Rote Blumen von Corvin-Phelan (Geschichten aus dem Leben eines Pyromanen) ================================================================================ Kapitel 9: Little Ghost ----------------------- Eigentlich sollte das hier ein Drabble werden, aber das wollte und wollte nicht funktionieren. Als es dann länger und länger wurde, war es mir dann auch egal. Auf jeden Fall ist das Kapitel für LittleDragonfly für den was weiß ich wie vielten Eintrag in meinem Gästebuch. Little Ghost Malcolms Schritte hallten durch die verlassenen Straßen. Sein Herz hämmerte in seiner Brust als wolle es seine Rippen sprengen. Hastig drehte er sich nach seinem Verfolger um, der nicht müde zu werden schien und immer näher kam. Malcolm wusste nur eins: Er musste hier weg und zwar schnell! Lange würde er das Tempo nicht mehr durchhalten und dann... er wollte nicht daran denken. Jeder Atemzug schmerzte in seinen Lungen, das Blut rauschte in seinen Ohren, Lichter tanzten vor seinen Augen. Er musste ihn abhängen. Der Gedanke verdrängte alles andere aus seinem Kopf, den Schmerz, die schweren Beine. Ohne zu überlegen bog er um eine Ecke und stieß mit jemandem zusammen. Mit einem erschrockenen Schrei stürzte er zu Boden. Es ist aus, brüllte es in seinem Kopf, doch der erwartete Schlag kam nicht. Verwirrt sah Malcolm auf und blickte in das verängstigte Gesicht eines Jungen. „Was..?“, fragte er überrascht. Wo kam der auf einmal her? Plötzlich zerriss ein unheimliches Lachen die Stille. Malcolm zuckte erschrocken zusammen. Sein Verfolger war noch da draußen. Stolpernd rappelte er sich wieder auf, griff nach dem Arm des Jungen und zog ihn mit sich in den nächsten Hauseingang. Im staubigen Flur riss sich der Kleine von ihm los und kauerte sich in eine Ecke. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er Malcolm an, die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Malcolm legte einen Finger an die Lippen und betete, dass er es verstehen und leise sein würde. Vorsichtig duckte er sich unter ein Fenster, hinter einem schmutzigen Vorhang spähte er auf die Straße. Seine Hand mit der er sich an der Wand abstützte zitterte leicht, sein Herz klopfte so laut, dass er glaubte, sein Verfolger musste es hören. Gleich findet er uns und dann können wir froh sein, wenn er uns tötet, dachte Malcolm panisch und ballte die Hand hilflos zur Faust. Das wahnsinnige Lachen näherte sich unaufhaltsam, wurde lauter und verstummte plötzlich. Schotter knirschte, als sich der große Mann nach seiner Beute umsah und entsetzt musste Malcolm mit ansehen wie er sich langsam auf den Eingang zu bewegte. Wie ein Wesen aus der Hölle, ging es Malcolm durch den Kopf. Wir sind geliefert. Im selben Augenblick, in dem der Mann die Türklinke herunterdrückte, schrie jemand wenige hundert Meter entfernt auf. Für einen Moment starrte er in die Richtung aus der der Schrei kam und rannte dann darauf zu. Erleichtert ließ sich Malcolm auf den Boden sinken und versuchte das Zittern in seinem Körper unter Kontrolle zu bringen. Seine Beine konnten ihn nicht mehr tragen. Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich den kalten Schweiß von der Stirn. Ein Moment der Unachtsamkeit hatte ihm beinahe das Leben gekostet oder Schlimmeres. Er sollte es besser wissen. Seufzend lehnte er sich gegen die Wand und sah zu dem Jungen herüber. Er war klein, regelrecht zierlich. Das schwarze Haar hing ihm überraschend sauber in die Stirn, seine Augen waren leuchtend blau und seine Haut fast so weiß wie Porzellan. „Ich bin Malcolm“, stellte er sich vor und lächelte ihn unsicher an. Seine Stimme klang rau und schmerzhaft nachdem er so lange mit niemandem mehr gesprochen hatte. „Und wer bist du?“ Der Junge antwortete nicht, entspannte sich aber ein wenig. Vielleicht kann er nicht sprechen, überlegte Malcolm. Schwerfällig stand er auf und hielt dem Kleinen die Hand hin. „Wir müssen hier weg, bevor der Kerl zurückkommt“, erklärte er ihm, als der Junge ihn nur misstrauisch anschaute. „Ich bin keine Gefahr.“ Zögernd griff der Junge nach Malcolms Hand und ließ sich auf die Beine helfen. Den ganzen Tag wisch der Junge nicht von Malcolms Seite. Stunden lang liefen sie durch die menschenleeren Straßen. So sehr sich Malcolm auch bemühte, er konnte ihn nicht zum Sprechen bringen. Am Abend suchten sie Schutz in einem verlassenen Haus. Erschöpft ließ sich Malcolm auf einen Stuhl fallen. Das alte Holz ächzte unter seinem Gewicht. Er beobachtete den Jungen, von dem er als „Little Ghost“ zu denken begonnen hatte, wie er sich umsah und zum Tisch tapste. „Hast du Hunger“, fragte Malcolm, bekam aber keine Reaktion. „Ich kann uns etwas machen, wenn du möchtest.“ Müde hievte er sich aus dem Stuhl und durchsuchte die Schränke der kleinen Küche. „Ich kann nicht besonders gut kochen, aber es ist essbar und man wird satt“, erzählte er über das Klappern von Töpfen und Tellern hinweg. Nach einer Weile drehte er sich zu „Little Ghost“ um und hielt triumphierend einen Sack hoch, damit er ihn sehen konnte. „Magst du Kartoffeln?“, fragte er. „Mehr hab ich nicht gefunden.“ Als der Junge ihn wieder nur ansah, zuckte Malcolm mit den Schultern und stellte einen Topf auf den Herd. Die Zubereitung des Essens verlief schweigend. Lächelnd schob Malcolm „Ghost“ einen Teller hin. „Lass es dir schmecken“, sagte er, bevor er selbst zu essen begann, seine erste Mahlzeit für diesen Tag. An den Hunger hatte er sich in den vergangenen Monaten gewöhnt, genau wie an die ständige Gefahr, die in jedem Schatten lauern konnte. Leben in der Stadt der Wahnsinnigen, dachte er verbittert und stopfte sich noch eine Gabel Kartoffeln in den Mund. „Ghost“ bewegte sich nicht, starrte nur das Essen auf seinem Teller an. „Willst du nichts essen?“, fragte Malcolm besorgt. Der Junge musste am verhungern sein, er war nur noch Haut und Knochen. Statt zu antworten schob er den Teller fort, stand auf und verließ das Zimmer. Malcolm seufzte leise und räumte den Tisch ab. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass der Geruch von Essen ungebetene Gäste anzog und er war zu müde um noch einmal vor jemandem zu fliehen. Gähnend folgte er „Ghost“, den er im Schlafzimmer fand. Der Junge saß auf dem Bett, die Schuhe vor sich auf dem Boden. Er klopfte auf die freie Seite und lächelte Malcolm leicht an. Scheint als bekommt er doch was mit, dachte Malcolm. Langsam ging er um das Doppelbett herum, setzte sich zögernd auf die Kante. „Danke“, nuschelte er verlegen und errötete. Es war lange her seit Malcolm das Bett mit jemandem geteilt hatte, jemandem, der ihm nichts Böses wollte, aber „Ghost“ sah nicht aus als könnte oder wollte er ihm etwas antun. Malcolm krabbelte unter die Decke und zog sie sich über den Kopf. „Gute Nacht, Ghost“, murmelte er, bevor er die Augen schloss und einschlief. In der Nacht weckte Malcolm ein leises Wimmern. Mühsam setzte er sich auf und sah sich in der Dunkelheit um. „Ghost“ saß mit angezogenen Beinen am Kopfende und starrte in die Nacht. „Alles in Ordnung?“, fragte Malcolm leise. „Kannst du nicht schlafen?“ Der Junge sah blinzelnd zu ihm herüber. Langsam schüttelte er den Kopf. Er griff nach Malcolms Schulter und drückte ihn zurück in die Kissen. Schlaf weiter! Malcolm seufzte leise. „Du willst also nicht reden“, sagte er leise, während er sich wieder unter die Decke kuschelte. Die Nacht war kalt und er fror bereits, aber das Bett war warm und weich, trotzdem wollte der Schlaf lange nicht zurückkehren. Die folgenden Tage verliefen ähnlich. Tagsüber streiften sie durch die Stadt, nachts suchten sie einen relativ sicheren Unterschlupf. „Ghost“ sprach kein Wort, er aß nicht und schlief nicht. Malcolm machte sich große Sorgen um seinen Begleiter, den er langsam, fast gegen seinen Willen in sein Herz schloss. Er war schon froh, dass er ihn zum Trinken überreden konnte, wenn er ihm sonst nicht helfen konnte. Eines Abends saßen sie dicht beieinander auf dem Dach eines Hochhauses. Nur wenige Wolken zogen über den Himmel, die Sterne funkelten hell. Langsam und vorsichtig rutschte „Ghost“ näher zu Malcolm, legte seinen Kopf auf seine Schulter. „Ich will schlafen“, flüsterte er kaum hörbar in das Leder von Malcolms alter Jacke. Überrascht sah Malcolm ihn an. Er spricht, dachte er erfreut. Zögernd legte er seine Arme um ihn. „Dann schlaf. Ich pass auf dich auf“, hauchte er sanft und streichelte ihm leicht über den Rücken. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte er nach einer Weile in die Stille. „Josh. Joshuar Mitschel“, murmelte „Ghost“ und schloss die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)