sag nicht so was zu mir. Woher soll ich denn wissen, dass du nicht lügst?“ „Woher soll ich wissen, dass du immer noch so schlecht von mir denkst?“ Da erkannten sie, dass sie beide Recht, aber auch Unrecht gehabt hatten. Fast gleichzeitig nuschelten sie sich ein „Tut mir leid!“ zu und es blieb ein betretendes Schweigen. Zoro plagte das schlechte Gewissen, dass er ihr eine Erklärung schuldig wäre. „Du bist ins Meer gefallen. Und weil du dann im Wind so gefroren hast und halt auch so durchsichtige Klamotten hattest vom Wasser, hab ich dir als Decke mein Hemd gegeben. Das war alles.“ „Was hab ich denn hier gewollt?“ Sie war mehr als verwundert und er lauschte erstaunt auf. Sie schien sich an nichts mehr so recht erinnern zu können. „Das da!“ antwortete er und zeigte auf einen großen, schwarzen Gegenstand aus Metall. Das Black Sword! Tashigi verstand nun gar nichts mehr. Doch als sie sich umblickte, wurde ihr einiges klarer. Natürlich! Hier war die Bucht, wo sie Zoro nach dem Kampf gegen Mihawk gefunden hatte. Aber sie saß doch gestern mit den anderen Strohhüten am Tisch? Wie kam sie hierher und warum war sie ins Meer gefallen? Sie kramte in ihrem Gedächtnis und dann kam es langsam wieder zurück. Ja, da saßen alle Strohhüte mit an dem Tisch und sie hatte sich von der Trinkgeschwindigkeit anstecken lassen. Ausgelassen und heiter war es gewesen, bis zu der Stelle, wo Zoro Sake-Nachschub holen wollte und einfach nicht wiederkam. Natürlich hatte er sich nur wieder verlaufen, aber der Alkohol belog sie übelst, dass er sicherlich ein anderes Mädel getroffen hätte. Eines, welches sicherlich viel hübscher und nicht so tollpatisch wäre wie sie. Da war sie depressiv geworden, hatte zur Bande gesagt, sie bräuchte eine kleine Pause vom Feiern und war ziellos fortgegangen. Blind vor falscher Eifersucht hatte sie begonnen, sich die blödesten Geschichten einzureden bis die Tränen ihr den Weg verschleierten. Wie dumm sie doch war. Finstere Lügen erzählte ihr der Wein, dass sie nur benutzt und ihre Liebe betrogen worden war. Und dann war da doch noch die Unterhaltung mit dem netten Priester am Schrein. Der Rest war ein großes, klaffendes Loch in ihrem Gedächtnis. Es tat ihr alles so furchtbar leid. Ein Wunder, dass sie ihm noch unter die Augen treten durfte. Sie setze sich mit angezogenen Knien und einem respektvollen Abstand seitlich neben Zoro, dass sie ihm auf keinen Fall ansehen musste. Er hatte sie aus den Augenwinkeln beobachtet, wie sie dort vom schlechten Gewissen geplagt saß. Ihre Ideen waren aber auch mehr als seltsam. Noch eine ganze Weile hatten sie dort oben eng umschlungen am Schrein gestanden, bis sich mehrere finstere Gesellen die Treppe dorthin aufmachten. Also hatten sie beschlossen, zum Schiff zurück zu gehen. Die Müdigkeit steckte besonders Tashigi in den Knochen. „Ich geh erst schlafen, wenn ich noch mal in der Bucht war!“ kam es ganz energisch aus ihrem Mund und plötzlich stand sie kerzengerade neben ihm. Die Erklärung dieses Motivationsschubes folgte auf der Stelle. „Ich will alle kostbaren Schwert der Welt aus den Händen schlechter Menschen entreißen. Und das Black Sword von Mihawk liegt da noch am Strand! Das hat es nicht verdient!“ Das war nicht nüchtern gesprochen und gedacht, aber der Wille war eisern und so rappelte sie sich zusammen und torkelte ein paar Schritte davon. „Die hat sie doch nicht mehr alle!“ stellte der Schwertkämpfer perplex fest und schielte zu seinem Engel hinüber, der von einer Seite auf die andere taumelte, als hätte man ihm eben gerade erst die Flügel gestutzt. So würde sie wohl niemals auf direktem Wege zu der Bucht kommen. Aber immerhin würde sie den Ort finden. Er selbst hatte keinen blassen Schimmer mehr, wo der Platz seiner Heldentat gewesen war. Eigentlich recht peinlich, doch was soll’s? Es wäre noch nicht einmal sicher, ob das Schwert dort überhaupt noch zu finden wäre. Vielleicht hätte das Meer schon Besitz von ihm ergriffen und es in die nassen Tiefen im sandigen Grund verschlammen lassen. Oder die Marine hätte es als Schlachtensouvenir einkassiert. Letzteres wäre mehr als bedauerlich und inakzeptabel. Recht schnell kamen sie dann in der Bucht an. Mihawks schwimmender Sargdeckel war nirgends mehr zu entdecken. Auch sein Leichnam war nicht mehr da. Entweder hatte die Marine ihn geborgen oder er war von den Wellen hinaus in ein nasses Grab getragen worden. So oder so war es auf jeden Fall besser, dass er nicht mehr hier lag. Das Black Sword steckte unübersehbar im steinigen Grund in der Brandung fest und Tashigis Ungeduld brachte ihr dann den Sturz in das kalte Salzwasser ein. Mehrmals hatte sie mit ihrer ganzen Kraft an dem Schwert gezerrt, doch es rührte sich keinen Millimeter. Nicht nur, dass es wie einbetoniert dort steckte, sondern es war auch durch sein Eigengewicht für die zierliche Frau nicht händelbar. Es war nun an Zoro, sie samt Schwert aus dem salzigen Nass herauszufischen. Das alles erzählte der Schwertkämpfer ihr in kurzen knappen Sätzen, doch ihren Kuss ließ er erst einmal unerwähnt. Wenn sie so schlecht von ihm dachte, dann musste sie auch nicht wissen, dass er sie mochte. Tashigi hingegen musste sie ihm gleich unter die Nase reiben, dass sie immerhin dem Samurai der Meere den Gnadenstoß verpasst hatte. Jawohl! Mit dem Wadôichimonji! Und dann wäre der rote Schmetterling zum Himmel aufgestiegen und der Glanz des Katanas erloschen. Darum wäre nun das Black Sword ihre Siegestrophäe. Zoro grinste. Immerhin war es ja nun doch seine Vorarbeit gewesen, die es ihr diese Chance ermöglicht hatte. „Wenn du es tragen kannst, ist es deins...“ Maulend stützte sie ihren Kopf wieder auf ihre Knie. Nein, sie würde es niemals allein vernünftig tragen können. Höchstens könnte sie es hinter sich herziehen wie einen Baumstamm und das wäre sicherlich nicht gut, wenn sie das Black Sword in einem ganzen Stück zur Thousand Sunny bekommen wollte. Welch missliche Lage! Sie versuchte sich auf andere Gedanken zu bringen. „Ich habe etwas Komisches geträumt“, murmelte sie nach einer ganzen Weile lautdenkend vor sich her und da von ihrem Gesprächspartner keine Antwort kam, fügte sie hinzu: „Ich habe geträumt, ich wäre total sauer auf dich, aber du bist einfach so aufgetaucht und hattest mich geküsst.“ „So lange es kein Alptraum war ...“ gab er eher zurück und überlegte, warum sie genau diese Sache genau jetzt ansprach. Da war sicher noch ein Haken dabei. „Ich fand das aber schön, Idiot!“ murmelte sie schläfrig weiter, wollte ihn mit der geballten Faust seitlich knuffen, verfehlte aber ihr Ziel und wäre fast vom Stein gepurzelt, hätte er sie nicht schnell noch am Handgelenk gepackt und zu sich an seine Seite gezogen. Die Sakeflasche bekam dabei einen Schubs und rollte den Stein hinunter. Ein Geräusch von Glassplittern besiegelte ihr Ende. Nun saßen sie sich dicht gegenüber, sodass man den Atem des Anderen spüren konnte. „Was machst du denn wieder für Blödsinn?“ tadelte er sie. „Ach, es ist alles so ... so ...“, jammerte sie leise und suchte nach den richtigen Worten. Wieder schwappte sie von einer Stimmung zu einer anderen. Sie schien selbst nicht zu wissen, was sie überhaupt in ihrem Leben wollte und wie ihre Zukunft aussehen sollte. Für Zoro war es nun genug mit der Geduld. Es war Zeit, einen Schlussstrich unter dieses Theater zu setzen. „Jetzt hör mir mal gut zu! Hör auf, dir über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die du nicht ändern kannst oder die schon vorher klar waren. Du bist jetzt hier und nicht mehr bei der Marine. Das war deine alleinige Entscheidung. Also akzeptier’ das endlich mal! Ich hatte mittlerweile den Eindruck gewonnen, dass du dich ganz gut in unsere Crew eingefunden hast. Mal abgesehen von Namis Zickenalarm. Oder etwa nicht?“ fuhr er sie an. Vielleicht war es etwas heftig, doch es konnte so nicht weitergehen. Prüfend sah er sie eine Weile an, wie sie dort stumm mit zusammen gepressten Lippen saß. Er hatte nicht ganz den Punkt ihres Hauptproblems getroffen. Und deshalb fügte er hinzu: „Trotzdem bist du ständig misstrauisch. Aber so läuft das nicht. Unsere Mannschaft hält durch Vertrauen und gegenseitige Hilfe zusammen. Versuch mal, dass du uns allen mehr vertraust.“ Sie nickte ihm als Antwort zu, dass er recht hatte. Sie mochte die Mannschaft wirklich gern, denn sie war wie eine großen Familie und hatte so rein gar nichts mit ihren überholten Vorstellungen von Piraten gemeinsam. Wenn da nur nicht diese unglückliche Konstellation mit der Liebe wäre. Und tatsächlich war da eine Menge Misstrauen, was sie ihm entgegenbrachte. Warum eigentlich? „Aber ich bin einfach kein Pirat. Ich kenne euch Piraten nur als etwas Schlechtes. Ich bin das nicht gewohnt, jetzt plötzlich immer wegzulaufen und mich zu verstecken. Bei der Marine war es zwar auch nicht besser, aber das kannte ich halt. Da war alles in meinem Leben geregelt. Ich bin habe nicht gelernt, mir über alles eine Meinung und ein Urteil zu bilden. Auch wenn die Marine eine große Lüge ist. Und du hast mich doch auch nur belogen. Du hast mich nur ausgenutzt, um Luffy zu befreien. Und dabei habe ich ...“ Sie schluckte den letzten Satz hinunter, denn sie wagte es nicht, ihn zu beenden. Mehr traurig als verzweifelt senkte sie ihren Blick. Der Wind spielte mit der Seide ihrer Kleidung und trocknete sie zusehends. Mit beiden Händen hielt sie das Hemd an der Knopfleiste zusammen, als würde es wie ein Schutzmantel alles von ihr fern halten können. Es war schwierig. Einerseits war er immer für die da gewesen und andererseits ließ er sie fallen wie eine heiße Pellkartoffel. Wie sollte man da vertrauen? „Was hast du?“ Er sprach leise zu ihr, denn es schien sie zu beruhigen und ihre Gedanken zu ordnen. „Nichts“, wollte sie sagen, vergrub aber stattdessen lieber wieder still den Kopf in den Armen. Es war doch eh aussichtslos. „Ich habe dich nicht ausgenutzt“, sagte er. „Und du hast auch nichts geträumt.“ Erstaunt über diese Worte hob sie rasch den Kopf und blickte ihn das, was ihr Vertrauen zurückgab. Graue Augen, die frech aufblitzten und in denen sie so gern versang. Ein leichtes Lächeln, was nur sie bekam. Andere würde vielleicht sagen „Ich liebe dich!“. Zoro sagte zwar nur, dass es kein Traum war, aber die Bedeutung war irgendwie dieselbe. Zumindest klang es für Tashigi so. Und so war es auch gemeint. Ein vermeintliches Happy End wurde jedoch dadurch zerstört, dass sich Zoro plötzlich ruckartig umdrehte und angestrengt auf den Horizont starrte. Irgendwas war dort draußen auf den Weiten des Ozeans. Der Schwertkämpfer konnte es deutlich spüren. Viele Seelen waren dort unterwegs mit großem Kampfeinsatz auf ihren schwimmenden Untersätzen. Doch sie waren noch zu weit entfernt, als dass man es genauer beschreiben könnte. Doch für Zoro war klar: Da war nichts Gutes auf dem Weg hierher, sondern eine bedrohliche Gefahr. Während er noch so darüber nachdachte und die Situation vollkommen zu fassen versuchte, kamen die unbekannten Feinde näher Stück für Stück und legten sich wie einen unsichtbaren Ring um die Insel. Das Eiland war lückenlos umstellt. Es war Zeit zu gehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)