Trust in me! von little_bastard (- Vertrau´ mir! -) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Es war früh` am Morgen, als in einem kleinen, dunklen Zimmer in einer Wohnung am Rande der Stadt der Wecker Alarm schlug. Grummelnd schob sich die Hand eines zerzausten Blondschopfes unter der Bettdecke hervor, um das nervende Geräusch abzustellen. Als dann endlich wieder Ruhe war, wühlte er sich unter der Decke hervor, setzte sich auf und rieb sich verschlafen die Augen. Ohne sich weiter zu bewegen ließ er die noch müden Blicke durch sein schmuddeliges, finsteres Zimmer wandern. Die Tapete löste sich an einigen Stellen von der Wand, von der Decke tropfte Wasser und bildete eine kleine Pfütze auf dem Boden. Er seufzte tief. Dann stand er auf und torkelte noch schlaftrunken zum Fenster hinüber. Mit einem kräftigen Ruck zog er die grauen Vorhänge beiseite, aber diese Maßnahme hätte er sich genauso gut sparen können. Draußen war es noch finstere Nacht. Die Sonne würde erst in ein paar Stunden aufgehen. Wieder seufzte er tief und ging zur Tür. Im Spiegel bemerkte er seine jämmerliche Gestalt. Er war recht klein und auch sehr dünn. Seine Arme und Beine zierten unzählige Narben, blaue Flecken und Blutergüsse. Er war froh, dass sein Gesicht verschont blieb. Noch einmal atmete er tief und schloss mit zittriger Hand seine Zimmertür auf. Erleichtert atmete er auf, als er feststellte, dass er allein war. Er ging ins Badezimmer, wusch sich das Gesicht und putzte sich die Zähne. Anschließend kehrte er in sein Zimmer zurück und zog sich die Schuluniform an, die bis eben an seinem Schrank hing. Sie war ihm eigentlich viel zu groß, aber das störte ihn nicht weiter, denn so müsste er sich in nächster Zeit wenigstens keine neue kaufen, was seinen finanziellen umständen gerade recht kam. Denn das Geld reichte nicht hinten und nicht vorne. Mit einem Kamm versuchte er sein wild abstehendes Haar zu bändigen, was ihm jedoch nicht ganz gelang. Dann tapste er in die Küche, die eher einem Schlachtfeld ähnelte. Überall standen schmutzige Töpfe und dreckiges Geschirr. Gerne hätte er die gesamte Wohnung einfach mal von oben bis unten sauber gemacht und aufgeräumt, aber dann würde er riesigen ärger bekommen - so unglaublich es auch klingt. Auf der Suche nach etwas Essbarem, wühlte er sämtliche Schränke durch, bis er schließlich eine Packung alter Cornflakes fand, die er sich in eine der wenigen noch sauberen Schüsseln schüttete. Nun fehlte nur noch die Milch, aber das was er im Kühlschrank vorfand erinnerte eher an Joghurt oder schrecklich stinkenden Käse. Also musste es ohne gehen. »Na ja, besser als nichts!«, dachte er und nahm eine handvoll Cornflakes für unterwegs mit. Dann schnappte er sich Jacke und Rucksack und verließ die Wohnung. Als er aus dem Haus ging musste er feststellen, dass es extrem kalt Draußen war. Seine Jacke war viel zu dünn, aber er hatte keine Zeit mehr sich etwas Wärmeres anzuziehen. So zog er seine Jacke enger um sich. Zitternd und bibbernd vor Kälte lief er durch die Straßen auf dem Weg zur Schule. Kapitel 1: Die neue Schule -------------------------- "Wow!", war das einzige was ihm einfiel als er an der Schule angekommen war. Das Gebäude vor ihm war mindestens fünfmal so groß wie die Schulen auf denen er bisher war. Auf einem riesigen Schulhof tummelten sich hunderte von Schülern, die alle zum Eingang drängten als die Schulglocke zum Stundenbeginn läutete. Er kramte in seinem Rucksack nach dem Zettel auf dem stand in welche Klasse er musste und wo sein Klassenraum war. "Hm…, Raum 5.1.60 im 5. Stock, Klasse 1c (=10. Klasse Deutschland). Oh man, dass ist ja ganz oben!" Er seufzte tief. "Also gut, dann mal los!" Und schon ging er schnurstracks ins Schulgebäude und begann mit dem `Aufstieg`. Er keuchte schwer als er endlich Oben ankam. »Und das jetzt jeden Tag. Ich "Glücks‑ pilz"!«, dachte er und versuchte seine Atmung zu normalisieren bevor er die Tür des Klassenraumes öffnete. Als er den Raum betrat starrten ihn unzählige Augenpaare an und überall tuschelten die Schüler - scheinbar über ihn - was dazu führte, dass sich Nervosität in ihm ausbreitete. "Guten Morgen, du musst der neue Schüler sein.", sprach ihn die Klassenlehrerin freundlich an. Sie schien etwas verwundert über die blonden Haare des Jungen, da diese in Japan sehr untypisch waren. Er nickte nur schüchtern. "Ich bin Frau Kadowaki, deine Klassenlehrerin." Dann wandte sie sich an die anderen Schüler. "Das ist Ricu Hiwatari. Er ist vor kurzem erst in unsere Stadt gezogen und wird von nun an in unserer Klasse sein." In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und ein groß gewachsener Junge mit kurzen, schwarzen Haaren betrat langsam den Raum. Gebannt und starr vor Schreck schaute Ricu ihn an, doch der Junge schien ihn nicht zu bemerken. "Herr Akai, wo kommen sie denn her, wenn ich fragen darf?" "Von zu Hause! Ich habe verschlafen!" Antwortete der Junge mit einem sarkastischen Unterton der Gleichgültigkeit in der Stimme, ohne die Lehrerin eines Blickes zu würdigen. "Das ist ja nichts Neues!", meinte Frau Kadowaki unbeeindruckt. "Setzen sie sich auf ihren Platz!", befahl sie dann streng. Knurrend befolgte der Junge die Anweisung der Lehrerin. Als er an Ricu vorüber ging, schaute er ihn mit einem verachtenden Blick aus den Augenwinkeln an und Ricu wurde noch mulmiger zumute. "Wie ich eben schon sagte, ist der neue Schüler noch nicht lange in unserer Stadt und ich möchte, dass ihr ihn nett behandelt, verstanden?", fuhr die Lehrerin schließlich fort. "Ja, Frau Kadowaki.", antwortete die Klasse im Chor. "Sie können sich dort hinsetzen." Sagte sie zu Ricu gewandt und zeigte auf eine freie Bank am Fenster. Er nickte verlegen und ging zu dem ihm zugewiesenen Platz. Dann begann der Unterricht, doch Ricu konnte sich nicht wirklich darauf konzentrieren. Er starrte die ganze Zeit den Jungen an, der gerade zu spät kam und sich jetzt leise mit seinem Banknachbarn unterhielt, anstatt dem Unterricht zu folgen. Irgendwie faszinierte ihn dieser Junge. Seine lockere Art, die er an den Tag legte und überhaupt sah er… sehr gut aus. Ricu zuckte zusammen, als er sich bei diesen Gedanken erwischte und eine leichte Röte stieg ihm ins Gesicht. Er schüttelte den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden und konzentrierte sich so gut es ging auf den Unterricht. In den Pausen stand er allein in einer Ecke, denn obwohl die Klasse versprochen hatte ihn gut aufzunehmen, machten sie jetzt alle einen großen Bogen um ihn. Sie tuschelten und kicherten hinter seinem Rücken und sahen ihn mit belustigten Blicken an. Es hatte den Anschein, als würde er ihnen wegen seiner blonden Haare und der zu großen Schuluniform sehr suspekt vorkommen. Aber diese Tatsache störte ihn nicht weiter, denn immerhin war er, was die Schule betraf, stets ein Außenseiter gewesen. Außerdem würde man ihm so wenigstens keine unangenehmen Fragen über seine Familie und sein bisheriges Leben stellen. Kapitel 2: Die richtige Entscheidung ------------------------------------ Die letzten Stunden vergingen schnell, zu schnell wie Ricu fand. Das Ende des Schultages bedeutete nämlich, dass er wieder nach Hause musste, was ihm doch sehr missfiel. Er wollte nicht nach Hause, am liebsten nie wieder. Also versuchte er so lange wie möglich, das unvermeidliche hinaus zu zögern, aber es half nichts. Denn obwohl es nichts gab, was dagegen sprach nicht zurück zu gehen, die Nacht würde er wahrscheinlich nicht überstehen. Immerhin waren es dann bis zu -20° C Draußen und mit seiner dünnen Jacke würde er 100%ig erfrieren. Er seufzte. »Es hilft ja doch nichts, früher oder später muss ich ja wieder nach Hause zurück.«, dachte er und bei diesem Gedanken liefen ihm kalte Schauer über den Rücken. Mit hängenden Schultern machte er sich schließlich gedankenverloren auf den Weg. Jedoch kam er nicht weit, denn nach einigen Metern stieß er so heftig mit jemandem zusammen, dass er unsanft auf dem Boden landete. Noch immer in Gedanken nuschelte er ein fast unverständliches "Entschuldigung!". Plötzlich wurde er am Kragen seiner Jacke gepackt und so hochgezogen, dass er einige Zentimeter über dem Boden hing. Vor Schreck weiteten sich seine Augen, als er dann auch noch erkannte, wer sein Peiniger war. Sein Herz begann schneller zu schlagen als er feststellte, dass es der Junge aus seiner Klasse war, der heute Morgen noch zu spät kam. "HEY, DU ZWERG! PASS GEFÄLLIGST AUF WO DU HINGEHST!" Schrie der Junge ihn an, so dass Ricu zusammenzuckte. "T…Tut mir leid.", stammelte er leise und musste sich zusammenreißen, um nicht rot zu werden. "DAS GLAUB` ICH DIR ABER NICHT!", wurde er wieder angeschrieen. "Ich schätze, du brauchst eine Lektion in Sachen Benehmen mir gegenüber, da du dich anscheinend für was Besseres hältst!" Und schon holte der Junge mit der Rechten aus, um ihm eine zu verpassen. Ricu kniff die Augen zu und hoffte, dass es nicht allzu schmerzhaft sein würde. Doch im letzten Moment mischte sich ein anderer Junge ein, der sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte. "Lass gut sein Katzuja, der Knirps ist es nich wert!", meinte er. "Wir haben keine Zeit." Der Angesprochene musterte das zitternde Etwas vor sich, ließ seine Hand wieder sinken und meinte: "Ja, du hast recht!" Dann schubste er Ricu grob von sich, so dass der wieder hart auf dem Boden landete. Dabei fiel Katzuja seine Geldbörse aus der Tasche, was jedoch niemand bemerkte. "Du hast Glück, dass wir es eilig haben, Blondie. Beim nächsten Mal kommst du nicht so glimpflich davon.", drohte er an Ricu gewandt. Dieser saß immer noch starr vor Schreck auf dem Boden und versuchte insgeheim sein Herz zu beruhigen, was ihm fast aus seiner Brust zu springen schien, so schnell wie es schlug. Als Katzuja und dessen Kumpel endlich fort waren, wagte Ricu es sich wieder zu bewegen und er fing an seine Bücher, die ihm bei dem Zusammenstoss aus dem halboffenen Rucksack gefallen waren einzusammeln. In Gedanken dachte er über das gerade geschehene nach und versuchte die in ihm auftretenden Gefühle zu unterdrücken. »Also Katzuja heißt er. Ein schöner Name.«, dachte er und begann sofort wieder rot zu werden. Er schüttelte den Kopf, um die Röte aus seinem Gesicht zu verbannen. »Was ist nur los mit mir? Himmel, er ist ein Junge, genau wie ich und außerdem mag er mich anscheinend nicht sonderlich!« Bei dem letzten Gedanken spürte er einen stechenden Schmerz in seinem Herzen. »Man könnte sagen, dass er mich hasst.« Der Schmerz wurde stärker. »Aber das kann mir doch eigentlich egal sein! Also warum dann diese Gefühle? Kann es sein … sollte ich etwa… Nein, ausgeschlossen! Niemals!« Aber, warum fühlte er sich so, wenn er Katzuja sah, oder auch nur an ihn dachte? Warum fing sein Herz dann immer an wie wild zu schlagen? Und dann dieser Schmerz, wenn er an Katzujas Verhalten ihm gegenüber dachte und was dieser von ihm hielt. Er verstand das absolut nicht. Wieder schüttelte er den Kopf, dann zuckte er mit den Schultern und stand auf, um seinen Weg fortzusetzen. Er hatte beschlossen nicht weiter über diese Sache nachzudenken. Plötzlich bemerkte er die Geldbörse auf dem Boden. Er hob sie auf und öffnete sie. Es traf ihn wie ein Blitz, als er feststellte, dass sie Katzuja gehörte. »Was mach ich jetzt?«, fragte er sich. Einerseits war es für ihn selbstverständlich Katzuja die Geldbörse wieder zu bringen, da bestimmt wichtige Sachen darin waren, die er brauchte, aber andererseits bereitete ihm die Vorstellung Katzuja heute noch mal zu begegnen doch ein leichtes Unbehagen. Immerhin hatte dieser ihm mit Prügel gedroht, wenn er ihm wieder über den Weg lief und dann seine Gefühle... »Ich könnte sie ihm ja auch Morgen in der Schule geben.«, dachte er. »Aber was, wenn er sie ausgerechnet heute ganz dringend braucht?« Er setzte sich auf eine nahe gelegene Parkbank. Während er noch hin und her überlegte, was er nun tun sollte, durchforstete er die Geldbörse, um eventuell einen Ausweis oder Ähnliches zu finden, wo Katzujas Adresse draufstand und tatsächlich fand er nach einigem suchen dessen Ausweis. Eine halbe Stunde später hatte er endlich einen Entschluss gefasst. Er würde Katzuja die Geldbörse zurückbringen, auch auf die Gefahr hin, dass dieser ihn dann verprügelte - er wollte das Richtige tun und das war das Richtige. Er stand von der Bank auf und machte sich auf den Weg zu der Adresse, die auf dem Ausweis angegeben war. Da er aber keine Ahnung hatte, wo die genannte Straße sich befand, musste er sich durchfragen, bis er schließlich vor Katzujas Haus ankam. Es lag in einem Neubaugebiet, in einer doch recht hübschen Gegend mit vielen Grünflächen. Es war ganz anders als dort wo Ricu wohnte. Er fühlte sich hier auf Anhieb wohl, denn dieser Ort strahlte eine angenehme Wärme aus, die einem ein Gefühl von Geborgenheit gab. Ricu genoss dieses Gefühl, was jedoch gleich wieder verging, als er vor der Hauseingangstür stand. Mit dem Zeigefinger suchte er Katzujas Familiennamen auf den Klingelschildern, doch als er ihn fand, kamen Zweifel in ihm auf. - Was wenn Katzuja ihm nicht öffnete oder gar nicht da war? - Er beschloss bei einem Nachbarn zu klingeln und um Einlass zu bitten. Denn selbst wenn Katzuja da war, warum sollte er Ricu reinlassen? Außer vielleicht um ihn zu verprügeln! Also klingelte er beim Namensschild, das neben dem von Katzuja war und eine freundliche Stimme fragte: "Ja bitte! Wer ist da?" "Guten Tag! Ähm… Ich wollte zu Herrn Akai. Ich muss ihm etwas geben, aber er scheint nicht da zu sein, da wollte ich fragen, ob sie mich freundlicher Weise reinlassen könnten, damit ich es in seinen Briefkasten stecken kann.", antwortete er. Er hasste es zu lügen, aber in diesem Fall war es nicht anders möglich. "Aber natürlich.", sagte die Stimme und schon ging der Türsummer und die Tür ließ sich ohne weiteres öffnen. Ricu bedankte sich noch und betrat das Haus. Dann ging er die Treppen hoch. Irgendwo im 3. Stock musste Katzujas Wohnung sein. Als er sie schließlich gefunden hatte, zögerte er noch einen Moment. Dann atmete er tief ein und klopfte zaghaft an. Zuerst geschah gar nichts und Ricu dachte schon, dass Katzuja vielleicht tatsächlich nicht zu Hause war oder es nicht gehört hatte. Aber dann waren Schritte von drinnen zu vernehmen und schließlich wurde die Tür geöffnet. Als Ricu Katzuja sah, begann sein Herz sofort wieder schneller zu schlagen und ihm wurde ganz heiß und kalt zugleich. "WAS WILLST DU DENN HIER?", donnerte Katzuja. "I…Ich wollte nur~" "DU WOLLTEST WAS?", fragte Katzuja und funkelte Ricu böse an. Dieser schluckte, zog die Geldbörse aus seiner Jackentasche und hielt sie ihm mit zitternder Hand hin. "D…Das hast du verloren.", stammelte er. Katzuja riss sie ihm aus der Hand, wobei Ricu erschrocken zusammenzuckte und ein Stück zurückwich. Skeptisch begutachtete Katzuja seine Geldbörse und öffnete sie, um zu sehen, ob noch alles drin war. "Wenn was fehlt, mach ich dich fertig.", fauchte er Ricu an. Dieser war total entrüstet über die vermeintliche Unterstellung, die ihm hier gemacht wurde. Er, ein Dieb? Niemals! "Ein einfaches `Danke` hätte gereicht!", zischte er. Worauf hin Katzuja ihn ein wenig misstrauisch anschaute und Ricu sofort wieder verstummte. "Gut, Danke! Und jetzt verzieh dich, bevor ich es mir anders überlege und dich doch noch verprügel!", meinte Katzuja scharf. Enttäuscht und vorwurfsvoll schaute ihn der eindeutig Kleinere an. "Warum bist du so gemein zu mir? Was habe ich dir denn getan?", fragte er gekränkt. "Das kann dir egal sein!", meinte Katzuja nur kurz. "Ist es aber nicht!", erwiderte Ricu. "Du würdest das sowieso nicht verstehen!", sagte Katzuja schon etwas genervt. "Dann erklär´s mir!" "Das würde zu lange dauern.", antwortete Katzuja und wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen. Aber Ricu reagierte blitzschnell und stellte seinen Fuß dazwischen. Durch die halbgeschlossene Tür sagte er leise und kaum hörbar: "Ich… habe Zeit!" Die Tür öffnete sich wieder und Katzuja schaute ihn mit hochgezogener Augenbraue an. "Eher verschwindest du hier wohl nicht, was?", meinte er schließlich. Doch Ricu lächelte ihn nur schüchtern an. Katzuja musste zugeben, dass es mit Abstand das schönste Lächeln war, das er je gesehen hatte, aber er verdrängte diesen Gedanken sofort wieder. "Also schön!", gab er sich geschlagen und bat ihn herein. Das ließ Ricu sich nicht zweimal sagen und er huschte an Katzuja vorbei in dessen Wohnung. Im Flur blieb er abrupt stehen und sah sich mit großen, staunenden Augen um. "Das ist ja der Wahnsinn!", meinte er völlig fasziniert von dem Anblick, der sich ihm bot. Katzujas Wohnung war das komplette Gegenteil von der in der er lebte. Sie war hell und sehr geräumig. Zwei große Flügeltüren bildeten vom Flur aus den Zugang ins Wohnzimmer in dem sich riesige Fenster vom Boden bis fast unter die Decke erstreckten. Luftige, hellblaue Gardinen hingen in langen Bahnen rechts und links von ihnen hinab. In der Mitte des Zimmers standen eine Couch und ein Sessel, die beide in einem freundlichen hellblauen Farbton gehalten waren und ein kleiner, gläserner Couchtisch, auf dem eine Schale mit Obst stand. Dem gegenüber stand eine buchefarbene Schrankwand mit einem Fernseher. Links neben der Schrankwand befand sich ein Regal in dem hunderte von Büchern standen und auf der rechten Seite waren in einer Vitrine Fotos und einige CDs ausgestellt. Alles passte einfach perfekt zu dem dunkelblauen Teppichboden und bildete eine harmonische Atmosphäre. Überall standen größere Pflanzen in hübscher Aufmachung auf dem Boden und gaben dem Ganzen noch den letzten Schliff. Vom Wohnzimmer aus konnte man direkt in die amerikanische Küche gelangen. Beide Räume waren durch eine Art Tresen voneinander abgegrenzt, so dass es einem nicht als ein großes Ganzes vorkam. Der Küchenboden war mit großen, terrakottafarbenen Fliesen ausgelegt und ahornfarbene Schränke bildeten die Einrichtung. Vom Flur her gelangte man außerdem rechts ins Badezimmer, welches in blau- weißen Nuancen gehalten war. Ging man geradeaus durch, kam man ins Schlafzimmer, das mit Laminat ausgelegt war und in dessen Mitte ein riesiges Futonbett stand. Fast alle Farben vom Rest der Wohnung waren in diesem Zimmer nochmals aufgegriffen, was die Wohnung in ihrem Erscheinungsbild perfekt machte. Kapitel 3: Wahrheiten --------------------- Ricu kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und bemerkte gar nicht, dass Katzuja bereits in die Küche verschwunden war. Denn auch wenn er sich anderen gegenüber nicht gerade sehr freundlich benahm, so war er doch mit Sicherheit kein schlechter Gastgeber. "Möchtest du etwas trinken?", rief er Ricu aus der Küche zu, aber er bekam keine Antwort. Er verließ die Küche und ging in den Flur zurück. Dort stand Ricu noch immer und betrachtete gerade ein großes Wandbild, von denen es in der Wohnung mehrere gab. "Sag mal, willst du hier Wurzeln schlagen oder was?", fragte ihn Katzuja etwas genervt. Es bereitete ihm Unbehagen, dass ein Fremder außerhalb seines Sichtfeldes in seiner Wohnung herumschlich. "Hast du die ganzen Bilder gemalt?", wollte Ricu wissen. "Die sehen echt toll aus!", fügte er noch hinzu. Katzuja fühlte sich geschmeichelt. Noch nie hatte jemand seine Bilder so genau betrachtet wie der Kleine es tat. Doch er ließ sich nichts anmerken und meinte nur kurz: "Ja, sind von mir." Dann packte er Ricu sanft und doch zwingend am Arm und ohne, dass dieser sich hätte wehren können, zog er ihn ins Wohnzimmer. Dort ließ er ihn wieder los. "Willst du nun etwas trinken oder nicht?", fragte ihn Katzuja erneut. Ricu schaute ihn entgeistert an, fing sich aber gleich wieder und nickte mit dem Kopf. "J…Ja, bitte!", meinte er dann etwas zögernd und schon machte Katzuja kehrt und ging wieder in die Küche, um Tee zu kochen. In der Zwischenzeit sah sich Ricu im Wohnzimmer etwas genauer um und entdeckte schließlich in der Vitrine ein Foto auf dem Katzuja und ein kleiner Junge, der ihm sehr ähnelte abgebildet waren. Es musste schon etwas älter sein, da Katzuja noch sehr jung darauf war. Ricu öffnete vorsichtig die Vitrine, nahm das Foto in die Hand und betrachtete es sich etwas genauer. "Ist das dein Bruder?", fragte er ohne sich von dem Bild abzuwenden. Katzuja schaute erschrocken auf. Als er sah, was Ricu in der Hand hielt, ging er schnellen Schrittes auf ihn zu und riss ihm das Foto aus der Hand. "FASS HIER NICHTS AN, KLAR?", fauchte Katzuja. Ängstlich schaute Ricu ihn an. "T…Tut mir leid. Ich wusste nicht~" "Schon gut.", sagte Katzuja etwas ruhiger. "Jetzt setz dich, der Tee ist gleich fertig!" Dann stellte er das Foto behutsam an seinen Platz zurück, schloss die Vitrine und ging in die Küche. Kurz darauf kam er mit einem Tablett zurück, welches er auf dem Couchtisch abstellte. Er reichte Ricu eine der beiden Tassen. Dieser bedankte sich und Katzuja setzte sich zu ihm auf die Couch. Gedankenverloren rührte er mit einem Löffel in seinem Tee herum und Ricu nippte ein paar Mal an seiner Tasse. Dann stellte er sie auf den Tisch und Wandte sich an Katzuja. "Also, dann erzähl mal!" Ohne sich groß von seinen Gedanken abbringen zu lassen erwiderte dieser: "Was soll ich erzählen?" "Das weist du ganz genau!", meinte Ricu etwas verärgert, was Katzuja aus seinen Gedanken hochschrecken ließ. Böse schaute er ihn an. "Hey, werd ja nicht frech, klar, sonst kannst du gleich wieder gehen!", meinte er sauer. "Entschuldige! Aber… du hast gesagt, dass~" "ICH WEIS, WAS ICH GESAGT HABE.", fuhr er den Kleinen an, der sofort noch kleiner wurde. Anscheinend entsetzt über seinen eigenen Tonfall wandte er sich schnell wieder ab. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? »Hätte ich den Kleinen doch vorhin einfach Draußen stehen lassen, aber nein, ich musste mich ja unbedingt von seinem süßen Lächeln entwaffnen lassen! Shit, warum habe ich nur eingewilligt? Es geht ihn doch ´nen Scheißdreck an! Und wenn ich ihn einfach rausschmeiße?« Unauffällig sah er zu Ricu hinüber. Dieser saß schweigend mit gesenktem Kopf neben ihm und schien seine Hände äußerst interessant zu finden, da er diese eingehend betrachtete. »Verdammt, warum muss der denn so, so… aaargh! Okay Katzuja, ganz ruhig! Ich werde ihm einfach sagen, was er wissen will! Der Rest geht ihn nichts an - er muss ja nicht gleich meinen gesamten Lebenslauf erfahren!« Mit diesem Entschluss wandte er sich wieder von Ricu ab, um seine Gedanken zu sammeln und zu überlegen, was er sagen sollte. "Mein kleiner Bruder ist vor zwei Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen!", begann er nach kurzem Schweigen wieder. "Der Junge auf dem Foto?", fragte Ricu. Katzuja lächelte leicht als er an seinen kleinen Bruder dachte. "Ja. Du erinnerst mich an ihn. Ihr beide seid euch sehr ähnlich, zumindest vom Charakter her.", fuhr er fort. "Wir sind auf einem kleinen Hof außerhalb der Stadt aufgewachsen. Wir waren eine glückliche Familie, aber dann verlor mein Vater seine Arbeit." Sein Blick verfinsterte sich. "Er begann zu trinken und schlug meine Mutter, wenn er abends betrunken nach Hause kam. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und verließ ihn. Sie nahm meinen kleinen Bruder mit sich, aber mich ließ sie zurück. Sie konnte nicht uns Beide durchbringen, da das Geld gerade so reichte. Sie wusste, dass ich stark genug war mich gegen meinen Vater zur Wehr zu setzen, ganz im Gegensatz zu meinem kleinen Bruder. Mein Vater war gezwungen den Hof zu verkaufen und so zogen wir in eine billige Wohnung in der Stadt. Ich versuchte mit Nebenjobs etwas Geld aufzutreiben, aber er investierte alles in Alkohol. Er verprügelte mich fast jeden Tag und gab mir an allem die Schuld. Mit 18 zog ich schließlich aus und machte mich auf die Suche nach meiner Mutter und meinem Bruder, aber ich konnte sie nirgends ausfindig machen. Vor sechs Monaten erfuhr ich dann schließlich von dem Unfall. Sie waren mit dem Auto unterwegs. Es war schon sehr spät. Plötzlich tauchte hinter ihnen ein weiterer Wagen auf. Er drängte sie von der Strasse und sie fuhren mit voller Wucht gegen einen Baum - Sie waren beide sofort tot. Der Fahrer des anderen Pkws beging Fahrerflucht, aber die Polizei fand ihn nach einigen Tagen und es stellte sich heraus, dass er am Abend des Unfalls total betrunken war." Katzujas Hände ballten sich zu Fäusten. Plötzlich spürte er eine Hand, die sich beruhigend auf seinen Arm legte. Er blickte auf und sah in Ricus Augen, die ihn voller Mitgefühl ansahen. "Es tut mir so leid.", meinte dieser. "Wenn ich das gewusst hätte, dann~" "Ist schon okay!", wehrte Katzuja ab. Eigentlich hatte er das alles gar nicht erzählen wollen, aber irgendwie konnte er nicht aufhören. Es tat gut, endlich mit jemandem darüber zu reden. Nie hatte er auch nur ein Wort darüber verloren, nicht einmal seine Freunde wussten von dem, was er gerade dem Blonden berichtet hatte. "Es ist ja nicht so, dass es deine Schuld gewesen währe, was damals passiert ist. Ich hätte dich nicht anschreien dürfen und dich verprügeln zu wollen war auch nicht gerade nett." Katzuja bereute zutiefst, wie er den Kleinen behandelt hatte und irgendwie wollte er nicht, dass dieser ihn so in Erinnerung behielt. Ricu war indes zwischen seinen Gefühlen hin und her gerissen. Katzuja hatte so süß ausgesehen, als er sich bei ihm für sein gemeines Verhalten entschuldigt hatte. Am liebsten hätte er ihn einfach geküsst, andererseits hatte er Angst vor Katzujas Reaktion, wenn er es tatsächlich tun würde. "Vielleicht könnten wir ja Freunde werden!?", meinte dieser plötzlich, während er nachdenklich auf den Boden schaute. Als Ricu Katzujas Worte hörte und deren tieferen Sinn langsam verstanden hatte, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Er beugte sich zu Katzuja vor, schloss die Augen und hauchte ihm einen kleinen, schüchternen Kuss auf die Wange. Als er die Augen öffnete, schaute Katzuja ihn überrascht an. Doch als er sich wieder gefangen hatte, verfinsterte sich sein Blick. Sofort bereute Ricu, was er gerade getan hatte. "Ich… Akai, e…es tut mir leid, ich wollte nicht…" Weiter kam er nicht, denn Katzuja packte ihn nicht gerade sanft an den Handgelenken und drückte ihn mit aller Kraft auf die Couch, so dass Ricu unter ihm lag. Dieser riss die Augen auf und sah Katzuja erschrocken an, wandte aber sofort den Blick ab, als dieser ihm wütend in die Augen sah. »Na super, dass hab ich ja mal wieder toll hinbekommen. Was hab ich da nur angerichtet. Ich Idiot! Er hält mich bestimmt für einen Perversen! Jetzt hasst er mich sicherlich noch mehr als vorher.«, dachte Ricu, während er versuchte sich aus Katzujas festem Griff zu befreien, was ihm jedoch nicht gelingen wollte, da dieser weitaus stärker war als er. "Lass los! Du tust mir weh!", flehte er Katzuja an, den Blick noch immer abgewandt, doch dieser reagierte nicht auf sein Bitten und so gab Ricu es auf sich zu wehren, es hatte ja doch keinen Zweck. Tränen stiegen ihm in die Augen. Er hatte das alles nicht gewollt. Warum nur musste es so weit kommen? Aber plötzlich ließ Katzuja Ricus linkes Handgelenk ruckartig los. Sofort zuckte der Kleine zusammen und kniff die Augen zu. » Jetzt schlägt er gleich zu!« Er wusste, dass Katzuja ein solches Geschehen nicht einfach auf sich sitzen lassen würde und da war es egal, ob Ricu ihn nun an seinen kleinen Bruder erinnerte, oder nicht. Doch Anstelle eines harten Schlages, spürte er eine warme Hand, die sich an seine Wange schmiegte und sanfte Lippen legten sich auf seine. Erschrocken riss er die Augen auf, doch nur um sie gleich wieder zu schließen. Mit einer solchen Reaktion hatte er überhaupt nicht gerechnet. Sein Herz begann wie wild zu schlagen und der feste Griff um sein rechtes Handgelenk löste sich ebenfalls. Ricu glaubte zu träumen und fragte sich gleichzeitig, ob dies auch wirklich geschah. »Lieber Gott, bitte lass es Wirklichkeit sein! Lass ihn nie wieder aufhören!« Zum Ersten Mal seit langem, fühlte Ricu sich wohl, konnte alles um sich herum einfach vergessen und sich ganz diesem schönen, neuen Gefühl hingeben. Katzuja schob seine freie Hand unter Ricus Oberkörper und zog ihn näher an sich heran. Er wusste selbst nicht so genau, was er hier eigentlich gerade tat. Er konnte einfach nicht anders. Irgendwie hatte der Kuss des Kleinen in ihm etwas ausgelöst, was er noch nie zuvor empfunden hatte. Hätte man ihn gefragt, er hätte es nicht beschreiben können. Beide saßen sich küssend gegenüber und Ricus Herz schlug so laut, dass man es wahrscheinlich ohne weiteres hören konnte, aber das war ihm im Moment egal. Er wollte einfach nur in Katzujas Armen liegen und alles andere vergessen. Noch etwas zögernd legte er seine Arme um Katzuja und vertiefte so ihren Kuss. Katzujas rechte Hand, die bis dahin noch an Ricus Wange ruhte, ließ von dieser ab und legte sich in seinen Nacken, von wo aus sie begann ihm durch die kurzen Haare zu kraulen. Ricu hätte ewig so verharren können, aber Katzuja wollte noch weiter gehen und so löste er ihre Verbindung und begann Ricu die Jacke über die Schultern abzustreifen, was dieser auch bereitwillig zuließ. Dann zog er ihm das Oberteil der Schuluniform aus und warf es zu Boden. Während Katzuja dies alles tat, schaute Ricu ihm verträumt in die sanften, braunen Augen. Er hatte das Gefühl in ihnen zu versinken, immer und immer tiefer. Dann spürte er Katzujas Lippen wieder auf den seinen ruhen und er schloss seine Augen. Katzuja begann Ricus Hals zu küssen. Dieser legte den Kopf zur Seite, um ihm eine größere Angriffsfläche zu bieten. Aber auch Katzujas Hände blieben nicht untätig. Er ließ sie sanft von Ricus Rücken aus über dessen Hüfte gleiten und hielt dort inne. Er schien zu überlegen, ob er nun weitermachen sollte oder nicht, aber es dauerte nur kurz bis er sich entschied fort zu fahren. Er machte sich daran Ricus Hose zu öffnen, während er ihn weiter mit seinen Lippen liebkoste. Als Ricu merkte, was Katzuja vorhatte, riss er entsetzt die Augen auf und stieß diesen nicht gerade sanft von sich. "Nein, nicht! Hör auf!", rief er mit zittriger Stimme. Katzuja sah ihn fragend an. Meinte dann aber beruhigend: "Keine angst Kleiner. Ich tu dir nicht weh! Ich versprechs!" Dann beugte er sich wieder vor, um dort weiter zu machen, wo er aufgehört hatte. Doch Ricu stieß ihn wieder weg und stand schnell von der Couch auf. Die Arme vor der Brust gekreuzt und die Hände auf die Schultern gelegt, stand er mit gesenktem Kopf zu Katzuja gewand ein paar Schritte von der Couch entfernt. Erst jetzt vielen Katzuja die Blessuren an Ricus Oberkörper und dessen Armen auf. Neben einigen noch frischen Verletzungen, die nicht älter als zwei Tage waren, konnte er die Narben von bereits verheilten Wunden ausmachen. Fassungslos sah er den Kleinen an. "Was zum … Wer hat dir das angetan?", fragte er ihn besorgt. Doch Ricu konnte nichts mehr sagen, er wollte nichts mehr sagen. Katzuja sollte nicht wissen, wieso er so schrecklich `entstellt` war. »Sieh mich nicht an, bitte! Schau einfach weg und vergiss, was du gesehen hast!«, dachte Ricu, in der Hoffnung, dass Fortuna ihm wohl gesonnen war. Er zitterte am ganzen Körper und musste sich beherrschen, um nicht in Tränen auszubrechen. Am liebsten hätte er seine Sachen genommen und wäre davon gelaufen. Weg von Katzuja und dessen fragenden, besorgten Blicken. Als Katzuja keine Antwort bekam, stand er auf und ging zu Ricu. Behutsam legte er seine rechte Hand unter dessen Kinn und hob es hoch, so dass er ihm ins Gesicht sehen konnte. "Hey, du kannst es mir ruhig sagen, wenn du Probleme hast!", versicherte er ihm mit sanfter Stimme. Ricu sah ihn unsicher an und seine Augen begannen sich mit Tränen zu füllen. Schließlich wies er alle Zweifel von sich und begann mit gesengtem Blick von dem ihm auferlegten Schicksal zu erzählen. "Mein Vater starb bei einem Flugzeugabsturz als ich fünf Jahre alt war. Er war Amerikaner und von ihm habe ich auch meine blonden Haare. Er war immer mein Vorbild gewesen und nachdem er starb, lebte ich Jahre lang mit meiner Mutter allein, bis sie meinen Stiefvater kennen lernte und ihn heiratete. Am Anfang war noch alles gut, aber dann…. " Ricu machte eine kleine Pause und atmete tief durch. Dann fuhr er fort. "Er begann meine Mutter zu schlagen und misshandelte sie." "Warum hat sie sich nicht von ihm scheiden lassen?", unterbrach ihn Katzuja. Ricu schüttelte nur mit dem Kopf. "Er hatte ihr gedroht sie umzubringen, wenn sie es wagen sollte sich gegen ihn zu stellen.", begründete er. Dann sprach er weiter. "Seitdem sie tot ist, wohnen er und ich in einer kleinen Wohnung am Rande der Stadt. Wir sind hergezogen, weil wir uns unsere alte Wohnung nicht mehr leisten konnten. Mein Stiefvater ist seit Jahren arbeitslos, hängt nur noch im Rotlicht- Viertel rum und verschleudert da unser ganzes Geld. Wir können die Wohnung gerade mal so bezahlen, aber das ist ihm egal, genau wie ich!" Wieder machte er eine Pause, um sich etwas zu beruhigen. "Hatte deine Mutter einen Unfall?", fragte Katzuja ihn. "Nein, mein Stiefvater hat… sie umgebracht.", antwortete Ricu mit heiserer Stimme. Katzuja schaute ihn entsetzt an. "Was? Aber wieso?" Ricu zuckte mit den Schultern. "Sie hatte sich immer nach ihm gerichtet und alles erduldet, was er ihr antat. Aber… sie war ihm anscheinend nicht gut genug für seine dreckigen Spielchen!", brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und wieder begannen Tränen seinen Blick zu verschleiern. "Hast du ihn angezeigt?", fragte Katzuja. Ricu nickte. "Sie glaubten mir nicht.", antwortete er mit einem tränenersticktem Flüstern. "Mein Stiefvater kam dahinter, dass ich bei der Polizei war und zur Strafe hat er…" Ricu brach mitten im Satz ab. Eine Träne rann über seine Wange und das Zittern wurde stärker. "Hat er dir das angetan?", kam es von Katzuja. Wieder nickte Ricu und Katzuja wagte kaum auszusprechen, was er sich schon längst gedacht hatte. "Er… er vergewaltigt dich, nicht wahr?" Kaum hatte er es ausgesprochen, sank Ricu vor ihm auf die Knie und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er konnte seine Tränen nun nicht mehr zurückhalten und ließ ihnen freien Lauf. Jahrelang hatte er niemandem von den Misshandlungen seines Stiefvaters erzählt, aber nun konnte er es nicht mehr. Wenn er weiterhin schwieg, würden ihn sein Kummer und der Schmerz irgendwann vernichten. "Ich… ich dachte, es währe nur das eine Mal, aber… er kam immer öfter und wollte jedes Mal mehr. Irgendwann fing er an… mich an seine Freunde zu verkaufen. Er sagte ich wäre eh nur für das eine gut…", brachte Ricu mit von tränenerstickter Stimme hervor. "Was soll ich nur tun? Ich weis nicht was ich tun soll!", schluchzte er. Katzuja kniete sich neben ihn und zog ihn behutsam in seine Arme. Beruhigend und so vorsichtig wie möglich, streichelte er über Ricus geschundenen Rücken, der unter den Schluchzern bebte und versuchte ihn so gut es ging zu trösten. Er konnte einfach nicht begreifen, wie jemand einem Menschen wie Ricu so etwas antun konnte, auch wenn er selbst ihn noch vor weniger als zwei Stunde verprügeln wollte. Aber so etwas, nein, das könnte er nicht. Er betrachtete Ricu, der sein Gesicht in seinem Pullover verborgen hatte. Dieser kleine, hilflose Körper, der schon so viel gelitten hatte, in den wenigen Jahren, die er auf dieser Welt war. In dem Moment fasste Katzuja einen Entschluss. Er würde Ricu aus den Fängen seines Stiefvaters befreien, koste es was es wolle. Er wollte ihn beschützen, für ihn da sein. Vielleicht wollte er so das wieder gut machen, was er bei seinem kleinen Bruder nicht geschafft hatte, aber vielleicht lag es auch an seinen Gefühlen, die er für den Kleinen empfand. Es war nicht etwa Mitleid oder etwas derartiges, nein, es war etwas anderes. Etwas, das Katzuja noch nie zuvor gefühlt hatte. Es war ein schönes Gefühl und er wollte es um keinen Preis der Welt wieder hergeben, genau wie er den Kleinen nicht mehr hergeben mochte. Er wollte ihn für sich, er wollte ihn ganz und gar mit Körper und Seele und er würde dafür sorgen, dass ihm niemand mehr ein Leid zufügt. Ja, er würde Ricus Leiden ein für alle mal beenden! Egal wie! Kapitel 4: Gefühle und Erkenntnisse ----------------------------------- Noch über eine halbe Stunde saßen sie so auf dem Boden im Wohnzimmer und langsam ließ das Schluchzen des Kleinen nach, bis es nur noch ab und an zu hören war. Er weinte, bis er schließlich in Katzujas Armen eingeschlafen war. Vorsichtig, um ihn nicht aufzuwecken, hob Katzuja ihn auf seine Arme. »Wie leicht er ist!«, dachte er. Er hatte es zwar schon vorhin bemerkt, als er ihn am Kragen hochgehoben hatte, aber da nahm er es nicht wirklich für voll. Er trug ihn in sein Schlafzimmer, wo er ihn behutsam aufs Bett legte und zudeckte. Mit einem traurigen Lächeln betrachtete er den schlafenden Körper. Er glich einem kleinen, unschuldigen Engel, der vom Himmel gefallen war und nun nicht mehr fliegen konnte, weil seine Flügel gebrochen waren. Leise wandte er sich ab, um das Zimmer wieder zu verlassen. Doch jemand hielt ihn am Arm fest. Katzuja drehte sich um und sah in Ricus flehende Augen. "Geh nicht weg! Bitte, …bleib hier!", bat er ihn mit flüsternder Stimme. Katzuja lächelte ihn an. "Hey, dir tut hier niemand etwas. Ich pass schon auf dich auf!", erwiderte er und streichelte mit der freien Hand Ricus Wange. Dieser schmiegte sich näher an sie. Doch als Katzuja sich dann wieder von ihm abwandte, um den Raum zu verlassen, wurde Ricus Blick nur noch flehender und seine Hände schlossen sich fester um Katzujas Arm. "BITTE!", flehte er nochmals mit Nachdruck. Katzuja sah, wie wichtig es für den Kleinen war, dass er bei ihm blieb und so gab er sich geschlagen. "Gut, ich bleibe hier!", meinte er schließlich und legte sich zu Ricu ins Bett. Sofort kuschelte sich dieser instinktiv an ihn und Katzuja legte schützend einen Arm um ihn. "Akai, ich hab dich sehr gern!", murmelte Ricu im Dämmerschlaf, während er Katzujas Herzschlag lauschte. Einen kurzen Moment später war der Kleine wieder im Land der Träume und lag unschuldig in Katzujas Armen. Dieser hingegen war total überrascht über die Worte, die der Kleine ihm gerade noch zugeflüstert hatte. »Er…hat mich…gern?« Niemals hatte jemand so etwas liebes zu ihm gesagt, noch nicht einmal seine Ex- Freundin, von der er sich schon eine Woche nach ihrem Zusammenkommen wieder getrennt hatte. Er konnte sich damals nicht erklären, warum er mit ihr nicht zurechtkam. Warum er sich so unwohl fühlte, wenn sie sich geküsst hatten oder sie ihm einfach nur zu nahe kam. Irgendwann hatte er beschlossen ihr die Schuld daran zu geben, aber jetzt begriff er, wer wirklich schuld daran war. Er selbst war das Problem gewesen. Plötzlich wurde ihm einiges klar. Er fühlte sich zu Männern hingezogen, was ihn schon oft unbewusst in Verlegenheit gebracht hatte. Zum Beispiel, wenn er mit seinen Kumpeln im Schwimmbad war oder sie nach dem Schulsport gemeinsam duschen waren. Zwar hatte er diese Tatsache immer wieder verdrängt, da er es nicht wahr haben wollte, aber jetzt war er sich sicher und wenn er ehrlich war störte es ihn auch nicht wirklich. »Aber was wenn sie es herausfinden? Sie werden mich verachten!« Immerhin ging nicht jeder damit um wie er es tat. Schon oft hatte er gehört wie andere Menschen auf einen wie ihn reagierten und genau diese Reaktion war es, die ihm Angst machte. Plötzlich spürte er wie Ricu sich in seinem Arm bewegte und ihn so aus seinen Gedanken riss. Er schaute in das schlafende Gesicht des Kleinen, der ihn so lieb ansah, als ob er ihm sagen wollte: `Mach dir keinen Kopf! Niemand wird dich verachten!` Dieser Ausdruck war es auch, der ihn dazu brachte wieder zu lächeln. Er schob die dunklen Gedanken beiseite und zog Ricu noch näher an sich heran. Sollten die doch alle denken was sie wollten, solange es nur einen gab, der ihn gern hatte war er zufrieden. Er strich ein paar Strähnen aus dem Gesicht des Kleinen und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. Nun endlich konnte er auch das Gefühl erklären, welches er vorhin Ricu gegenüber empfunden hatte. Er mochte den Kleinen nicht einfach nur! Nein, er hatte sich tatsächlich in ihn verliebt. Mit diesem letzten Gedanken und im Wohlwissen, dass Ricu so nah bei ihm war, schlief er zufrieden ein. Kapitel 5: Ein neuer Morgen --------------------------- Am nächsten Morgen war Katzuja schon früh wach. Draußen war es noch dunkel, nur der Mond, der durch das Fenster schien, spendete ein wenig Helligkeit und tauchte das Zimmer in ein fahles, weißes Licht. Katzuja setzte sich auf und schaute neben sich, wo Ricu noch immer tief und fest schlief. Der Kleine hatte sich im Laufe der Nacht von ihm gelöst - ohne sich jedoch allzu weit von ihm zu entfernen - und sich stattdessen fest in die warme Daunendecke eingekuschelt. »Er sieht so friedlich aus!«, dachte Katzuja und ein leichtes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Langsam legte er sich wieder hin und beobachtete den Kleinen stillschweigend. Schließlich hob er die Hand und strich ihm sanft durch die weichen, blonden Haare. Ricu, der bis dahin noch mit dem Gesicht zu Katzuja gewandt auf der Seite lag, drehte sich nun leise seufzend auf den Rücken, was Katzuja dazu veranlasste schnell seine Hand wegzuziehen. Er glaubte schon den Kleinen geweckt zu haben, aber als dies nicht der Fall zu sein schien atmete er erleichtert auf. Ricus Gesicht war nun vollständig in das weiße Licht des Mondes getaucht und ließ es dem eines Engels gleich erscheinen. Eindringlich musterte Katzuja ihn, wobei sein Herz begann immer schneller zu schlagen. Ricus Lippen schimmerten im fahlen Licht des Mondes und Katzuja verspürte den Drang sie zu berühren. Er stützte sich mit einem Arm auf und ließ sanft seine Finger über sie streichen. Dann beugte er sich zu Ricu hinüber. Langsam näherte sich sein Gesicht dem des Kleinen und schließlich berührten sich ihre Lippen. Katzuja genoss es, war aber trotzdem vorsichtig, um ihn nicht zu wecken. Doch schon einen Augenblick später musste er sich wieder von Ricu lösen. Das Gefühl in ihm wurde immer stärker und raubte ihm fast den Verstand. Außerdem wusste er nicht, was er getan hätte, wenn es die Oberhand gewonnen hätte. Wahrscheinlich wäre alle Vorsicht von ihm gewichen und er hätte dem Kleinen womöglich wehgetan, was er auf keinen Fall wollte. Also lies er von Ricu ab, legte sich neben ihn auf den Rücken und versuchte das Gefühl wieder unter Kontrolle zu bringen, was nicht gerade einfach war. Immer wieder sah er zu Ricu, der noch immer fest schlief und von alledem nichts mitbekommen hatte. Sobald er ihn ansah, drohte das Gefühl wieder heraus zu brechen und so beschloss Katzuja lieber aufzustehen. Vorsorglich schaltete er den Alarm des Weckers aus, damit der Kleine noch etwas länger schlafen konnte und verließ schließlich leise das Zimmer. In der Wohnstube setzte er sich erst einmal auf die Couch und atmete ein paar Mal tief durch, dann stand er auf und ging ins Bad, wo er sich etwas Wasser ins Gesicht spritzte und sich anzog. Bis es an der Zeit war den Kleinen zu wecken, bereitete er das Frühstück vor, während Draußen langsam die ersten Sonnenstrahlen den Himmel in ein sanftes Orange- Rot tauchten. Schließlich ging Katzuja ins Schlafzimmer, um Ricu zu wecken. Als er den Raum betrat, lag der Kleine, noch immer ruhig schlafend mit dem Rücken zu ihm gewand in dem großen Bett. Er hatte sich fest in die Decke eingekuschelt, nachdem die Wärme des anderen Körpers plötzlich verschwunden war. Katzuja tat es fast leid, dass er ihn jetzt wecken musste. Schwache Sonnenstrahlen kitzelten die weiche Haut des blonden Jungen, der unter dem sachten Rütteln einer anderen Person etwas zu murren begann. Er zuckte zusammen und war sofort hellwach, als er realisierte, dass er nicht alleine war. Ruckartig setzte er sich auf und schlug Katzujas Hand weg. Doch schon im nächsten Moment erkannte er, dass er nicht, wie er glaubte bei sich zu Hause und die Person, die ihn geweckt hatte auch nicht sein Stiefvater war. Ängstlich schaute er denjenigen an, dessen Hand er soeben weg geschlagen hatte. Sofort stieg ihm die Röte ins Gesicht, als er Katzuja erkannte, der ihn mit besorgtem Blick ansah. Schnell wandte Ricu den Blick wieder ab. "Hey, alles in Ordnung? Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe!", meinte Katzuja und lächelte Ricu entschuldigend an. Verlegen schüttelte dieser den Kopf. "N… Nein, schon gut. Ich dachte nur du wärst…", begann er leise endete aber mitten im Satz und schaute betrübt auf seine Hände, die auf seinem Schoß ruhten. Katzujas Lächeln verschwand augenblicklich, denn er wusste, was der Kleine sagen wollte, auch wenn dieser den Satz nicht beendet hatte und so wechselte Katzuja schnell das Thema, um ihn wieder etwas aufzuheitern. "Hast du gut geschlafen?", fragte er. Ricu schaute ihn zuerst irritiert an, nickte dann aber etwas verlegen. Er hatte tatsächlich selten so gut geschlafen. Das Bett war wunderbar weich, nicht so wie das Seine, wenn man das überhaupt als Bett bezeichnen konnte. Außerdem war es die erste Nacht seit langem, in der er einmal keinen Alptraum hatte. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt die Nacht bei Katzuja zu verbringen, was ihm jetzt doch etwas unangenehm war. "Ich habe dir deine Sachen und noch einen Pullover gebracht. Draußen ist es ziemlich kalt und ich denke mal, dass deine Jacke allein zu dünn sein wird. Wenn du dich angezogen hast können wir dann Frühstücken!", sagte Katzuja und holte so den Kleinen aus seinen Gedanken. "Ähm… Ja. Danke!", meinte Ricu schüchtern. Dann ging Katzuja wieder in die Küche. Ricu zog sich rasch an und folgte ihm nach kurzer Zeit. Als er die Küche betrat blieb er mit großen Augen stehen. Auf dem Tisch standen neben einem Korb mit frischen Brötchen auch diverse Sorten Marmelade und eine Kanne mit Orangensaft. Er hatte nie zuvor einen so reich gedeckten Frühstückstisch gesehen. Katzuja bemerkte Ricus Blick. "Was ist los? Willst du dich nicht setzen?", fragte er lächelnd, da Ricu einfach zu niedlich aussah mit dem viel zu großen Pullover und den noch verwuschelten Haaren. Langsam näherte sich der Kleine und setzte sich schließlich auf einen der beiden Stühle. Aber das war es dann auch schon wieder, denn mehr traute er sich nicht. "Bedien dich!", ermutigte ihn Katzuja und setzte sich auf den Stuhl Ricu gegenüber. Doch Ricus Verlegenheit ergriff nun wieder Besitz von ihm. "Vielen Dank, aber... ich hab keinen... Hunger.", nuschelte er. "Ach komm schon Kleiner! Das Essen ist weder vergiftet, noch ist das sinnlos gemacht worden." "Wie meinst du das?" Doch ehe er etwas dagegen unternehmen konnte, knurrte sein Magen wie auf Befehl, als er den Geruch der warmen Brötchen wahrnahm. "Ist die Frage nun geklärt?", meinte Katzuja lächelnd und Ricu wünschte sich ganz weit weg von hier. Dann hielt Katzuja ihm den Korb mit den Brötchen hin. "Danke.", nuschelte der Blonde leicht errötend und nahm sich eines. Doch obwohl er einen ziemlichen Hunger hatte, war er schon nach einer Hälfte des Brötchens wieder satt. Katzuja schaute ihn verwundert an. "Was ist los? Bist du etwa schon fertig?" Als Antwort bekam er nur ein schüchternes Nicken und schließlich meinte Ricu leise: "Ich esse nie sehr viel… zum Frühstück! Tut mir leid!" Er senkte den Kopf und schaute resigniert auf seinen Teller vor sich. Katzuja glaubte sich verhört zu haben. Schüttelte dann aber den Kopf. "Wofür entschuldigst du dich denn? Etwa dafür, dass du satt bist?", fragte er mit sanfter, ruhiger Stimme. Ricu nickte verlegen, ohne Katzuja anzusehen. "Aber dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen!", meinte Katzuja beschwichtigend und lächelte leicht. Ricu hob ruckartig den Kopf und schaute Katzuja fest an. "Doch… doch das muss ich!", meinte er wütend über sich selbst und Katzuja schaute ihn erschrocken an. "Du… du hast dir so viel Mühe gegeben und ich… ich…" Ricu verstummte. Er war den Tränen nahe und wäre am liebsten aufgestanden und davon gelaufen. Katzuja, der sich inzwischen wieder von dem Schreck erholt hatte, schaute den Kleinen mit einem traurigen Lächeln an, was Ricu total aus seinem Konzept brachte. »Warum sieht er mich so an? Ist er jetzt böse auf mich? Das wollte ich nicht!« Unweigerlich begann Ricu zu zittern und wich Katzujas Blick schnell aus, indem er zur Seite sah. Plötzlich stand dieser auf und ging auf ihn zu. Neben Ricu blieb er stehen. Sanft legte er eine Hand auf die Schulter des Kleinen, der daraufhin etwas zusammenschreckte. "Warum machst du dir solche Vorwürfe?", begann er mit ruhiger Stimme. "Es ist doch nicht schlimm, wenn du nicht so viel essen magst! Ich bin dir doch deswegen nicht böse und das Frühstück hab ich gerne gemacht!" Unsicher schaute Ricu ihn an. "Wirklich? Es macht dir nichts aus?", fragte er leise, doch Katzuja lächelte nur und schüttelte den Kopf. Ricu fiel ein Stein vom Herzen. Augenblicklich stand er auf und umarmte den Größeren, der ihn überrascht ansah und dem daraufhin eine leichte Röte ins Gesicht stieg. Doch schon im nächsten Moment löste Ricu sich wieder von ihm, als er merkte, was er im Begriff war zu tun. Mit hochrotem Kopf wandte sich der Kleinere von ihm ab, sodass Katzuja es nicht sehen konnte. Dieser versuchte unterdessen seinen sprunghaft angestiegenen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bringen und die Röte aus seinem Gesicht zu verbannen, was ihm nach kurzer Zeit auch gelang. Dann setzten sich Beide wieder und Katzuja beendete sein Frühstück, während Ricu auf ihn wartete. Nachdem auch Katzuja mit dem Frühstücken fertig war, räumte er den Tisch ab, während Ricu im Bad verschwand. Mit einem Kamm von Katzuja, hatte er wie jeden Morgen den Versuch gestartet, seine Haare wenigstens ein bisschen zu bändigen und wie immer gelang es ihm nur zum Teil. Schließlich musste er sich geschlagen geben und versuchte es nicht weiter. Katzuja hatte ihm eine Zahnbürste gegeben, die er noch über hatte und meinte, dass er sie behalten könnte. Zwar war das nichts sonderlich Bewegendes, aber für Ricu war es etwas Besonderes. Immerhin war dies das erste Geschenk, was er von Katzuja bekam, auch wenn es nur eine Zahnbürste war. Schnell putzte er sich noch die Zähne und stellte die Zahnbürste in den Becher, in dem sich auch Katzujas befand. Als Ricu aus dem Badezimmer kam, war Katzuja an der Reihe. Wie jeden Morgen kämmte er sich auch heute wieder die Haare und putzte sich die Zähne. Doch als er seine Zahnbürste in den Becher zurückstellte, war es irgendwie anders. Die beiden Zahnbürsten vielen aneinander wie zwei Liebende, die sich umarmten. Noch eine Weile betrachtete er die traute Zweisamkeit der Beiden, bevor er durch ein zaghaftes Klopfen an der Tür wieder aus seinen Gedanken gerissen wurde. "Akai, ist… ist alles in Ordnung? Beeil dich bitte, sonst kommen wir zu spät!", hörte er Ricus leise Stimme durch die geschlossene Tür sagen. "Ehm… ja, alles klar. Ich komme gleich." Ein letztes Mal noch schaute er in den Spiegel, bevor er das Bad verließ. Draußen stand Ricu und schaute ihn etwas besorgt an. "Ist wirklich alles okay?", fragte er unsicher. Doch Katzuja lächelte ihn nur an und meinte: "Klar, mach dir keinen Kopf!" Dann wuschelte er Ricu durchs Haar, der daraufhin gleich wieder begann rot zu werden und machte sich auf, um die Sachen für den Unterricht einzupacken. Als er fertig war, zog er seine Jacke an und sie verließen gemeinsam die Wohnung. Kapitel 6: "Ich weis nicht einmal deinen Namen." ------------------------------------------------ Schweigend gingen sie nebeneinander her und Ricu wagte es nicht den Blick zu heben. Doch plötzlich blieb Katzuja unvermittelt stehen. Als Ricu es bemerkte blieb er ebenfalls stehen, drehte sich zu ihm um und sah ihn fragend an. "Weist du was mir gerade aufgefallen ist?", fragte Katzuja den Kleinen. Dieser schüttelte nur zögernd mit dem Kopf. "Ich weis nicht einmal deinen Namen.", meinte er dann und kratzte sich verlegen lächelnd am Hinterkopf. Ricu sah ihn verwundert an. »Ja, richtig. Woher soll er ihn auch wissen? Immerhin war er Gestern noch nicht da als die Lehrerin mich vorgestellt hat.«, dachte er. Dann sah er Katzuja an und meinte lächelnd: "Hiwatari! Mein Name ist Ricu Hiwatari!" "Hm…, Ricu Hiwatari also. Riku - das bedeutet doch Land! Ein schöner Name." Ricu wurde leicht rot und schaute schnell zu Boden. "Danke!", sagte er leise und lächelte schüchtern. Katzuja musterte den Kleinen und ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. »Gott, wie kann man nur so süß sein?«, dachte er. Am liebsten wollte er Ricu gleich hier und jetzt küssen, aber er musste sich zurückhalten. Wenn sie jemand dabei sah, könnten sie in Schwierigkeiten kommen und das wollte er auf jeden Fall vermeiden. Nicht etwa wegen sich selbst, vielmehr ging es ihm um Ricu, der dann vielleicht noch größere Probleme mit ihren Klassenkammeraden bekommen würde, als wie er sie schon hatte. Für Katzuja wären solche Probleme nicht weiter tragisch, immerhin hatten er und seine Kumpel den Ruf einer Schlägerclique in der Klasse, was dazu geführt hatte, dass sich sowieso niemand mit ihnen anlegte. Aber ein weiterer Grund war ihm noch viel wichtiger. Er wollte nicht riskieren, dass der Kleine ihn eventuell für einen Perversen hielt und er ihn somit vielleicht verschreckte. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet Katzuja, dass sie sich jetzt doch etwas beeilen sollten, wenn sie nicht zu spät zum Unterricht kommen wollten. Er nahm den Kleinen am Arm und zog ihn mit zügigen Schritten hinter sich her. "Hey, warum rennst du so?", wollte Ricu wissen, der große Mühe hatte Katzuja zu folgen. "Wir müssen uns beeilen, sonst bekommen wir einen Eintrag!", begründete er sein Handeln und Ricu begann nun ebenfalls seine Schritte zu beschleunigen, soweit dies noch möglich war. Kurz bevor es zum Unterricht läutete, erreichten die Beiden das Klassenzimmer. Einige Schüler sahen sie mit staunenden Augen an, als sie den Klassenraum betraten. "Was haben die? Warum starren die uns so an?", fragte Ricu leise. "Keine Ahnung was los ist! Wir sollten uns lieber auf unsere Plätze setzen. Frau Kadowaki kommt sicher gleich!", meinte Katzuja. Er wusste sehr wohl warum alle sie anstarrten. Aber er ging nicht weiter darauf ein, sondern setzte sich auf seinen Platz und Ricu tat es ihm gleich. Sofort wurde Katzuja von seinen Kumpeln mit Fragen bombardiert. "Ey Alter, warum ist der Zwerg mit dir zusammen rein?" "Zufall!", meinte Katzuja kühl. "Aber ihr habt doch geredet! Was is´n los gewesen?" "Nichts! Ich sag doch, purer Zufall!" Dann brachen sie ab, da Frau Kadowaki gerade den Raum betrat und mit dem Unterricht begann. Kapitel 7: Alles nur Spiel -------------------------- In der Pause stand Ricu wieder allein in einer Ecke auf dem Hof. Er wollte eigentlich zusammen mit Katzuja zur Pause gehen, hatte ihn dann aber aus den Augen verloren. Suchend sah er sich um und entdeckte ihn schließlich zusammen mit zwei Freunden auf der anderen Seite des Hofes. Sie Unterhielten sich und Katzuja schien ihn gar nicht zu beachten. Ricu schaute ihn traurig an. Katzuja schien es egal zu sein, ob der Kleine nun wieder allein war oder nicht. »Hat er etwa nur mit mir gespielt? Nur so getan als ob?« Bei diesem Gedanken spürte Ricu einen stechenden Schmerz in seinem Herzen und seine Augen füllten sich mit Tränen. Doch dann schaute Katzuja plötzlich zu ihm und Ricu schreckte kurz auf. Katzujas Freunde bemerkten die Abwesenheit ihres Kumpels. "Ey Alter, was ist los?", fragte ihn der Eine. Dann sah er Ricu. "Warum starrt der dich so an? Will der Dresche oder was?" Ohne ein Wort wandte sich Katzuja von ihnen ab und ging auf Ricu zu. Seine Kumpel schauten sich fragend an. Dann breitete sich ein hämisches Grinsen auf ihren Gesichtern aus und sie folgten ihm. "Super, gleich gibt`s ´ne Prügelei!", freuten sie sich. Katzuja blieb vor Ricu stehen und schaute ihn einfach nur an. "Hey du! Warum glotzt du so? Hast du irgendein Problem?", fragte einer von Katzujas Kumpeln, als diese hinter ihm auftauchten. Ricu schaute die Drei verunsichert an. "Na los, red schon oder muss ich es aus dir rausprügeln?", drohte der andere und packte Ricu am Kragen. Dieser schaute ihn nur entsetzt an, machte jedoch keine Anstalten sich zu befreien. Denn jetzt, da er die Befürchtung hatte, dass Katzuja es nicht ernst gemeint hatte, war es ihm egal, ob man ihn verprügelte. "Lasst ihn in Ruhe! Er ist in Ordnung!", mischte sich Katzuja jetzt ein und Ricu schaute ihn mit fragendem Blick an. "Ach komm schon, lass uns doch ein wenig Spaß haben. Das wird lustig!", erwiderte sein Kumpel. Katzuja drehte sich blitzschnell zu ihm um und packte ihn ebenfalls am Kragen. "LASS IHN LOS!", sagte er mit Nachdruck und schaute ihn dabei so finster an, dass dieser es mit der Angst zu tun bekam. Sofort ließ er Ricu los und Katzuja löste ebenfalls seinen festen Griff. "Was is los mit dir? Gestern wolltest du ihn noch selbst verprügeln und jetzt?" "Ich wüsste nicht was dich das angeht!", zischte Katzuja. "Na gut. Wenn du unbedingt mit diesem Zwerg rumhängen willst, dann tu`s doch." "ES REICHT, VERZIEHT EUCH ENDLICH!", donnerte Katzuja und die Beiden suchten sofort das Weite. Dann wandte er sich wieder an Ricu. "Alles okay mit dir?", fragte er ihn besorgt. Ricu nickte nur kurz, ohne ihn auch nur einmal anzuschauen. Er wusste nicht, was er von dem soeben Geschehenen halten sollte. »Was sollte das? Wenn er doch sowieso nur mit mir gespielt hat, warum hat er mir dann geholfen? Ist das vielleicht auch nur so eine Masche, um mich zu ärgern?«, fragte er sich und sah Katzuja kurz mit einem unsicheren Blick an, bevor er wieder zu Boden schaute. Katzuja nahm Ricu am Arm und zog ihn hinter eine kleine Mauer, wo sie außerhalb des Sichtfeldes der anderen Schüler waren. Er hielt den Kleinen an den Schultern fest, aber dieser wagte es noch immer nicht ihn anzusehen. Katzuja hob Ricus Gesicht an, so dass er gezwungen war ihn anzuschauen. "Was ist denn nur los mit dir? " fragte er besorgt. Ricus Augen waren von Tränen erfüllt und sahen ihn verletzt an. Katzuja zerriss es fast das Herz ihn so zu sehen. Er wollte nicht, dass er traurig war. Vorsichtig zog er ihn in seine Arme und Ricu hielt seine Tränen nun nicht mehr länger zurück. "Schhh, ist ja gut!", sagte Katzuja mit ruhiger Stimme. Aber für Ricu war nichts gut, er befreite sich aus Katzujas Umarmung und schob ihn von sich. Er hatte Angst. Angst, dass Katzuja nur wieder mit ihm spielte, es nicht ernst meinte und dies alles nur tat, um ihm wehzutun. Vorwurfsvoll sah er ihn an. "Ist das alles nur ein Spiel, das du mit mir spielst?", fragte er mit tränenerstickter Stimme. Katzuja schaute ihn fragend an. "Was meinst du?" "DAS WEIST DU GANZ GENAU!", sagte Ricu etwas ungehalten und die Trauer in seinen Augen wandelte sich in Wut. Erst jetzt merkte Katzuja, wie sehr er dem Kleinen durch sein Handeln wehgetan hatte. "Ich dachte wirklich, dass du mich magst. Wie konnte ich nur so naiv sein? Aber jetzt bist du mich ja los, ich werde dich nicht mehr belästigen.", meinte Ricu plötzlich mit einem traurigen Lächeln, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und wandte sich von Katzuja ab, der ihn entsetzt ansah. »Nein, geh nicht! Ich liebe dich!« Wie gern hätte Katzuja Ricu diese Worte gesagt, aber er brachte sie nicht über die Lippen, aus Angst davor, dass der Kleine sich dann erst recht von ihm abwenden könnte. Ihn vielleicht für pervers halten würde. Was sollte er nur tun? Ricu entfernte sich immer weiter von ihm. Ohne großartig nachzudenken ging Katzuja ihm nach, legte schließlich seine Arme um Ricu und hielt ihn so zurück. "Geh nicht, bitte! Es tut mir leid.", flüsterte er. "Ich wollte dir sicherlich nicht wehtun! Ich mag dich und das sag ich nicht um dich zu ärgern. Ich mein es ernst. Ich mag dich, mehr… als du vielleicht glaubst!" Ricus Augen weiteten sich. "Was?", brachte er flüsternd hervor. Hatte Katzuja gerade tatsächlich gesagt, dass er ihn mag? Er konnte es noch gar nicht fassen, aber schon im nächsten Moment stand Katzuja vor ihm und sah ihm tief in die Augen. "Bitte, du musst mir glauben!" Ricu stand noch immer völlig perplex da und wusste nicht was er nun machen sollte. Doch als er Katzujas flehenden Blick sah, erkannte er, dass dessen Worte aufrichtig und ehrlich waren und er ihn nicht belogen hatte. "Ich glaube dir!", sagte er schließlich leise mit einem Lächeln auf den Lippen. In diesem Moment ertönte die Schulglocke und verkündete den baldigen Beginn der nächsten Stunde. Noch einmal schaute Ricu Katzuja lächelnd an und machte sich dann auf den Weg zum Schuleingang. Erleichtert sah Katzuja ihm nach bevor er ebenfalls zurück ins Schulgebäude ging. Kapitel 8: Neue Freunde ----------------------- Die nächsten Unterrichtsstunden vergingen schnell und es stellte sich zur Überraschung der Lehrerin heraus, dass der Gestern noch so schüchterne und verschwiegene Ricu ein wahres Genie in den meisten Fächern war. Sie wusste zwar nicht wieso er auf einmal so aufgeweckt und fröhlich war, aber sie konnte nicht behaupten, dass es sie stören würde. Ganz im Gegenteil. Auch Katzuja war von Ricus plötzlicher Offenheit überrascht. Und er musste sich eingestehen, dass er sogar ein bisschen eifersüchtig auf seinen kleinen Freund war. Denn dieser erfreute sich aufgrund seines Wissens, großer Bewunderung von Seiten ihrer Klassenkammeraden. Nur Katzujas `Kumpel` bedachten den Kleinen mit hasserfüllten Blicken. Jahrelang konnte nichts ihre Freundschaft zueinander erschüttern und jetzt kam so ein kleiner Möchtegern Schlauberger daher und schaffte es innerhalb weniger Stunden sie auseinander zubringen. Doch irgendetwas sagte ihnen, dass dies ihrer Freundschaft keinen Abbruch tun würde und sie sich sicherlich bald wieder zusammen raufen würden. "Du hast großen Eindruck hinterlassen!", meinte Katzuja, als sie auf dem Weg nach Hause waren. Ricu schaute ihn lächelnd an. "Das verdanke ich nur dir!" "Was, wieso? Wie kommst du darauf, ich hab doch gar nichts gemacht!?", meinte dieser und sah den Kleinen verwundert an. "Du hast mir Mut gemacht zu sein wie ich bin!" "Wie das?", fragte Katzuja. "Na ja. Auf all den anderen Schulen auf denen ich war hatte ich nicht einen Freund, niemand, der mich akzeptiert hat. Sie hassten mich, gerade weil ich so klug bin und deswegen dachte ich, dass es hier nicht anders wäre. Aber du… hast zu mir gehalten und das obwohl ich dir solche Sachen an den Kopf geknallt habe. Das hat mir gezeigt, dass ich nicht alleine bin. Weist du, ich habe mir mal ein Versprechen gegeben. Solange es nur Einen gibt der mich mag, werde ich mich nicht mehr `verstecken` und einfach so sein wie ich bin!" Katzuja schaute ihn mit großen Augen an. Das was der Kleine gerade gesagt hatte kam ihm doch sehr bekannt vor und er dachte zurück an die vergangene Nacht und an seine Zweifel, die er zu diesem Zeitpunkt gehabt hatte. "Wa …Was ist? Hab ich was Falsches gesagt?", fragte Ricu unsicher und merkte, wie er schon wieder anfing rot zu werden. Sie waren längst stehen geblieben. Katzuja schüttelte nur leicht den Kopf. "Nein, du hast nichts Falsches gesagt, aber…" Er brach mitten im Satz ab, zog Ricu zu sich und küsste ihn leidenschaftlich. Er hatte es einfach nicht mehr ausgehalten, es war ihm egal, was Ricu über ihn denken könnte und erstaunlicher Weise machte dieser auch keine Anstalten sich gegen den Kuss zu wehren. Katzuja brachte es einfach nicht mehr fertig seine Gefühle zu unterdrücken und so lies er ihnen freien Lauf. Ricu schloss die Augen und kostete diesen Moment voll aus. Angenehme Schauer durchzogen seinen gesamten Körper und er glaubte, jeden Moment den Verstand zu verlieren. Dann ließ Katzuja ihn wieder los. Nur langsam öffnete Ricu seine Augen und sah Katzuja mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen verträumt an, aber dieser schaute nur entsetzt über ihn hinweg. "Na sieh mal einer an!", ertönte plötzlich eine Stimme hinter Ricu. Erschrocken drehte er sich um. Hinter ihm standen Katzujas `Kumpel`, die ihn mit einem fast hinterhältigen Grinsen ansahen. Während der Eine fast genauso groß war wie Katzuja, lange, dunkelrote Haare und einen sehr durchtrainierten Körper hatte, wirkte der Andere vom Körperbau eher schmächtig. Er war etwas größer als Ricu und hatte ebenfalls kurze Haare, die jedoch in verschiedenen Brauntönen leuchteten. Sofort stellte Katzuja sich schützend vor Ricu, da er nicht annahm, dass die Beiden nur zum reden aufgetaucht waren. Er funkelte sie nur böse an. "Also deswegen wolltest du ihn nicht mehr verhauen! Du hast dich mit dem kleinen Wunderknaben angefreundet!", meinte der Rothaarige mit etwas Spott. Sofort wandelte sich die Wut in Katzujas Augen in blankes Entsetzen. Hatten die Beiden etwa gesehen, wie er Ricu geküsst hatte? »Mist, warum hab ich nicht besser aufgepasst?«, dachte er. Doch in diesem Moment kam der Kleine hinter ihm hervor. Die Hände zu Fäusten geballt, schaute er die Beiden wütend an. "WAS SOLL DAS? LASST KATZUJA DOCH IN RUHE! ES KANN EUCH DOCH EGAL SEIN, WAS ER MACHT! IHR HABT MIT MIR EIN PROBLEM, NICHT MIT IHM! Also kommt her, wenn ihr was wollt!" Ricus letzter Satz kam etwas unsicher über seine Lippen, da er die Befürchtung hatte, dass die Beiden vor ihm seine `Einladung` ernst nehmen könnten. Katzuja hingegen schaute Ricu völlig entgeistert an. Zum ersten Mal hatte der Kleine ihn beim Vornamen genannt und auch wenn Zorn in seiner Stimme lag, so klang es doch unglaublich schön, wie er ihn aussprach. Jedoch schien niemand außer ihm diese Kleinigkeit groß beachtet zu haben, obwohl es in Japan eigentlich als unhöflich gilt jemanden einfach beim Vornahmen zu nennen, wenn man nicht gerade mit ihm befreundet ist. "Ganz ruhig Kleiner! Wir hatten nich vor Katzuja oder dir was zu tun!", versuchte ihn der Braunhaarige zu überzeugen. Ricu schaute sie ungläubig an. "Was? Aber~" "Wir wollten uns bei Katzuja entschuldigen!", mischte sich der Andere jetzt ein. Ricu verstand die Welt nicht mehr. Fragend sah er zu Katzuja, aber dieser war genau so Ratlos wie er. "Was wir in der Pause gesagt haben tut uns leid. Wir hätten auf dich hören sollen, Katzuja. Immerhin bist du unser Anführer und wir haben versprochen zu dir zu halten, egal bei was. Wenn du sagst, dass der Kleine in Ordnung ist und du dich mit ihm angefreundet hast, dann ist das sicherlich okay und wir werden das auch akzeptieren!" " Wir wollen dich als Kumpel nich verlieren und deswegen… gib uns bitte noch mal ´ne Chance den Fehler wieder gut zu machen!", fügte der andere noch hinzu. Katzuja war völlig perplex über diese ehrliche Entschuldigung seiner Kumpel. Schließlich lächelte er und meinte: "Entschuldigung angenommen!" Dann ging er auf die Beiden zu und sie besiegelten das Geschehen mit einem Händedruck. "Danke, du bist echt ´n Freund!", meinte der Eine noch zu Katzuja. Ricu aber stand nur da und schaute die Drei irritiert an. Doch Katzuja bedeutete ihm mit einer kurzen Handbewegung, dass er näher kommen sollte. Langsam setzte Ricu sich in Bewegung und ging, immer noch etwas unsicher auf sie zu. Mit gesengtem Blick blieb er schließlich neben Katzuja stehen. "Ich mach euch mal besser miteinander bekannt!", meinte Katzuja. "Also, das ist Ray Kon und der andere heißt Hisoka Kurosaki. Die Beiden sind meine besten Freunde, seit ich hier auf der Schule bin. Ray sogar schon seit der Grundschule." Zögernd verbeugte Ricu sich vor den Beiden, ohne den Blick zu heben. "Meine Güte, du brauchst dich doch nicht zu verbeugen!", meinte der Rothaarige, der, wie Ricu nun wusste auf den Namen Ray hörte und ihm lachend die Hand reichte. "Immerhin gehörst du jetzt zu uns." Etwas unsicher schaute Ricu die Beiden an. Er zweifelte noch immer an ihren guten Absichten, doch das Lächeln auf Rays Gesicht sorgte schnell dafür, dass er diese endgültig ablegte. Mit einem schüchternen Lächeln erwiderte er Rays und auch Hisokas Geste, der ihm ebenfalls die Hand reichte. Katzuja fiel ein Stein vom Herzen. Nie hätte er gedacht, dass seine Freunde den Kleinen annehmen würden, doch sie schienen ihm wohl gesonnen zu sein, was Katzuja doch sehr erleichterte. Auch hatte es den Anschein, dass sie nicht gesehen hatten, wie er Ricu vorhin geküsst hatte, worüber er unbeschreiblich froh war. Er wagte nicht sich auszumalen, wie sie reagiert hätten, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre. Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort, wobei sie sich über dies und das unterhielten. Ricu kam es wie ein Traum vor, der endlich wahr wurde. Er hatte Freunde, richtige Freunde, die zu ihm hielten und ihn unterstützten. Während des Gespräches wurde er immer fröhlicher, aber als plötzlich die Frage nach seiner Familie fiel, wurde er schlagartig wieder in die Realität zurückgeholt. Traurig senkte er seinen Blick und Katzuja nahm ihn bei Seite, während die Anderen warteten. "Hey, alles klar?", fragte er besorgt. Er wusste, dass es Ricu schwer fiel darüber zu reden, was er auch voll und ganz verstehen konnte. "Warte kurz, ich bin gleich wieder da! Okay?" Ricu nickte nur kurz und Katzuja ging wieder zu den Anderen. Die Beiden schauten ihn etwas irritiert an. "Was ist los mit ihm? Haben wir was Falsches gesagt?", fragte Ray. Katzuja erzählte ihnen von Ricus Stiefvater und wie dieser den Kleinen behandelte. "Oh man, und ich wollte ihn verprügeln. Ich fühl mich total mies!", meinte Hisoka nachdem Katzuja zu Ende gesprochen hatte. "Wer hätte gedacht, dass der Kleine so ein schweres Los hat.", fügte Ray hinzu. Gemeinsam gingen sie zu Ricu. "Hey, tut uns leid! Wir wussten ja nicht, dass~" "Ist schon okay!", unterbrach Ricu. "Ihr konntet es ja nicht wissen.", meinte er mit einem traurigen Lächeln. Plötzlich legte Ray seinen Arm um ihn. Ricu wurde vor Verlegenheit ganz rot und richtete den Blick starr zu Boden. "Jetzt wissen wir es und ich verspreche dir, dass es nicht wieder vorkommt. Aber wenn du reden möchtest und Katzuja mal keine Zeit hat, kannst du gerne vorbeikommen!", flüsterte er mit verführerischer Stimme. Dabei grinste er Katzuja lasziv an, dem sofort eine leichte Röte ins Gesicht stieg. Augenblicklich wies er Ray in seine Schranken. "DU WIRST SCHÖN DIE FINGER VON IHM LASSEN, KLAR? MIT SOWAS FANGEN WIR HIER GAR NICHT ERST AN!", fauchte er ihn an und versuchte so seine Verlegenheit zu überspielen. "War doch nur ein Scherz.", antwortete Ray lachend und wuschelte Ricu durchs Haar, bevor er ihn wieder losließ. »Was sollte das? Warum hat er das gesagt? Weis er es etwa?«, fragte sich Katzuja, schüttelte dann aber den Kopf. »Ach was, das war sicher nur so daher gesagt! Hätte er was bemerkt, dann hätte er sich sicher anders verhalten!«, beruhigte er sich selbst. Ricu hingegen stand noch immer völlig perplex da und reagierte erst wieder als Hisoka ihn ansprach. "Du musst Ray entschuldigen. Er is halt ´n richtiger Scherzkeks, wenn er mal einen zum Reinlegen gefunden hat. Du darfst ihm das nich ernst nehmen! Aber er hat Recht, wenn du reden willst, kannste ruhig zu uns komm!", sagte er lächelnd. Ricu nickte nur. "Aah…Verdammt, ich komm zu spät!", meinte Hisoka plötzlich, nachdem er auf seine Uhr geschaut hatte. "Also dann, wir seh´n uns Morgen! Ciao!" Und schon war er verschwunden. Etwas verwundert schauten ihm die Drei nach und nach kurzer Zeit machten auch sie sich wieder auf den Weg. Kapitel 9: Das Versprechen -------------------------- Bald verabschiedete sich auch Ray von ihnen, sodass Katzuja und Ricu wieder allein waren. Schweigend liefen sie nebeneinander her. "Ich muss mich bei dir entschuldigen!", meinte Ricu plötzlich. Katzuja schaute ihn verwundert an. "Wofür willst du dich denn entschuldigen?", fragte er verwirrt. "Na ja, ich habe dich vorhin einfach beim Vornamen genannt, ohne es zu dürfen und ich will nicht, dass du deswegen eventuell böse auf mich bist!" Katzuja lächelte. "Mach dir keinen Kopf! Ich bin dir nicht böse, im Gegenteil, ich finde es so viel besser. Immerhin sind wir doch Freunde, oder? Also ist es okay." Ricu nickte lächelnd. Er war froh, dass Katzuja das so sah. "Dann möchte ich aber auch, dass du mich Ricu nennst! Einverstanden?", fragte er. "Einverstanden!", willigte Katzuja ein und begegnete Ricu mit einem Lächeln. "Du Katzuja? Kann ich dich mal was fragen?", begann Ricu nach einiger Zeit. Eine ganze Weile hatte er Katzuja nun schon von der Seite beobachtet, doch dieser hatte es nicht bemerkt, da er ganz in Gedanken war. "Klar, was ist?", antwortete Katzuja, schaute aber weiterhin nachdenklich auf den Weg. Gerne hätte Ricu gewusst, worüber er nachdachte, aber er kam zu dem Schluss, dass es ihn nichts anging. Er selbst jedoch konnte nur noch an den Kuss denken, den Katzuja ihm vorhin gab. Es war ein wunderbares Gefühl gewesen. So schön, dass man es nicht mit Worten hätte beschreiben können. "Warum hast du das vorhin getan?", brachte Ricu leise hervor und ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen. Katzuja schaute Ricu fragend an. "Warum habe ich was getan?", wollte er wissen. Als Katzuja ihm so direkt ins Gesicht sah, wandte Ricu den Blick schnell ab und schaute zu Boden. "Na ja…", begann er. "Warum… warum hast du… mich vorhin… geküsst?", fragte er schließlich, so leise, dass Katzuja es kaum verstand. Nur langsam sickerte die Frage des Kleinen zu ihm durch. Er hatte befürchtet, dass er ihn darauf ansprechen würde und die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie er es am besten erklären könnte, ohne, dass der Kleine den wahren Grund erfuhr. "Das… das war… ein Test!", antwortete er stockend. "Ein Test?", hakte Ricu nach und schaute Katzuja etwas misstrauisch an. "Ja genau, ein Test." Enttäuscht wandte Ricu sich von ihm ab und sah wieder zu Boden. »Warum macht er das?«, schoss es ihm durch den Kopf. »Erst küsst er mich so, dass ich fast den Verstand verliere und dann sagt er, dass alles nur ein Test ist. Hat er sich vielleicht nur mit mir angefreundet, weil er Mitleid mit mir hat?« Katzujas Verhalten war dem Kleinen absolut rätselhaft, aber er hatte auch nicht den Mut ihn weiter danach zu fragen und so nahm er die Antwort des Größeren stillschweigend hin. Katzuja sah, dass dies nicht die Antwort war die der Blonde sich erhofft hatte, aber es war einfach noch zu früh für die Wahrheit. »Sorry, Kleiner, aber ich kann es dir nicht sagen, noch nicht!«, dachte er noch und bedachte den Kleinen mit einem traurigen Lächeln. Froh darüber, dass Ricu nicht weiter fragte, lief Katzuja schweigend neben ihm her. Er verfluchte sich selbst, für das was er gerade getan hatte. Es war nun schon das zweite Mal, dass er den Kleinen angelogen hatte und wenn er ihm nicht bald die Wahrheit sagte, würde er ihn wegen diesen dummen Lügen wahrscheinlich noch verlieren. Also fasste er einen Entschluss. »Morgen werde ich ihm alles gestehen. Ich werde ihm sagen, warum uns heute Früh alle so angesehen haben und das ich ihn liebe.« Noch ganz in Gedanken, merkte Katzuja nicht, dass Ricu plötzlich stehen blieb. Mit fragendem Blick wandte er sich schließlich zu ihm um, als er es bemerkt hatte. "Was ist? Warum bleibst du stehen?", fragte er. "Hier trennen sich unsere Wege!", meinte Ricu leise und schaute Katzuja traurig an. "Ich wohne in dieser Richtung. Und deshalb~" "NEIN!", schrie Katzuja ungehalten und Ricu schreckte augenblicklich zusammen. "Du willst doch nicht etwa wirklich zurück, oder?", fragte Katzuja ihn besorgt. "Aber ich muss! Sonst wird mein Stiefvater mich~" "Das ist es ja gerade.", unterbrach ihn Katzuja. "Glaubst du denn, dass er es einfach so erduldet, wenn du jetzt nach Hause kommst? Es ist egal wann du zurück gehst, er wird dich auf jeden Fall bestrafen!" Sein Blick wurde immer flehender. "Vielleicht… hat er es nicht bemerkt.", brachte Ricu leise hervor. Er konnte sehen, dass Katzuja es nicht für sehr wahrscheinlich hielt und musste zugeben, dass er selbst auch nicht wirklich daran glaubte. "Ich mach dir einen Vorschlag!", meinte Katzuja schließlich. "Du versprichst mir, dass du erst einmal noch bei mir bleibst und nicht nach Hause gehst und Morgen werden wir gemeinsam deine Sachen holen. Dann werde ich auch mit deinem Stiefvater reden. Okay?" "Aber~" "Kein `Aber`! Versprich es mir!" Ricu schluckte. Er wusste nicht was er tun sollte. Einerseits wollte er Katzuja nicht zur Last fallen, aber andererseits wollte er auch nicht wirklich weg von ihm und schon gar nicht nach Hause. Es war wie verhext, doch schließlich willigte er ein. "Also gut. Ich verspreche es!" Erleichtert atmete Katzuja auf und umarmte ihn. Er war froh, dass der Kleine zugestimmt hatte, denn nun musste er sich keine Sorgen machen, dass ihm was passierte. Nur Ricu war nicht wirklich von Katzujas Idee überzeugt. Es bereitete ihm großes Unbehagen, das er mit seinem Stiefvater reden wollte. Immerhin war dieser nicht sehr gut auf Leute zu sprechen, die sich einfach in ihre Angelegenheiten einmischten. Also beschloss er in der Nacht zu verschwinden und nach Hause zu gehen, auch wenn das bedeutete, dass er sein Versprechen brechen musste. Er konnte nicht zu lassen, dass Katzuja wegen ihm etwas passierte und das wäre wohl unausweichlich, wenn das Gespräch tatsächlich stattfinden würde. Kapitel 10: Am Abend -------------------- Katzujas Wohnung war wunderbar warm und mollig. Ricu saß an einem der großen Fenster im Wohnzimmer auf dem Boden und schaute gedankenverloren hinaus. Es hatte zu regnen begonnen und die Regentropfen prasselten gegen die Fensterscheibe. Katzuja kochte unterdessen Tee für sie, damit sie wieder warm wurden. Denn trotz dickem Pullover und Jacke, waren sie doch recht durchgefroren. Immer wieder schaute er zu Ricu hinüber. »Er sieht so traurig aus. Vielleicht war es doch keine so gute Idee ihn zu überreden hier zu bleiben!«, dachte er, aber dann schüttelte er den Kopf. »Ach was! So ist es gut. Hier kann ihm wenigstens nichts passieren!« Er goss den Tee in zwei Tassen und ging mit ihnen zu Ricu. "Hier, dein Tee!", sagte er und reichte Ricu eine der Tassen. "Danke!", meinte dieser leise und schaute wieder aus dem Fenster. "Ist alles in Ordnung?", fragte Katzuja und setzte sich neben ihn. Ricu nickte leicht. "Ich wünschte nur es würde endlich schneien." Katzuja schaute ihn verwundert an. "Ich liebe es, wenn es schneit. Es ist dann immer so friedlich und still Draußen. Und wenn dann alles weiß ist, dann scheint es als ob die Zeit still stehen würde. Überhaupt finde ich, dass der Winter die schönste Jahreszeit ist. Außerdem habe ich dann auch bald Geburtstag." Er lächelte leicht. "Dann ist es nur noch ein Jahr, das ich bei meinem Stiefvater bleiben muss." "Wann hast du denn Geburtstag?", fragte ihn Katzuja. "Am 13. November, also nächsten Monat! Wieso fragst du?" "Na damit ich dir etwas schenken kann! Weswegen wohl sonst?" Ricu sah Katzuja traurig an. "Mir hat noch nie jemand etwas geschenkt und schon gar nicht zum Geburtstag!", sagte er leise. "Wirklich nicht? Nicht einmal deine Eltern?" Ricu schüttelte mit dem Kopf und sah wieder hinaus. "Meine Mutter hatte nie Geld dafür! Aber das war nicht schlimm, sie war immer für mich da und das allein zählte." Katzuja konnte es kaum glauben. Sogar er hatte zu jedem seiner Geburtstage zumindest ein Geschenk bekommen, auch wenn es bei seinem Vater nur die Tatsache war, dass er ihn an diesem Tag einmal nicht verprügelte. Katzuja wusste es zu schätzen. "Du musst mir nichts schenken!", meinte Ricu schließlich, lehnte sich an Katzuja und legte seinen Kopf auf dessen Schulter, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. "Aber~" "Es reicht, wenn du einfach nur da bist! Du hast mir schon jetzt mehr geschenkt als jeder andere es je könnte!" Katzuja schaute ihn lächelnd an und legte sanft seinen Arm um ihn. Egal was Ricu gesagt hatte, er würde ihm trotzdem etwas schenken. Sie saßen noch bis es dunkel wurde am Fenster, schauten hinaus und tranken ihren Tee. Irgendwann ließ der Regen nach und es wurde wieder still draußen. Schließlich stand Katzuja auf und ging in die Küche, um das Abendessen zu bereiten. Ricu aber blieb noch ein wenig sitzen und schaute dem geschäftigen Treiben der Leute unten auf der Straße zu. "Wo genau wohnst du eigentlich?", fragte Katzuja ihn plötzlich. "Kitazawa Shi-sei! In einem roten Backsteingebäude, ziemlich am Ende der Straße!", antwortete Ricu, ohne den Blick abzuwenden. Er wusste nicht wieso er es Katzuja sagte, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass es für sie Beide noch sehr wichtig werden könnte. "Gut, dann würde ich sagen, dass wir Morgen gleich nach der Schule zu dir gehen und deine Sachen holen, in Ordnung?" Ricu nickte nur leicht mit dem Kopf. Er hasste es, dass er Katzuja so belügen musste, aber er wusste keinen anderen Ausweg. "Wir können dann essen! Kommst du?", meinte Katzuja schließlich. Ricu atmete noch einmal tief durch und versuchte so unbekümmert wie möglich zu erscheinen, damit Katzuja nichts merkte. Dann stand er auf und ging zu ihm in die Küche. Er hatte eigentlich gar keinen Hunger, aß aber trotzdem etwas, damit Katzuja sich keine Sorgen machte. Keiner von ihnen sprach ein Wort oder wagte es den anderen anzusehen und so breitete sich eine unangenehme Stille zwischen ihnen aus. Kapitel 11: Ein letzter Kuss ---------------------------- Nachdem sie das Abendessen beendet hatten, räumte Katzuja den Tisch ab und begann das Geschirr abzuwaschen. "Kann ich dir helfen?", fragte Ricu und durchbrach somit das Schweigen. "Nein, dass brauchst du nicht!" "Aber ich will dir helfen! Bitte!", meinte Ricu mit fast flehender Stimme. Katzuja schaute ihn lächelnd an. "Also schön, wenn du unbedingt möchtest. Du kannst das Geschirr abtrocknen. Drüben im Schrank liegen Handtücher, nimm` dir Eines!" Er deutete mit einem Kopfknicken in Richtung des besagten Schrankes und Ricu tat wie ihm gesagt. Schon nach kurzer Zeit, war alles in der Küche wieder an seinem gewohnten Platz und so machten die Beiden es sich vor dem Fernseher auf der Couch gemütlich. Etwas zögernd kuschelte Ricu sich an Katzuja und legte seinen Kopf vorsichtig auf dessen Schulter. Ein letztes Mal wollte er die Zweisamkeit mit ihm genießen, bevor er sich wieder von ihm `verabschiedete`. Das Fernsehprogramm hatte an diesem Abend nicht viel zu bieten und schon nach kurzer Zeit entschlossen sie sich doch lieber zu Bett zu gehen. "Geh schon mal vor! Ich komme gleich nach!", meinte Katzuja, der sich vorher noch die Nachrichten anschauen wollte. Ricu nickte zustimmend, ging ins Bad und zog sich eines von Katzujas T- Shirts an, welches dieser ihm hingelegt hatte. Wie schon der Pullover, war ihm auch das T- Shirt viel zu groß und so kam es, dass es ihm immer wieder über seine Schulter rutschte, ganz gleich, wie er es auch zog. Schließlich gab er es auf und beließ es so wie es war. Schnell putzte er sich noch die Zähne und verließ dann das Bad. Er ging ins Schlafzimmer und kuschelte sich dort in die weichen Kissen. Er hörte noch wie Katzuja den Fernseher ausschaltete und sich im Bad ebenfalls zum Schlafen gehen fertig machte. Dann schaltete er überall in der Wohnung das Licht aus und ging zu Ricu ins Schlafzimmer. Dieser hatte die Augen geschlossen, so dass es den Anschein hatte, dass er schlafen würde. Leise setzte sich Katzuja zu ihm aufs Bett. Er lächelte und strich dem Kleinen sanft durchs Haar, dann legte er sich vorsichtig neben ihn und deckte ihn und sich mit der warmen Daunendecke zu. Still wartete Ricu, bis Katzuja eingeschlafen war. Vorsichtig schob der Kleine die Bettdecke beiseite und stand leise auf. Die Digitaluhr an Katzujas Bett verriet ihm, dass es bereits nach 23.00 Uhr war und somit höchste Zeit für ihn zu gehen. Bevor er das Zimmer verließ, drehte er sich noch einmal zu Katzuja um und gab ihm einen letzten Kuss. "Danke, dass du für mich da warst!", flüsterte er lächelnd und sein Blick wurde von einigen kleinen Tränen getrübt. Dann ging er ins Wohnzimmer, zog sich dort Katzujas T- Shirt aus und legte es behutsam auf den Couchtisch. Anschließend zog er sich seine Sachen und die Jacke an, nahm seinen Rucksack und verließ so leise wie möglich Katzujas Wohnung. Draußen war es bitterkalt und Ricu sehnte sich schon nach wenigen Schritten nach der Wärme zurück, die Katzuja ihm in den letzten zwei Tagen geschenkt hatte. Jetzt ging er vor Kälte zitternd durch die beleuchteten Straßen der Stadt. Eines stand fest, er konnte die Nacht weder hier draußen verbringen, noch konnte er zu Katzuja zurück. Also blieb ihm nur eines übrig, er musste nach Hause zurückgehen. Bei diesem Gedanken wurde ihm gleich noch kälter und er zog seine Jacke enger um seinen Körper. Traurig senkte er den Kopf. Insgeheim wünschte er sich, dass es eine andere Lösung gäbe, aber die die es gab erschien ihm nicht sonderlich gut und so konnte er nur hoffen, dass sein Stiefvater nicht mitbekommen hatte, dass er fort war, was ihm jedoch nach wie vor ziemlich unwahrscheinlich vorkam. Als Katzuja aufwachte und sich umsah, stellte er mit Entsetzen fest, dass Ricu nicht mehr neben ihm lag. Schon im Schlaf hatte er gespürt, dass etwas nicht stimmte und nun wusste er auch wieso er dieses Gefühl hatte. Schnell stand er auf und ging ins Wohnzimmer. »Seine Sachen sind weg.«, dachte er und im nächsten Moment kam ihm ein erschreckender Gedanke. »Oh nein. Er wird doch nicht etwa wieder nach Hause gegangen sein?« Sofort zog er sich etwas wärmeres an, schnappte sich seine Jacke und machte sich auf die Suche nach Ricu. »Hoffentlich finde ich ihn, bevor er zu Hause ankommt!« Katzuja graute es bei dem Gedanken, was Ricus Stiefvater mit dem Kleinen anstellen könnte, wenn er nach Hause kam. Kapitel 12: Der erste Schnee ---------------------------- Mittlerweile hatte Ricu sein Wohnhaus erreicht und schloss die Hauseingangstür auf. Er ging die Treppen hinauf zu ihrer Wohnung. Noch einmal hielt er kurz inne. »Bitte Gott, lass ihn nicht zu Hause sein!«, flehte er in Gedanken, bevor er vorsichtig und so leise wie möglich die Wohnungstür ebenfalls aufschloss. Doch als er die Tür einen Spalt weit geöffnet hatte, wurde sie ihm sofort aus der Hand gerissen und sein Stiefvater, der plötzlich vor ihm stand schaute ihn finster an. Ricu sah ihm entsetzt entgegen. Sein Stiefvater packte ihn am Kragen, knallte die Wohnungstür zu und schleuderte ihn mit einer unbeschreiblichen Härte gegen die Wand. Ricu wurde es leicht schwarz vor Augen und er musste sich zusammen reißen, damit er nicht Bewusstlos wurde. "KANNST DU MIR MAL VERRATEN, WO DU HERKOMMST?", schrie sein Stiefvater ihn an. Langsam sank Ricu an der Wand zu Boden. Er wusste, dass dies erst der Anfang war und er sollte Recht behalten. Wäre er doch nur bei Katzuja geblieben, dann wäre ihm das hier nicht passiert, aber es war zu spät. Immer und immer wieder schlug und trat sein Stiefvater auf ihn ein, bis Ricu auf dem Boden lag und kaum noch bei Bewusstsein war. Noch nie in seinem leben hatte er solche Schmerzen gehabt. Doch das sollte noch nicht alles gewesen sein. Ricus Stiefvater ging in die Küche und kam mit einem Messer in der Hand zurück. "NA WARTE, DU SOHN EINER HURE, DIR WERDE ICH BENEHMEN BEIBRINGEN! DU BIST ES NICHT WERT ZU LEBEN!", schrie er und holte mit dem Messer aus. Mit letzter Kraft versuchte Ricu das unvermeidbare Vorhaben seines Stiefvaters abzuwehren, doch er war zu schwach. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Körper, dann wurde alles schwarz. Katzuja rannte durch die Straßen. Er war froh, dass Ricu ihm gesagt hatte, wo er wohnte, denn so wusste Katzuja wenigstens, wo er mit der Suche beginnen musste. Inzwischen hatte es dank der Kälte die herrschte heftig zu schneien begonnen und die Straßen wurden in eine weiße Schneedecke gehüllt, doch Katzuja bemerkte dies alles nicht. Für ihn war im Augenblick nur eines wichtig - Er musste Ricu finden, bevor sein Stiefvater ihm wer weis was antat. Er machte sich Vorwürfe. Wie konnte er es nur zulassen, dass der Kleine einfach verschwand und wieder nach Hause ging. Er hatte ihm und sich doch versprochen auf ihn aufzupassen und nun das! Er hätte sich selbst Ohrfeigen können und in Gedanken tat er dies auch. Als Ricu wieder zu sich kam, lag er noch immer auf dem Boden, unfähig sich zu bewegen. Jeder einzelne Knochen schmerzte und er bekam kaum Luft. Sein Stiefvater war endlich gegangen, wohl um sich mal wieder im Rotlicht- Viertel zu amüsieren. Ricu versuchte aufzustehen, aber seine Schmerzen hielten ihn zurück. Mehr als alles andere in der Welt wünschte er sich, dass Katzuja kommen und ihn da weg holen würde, aber nichts geschah. Ricu legte seine Hand auf eine besonders schmerzhafte Stelle direkt unter seinem Brustkorb. Als er sie wieder weg nahm bemerkte er das Blut, das an ihr haftete. Erst jetzt sah er, dass er in einer kleinen Blutlache lag. Panik stieg in ihm auf. Er musste hier weg, sonst würde sein Stiefvater ihn womöglich noch töten, wenn er zurückkommen würde. Allen Schmerzes zum Trotz, stemmte er sich hoch, bis er schließlich zitternd auf allen Vieren auf dem Boden hockte. Sein Brustkorb tat unwahrscheinlich weh und als er hustete, spuckte er Blut. Er zog sich an einer kleinen Kommode hoch und verließ, sich an der Wand stützend die Wohnung. Mit zitternden Beinen schleppte er sich die Treppen hinunter und aus dem Haus, hinaus in die Kälte. Katzuja näherte sich Ricus Wohnhaus. Vor der Haustür bemerkte er die Blutspuren, die sich vom weiß des Schnees abhoben. »Nein, bitte nicht!«, dachte er noch und verfolgte schnellen Schrittes die Spur. Sie führte ihn in einen kleinen Park, auf der anderen Seite der Straße. Schon vom Eingang aus sah er die Gestalt, die zusammengesunken am Fuße einer Engelsstatue kauerte. Seine Schritte wurden schneller und schneller. Als er Ricu erreichte, kniete er sich zu ihm auf den Boden und hob dessen Oberkörper auf seinen Schoß. Er war eiskalt. "Ricu, kannst du mich hören? Sag doch was! Ricu!" Katzuja war den Tränen nahe. Er hatte versagt, hatte ihn nicht beschützen können und nun würde er ihn zur Strafe vielleicht verlieren. "Ka … Katzuja!", kam es plötzlich, flüsternd von Ricu. Katzuja sah ihn erschrocken und gleichzeitig erleichtert an. "Gott sei dank, du lebst. Was machst du denn nur für Sachen?", fragte er und eine Träne rann unbemerkt seine Wange hinab. "Es… tut mir leid! Ich habe… mein Versprechen gebrochen. Dabei… dabei hast du mir vertraut!", flüsterte der Kleine. Das Atmen viel ihm unglaublich schwer und er musste sich beherrschen um nicht gleich wieder das Bewusstsein zu verlieren. "Ich weis, aber das ist jetzt nicht wichtig!", antwortete Katzuja und lächelte gequält. "Ja,… vielleicht hast du Recht." Plötzlich weiteten sich Ricus Augen und für einen Moment schien es als wäre alles in bester Ordnung mit ihm. Als wären alle Schmerzen und alles was geschehen war vergessen. "Katzuja, sieh mal! Es schneit!", flüsterte er lächelnd. Katzuja hob den Blick von Ricu und sah nun auch die Schneeflocken, die leise auf sie herabfielen. "Ja!", sagte er mit tränenerstickter Stimme. Lächelnd schaute er Ricu wieder an und eine weitere Träne bahnte sich ihren Weg über seine Wange. "Nicht weinen!", sagte Ricu leise und wischte mit zitternder Hand die Träne fort. Dann umschloss ihn wieder die Finsternis. Katzuja zog seine Jacke aus und legte sie ihm um. Er hob ihn vorsichtig hoch und verließ mit ihm den Park. Auf der Straße war keine Menschenseele. Niemand, den er hätte um Hilfe bitten können. Er konnte Ricu nicht mal ins Krankenhaus bringen, da es zu weit zum Laufen war und er auch kein Geld für ein Taxi oder zum Telefonieren hatte. Es blieb ihm nur die Möglichkeit, ihn wieder mit zu sich nach Hause zu nehmen und so lief er mit ihm so schnell wie möglich durch die verschneiten Straßen zurück. Kapitel 13: Tränen ------------------ Als sie wieder in Katzujas Wohnung ankamen, legte er Ricu vorsichtig ins Bett und zog ihm die komplett durchnässten und von Blut durchtränkten Sachen aus. Dabei wurde das ganze Ausmaß der Verletzungen sichtbar. Neben vielen kleineren Wunden, die wieder aufgerissen waren und unzähligen blauen Flecken, klaffte eine tiefe Fleischwunde unterhalb von Ricus Brustkorb, aus der unaufhaltsam Blut floss. Sofort versuchte Katzuja verzweifelt die Blutung zu stoppen, was sich jedoch schwieriger als erwartet gestalten sollte. Aber schließlich gelang es ihm und die Blutung stoppte. Immer wieder musterte er den Kleinen, während er seine Wunden säuberte und so gut wie möglich verband. »Er ist so blass und scheint so zerbrechlich.«, dachte Katzuja und er befürchtete, dass Ricu es vielleicht nicht überleben würde. "Bitte, du musst kämpfen. Lass mich jetzt nicht allein! Nicht jetzt, wo ich dich endlich gefunden habe!", flüsterte er. Er wollte Ricu nicht verlieren, nie wieder wollte er so einsam sein, wie er es war bevor er den Kleinen kennen lernte. Es kam ihm fast so vor als hätte er sein Leben lang nur nach ihm gesucht. Und jetzt, wo er ihn endlich gefunden hatte, sollte er ihn wieder verlieren? Nein! Er würde um ihn kämpfen - Auch gegen den Tod. Nachdem die Wunden so gut wie möglich versorgt waren, holte Katzuja einen seiner Pullover aus dem Schrank und zog ihn Ricu an. Immer noch war dessen Körper eiskalt und Katzuja musste versuchen ihn wieder warm zu bekommen. Er holte noch einige Decken und legt sie um Ricu. Dann setzte er sich neben das Bett und nahm die Hand des Kleinen. Er hielt sie fest und lauschte Ricus unregelmäßigen und tiefen Atemzügen bis er schließlich erschöpft einschlief, aber selbst dann ließ er ihn nicht los. Mitten in der Nacht schreckte Katzuja hoch, als er spürte, wie Ricus Hand sich der seinen entzog. Der Kleine wälzte sich unruhig im Bett hin und her, seine Atmung war schwer und noch unregelmäßiger als zuvor. Er schien einen Albtraum zu haben. Katzuja hielt ihn fest, da er befürchtete, dass durch die heftigen Bewegungen des Kleinen die Wunden wieder aufreißen könnten. "Ricu! Ricu, wach auf! Du musst aufwachen! Na los!", versuchte er ihn aus seinem Albtraum zu befreien. Ricu hörte, wie jemand leise seinen Namen rief, aber sein Kopf war von einem dunklen Nebelschleier umgeben und hielt ihn darin gefangen. Er hörte auf sich umher zu wälzen und versuchte Stöhnend sich in die Realität durchzuschlagen, doch heißes Brennen in seinem Leibe überredete ihn dazu, lieber in der Position, in der er sich befand, weiter zu verweilen. Plötzlich begannen die Augenlider des Blonden zu zucken und schon nach kurzer Zeit kamen seine blau- grauen Augen zum Vorschein. Doch leicht erschrocken stellte Katzuja fest, dass sie eher glasig, als wie sonst strahlend waren. Rasch schnellte seine rechte Hand zum Gesicht des Kleinen vor und legte sich auf dessen Stirn. Im Gegensatz zu vorhin, wo er noch eiskalt war, glühte er jetzt förmlich. »Mist, er hat hohes Fieber!«, dachte Katzuja und machte sich sofort auf den Weg ins Bad um eine Schüssel mit kaltem Wasser und ein Handtuch zu holen. Wieder im Schlafzimmer, tauchte Katzuja das Handtuch ins Wasser, wrang es aus und legte es auf Ricus Stirn. Schwer atmend schloss dieser wieder die Augen und seine Laute waren von Hustanfällen erschüttert, wobei Blut sich den Weg aus seinem Körper bahnte. Erschrocken starrte Katzuja den Kleinen an. Panische Angst stieg in ihm auf. Wenn er jetzt nichts unternahm, würde er Ricu doch noch verlieren. "Halt durch Kleiner, ich hole Hilfe!", meinte er verzweifelt zu ihm. Dann sprang er auf, rannte aus der Wohnung und klingelte bei einem Nachbarn sturm. Nach einer Weile waren hektische Schritte von drinnen zu vernehmen, dann wurde die Tür aufgerissen. "Wissen sie eigentlich wie spät es ist?", fragte der Mann an der Tür verärgert. "Tut mir leid, aber ich brauche dringend ihr Telefon! Bitte, es geht um Leben und Tod!", überfiel Katzuja ihn. "Öhm... okay!", meinte der Mann etwas verwundert und ließ Katzuja schließlich herein. "Das Telefon steht im Wohnzimmer!" Sofort marschierte Katzuja in den genannten Raum. Als er das Telefon entdeckte, wählte er hektisch die Nummer des Notrufes und wartete auf Antwort. »Na los, macht schon!«, flehte er in Gedanken und schon nach kurzer Zeit meldete sich jemand. "Notrufzentrale Shizuoka… " Sichtlich erleichtert legte Katzuja wieder auf, nachdem er den Notruf abgesetzt hatte. Ungläubig schaute sein Nachbar ihn an. "Kann ich irgendwie Helfen?", fragte er Katzuja, aber dieser stand nur mit gesengtem Blick vor ihm. "Ich könnte unten auf die Rettungskräfte warten und sie dann hoch führen." Katzuja hob den Kopf und schaute ihn müde lächelnd an. "Danke, das ist sehr nett von ihnen." "Aber das ist doch selbstverständlich! Gehen sie lieber wieder zu ihm, er braucht sie sicher!" "Ja!", meinte Katzuja kurz und ging langsam wieder in seine Wohnung zurück. An der Tür zum Schlafzimmer blieb er stehen und betrachtete Ricu, der mittlerweile wieder in eine tiefe Bewusstlosigkeit abgedriftet war. Katzuja setzte sich zu ihm aufs Bett und sah ihn stillschweigend an. Er fühlte sich allein und wusste einfach nicht mehr weiter. Das Handtuch, welches er auf Ricus Stirn gelegt hatte um das Fieber zu senken, war nach einigen Bewegungen des Kleinen wieder von dieser herunter gerutscht und lag nun neben ihm auf dem Kissen. Behutsam nahm Katzuja das Handtuch von dort weg und legte es zurück in die Schüssel mit dem Wasser. Dann hob er Ricu vorsichtig auf seinen Schoß und strich ihm einige Strähnen von der Stirn. Ein kleiner Wassertropfen, der dabei auf die Wange des Blonden fiel, erregte seine Aufmerksamkeit und holte ihn aus seinen Gedanken. Verwundert hob er die rechte Hand und streifte mit den Fingern über die eigene Wange. Entgeistert senkte er sie wieder und sah die Tränen, die an ihr hafteten und nun unaufhaltsam seine Wangen mit ihrem salzigen Wasser benetzten. Äußerlich konnte man ihm antun was man wollte, denn dank der `Erziehung` seines Vaters konnte er damit umgehen und es ohne weiteres erdulden. Innerlich jedoch war er schwach. Seine Seele war längst gebrochen, doch zeigte er anderen gegenüber nie seine Gefühle. Er hatte eine Mauer um sich herum aufgebaut. Eine Mauer, die niemals jemand durchbrechen konnte. Nicht einmal seine Freunde wussten, wie es in ihm aussah. Für sie war er immer nur der unnahbare Junge, der niemanden an sich ran ließ und nie seine Gefühle preisgab. Doch als er Ricu begegnete, schien es, als würde seine Seele zu ihm zurückkehren und die Mauer begann zu bröckeln. Der Kleine war der Einzige dem er sich je anvertraut hatte, nur er allein wusste, was Katzuja nie einem anderen erzählt hatte. Katzuja ließ seinen Tränen freien lauf. Es war ihm egal, ob es jemand sah. Er konnte den innerlichen Schmerz nicht länger ignorieren und so bahnte sich eine Träne nach der anderen ihren Weg. Sachte ließ er seinen Kopf auf Ricus Brust sinken und lauschte dem schwachen Herzschlag des Kleinen. Seine Gedanken schweiften über dem gleichmäßigen Geräusch immer weiter ab und schließlich erinnerte er sich an den Moment zurück, an dem er das letzte Mal geweint hatte. Es war der Tag an dem seine Mutter zusammen mit seinem kleinen Bruder gegangen war und ihn mit seinem Vater allein zurückließ. Diesen Tag würde er sein Leben lang nicht vergessen, denn es war der Tag an dem er begann die Mauer zu errichten, um seine Gefühle zu verbergen. Doch das wollte er nun nicht mehr. Er hatte gesehen, wozu seine Verschlossenheit ihn geführt hatte. Hätte er Ricu seine Gefühle gestanden, dann wäre das alles vielleicht nicht passiert. Das immer lauter werdende Geräusch von Sirenen riss Katzuja schließlich wieder aus seinen Gedanken und holte ihn zurück in die Realität. Nur wenige Minuten später waren die schnellen Schritte der Rettungskräfte, die zusammen mit Katzujas Nachbarn die Treppen hinaufeilten zu hören und schließlich erreichten ein Notarzt und dessen Assistent Katzujas Wohnung. "Jetzt wird alles wieder gut! Das verspreche ich dir.", meinte Katzuja und küsste Ricu sanft auf den Mund. Fassungslos über den Anblick der sich ihnen bot, blieben die Rettungskräfte für einen kurzen Moment wie erstarrt stehen. Katzuja löste sich von Ricu und sah sie Hilfe suchend an. "Bitte, helfen sie ihm! Er darf nicht sterben!", flehte er, was sie wieder aus ihrer Starre holte. Doch bevor der Notarzt etwas unternehmen konnte, musste er einige Dinge über den Patienten in Erfahrung bringen, damit eventuelle Fehler ausgeschlossen werden konnten. "Hat er irgendwelche Krankheiten oder Allergien?", fragte er an Katzuja gewand. Doch dieser schüttelte nur langsam mit dem Kopf. "Ich... ich weis nicht. Ich glaube nicht.", antwortete er unsicher. "Aber, ist er denn nicht ihr Bruder? Sie müssen doch wissen, ob er etwas Derartiges hat!" Wieder schüttelte Katzuja mit dem Kopf. "Nein, er… ist nicht mein Bruder. Er… er ist mein Freund.", meinte er leise. Dann senkte er den Blick und sah Ricu an, der noch immer bewusstlos und schwer atmend in seinem Schoß lag. Der Notarzt nickte verstehend. "Sag denen, wir brauchen eine Trage hier oben!", meinte er an seinem Assistenten gewandt. Sofort gab dieser die Meldung durch sein Funkgerät an die anderen Rettungskräfte weiter. Der Notarzt wandte sich wieder an Katzuja und fragte, was denn eigentlich passiert sei, während er den Puls des Kleinen fühlte und ihm eine Infusion legte. Doch Katzuja schüttelte nur mit dem Kopf und der Notarzt merkte, dass er auf diesem Wege bei ihm nicht weiter kam, also versuchte er es auf eine andere Art. "Sind ihnen außer dem Fieber und den äußerlichen Verletzungen noch andere Dinge aufgefallen?", fragte er mit ruhiger Stimme. Katzuja überlegte kurz, dann nickte er zustimmend. "Ja, er hatte vorhin Hustenanfälle und dabei kam Blut.", meinte er mit heiserer Stimme, als er an den erschreckenden Anblick zurückdachte. Sofort schob der Notarzt Ricus Pullover ein stück nach oben, besah sich die Verletzungen und hörte dessen Brust ab. "Fehlendes Lungengeräusch, linksseitig.", stellte er kurz fest und drehte sich zu seinem Assistenten, der die Werte notierte, die ihm sein Kollege ansagte. "Funk die Notaufnahme an, die sollen einen OP fertig machen. Er hat wahrscheinlich einen Pneumothorax!", meinte er zu ihm. "Was…was ist ein Pneumothorax?", fragte Katzuja an den Notarzt gewandt, doch dieser antwortete ihm nicht. Aber auch ohne die Antwort des Notarztes konnte sich Katzuja denken, dass es nichts Gutes war. Endlich trafen die angeforderten Rettungskräfte mit der Trage ein und Ricu wurde vorsichtig auf diese verlagert. Unsicher stand Katzuja von seinem Bett auf. "Darf ich mitkommen?", fragte er leise. "Ich will ihn nicht alleine lassen!", fügte er noch hinzu, nachdem sich der Notarzt mit fragendem Gesicht zu ihm umgedreht hatte. "Aber natürlich, kein Problem.", meinte dieser schließlich lächelnd. Kapitel 14: Zwischen Hoffen und Bangen -------------------------------------- Die Fahrt zum Krankenhaus erschien Katzuja unendlich lang, doch schließlich erreichten sie es endlich. Sofort wurde Ricu in die Notaufnahme gebracht in der bereits ein Arzt auf sie wartete und ihnen den Weg in den vorbereiteten OP wies. "Tut mir leid, aber sie können hier nicht rein!", meinte der Arzt zu Katzuja und hielt ihn zurück als die Rettungskräfte mit Ricu im OP verschwanden. Katzuja schaute ihnen traurig nach, aber er sah ein, dass der Arzt Recht hatte und so nickte er zustimmend. "Sie können hier warten! Ich sage ihnen bescheid sobald es etwas Neues gibt! Eine Schwester wird sich derweil um sie kümmern!" "Danke!", erwiderte Katzuja leise und schon wurde er von einer der Schwestern in den Warteraum geführt, während der Arzt ebenfalls im OP verschwand. "Möchten sie etwas trinken? Einen Kaffee oder Tee?", fragte ihn die Schwester freundlich, nachdem Katzuja sich gesetzt hatte. "Ja, ein Tee währe jetzt nicht schlecht.", antwortete Katzuja und lächelte sie gequält an. "Gut, dann bringe ich ihnen gleich einen!" Und sie verließ das Wartezimmer. Kurz danach betrat der Notarzt den Warteraum. Katzuja sah kurz auf, senkte dann aber seinen Blick wieder. Der Notarzt ging auf ihn zu und setzte sich neben ihn. "Wie geht es ihm?", fragte Katzuja mit ruhiger Stimme. Den Blick ließ er dabei gesengt. Trotz der unendlichen Trauer und Sorge, wirkte er doch sehr gefasst. "Sein Zustand ist soweit stabil. Sie bereiten ihn gerade für die OP vor. Alles Weitere hängt jetzt von den Ärzten ab." Katzuja nickte verstehend, schaute aber weiterhin missmutig drein. "Machen sie sich keine Sorgen, die kriegen ihn schon wieder hin!", meinte der Notarzt aufmunternd und legte seine Hand auf Katzujas Schulter, als er sah, dass seine Worte ihn nicht wirklich beruhigten. Dann stand er langsam wieder auf. "Also dann, ich muss jetzt wieder los. Ich wünsche ihnen Beiden noch viel Glück!" Als er gerade gehen wollte, hielt Katzuja ihn am Arm fest. Der Notarzt drehte sich mit fragendem Blick zu ihm um. Doch Katzuja lächelte nur und meinte: "Danke, dass sie ihm geholfen haben! Dass werde ich ihnen nie vergessen!" "Hey, das ist immerhin mein Job!", antwortete der Notarzt ihm nur und lächelte zurück. Dann verließ er das Wartezimmer. Nach einigen Minuten kam die Schwester wieder zu Katzuja in den Warteraum und brachte ihm den Tee. Dankend nahm Katzuja die Tasse mit dem dampfenden Getränk entgegen. "Wenn sie etwas brauchen, sagen sie es mir!", meinte die Schwester freundlich. Katzuja nickte zum Zeichen seines Verstehens und bedankte sich nochmals. Dann ließ sie ihn wieder allein. Katzuja sah aus dem Fenster. Draußen war es stockdunkel und es hatte wieder zu schneien begonnen. Der Blick auf eine Wanduhr, die im Zimmer über der Tür hing verriet ihm, dass es bereits 01:53 Uhr war. Langsam trank er seinen Tee und dachte über das nach, was in den letzten zwei Stunden geschehen war. Immer wieder tauchten die Bilder der vergangenen Geschehnisse vor seinem geistigen Auge auf und jedes Mal durchfuhr ihn dabei ein stechender Schmerz. Alles schien ihm so Ausweglos. Wieder begannen Tränen seinen Blick zu verschleiern, doch er wischte sie mit seinem Hemdärmel einfach weg. Er musste stark sein, um Ricus Willen. Denn, wenn er jetzt auch noch aufgab, dann wäre alles umsonst gewesen. Entschlossen stand er auf und versuchte die finsteren Gedanken zu vertreiben, was ihm jedoch nicht wirklich gelingen wollte. Denn schon als er erneut aus dem Fenster schaute und die Schneeflocken sah, die sachte zu Boden fielen überkam ihn wieder die Traurigkeit. Wie schaffte es der Kleine nur ihn so dermaßen aus dem Gleichgewicht zu bringen? Selbst als er vom Tod seiner Mutter und seines Bruders erfahren hatte, hatte Katzuja keine solche Trauer gespürt, wie in diesem Moment. Überhaupt war es für ihn untypisch sich so für jemanden einzusetzen. Er zeigte sich anderen gegenüber stets egoistisch und gemein, in der Hoffnung, dass sie ihn in Ruhe ließen. Mit seiner Ex- Freundin war er auch nur zu eigenen Zwecken zusammen. Sie war so verliebt, sie hätte alles für ihn getan und das nutzte er schamlos aus. Auch als er sich von ihr trennte und sie am Boden zerstört war, zeigte er keinerlei Mitleid oder andere Emotionen. Es war ihm buchstäblich egal, was aus ihr wurde. Die Worte ´Liebe´ und ´Zuneigung´ existierten nicht für ihn. Er hatte, nachdem seine Mutter und sein Bruder damals gegangen waren nie wieder erfahren, was es heißt zu lieben und geliebt zu werden. Von seinem Vater erfuhr er nur Wut, Hass und Gewalt. So lernte er, alle anderen Gefühle zu ignorieren und letztendlich auszuschalten. In diesem Moment wurde ihm klar, was für einen miesen Charakter er hatte. Er war genau so geworden, wie der Mensch, den er am meisten hasste - sein Vater. Geschockt über diese Erkenntnis, ließ er sich langsam auf einen Stuhl sinken, der direkt neben dem Fenster stand. Den Blick starr auf den Boden gerichtet, fuhr er sich mit der rechten Hand durch das Haar und stütze sich schließlich mit dem Ellenbogen auf seinem rechten Knie ab. So verharrte er eine ganze Weile und dachte weiter darüber nach. Schließlich fasste er einen Entschluss. Er würde sich ändern, würde nie wieder so egoistisch und gemein zu seinen Mitmenschen sein und er würde sein Dasein als Schläger an der Schule aufgeben - Ricu zu liebe. Er bewunderte den Kleinen, der trotz seines schweren Schicksals stets fröhlich war und den anscheinend kein Wässerchen trüben konnte. Er lächelte leicht bei dem Gedanken an das Lächeln des Blonden. »Ray und Hisoka werden es sicher verstehen, wenn ich die Gruppe verlasse. Sie sind ohne mich sowieso besser dran.« Zufrieden über seinen Entschluss, schloss er die Augen und überlegte noch, wie er es Ray und Hisoka am Besten sagen würde. Doch schon wenige Augenblicke später übermannte ihn der Schlaf. Mit einem leisen Murren wurde Katzuja unter dem sachten Rütteln einer anderen Person aufgeweckt. Verschlafen sah er sich um, da er nicht gleich realisierte, wo er eigentlich war. Schließlich klärte sich sein Blick und er erkannte einen Mann in einem weißen Kittel, der lächelnd vor ihm stand. Schlagartig war er wach, als er den Arzt erkannte, der vor einiger Zeit mit den Rettungskräften und Ricu im OP verschwunden war. Katzuja wagte kaum zu fragen, aber der zuversichtliche Ausdruck im Gesicht des Arztes beseitigte seine Zweifel. "Wie…wie geht es ihm?" Der freudige Ausdruck verschwand und Katzuja bereute schon gefragt zu haben. Ernst schaute der Arzt ihn an und setzte sich schließlich neben ihn. "Die OP ist soweit gut verlaufen. Es ist ein Wunder, dass er das überlebt hat. Sein Körper ist sehr geschwächt. Ein paar Stunden später und wir hätten ihn nicht mehr retten können. Aber wir haben es geschafft. Sorge macht mir nur sein extremes Untergewicht. Isst er nicht ausreichend?" Katzuja überlegte kurz. Ricu aß tatsächlich, wenn überhaupt nur sehr wenig, aber, dass es so schlimm ist hatte Katzuja nicht gedacht. Er schüttelte mit dem Kopf. "Nein, er hat nie viel gegessen.", beantwortete er schließlich die Frage des Arztes. "Hm… das könnte vielleicht ein paar Probleme hervorrufen.", meinte der Arzt und Katzuja schaute ihn noch besorgter an, als er es ohnehin schon tat. "Aber ich bin da sehr zuversichtlich, was dies betrifft. Wenn in den nächsten 12 Stunden keine Komplikationen auftreten, wird er über den Berg sein, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis er genesen ist.", fügte er noch hinzu, als er Katzujas Blick bemerkte. Erleichtert atmete dieser wieder auf. "Kann ich schon zu ihm?" "Tut mir leid, das ist im Moment noch nicht möglich. Er befindet sich zurzeit im Aufwachraum und steht dort unter ständiger Beobachtung, falls etwas ist. Sobald er aufwacht werden wir sie informieren. Wie können wir sie erreichen?" Katzuja schüttelte mit dem Kopf. "Ich habe leider weder Telefon noch Handy." "Hm…Was ist mit seinen Eltern? Sind die irgendwie erreichbar?" "Ähm… Nein, sein Vater ist im Moment verreist und kommt auch nicht allzu bald wieder und sonst hat er keinen.", log Katzuja, da er nicht zulassen konnte, dass Ricus Stiefvater erfuhr, wo der Kleine war. "Dann würde ich vorschlagen, dass sie heute Abend einfach noch mal vorbeischauen, dann ist er auf jeden Fall wieder wach. Vielleicht könnten sie ihm ein paar Sachen zum wechseln und Waschzeug mitbringen! Denn ich denke, dass er noch ein paar Wochen bleiben muss!" Katzuja nickte erleichtert, auch wenn ihm der Gedanke, dass Ricu länger hier bleiben sollte nicht recht gefallen wollte. "Gut, dann komme ich am Abend wieder.", meinte er. Dann standen beide auf und Katzuja bedankte sich bei dem Arzt wie schon zuvor bei dem Notarzt für dessen Hilfe. Nachdem der Arzt das Zimmer verlassen hatte, warf Katzuja einen Blick auf die Wanduhr. 5:17 Uhr zeigte diese an und Katzuja beschloss sich auf den Weg zu seiner Wohnung zu machen und noch etwas zu essen, bevor er zur Schule musste. Kapitel 15: Müde ---------------- Kurze Zeit später stand er an der Bushaltestelle in der Nähe des Krankenhauses. Der Plan verriet ihm, dass der nächste Bus schon in 7 Minuten fuhr. Sich selbst in Gedanken auf die Schulter klopfend, dass er vorhin geistesgegenwärtig die richtige Jacke, in der sich seine Geldbörse befand mitgenommen hatte, suchte er das nötige Kleingeld für den Fahrschein heraus. Es war noch immer dunkel und lausig kalt. Nur eine Straßenlaterne, die ein Stückchen weiter die Straße hinunter stand spendete etwas Licht. Endlich kam der Bus. Katzuja stieg ein, zahlte dem Busfahrer das notwendige Beförderungsgeld und setzte sich schließlich auf einen der lehren Plätze am Fenster. Außer dem Busfahrer und ihm war niemand in dem Fahrzeug. Die Fensterscheiben waren durch den Temperaturunterschied beschlagen und so wischte Katzuja mit seinem Ärmel ein Stück der Scheibe frei, um hinaussehen zu können. Die gesamte Gegend lag still und tief verschneit da. Kaum ein Auto war auf der Straße. Nur die, die um diese Uhrzeit zur Arbeit mussten waren schon unterwegs. Schließlich hielt der Bus an einer Haltestelle die nur ein kleines Stück weit von Katzujas Wohnhaus entfernt war. Er stieg aus und legte die restliche Wegstrecke zu Fuß zurück. In seiner Wohnung angekommen, zog er sich Jacke und Schuhe aus und begab sich ins Badezimmer. Dort betrachtete er sein müdes Gesicht im Spiegel. Vielleicht sollte er versuchen noch ein bisschen zu schlafen, bevor er nachher zur Schule ging. Doch als er ins Schlafzimmer kam, und der Schein der Badezimmerlampe die dort noch immer stehende Schüssel mit dem inzwischen lauwarmen Wasser und dem Handtuch anleuchtete, überlegte er es sich anders. Er nahm die Schüssel und ging zurück ins Bad, wo er das Wasser ausschüttete und das Handtuch zum trocknen aufhing. Dies alles tat er mit einer unglaublichen Gefasstheit, denn obwohl er wusste, dass Ricu in guten Händen war, wollte seine Traurigkeit ihn einfach nicht verlassen. Als er schließlich im Schlafzimmer das Licht anschaltete, um dort das Bett wieder herzurichten, sah er die Blutflecke, die sowohl auf dem Laken, als auch auf dem Kopfkissen waren. Seine Trauer wurde unerträglich und schließlich versuchte er nicht mehr sie zurückzuhalten. Er setzte sich auf das Bett, nahm das Kissen in den Arm und drückte es an sich. Langsam rannen Tränen seine Wangen hinunter, um schließlich im Kissen zu versickern. Alles um ihn herum nahm er nur noch verschleiert war. Sein Kopf schmerzte und irgendwann schlief er ein. Doch schon eine halbe Stunde später schlug sein Wecker Alarm und Katzuja schreckte wieder aus seinem Schlaf hoch. Noch immer hielt er das Kissen fest an sich gedrückt. Nur mühsam richtete er sich auf und schaltete den Wecker aus. Inzwischen war es Draußen hell geworden und so schaltete Katzuja das Licht im Schlafzimmer aus, welches die ganze Zeit über an war. Langsam ging er ins Bad, wo er sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht warf. Dadurch etwas wacher als zuvor ging er in die Küche, um sich eine Kleinigkeit zum essen zu nehmen, aber er bekam kaum einen Bissen hinunter. Also zog er sich um und machte sich schließlich auf den Weg zur Schule. Als er auf dem Schulgelände ankam, standen Ray und Hisoka am Eingang des Gebäudes und warteten auf den Beginn des Unterrichts. Die anderen Schüler waren bereits im Klassenraum und bereiteten sich auf den Unterricht vor. Überrascht sahen sie Katzuja an, der auf sie zukam. "Hey Alter, bist ja heute so früh dran. Bist wohl ausm Bett gefallen, was?", scherzte Hisoka, war aber augenblicklich still, als Ray ihm etwas unsanft seinen Ellenbogen in die Rippen stieß. Er kannte Katzuja nun schon eine halbe Ewigkeit und hatte sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmte. "Wo…wo ist der Kleine?", fragte er etwas zögernd. Katzuja hatte sie erreicht und blieb neben ihnen stehen. Er hob den Kopf und sah die Beiden mit müdem Blick an. "Er ist im Krankenhaus.", beantwortete er Rays Frage leise, der ihn daraufhin fassungslos ansah. Auch Hisoka war zuerst völlig perplex über Katzujas Antwort. "Was? Aber was ist denn passiert?" "Sein Stiefvater…", meinte Katzuja nur kurz, wandte sich dann ab und machte sich auf den Weg ins Schulgebäude. Er wollte jetzt absolut nicht darüber reden. Ray und Hisoka sahen sich geschockt an. "Aber wie~", setzte Hisoka an, doch Ray verhinderte, dass er weiter sprach. "Lass gut sein Hisoka. Er will nicht darüber reden, ist sicher auch besser so.", meinte er zu seinem Kumpel und sie begaben sich ebenfalls auf den Weg ins Klassenzimmer. Als sie den Raum betraten wurde es urplötzlich still und unzählige Augenpaar waren auf sie gerichtet. Niemand sagte etwas. Es war als hätten sie alle die Sprache verloren. "Was glotzt ihr so?", fauchte Ray und versuchte die Aufmerksamkeit von Katzuja abzulenken. Doch niemand ließ sich davon beeindrucken, zu groß war das Erstaunen darüber, dass der ständig zu spät kommende Katzuja plötzlich pünktlich war und das schon zum zweiten Mal in einer Woche. Katzujas Blick schweifte durch die Bankreihen und blieb schließlich an dem Platz hängen, der Ricu zugeteilt war. Plötzlich wurde die Tür zum Klassenzimmer geöffnet und Frau Kadowaki betrat den Raum. "Nanu, was ist denn hier los?" Erst jetzt bemerkte sie Katzuja, der noch immer wie gebannt zu Ricus Platz sah. "Herr Akai, sie schon hier. Du meine Güte, dass ich das noch erleben darf. Und ich dachte schon, dass ich so etwas nur erleben würde, wenn Herr Hiwatari sie begleitet, so wie Gestern. Übrigens, wo ist Herr Hiwatari denn heute?" Als Ricus Name fiel, zuckte Katzuja kaum merklich zusammen, wagte aber nicht sich umzudrehen. "Wissen sie vielleicht, was mit ihm ist Herr Akai?", fragte Frau Kadowaki an Katzuja gewandt. Doch dieser schüttelte nur schnell mit dem Kopf und ging zügig zu seinem Platz, ohne die Lehrerin auch nur einen Moment anzusehen. Ray und Hisoka folgten ihm. "Also gut, vielleicht kommt er ja noch. Wir fangen jetzt aber an.", meinte Frau Kadowaki und beendete somit das Thema Ricu Hiwatari für diese Stunde. Erleichtert sank Katzuja auf seinem Stuhl zusammen, legte seine Arme verschränkt auf den Tisch und bettete seinen Kopf auf sie. Kurz schloss er die Augen, um seine Müdigkeit etwas zu vertreiben und lauschte so den Anfängen des Unterrichts. Kapitel 16: Gedanken -------------------- Erschrocken zuckte Katzuja zusammen, als er plötzlich einen spitzen Ellenbogen spürte, der unsanft in seine Seite stieß. Verschlafen blickte er neben sich und sah Ray an, der ihn mit einem Kopfnicken in eine bestimmte Richtung auf etwas aufmerksam machen wollte. Als Katzuja den Blick in die ihm gewiesene Richtung lenkte, schaute er direkt in Frau Kadowakis nicht gerade entzücktes Gesicht. Sofort saß er kerzengerade auf seinem Stuhl und hatte den Blick starr zur Tafel gerichtet, um Frau Kadowakis stechendem Blick auszuweichen. "Herr Akai, ich weis ja, dass Algebra nicht gerade sehr interessant für sie ist, aber an ihrer Stelle würde ich wenigstens ein bisschen Initiative zeigen, denn ich nehme nicht an, dass sie die Abschlussprüfung allein mit schlafen bestehen werden.", meinte sie mit strengem Ton. Für gewöhnlich hätte Katzuja jetzt ein trotziges Gesicht gemacht und irgendeinen klugscheißerischen Spruch losgelassen, aber dazu fehlte ihm im Moment jegliche Kraft und so senkte er den Blick auf seinen Tisch und brachte er nur ein leises "Entschuldigung!" hervor. Erstaunt schauten ihn seine Klassenkammeraden und seine Lehrerin an. So etwas hatte es noch nicht gegeben, dass Katzuja Akai eine solche Mahnung einfach nur mit einem "Entschuldigung" abtat. Sonst hatte er sich wegen jeder Kleinigkeit mit seiner Lehrerin angelegt und dafür meist auch eine Stunde Nachsitzen oder sogar einen Besuch beim Direktor aufgebrummt bekommen. Katzuja noch einmal kurz verwirrt ansehend, wandte die Lehrerin sich schließlich ab und setzte den Unterricht fort. In der zweiten Stunde hatten sie Sport, doch als der Sportlehrer die Anwesenheitsliste durchging, fehlten zwei der Schüler. "Ricu Hiwatari?", fragte er, aber er bekam keine Antwort. "Weis jemand, was mit ihm ist?" Die Jungen schüttelten mit den Köpfen und so fuhr er in der Liste fort, bis er schließlich bei Katzujas Namen angelangt war. "Katzuja Akai?", wieder blieb es still. Irritiert schaute er von seiner Liste auf. "Nanu, er fehlt. Aber laut Klassenbuch müsste er anwesend sein." Nun meldeten sich Ray und Hisoka zu Wort. "Es ging ihm nicht gut, deswegen…ist er nach Hause gegangen und bittet um Entschuldigung.", meinte Ray, um Katzuja einen Eintrag zu ersparen. Einer der anderen Jungen wollte gerade etwas zu Rays Aussage bemerken, aber als er den finsteren Blick von diesem auf sich spürte, ließ er es lieber bleiben. "Merkwürdig, sonst kommt er sogar mit 40 Fieber zum Sport. Aber gut. Fangen wir an." Erleichtert atmeten Ray und Hisoka auf. Auch sie wussten eigentlich nicht genau, warum Katzuja plötzlich verschwunden war, aber sie konnten es sich fast denken. Katzuja stand, sich auf eines der Waschbecken stützend, im Waschraum der Jungen und schaute sich traurig im Spiegel an. Er hatte sich heimlich von den anderen getrennt, während diese sich umgezogen hatten. Obwohl Sport zu seinen absoluten Lieblingsfächern gehörte, hatte er heute überhaupt keine Lust und beschloss daher die Stunde zu schwänzen. Lieber riskierte er einen Eintrag, als sich zu blamieren. Denn er ging nicht davon aus, dass er in seinem jetzigen Zustand auch nur irgendetwas auf die Reihe bekam. »Ray und Hisoka werden mich sicherlich entschuldigen.«, dachte er. Die Beiden wussten genau, wie wichtig Sport für ihn war und er wusste, dass er sich auf sie verlassen konnte. Er hatte den Wasserhahn aufgedreht und die klare, kühle Flüssigkeit bahnte sich ihren Weg durch das Waschbecken, bevor sie im Abfluss versickerte. Noch immer war er sehr müde und so spritzte er sich ein wenig Wasser ins Gesicht, um wieder etwas wacher zu werden. Dann drehte er den Hahn wieder zu und betrachtete erneut sein Spiegelbild. Kleine Wassertropfen liefen über sein Gesicht, bis sie schließlich von seinem Kinn aus ins Waschbecken tropften. Mit seinem Hemdärmel wischte er sich über das Gesicht und beseitigte somit das überschüssige Wasser. Ein letztes Mal noch sah er in den Spiegel, bevor er den Waschraum und die Turnhalle verließ. Draußen war es bitter kalt und der Himmel war von dunklen Wolken verhangen. Langsam ging Katzuja über den Schulhof in Richtung Ausgang. Er wollte etwas Spatzieren gehen bis die Stunde vorbei war, in der Hoffnung so auf andere Gedanken zu kommen und bemerkte nicht, wie sein Verschwinden beobachtet wurde. Er ging zu dem nahe gelegenen Park und wanderte auf den verschneiten Wegen unter den Bäumen entlang. Alles um ihn herum lag weiß und still da. Kaum jemand war im Park, nur ein verliebtes Pärchen saß auf einer Parkbank und küsste sich. Katzuja blieb kurz stehen und sah die Beiden traurig an. Sie hatten ihn noch nicht bemerkt und so beschloss er lieber weiter zu gehen, bevor sich dies vielleicht noch änderte. Ungewollt schweiften seine Gedanken zu Ricu. Er vermisste den Kleinen und hoffte, dass er ihn bald wieder in seine Arme schließen konnte. Als er ein Stück gegangen war, kam er an einer weiteren Parkbank vorbei und beschloss, einen Augenblick lang auf dieser auszuruhen. Er schob den Schnee von der Bank und setzte sich. Sein Blick schweifte über die verschneiten Wiesen, die nun von der Sonne angestrahlt wurden, welche es endlich geschafft hatte sich durch die finstere Wolkendecke zu mogeln. Früher hatte er den Winter gehasst, da man zu dieser Jahreszeit nicht viel unternehmen konnte, zumindest was den Sport betraf, außerdem war es dann immer extrem kalt. Aber seit er Ricu kennen gelernt hatte, war das anders geworden. Ihm viel auf, wie schön diese Jahreszeit sein konnte und er erinnerte sich daran, was Ricu ihm über den Winter gesagt hatte. »Du hattest recht. Es scheint tatsächlich, dass die Zeit still steht.«, dachte er und bei diesem Gedanken stahl sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht. Er saß noch gut eine viertel Stunde auf der Bank und spürte, wie die Kälte langsam in ihm aufstieg. Irgendwann beschloss er zurück zu gehen und so stand er auf und verließ den Park in Richtung Schule. Kapitel 17: Freundschaft ------------------------ Als er das Schulgelände erreichte, läutete es gerade zum Ende der zweiten Stunde und die Schüler strömten in Scharen aus dem Hauptgebäude, um ihre große Pause zu genießen. Katzuja stellte sich in eine der Ecken des Schulhofes, in der er immer mit Ray und Hisoka die Pause verbrachte und wartete. Endlich kamen die Beiden aus der Turnhalle und machten sich nun auf den Weg zu ihm. "Alles okay?", fragte Ray, als sie ihn erreicht hatten. Katzuja nickte nur kurz. "Wir haben Herrn Igarashi gesagt, dass es dir nich gut geht und du deshalb nach Hause bist.", meinte Hisoka. "Ja, danke!", antwortete Katzuja, ohne die Beiden anzusehen. Er fand, dass es jetzt an der Zeit war seinen Entschluss sich von der Gruppe zu trennen in die Tat umzusetzen und überlegte, wie er am Besten anfing. "Katzuja?", fragte Ray etwas besorgt, als er die Geistesabwesenheit seines Kumpels bemerkte. Katzuja atmete einmal tief durch. "Hört mal, Jungs! Ich muss euch was sagen!", begann er. Seinen Blick hielt er weiterhin gesengt. "Klar, was haste aufm Herzen?", fragte Hisoka, in der Hoffnung, Katzuja durch die fröhliche Art, mit der er es sagte etwas aufzuheitern. Doch seine Bemerkung verfehlte ihr Ziel und brachte ihm nur einen strengen Seitenblick von Ray ein. "Ich habe seit gestern Abend viel nachgedacht und habe mich entschlossen die Gruppe zu verlassen.", fuhr Katzuja fort. "WAS?", riefen Ray und Hisoka, wie aus einem Mund. "Das kannst du doch nich machen!", entfuhr es Hisoka und Ray nickte zustimmend. Nun endlich hob Katzuja den Kopf und sah die Beiden mit einem entschuldigenden Blick an. "Tut mir leid Jungs, aber es ist besser so. Ich kann einfach nicht mehr so weitermachen. Was wir getan haben war falsch." "Was meinst du?", kam es nun von Ray, der absolut nicht verstand, was Katzuja meinte. "Ich meine die Art, wie wir mit den Anderen umgehen. Wir verprügeln sie und beleidigen sie. Alle haben Angst vor uns. Aber ihr könnt nichts dafür, ich habe euch da einfach mit hineingezogen! Ihr habt nur getan, was ich euch gesagt habe, weil ihr dachtet, dass es Richtig währe, aber das war es nicht und ich war zu stur, um das zu erkennen. Deswegen gebe ich meine Stelle als Anführer und als Mitglied der Gruppe auf." Als er geendet hatte, senkte er den Blick wieder und wollte sich gerade zum gehen abwenden, doch Ray hielt ihn fest und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, sodass Katzuja zu Boden viel. Erschrocken sah er zu Ray hoch und hielt sich dabei die schmerzende Wange. "DU FEIGLING!", schrie Ray ihn an und zog somit ungewollt die Neugierde einiger Schüler auf sich. "Wofür hältst du dich eigentlich? Kaum, dass es mal ein paar Probleme gibt, ziehst du den Schwanz ein und willst dich einfach verpissen! Wann kapierst du endlich, dass du nicht alleine bist? Wenn du ein Problem hast, dann ist es auch unseres und wir werden dich hundert Pro nicht alleine damit stehen lassen. Verdammt noch mal, wir sind deine Freunde du Idiot, kapier das doch endlich! Und wenn du sagst, dass wir uns ändern sollten, weil es falsch war, dann ändern wir uns halt! Wir lassen dich und den Kleinen doch jetzt nicht im Stich! Mann, wir wollen dir doch helfen! Versteh das doch endlich!" Während er sprach wurde Rays Stimme immer ruhiger, bis sie am Ende fast flehend klang. Noch immer schaute Katzuja ihn entgeistert an. "Aber ich~", setzte er an, doch dann wurde er von Hisoka unterbrochen. "Ray hat Recht.", meinte er mit ruhiger Stimme. "Wir habn uns die Freundschaft geschworn, egal was kommt. Aber wenn du die Gruppe jetzt verlässt, dann bist du n Verräter. Du verrätst uns, unsre Freundschaft, aber vor allem verrätst du dich selber. Klar, es is im Moment alles nich so einfach, aber alleine is es noch schwieriger. Wir wissen, dass du das alles nur für den Kleinen tust, um ihm zu Helfen. Aber…wenn du alle die dich unterstützen wollen zum Teufel schickst, dann…dann hilft ihm das ganz und gar nich. Also, lass dir bitte von uns dabei helfen, okay?" Eigentlich widerstrebte es Hisoka, was er gerade gesagt hatte. Auch, wenn er es sich selbst nicht recht eingestehen wollte, so war er doch irgendwie froh, als er erfahren hatte, dass Ricu im Krankenhaus war. Schließlich riss er sich aus seinen Gedanken und reichte Katzuja die Hand, der immer noch auf dem kalten Boden saß. Katzuja war den Tränen nahe und erkannte, dass die Beiden Recht hatten. Alleine würde er es wahrscheinlich nicht schaffen. Noch einmal sah er kurz zu Boden, hob aber schließlich den Blick wieder und lächelte die Beiden leicht an. "Ihr habt Recht. Ich war ein Dummkopf zu glauben, dass ich es alleine schaffen könnte. Es tut mir leid! Könnt ihr mir noch Mal verzeihen?" "Klar, schon vergessen, aber jetzt komm endlich wieder hoch, sonst holst du dir noch was weg und noch einen Kranken können wir jetzt echt nich gebrauchen!", meinte Hisoka mit einem gespielten Lächeln und Katzuja ergriff dankend seine Hand und ließ sich von ihm wieder auf die Beine helfen. "Tut mir Leid, dass ich dich geschlagen habe, aber sonst hättest du uns wahrscheinlich nicht zugehört!", sagte Ray und reichte Katzuja die Hand, um sich zu entschuldigen. "Schon okay!", antwortete Katzuja und schlug ein. "Ich glaube es war ganz gut, dass du es getan hast.", fügte er noch hinzu und lächelte Ray an. "Wie geht’s dem Kleinen? Weist du schon was?", fragte Hisoka, in der Hoffnung, dass Katzuja ihm eine unerfreuliche Antwort gab, was Ricu betraf. Katzuja nickte. "Sie haben ihn gestern Nacht operiert. Er hatte wohl einen Pneu… Pneumo~" "Einen Pneumothorax?", fragte Ray. "Ja, genau. Weist du was das ist?" Ray nickte. "Ich hab das mal in einem Buch gelesen. Bei einem Pneumothorax kollabiert die Lunge nach dem Eintritt eines Fremdkörpers. Als Beispiel war ein Rippenbruch angegeben, bei dem sich ein Teil der Rippe in einen der beiden Lungenflügel bohrt. Bei schneller Hilfe, kann man das operieren, aber der Körper bekommt nicht ausreichend Sauerstoff und wenn man nicht schnell was unternimmt, kann der Patient daran ersticken." Katzuja wurde kreidebleich und ihm war speiübel, als er das hörte. Auch minderte Rays Aussage nicht gerade seine Sorge um Ricu. Hisoka jedoch lächelte still in sich hinein, als er das hörte. "Gehst du heute noch mal zu ihm?", fragte Ray, um Katzuja etwas von dem soeben Erzähltem abzulenken und ihn so etwas zu beruhigen. Katzuja nickte nur. "Von dir aus ist es doch tierisch weit bis zum Krankenhaus!", meinte Ray. "Meine Mom würde dich sicher hinfahrn, wenn du willst. Ray und ich könntn dich begleitn.", kam es von Hisoka, der es sich nicht nehmen lassen wollte den Kleinen leiden zu sehen. "Nein, schon okay. Ich fahr lieber erst Mal alleine hin.", antwortete Katzuja. "Na gut, dann nich.", meinte Hisoka und sah enttäuscht zu Boden. » Mist, aber wart nur irgendwann komm ich auch noch auf meine Kostn.«, dacht er hinterhältig, aber sein Gesichtsausdruck ließ davon nichts erahnen. Katzuja bemerkte die Enttäuschung seitens Hisoka. "Du könntest mir aber auf andere Weise helfen!", meinte er lächelnd. Sofort hatte er Hisokas ganze Aufmerksamkeit. "Was soll ich machn?", fragte er. "Na ja, die Sache ist die, ich brauche dringend ein paar Sachen für Ricu, damit er was zum wechseln hat. Aber ich habe nicht genug Kohle und ich kann ja schließlich nicht einfach bei ihm zu Hause vorbeischneien und seine holen. Und da ihr beide ja fast gleich Groß seid, dachte ich du könntest ihm vielleicht ein paar von dir borgen?" Hisoka überlegte kurz. Es widerstrebte ihm Ricu etwas von seinen Sachen zu geben, konnte er den Kleinen doch nicht sonderlich leiden. Schon vor einer ganzen Weile hatte er gemerkt, dass er selbst für Katzuja mehr als nur Freundschaft empfand und hatte ihm schließlich seine Liebe gestanden. Katzuja jedoch wollte davon nichts wissen, da Hisoka für ihn einfach nur ein guter Freund war. Gekränkt gab dieser sich damals damit `zufrieden`, schwor sich jedoch, dass er Katzuja irgendwann noch rumkriegen würde, koste es was es wolle. Und bis es soweit war, würde er dafür sorgen, dass sich niemand an `seinem` Katzuja vergriff, auch nicht so ein Möchtegern von einem Rotzbengel. Erst dachte er zwar, dass von Ricu keine Gefahr ausginge, aber nun merkte er, dass er sich anscheinend geirrt hatte und begann Pläne zu schmieden, wie er ihn von Katzuja fernhalten könnte. Natürlich so, dass ihn niemand im Verdacht hatte. Aber, dass der Kleine sich selbst ins Krankenhaus bringen würde, übertraf alles, was er sich bisher ausgedacht hatte bei weitem und so war er mit sich und der Welt zufrieden. "Du bekommst sie auch hundert Pro zurück, gewaschen natürlich.", unterbrach Katzuja die finsteren Gedankengänge seines `Freundes` und schaute Hisoka bittend an, der ihm daraufhin einfach kein `Nein` entgegenbringen konnte. "Also gut, ich schau Mal, was ich finde. Ich bring sie dann Morgen mit, okay?" Katzuja war so erleichtert, dass er Hisoka aus Dankbarkeit beinahe umarmt hatte. Doch im letzten Moment hielt er sich zurück und es kam nur zu einem Handschlag. "Danke! Ihr seid echt die Besten!" Just in diesem Moment klingelte es zum reingehen und alle machten sich auf den Weg zum Eingang. Auch Hisoka machte sich auf den Weg ins Gebäude. Nur Ray und Katzuja blieben stehen und warteten noch ein wenig. Sie wollten nicht im Gedränge nach oben gehen. Als die meisten Schüler im Gebäude verschwunden waren, setzte auch Katzuja sich langsam in Bewegung, doch Ray hielt ihn zurück. Irritiert schaute Katzuja ihn an. "Was ist? Wollen wir nicht auch langsam reingehen?", fragte er etwas unsicher. "Sag mal Katzuja, zwischen dir und dem Kleinen… das ist mehr als nur Freundschaft, oder?" Entsetzt sah Katzuja ihn an, doch schon im nächsten Augenblick versuchte er dies mit einem fragenden Blick und einem unschuldigen Lächeln zu überspielen. "Ich … ich weis echt nicht was du meinst!" Doch er sah, dass Ray ihm das nicht abnahm. "Ach komm schon Katzuja. Ich kenne dich mein halbes Leben. Glaubst du, dass es mir nicht aufgefallen wäre. Wie du ihn ansiehst und wie du mit ihm umgehst. Auch deine Reaktion auf das was ich Gestern zu ihm gesagt habe war ja wohl unmissverständlich. Außerdem habe ich gesehen, wie du ihn geküsst hast. Jeder der dir ins Gesicht sieht, weis sofort bescheid." Augenblicklich verschwand das Lächeln aus Katzujas Gesicht und wich nun wieder dem Entsetzen. "Hat… hat Hisoka es auch gesehen?", fragte er stockend. Er hatte es Ray damals erzählt, dass Hisoka ihm seine Liebe gestanden hatte und machte sich irgendwie Sorgen um ihn. Da er nicht wirklich davon ausging, dass Hisoka ihn nach seiner Antwort einfach aufgegeben hatte, auch wenn dieser immer das Gegenteil behauptete. Doch Ray schüttelte mit dem Kopf. "Ich habe ihn abgelenkt. Aber trotzdem. Ihm kannst du vielleicht was vormachen, aber mir nicht. Du warst schon immer anders als die Anderen. Wenn wir im Schwimmbad in der Umkleide waren oder nach dem Sportunterricht beim Duschen, warst du total verunsichert und sobald du andere Jungs gesehen hast, die nichts anhatten, bist du rot geworden und hast versucht dich wegzustehlen. Am Anfang dachte ich, dass es dir einfach nur peinlich sei, wenn sie dich nackt sehen, aber bei uns war es das gleiche und wir kennen uns ja nun schon etliche Jahre. Irgendwann ist mir dann klar geworden was mit dir los ist. Tja und seit du den Kleinen kennen gelernt hast, weis ich, dass ich richtig lag. Du hattest schon immer einen Hang zu komplizierten Beziehungen. Aber warum hast du nichts gesagt?" Katzuja senkte den Kopf und schaute mit starrem Blick auf den Boden. Er war den Tränen nahe. "Ich…ich konnte nicht. Ich dachte du… würdest mich dann verachten.", brachte er mit brüchiger Stimme hervor. Ray lächelte traurig. "Habe ich Hisoka verachtet, als du mir gesagt hast, dass er sich in dich verliebt hatte? Seit Jahren sind wir nun schon befreundet, aber ich hätte nicht gedacht, dass du mir so wenig vertraust!" Katzuja hob den Kopf und sah ihn erschrocken an. "Nein, ich~" "Schon gut. Ich an deiner Stelle hätte sicherlich auch mit niemandem darüber gesprochen." "Du… du sagst es doch keinem, oder?", fragte Katzuja unsicher. "Nein, ich versichere dir, dass es unter uns bleibt. Aber du musst mir auch etwas versprechen." Katzuja sah ihn fragend an. "Und was?" "Ich glaube zwar, dass du das sowieso tust, aber trotzdem… sei nett zu dem Kleinen, sonst mach ich dich fertig! Wenn ich erleben sollte, dass du ihn schlecht behandelst, dann gibt’s Ärger! Denn das hat er wirklich nicht verdient.", meinte er mit ernstem Blick an Katzuja gewandt, aber plötzlich lächelte er. "Verstanden?", fragte er. Auch Katzuja lächelte nun wieder. "Ja, verstanden!" "Ach und Katzuja, wenn du Mal wieder ein Problem hast, dann tu mir den gefallen und sag es gleich, okay!" Katzuja nickte und sie machten sich ebenfalls auf den Weg in den Klassenraum. Kapitel 18: Das Bild -------------------- Nach vier Unterrichtsstunden, die Katzuja endlos lang erschienen, hatten sie es nun fast geschafft. Nur noch eine Stunde, dann währe der Unterricht für diesen Tag vorbei und Katzuja könnte endlich wieder zu Ricu. In Gedanken war er schon längst bei ihm und so hoffte er, dass wenigstens diese Stunde schneller vergehen würde als die anderen zuvor. Mittwochs hatten sie im letzten Block immer Kunst, was genau wie Sport eines von Katzujas Lieblingsfächern war. Er freute sich jedes Mal darauf, da Frau Kadowaki dieses Fach unterrichtete und sie ihm einfach keine schlechten Noten geben konnte, was für sie fast schon eine Qual war. Denn obwohl Katzuja in den meisten anderen Fächern gerade mal so auf Drei stand, so war er in diesem Fach schlichtweg gut und stand auf Eins. Aber Heute war die Situation anders als sonst. Schon in den anderen Stunden, hatten sich die Lehrer über Katzujas geistige Abwesenheit gewundert. Der sonst so launische und wahrscheinlich unbeliebteste Schüler der gesamten Klasse saß einfach nur da und sagte kein Wort. Nur ab und zu kam eine Entschuldigung, wenn er mal wieder eingeschlafen war und Ray und Hisoka ihn nicht rechtzeitig wecken konnten, bevor der Lehrer etwas bemerkte. Mit ihm war an diesem Tag einfach nichts anzufangen. Zwar versuchte er so gut wie möglich sich auf den Unterricht zu konzentrieren, aber seine Gedanken schweiften schon nach kurzer Zeit wieder ab und er dachte erneut an den Kleinen. So kam es, das er nicht einmal die einfachsten Aufgaben lösen konnte, geschweige denn einen sinnvollen Satz zur Beantwortung einer Frage herausbrachte. Langsam begannen seine Klassenkammeraden sich über ihn lustig zu machen und ihn auszulachen, aber er bemerkte das alles nicht. Er dachte nur noch an Ricu. `Geht es ihm gut? Ist er schon wieder aufgewacht?` Immer und immer wieder stellte er sich diese Fragen, doch er musste sich noch etwas gedulden, bevor er ihre Antworten erfahren würde. Nun saß er lustlos an seinem Platz und kritzelte gedankenverloren irgendwelche Linien auf sein Blatt, ohne wirklich darauf zu achten. Das Thema dieser Stunde war jedem selbst überlassen. Jeder konnte malen, was immer er wollte. Ray und Hisoka versuchten so gut es ging ein halbwegs gescheites Bild hinzubekommen, doch während Ray noch der Begabtere von Beiden war, hatte Hisoka größte Schwierigkeiten auch nur irgendetwas zu Stande zu bringen, was dem gewünschten Bild zu mindest im Ansatz entsprach. Irgendwann gab er es schließlich auf und warf einen Blick zu Katzuja, der weiterhin unbeirrt seine Linien und Striche zog. Hier und da verbesserte er eine Kleinigkeit. Er wirkte wie in Trance und als Hisoka sein Bild sah, war er total überwältigt, aber gleichzeitig auch zutiefst enttäuscht und verbittert. "Sieh dir das an, Ray!" Der Angesprochene hob den Blick und sah nun ebenfalls auf Katzujas Bild. Starr vor Schreck brachte er keinen Ton heraus, konnte nur fassungslos auf das Bild und dann zu Hisoka sehen, da er wissen wollte, ob dieser irgendeine Reaktion zeigte, die seine Gefühle widerspiegelte. Doch der spielte seine Rolle sehr gut und ließ sich nichts von seiner Wut anmerken. "Katzuja, das ist ja der Wahnsinn. Ich wusste ja, dass du gut malen kannst, aber das übertrifft echt alles.", meinte Hisoka mit gespielter Begeisterung. Als Katzuja seinen Namen hörte, schaute er auf und sah Hisoka fragend an. "Was meinst du?" "Na dein Bild, was denn sonst?" Katzuja senkte den Blick und schaute auf das Blatt vor sich. Erst jetzt nahm er wahr, was er da gezeichnet hatte. "Sieht genau so aus wie der Kleine. Hab ich nich Recht Ray?", meinte Hisoka `unwissend` über das, was das Bild so offensichtlich zeigte und grinste hinterhältig in sich hinein. Entsetzt ließ Katzuja seinen Bleistift fallen und starrte das Bild mit großen Augen an. »Was hab ich getan?«, fragte er sich und schaute Hilfe suchend zu Ray, doch dieser wusste auch keinen Rat und zuckte nur entschuldigend mit den Schultern. Katzujas Bild zeigte den Blonden - weinend. Seine linke Schulter zierte ein Engelsflügel und aus seiner rechten ragte eine Dämonenschwinge. Er hatte seine Arme schützend um seinen Oberkörper gelegt, so als wolle er etwas verbergen. So schnell wie möglich schob Katzuja ein paar leere Blätter über sein Bild, so, dass man es nicht mehr sah. "Hey, du brauchst es doch nicht zu verstecken! Dafür krigste hundert Pro ne Eins!", meinte Hisoka fies grinsend, was jedoch weder Ray noch Katzuja sahen. "Wer kriegt wofür eine Eins?", ertönte plötzlich Frau Kadowakis Stimme hinter ihnen und Katzuja erstarrte augenblicklich, während Ray und Hisoka sich erschrocken zu ihr umdrehten. Schnell hatte Hisoka sich wieder gefangen. "Katzuja, für sein Meisterwerk!", grinste er die Lehrerin an. "Ah ja! Und dürfte ich dieses `Meisterwerk` denn mal sehen?" "Klar. Los Katzuja zeig es ihr!", meinte Hisoka und rüttelte leicht an Katzuja, der sich noch immer nicht bewegte. Doch dieser zuckte nur zusammen. "NEIN!", schrie er, was Hisoka zurückschrecken ließ. Augenblicklich war es totenstill um sie herum. Niemand sagte etwas, bis Frau Kadowaki schließlich das Wort ergriff. "Und wieso nicht Herr Akai?", fragte sie ruhig. "Weil… weil…" Katzuja zitterte leicht und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Was sollte er jetzt nur machen? Wenn sie das Bild sah würde sie es erfahren. Schlimm genug, dass Hisoka es gesehen hatte und nun wahrscheinlich auch Bescheid wusste. Sein Zittern wurde stärker, doch plötzlich spürte er eine Hand, die sich sachte auf seine Schulter legte. Erschrocken sah er Frau Kadowaki an. "Ich glaube wir müssen uns mal unterhalten, Herr Akai. Kommen sie nach der Stunde noch mal zu mir." Dann ging sie weiter und das Schweigen der Klasse war wieder aufgehoben. "Was war denn das?", fragte Hisoka mit gespielter Unwissenheit und schaute Katzuja ernst an. "Warum hast dus ihr denn nich gezeigt?" Doch Katzuja antwortete nicht, sondern starrte nur auf die leeren Blätter unter denen sich sein Bild befand. Ray legte eine Hand auf Katzujas Schulter. "Soll ich es ihm sagen?" Katzuja nickte und Ray verstand. Hisoka schaute ihn mit einem unschuldigen, fragenden Blick an. "Was sollst du mir sagen?" Doch Ray schüttelte nur mit dem Kopf. "Ich sag es dir nachher!", antwortete er. Die Stunde neigte sich ihrem Ende und schließlich entließ Frau Kadowaki die Klasse in ihren wohlverdienten, freien Nachmittag. Ray, Hisoka und Katzuja packten ihre Sachen zusammen. Die restliche Stunde hatte keiner von ihnen auch nur ein Wort gesprochen. Ray hatte Hisoka noch bei seinem Bild geholfen, damit er nicht mit leeren Händen da stand, während dieser sich weiterhin im Stillen über seinen kleinen `Sieg`, den er soeben errungen hatte freute. Schließlich hatte er sein eigenes noch beendet und brachte es nun zusammen mit Hisokas zu Frau Kadowaki. Als er zurückkam, schaute er Katzuja besorgt an. "Sollen wir auf dich warten?", fragte er ihn, doch Katzuja schüttelte nur mit dem Kopf und sah ihn mit einem dankenden Lächeln an. "Nein, schon gut, ihr braucht nicht warten.", antwortete er und so verabschiedeten sich die Beiden von ihm. Die ganze Zeit über hatte Katzuja überlegt, wie er sein heutiges Verhalten gegenüber Frau Kadowaki am besten erklären könnte, ohne, dass diese etwas über seine Gefühle zu Ricu erfuhr. Nun war es soweit und er hatte noch immer nicht den leisesten Schimmer, was er ihr sagen sollte. »Vielleicht sollte ich sie einweihen.«, überlegte er. Doch so schnell wie dieser Gedanke gekommen war, wurde er von Katzuja wieder verworfen. Er schob die leeren Blätter auf seinem Platz zusammen und legte den gesamten Packen in seine Zeichenmappe, die er zu denen der anderen Schüler auf einen Stapel legte. Völlig in Gedanken hatte er nicht bemerkt, dass sich sein Bild ebenfalls unter den soeben verstauten Blättern befand. Noch einmal atmete er tief durch, ging schließlich nach vorne zu Frau Kadowaki und blieb vor dem Lehrertisch stehen. Sie schaute sich gerade die abgegebenen Werke ihrer Schüler an und hatte Katzuja zuerst gar nicht bemerkt. Erst als dieser sich räusperte, sah sie von den Arbeiten auf. "Ah, Herr Akai. Ich dachte nicht, dass sie meiner Aufforderung zum Gespräch nachkommen würden.", meinte sie überrascht und lächelte ihn überlegen an. Doch Katzuja antwortete nichts auf ihre Bemerkung, sondern sah nur starr auf den Tisch vor sich. Nun erhob sich die Lehrerin, ging um den Tisch herum und näherte sich Katzuja von der Seite. Die Arme vor der Brust verschränkt, blieb sie neben ihm stehen. "Herr Akai, was ist denn heute nur los mit ihnen? Sie sind doch sonst nicht so! Geht es ihnen nicht gut? Sind sie vielleicht krank?", fragte sie mit einfühlsamer Stimme, doch Katzuja zeigte keinerlei Reaktion. "Ich habe sie heute Morgen gesehen, als sie das Schulgelände verlassen haben. Ich nehme nicht an, dass sie eine Erlaubnis hatten, oder?", fuhr sie in einem etwas energischerem Ton fort und schaffte es, dass Katzuja endlich den Blick hob. Zögernd schüttelte er den Kopf. "War Sport nicht immer ihr Lieblingsfach? Es muss ja etwas sehr schlimmes passiert sein, dass sie die Stunde geschwänzt haben!", stellte sie fest. Katzuja versuchte krampfhaft die in ihm aufsteigenden Gefühle zu unterdrücken. Warum musste diese Frau immer so furchtbar Recht haben? Woher wusste sie das immer? Egal um wen es sich handelte, sie merkte es sofort, wenn etwas nicht stimmte. "Hören sie, ich will sie hier zu nichts zwingen, aber, wenn das in den nächsten Tagen so weitergeht, sehe ich ihren Notendurchschnitt in ernster Gefahr!", meinte sie schließlich. "Ich weis ja, dass wir nicht immer einer Meinung sind, aber ich tue das hier nicht, um sie zu ärgern. Ich will, dass sie ihren Abschluss schaffen, genau wie alle anderen. Aber, wenn sie mir nicht sagen, was los ist, kann ich ihnen nicht helfen, verstehen sie?" Katzuja nickte und sah sie unsicher an. Er dachte an das, was Ray und Hisoka ihm auf der großen Pause gesagt hatten. »`Wann kapierst du endlich, dass du nicht alleine bist?` - `Wenn du alle die dich unterstützen wollen zum Teufel schickst, dann hilft ihm das ganz und gar nich.` - `Mann, wir wollen dir doch helfen! Versteh das doch endlich!`« Tief atmete er ein und senkte den Blick. "Kann… kann ich es ein anderes Mal erzählen? ", fragte er leise, ohne dabei aufzusehen. Überrascht schaute ihn Frau Kadowaki an. Dann nickte sie langsam. "Aber natürlich, wann immer sie möchten. Sagen sie mir einfach, wenn sie soweit sind, einverstanden?", meinte sie und bedachte Katzuja mit einem erleichterten Lächeln. Dieser hob nun wieder den Blick und sah sie dankbar an. "Ja, einverstanden!", antwortete er leise. Dann verabschiedeten sie sich voneinander und Katzuja verließ den Raum. Frau Kadowaki hatte ihm noch mit gemischten Gefühlen nachgeschaut, bis er auf den Flur verschwunden war, dann schüttelte sie den Kopf und machte sich daran die Zeichenmappen der Klasse in einem der Schränke zu verstauen. Gerade als sie den Stapel hochhob, vielen einige Blätter aus der obersten Mappe heraus und segelten leise zu Boden. Vorsichtig legte sie den Stapel zurück, um die Papiere aufzuheben. Als sie sie zusammen schob, bemerkte sie, dass auf einem etwas gezeichnet war und so drehte sie das Blatt um. Sofort erkannte sie, dass es von Katzuja sein musste, denn keiner der anderen Schüler hatte diesen Zeichenstil. Es war wie eine Unterschrift, die er jedem seiner Bilder aufdrückte. Fasziniert betrachtete sie das Bild genauer und stellte fest, dass es sich hierbei tatsächlich um ein kleines Meisterwerk handelte und Hisoka somit nicht übertrieben hatte. In diesem Bild steckte so viel Liebe, wie sie es selten bei irgendeinem Anderen gesehen hatte. So kam Eines zum Anderen und nun wusste sie auch, warum Katzuja es ihr nicht zeigen wollte. Ebenso ergab sein heutiges Verhalten nun einen Sinn. Lächelnd legte sie das Bild und die restlichen Papiere zurück in die Mappe ihres Besitzers und schloss diese zusammen mit den Anderen im Schrank ein. Kapitel 19: Ein aufklärendes Gespräch ------------------------------------- Nachdem sie das Schulgebäude verlassen hatten, machten sich Ray und Hisoka auf den Heimweg. Stilles Schweigen herrschte zwischen ihnen, bis Ray es schließlich nicht mehr ertragen konnte und die Stille durchbrach. "Also Hisoka, hör zu! Ich habe ja gesagt, dass ich dir erklären werde, was mit Katzuja los ist.", begann er etwas zögerlich. Hisoka blieb daraufhin unvermittelt stehen und schaute Ray emotionslos an. "Ich weis es!", meinte er dann mit fester Stimme. Ray schaute ihn ungläubig an. "Du weist es? Aber woher~", setzte Ray wieder an, doch Hisoka unterbrach ihn. "Ich bin nich blind, Ray! Hast du gedacht ich seh nich was los is? Ich kenn Katzuja nun auch schon ne ganze Weile, genau wie du! Also glaub nich, dass du der Einzige bist, der ihn versteht!", meinte er mit ruhiger Stimme. "Ja, du hast ja Recht. Tut mir leid. Aber, wenn du es wusstest, wieso hast du dann vorhin nichts gesagt?" "Ich wollte ihn nich noch mehr verunsichern!", gab Hisoka ihm als Antwort. "Hm… verständlich. Und, wie geht es dir?", wollte Ray nun wissen, da sein Freund einen etwas geknickten Eindruck machte. Dieser sah ihn nun lächelnd an und meinte: "Wie soll's mir schon gehn? Katzuja hat den Kleinen gern, da kann man halt nichts machen. Ich werd ihn deshalb auch nich anders behandeln als vorher! Ich sagte doch schon, dass ich da drüber steh!", log er. Er sagte das alles mit einer unglaublichen Gelassenheit, was Ray doch sehr wunderte, da er mit jeder anderen Reaktion gerechnet hatte. Wut, Trauer, ja sogar Hass auf Ricu und Katzuja, aber, dass Hisoka es einfach so hinnahm machte ihn sprachlos und irgendwie wollte er es nicht recht glauben. Hisoka hingegen erklärte Ricu in diesem Moment den Krieg, den er um jeden Preis gewinnen würde - egal wie. In seinem Innersten sträubte sich alles dagegen Katzuja kampflos dem Kleinen zu überlassen. "… soka, Hisoka? Alles klar?" Hisoka schreckte aus seinen Gedanken und sah Ray fragend an. "Hm? Was? Was hast du gesagt?" Ray schüttelte den Kopf. "Mann, die Sache scheint dir doch näher zu gehen als ich dachte.", meinte er neckend. "Quatsch, red nich so´n Stuss!", schnauzte Hisoka ihn etwas ungehalten an, war aber sofort wieder still, als Ray ihn ernst ansah. "Sorry! Wollte dich nich anschreien!", meinte er kleinlaut und schaute Ray entschuldigend an. "Schon okay! Ich kann dich ja verstehen! Ich wäre auch nicht gerade begeistert, wenn derjenige den ich liebe plötzlich mit einem anderen zusammen ist. Aber vielleicht ist es ganz gut so. Seit Ricu bei ihm ist, hat Katzuja sich total verändert. Er ist viel offener im Vergleich zu Früher. Du magst das jetzt vielleicht nicht hören wollen, aber ich denke, dass der Kleine ihm gut tut. Katzuja hat es sich zur Aufgabe gemacht den Kleinen zu beschützen und da hängt er sich mit ganzem Herzen ran." Hisoka nickte verstehend und für einen kurzen Moment bekam er ein schlechtes Gewissen wegen der gemeinen Dinge, die er dem Kleinen antun wollte, aber schon einen Augenblick später, war diese Reue wieder vergessen und er kam zu dem Schluss, sein Vorhaben dennoch durchzuziehen. Ray seufzte auf, als er merkte, dass sein Kumpel schon wieder ganz in Gedanken war. "Ich geb`s auf, es hat ja doch keinen Sinn! Wir sehen uns Morgen! Ciao!" Und schon wandte er sich zum gehen um. "Ja, bis Morgen!", meinte Hisoka nur kurz, bevor er sich gedankenverloren ebenfalls auf den Weg machte. Kapitel 20: Der Traum --------------------- Langsam lief Katzuja durch die verschneiten Strassen auf dem Weg zu seiner Wohnung. Die ganze Zeit dachte er über das Gespräch, welches er soeben mit Frau Kadowaki gehalten hatte nach. Sollte er es ihr wirklich erzählen? Würde sie es überhaupt verstehen oder würde sie ihn abweisen und ihm ihre Hilfe verweigern? Noch immer war er wegen seiner neuen Gefühle unsicher. Dass Ray und Hisoka es wussten war für ihn nicht weiter schlimm, denn er wusste ja, dass er sich auf die Beiden verlassen konnte. Aber bei einem `Fremden` wie Frau Kadowaki lagen die Dinge schon etwas anders. Sie kannte Katzuja nur aus dem Unterricht und wusste genau wie alle anderen nichts über sein privates Leben. So gesehen ging es sie ja auch nichts an, also wieso sollte er es ihr erzählen? Mittlerweile hatten ihn seine Schritte zu seinem Wohnhaus geführt und so stieg er die Treppen zu seiner Wohnung hinauf. Als er diese betrat und die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, lehnte er sich dagegen. Er schloss die Augen und entschied sich die Gedanken darüber erst einmal ruhen zu lassen, denn im Moment hatte er absolut keinen Nerv dafür. Schließlich öffnete er seine Augen wieder, stieß sich von der Tür ab und zog sich Jacke und Schuhe aus. Bis zum Abend würde er sich noch etwas hinlegen und ein bisschen schlafen. Also machte er sich auf den Weg ins Schlafzimmer. Doch gerade als er es betreten wollte, blieb er abrupt stehen, als sein Blick auf das Bett fiel. Noch immer lag die von Blutflecken übersäte Bettwäsche auf diesem und Katzuja schluckte hart. »Verdammt, das habe ich ja völlig vergessen.« Wütend darüber, dass er es am Morgen einfach nicht gepackt hatte es neu zu beziehen, setzte er seine Bewegungen fort und betrat das Zimmer. Vor dem Bett blieb er erneut stehen und wieder drohte die Traurigkeit ihn zu unterjochen. »Nein! Dieses Mal nicht! Ich werde nicht mehr nachgeben! Ich weis, dass es Ricu gut geht! Es geht ihm gut!« Sich selbst auf diese Weise Mut machend griff er nach dem Bettzeug und begann den schmutzigen Bezug abzuziehen und zog anschließend einen Neuen auf. Stolz betrachtete er schließlich sein `Werk`. Er war mit sich selbst sehr zufrieden und so raffte er schließlich die schmutzigen Bezüge zusammen und warf sie im Bad in den Wäschekorb. Danach ging er ins Wohnzimmer und legte sich dort auf die Couch. Er wollte nur noch ein wenig schlafen, bevor er sich später auf den Weg ins Krankenhaus machte. Seufzend schloss er die Augen und war schon nach wenigen Minuten eingeschlafen. ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ Wieder einmal wurde er von seinem Vater verprügelt - grundlos. Dieser nannte es einfach `Erziehung` und so musste er es wie immer ertragen. Seine Mutter und sein kleiner Bruder standen daneben und bedachten ihn mit einem kalten Lächeln. Die Schmerzen in seinem Körper, welche durch die Schläge und Tritte seines Vaters ausgelöst wurden, waren beinahe unerträglich. Er begann zu weinen, flehte seinen Vater an aufzuhören, doch dieser schlug nur noch stärker zu. Verzweifelt versuchte der Junge sich von ihm zu befreien - vergebens. Hilfe suchend schaute er zu seiner Mutter und seinem Bruder. "Bitte, Mutter. Er soll aufhören! Hilf mir, bitte!" Doch seine Mutter stand nur da und lächelte kalt. "WARUM HILFST DU MIR NICHT?", schrie er sie an - keine Reaktion. Immer mehr Tränen rannen seine Wangen hinab und benetzten sie mit ihrem salzigen Nass. Schließlich kam sein kleiner Bruder auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. "Bruder, hilf mir, bitte!", winselte der Junge, zu ihm aufschauend. In dem Moment verschwand das Lächeln aus dem Gesicht seines Gegenübers. Er kniete sich zu seinem großen Bruder hinunter und sah ihn ohne jegliche Emotionen an. "Warum sollte ich das tun?" Seine Stimme war kalt und ließ den am Boden liegenden erschaudern. "Hast du uns denn geholfen? Du denkst immer nur an dich!" »Nein!« Die Augen des Jungen waren vor Angst weit geöffnet und starrten seinen kleinen Bruder ängstlich an. "Du bist egoistisch und selbstsüchtig!" »Das ist nicht wahr!« "Nun wirst du dafür bezahlen, was du uns angetan hast!" "NEIN!" In diesem Moment wurde der Ältere der Beiden grob auf den Rücken gedreht. Über ihm stand sein Vater, der eine Waffe auf ihn gerichtet hatte. "Bitte nicht!", flüsterte der Junge und sah seinen Vater ängstlich und flehend an. Doch dieser grinste nur hämisch und drückte ab… ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ Mit einem kurzen Aufschrei, schreckte Katzuja aus seinem Schlaf. Er war schweißgebadet und atmete hektisch ein und aus. »Verdammt, was war das nur für ein Traum?« Langsam beruhigte er sich wieder. Ein Blick auf die Wanduhr über dem Fernseher verriet ihm, dass es bereits früh am Abend war. Noch einmal tief durchatmend, stand er schließlich von der Couch auf und ging ins Bad, wo er sich erst einmal etwas Wasser ins Gesicht warf. Schließlich beschloss er doch lieber noch duschen zu gehen, bevor er sich auf den Weg ins Krankenhaus machte, da auch seine restlichen Sachen von Schweiß durchnässt waren. Schnell ging er ins Schlafzimmer und holte sich ein Paar frische Sachen aus dem Schrank, dann kehrte er ins Bad zurück, zog sich aus und ging unter die Dusche. Er spürte das warme Wasser, wie es langsam über seinen Körper lief und schloss die Augen, um sich diesem Gefühl ganz hinzugeben. Es tat unwahrscheinlich gut und langsam entspannte er sich. »Was war das nur für ein schrecklicher Traum?« Immer wieder stellte er sich diese Frage, während er schließlich aus der Dusche stieg, sich abtrocknete und die frischen Sachen anzog. »Ich hatte noch nie solche Angst! Gott sei Dank war es nur ein Traum!« Noch ein letztes Mal schaute er in den Spiegel, bevor er das Badezimmer verließ. Schnell packte er noch seine Schulsachen für den nächsten Tag zusammen. Dann schnappte er sich seine Jacke, zog seine Schuhe an und machte sich auf den Weg zum Krankenhaus. Kapitel 21: Ein herber Rückschlag --------------------------------- Etwa eine dreiviertel Stunde später hielt der Bus an der Haltestelle vor dem Krankenhaus und Katzuja machte sich auf den Weg zum Eingang des Gebäudes. Zielsicher ging er zur Anmeldung. "Guten Tag. Ich möchte gerne zu Ricu Hiwatari. Können sie mir sagen in welchem Zimmer er ist?", fragte er eine der Schwestern, die sich dort aufhielten. Doch noch bevor diese antworten konnte, wurde sie von einem der Chefärzte unterbrochen. "Ich übernehme das! Machen sie bitte mit den Stationsberichten weiter!", wies er die Schwester an, die mit einem Nicken ihrerseits bestätigte und mit einem Stapel Akten in Richtung Schwesternzimmer verschwand. Nun erkannte Katzuja auch, dass es der Arzt von vergangener Nacht war. Dieser wandte sich nun ihm zu. "Herr Akai, ich habe leider schlechte Neuigkeiten!", begann er und Katzuja schreckte kurz zusammen. Innerlich bereitete er sich auf das vor, was der Arzt ihm nun mitteilen würde. "Kommen sie bitte mit!", meinte der Chefarzt dann und machte sich mit ihm auf den Weg zu einer der Stationen. Unterwegs erklärte er Katzuja, was geschehen war. "Wie ich befürchtet hatte, sind einige Schwierigkeiten aufgetreten. Die Verletzungen ihres Freundes haben seinen Körper sehr geschwächt und sein extremes Untergewicht hat auch nicht wirklich dazu beigetragen, dass es sich bessert. Wir mussten ihn auf die Intensiv- Station verlegen." Der Chefarzt machte eine Pause und blieb schließlich vor einem Raum - in den man durch ein zusätzliches Fenster vom Flur aus hineinschauen konnte - stehen. Katzuja schaute ihn ungläubig an. "Was?" Doch der Arzt deutete nur auf das Fenster. Als Katzuja sich umdrehte erschrak er zutiefst. Da lag er, sein kleiner Engel, doch seine Schönheit wurde getrübt. Unzählige Kabel und Schläuche gingen von seinem Körper aus zu umstehenden Maschinen und ließen ihn leblos erscheinen, obwohl sie genau das Gegenteil bewirken sollten. Katzuja schluckte. "Was… was ist mit ihm?", flüsterte er, ohne den Blick abzuwenden. Der Arzt trat näher an ihn heran. "Er ist im Laufe des Vormittages ins Koma gefallen." "Aber… wieso?" Katzuja verstand es nicht, dachte er doch immer, dass man nur bei schweren Kopfverletzungen ins Koma fallen konnte. Also wieso dann Ricu? Er hatte doch gar keine Verletzungen am Kopf. "Es ist eine Art Schutzfunktion, ähnlich wie Bewusstlosigkeit!", erklärte der Chefarzt. "Eine Schutzfunktion? Aber wovor denn?" "Vor den Schmerzen zum Beispiel! Wenn die Schmerzen zu stark werden, dann `schaltet` sich der Körper ab, um sich zu erholen und genauso ist es, wenn man ins Koma fällt. Sämtliche Funktionen des Körpers werden bis auf Herzschlag und Gehirnfunktion weitgehend `abgeschaltet`. In dieser Zeit nimmt der Patient äußere Dinge nur im Unterbewusstsein wahr und kann sich meist nicht mehr daran erinnern, wenn er wieder aufwacht. So kann sich der Körper gänzlich auf den Heilungsprozess konzentrieren und die Genesung geht schneller von statten. Leider fällt dabei auch das eigenständige Atmen aus, deshalb müssen wir ihn künstlich beatmen. Auch Herzschlag, Kreislauf und Blutdruck müssen ständig überwacht werden, damit wir sofort reagieren können, wenn etwas schief läuft." Katzuja schaute ihn verzweifelt an. "Wann… wird er wieder aufwachen?", fragte er unsicher, doch der Arzt schüttelte mit dem Kopf. "Tut mir leid, dass kann ich ihnen nicht sagen. Es ist immer ganz unterschiedlich. Einige liegen nur ein paar Tage im Koma, bei Anderen kann es Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern, bis sie wieder aufwachen und wieder Andere…" Er machte eine kleine Pause, dann fuhr er fort. "Wieder Andere wachen überhaupt nicht mehr auf." Katzuja sah ihn geschockt an. "Aber… er wird doch wieder aufwachen, oder?" "Nun, ich denke schon, aber es kann durchaus sein, dass es bei ihm doch etwas länger dauert, bis er wieder aufwacht. Immerhin sind seine Verletzungen sehr schwerwiegend." Katzuja nickte verstehend und beruhigte sich etwas. "Kann ich etwas tun, damit es schneller geht?", fragte er nach kurzem Schweigen. "Nun ja, wir haben die Erfahrung gemacht, dass es hilfreich sein kann, wenn man mit den Patienten spricht. Denn, auch wenn sie ihre Umgebung nur im Unterbewusstsein wahrnehmen, so wissen sie dann doch, dass sie nicht alleine sind." Katzuja nickte erleichtert über die Tatsache, dass er Ricu wenigstens ein bisschen helfen konnte, schaute aber noch immer etwas verzweifelt zu Boden. "Wenn sie wollen, können sie jetzt zu ihm.", meinte der Chefarzt lächelnd und holte Katzuja aus seinen Gedanken. "Ich bin sicher, mit ihnen an seiner Seite wird er schnell wieder gesund." Katzuja nickte etwas verlegen und wurde leicht rot, als er die Worte des Arztes vernahm. "Gut, ich muss dann wieder an die Arbeit. Wenn sie etwas brauchen, wenden sie sich an eine der Schwestern! Ich werde später noch einmal vorbeischauen.", meinte dieser schließlich. "Ja, danke!", antwortete Katzuja und sah ihm noch einen kurzen Augenblick nach, bevor er sich der Tür zum Zimmer zuwandte. Zögernd legte er die Hand auf die Klinke, dann atmete er noch einmal tief durch und öffnete schließlich langsam die Tür. Als er das Zimmer betrat, lief ihm ein kurzer Schauer über den Rücken. Alles in diesem Raum war weiß gehalten und ließ ihn kalt und leblos erscheinen. An der rechten Wand standen ein kleiner Tisch mit einem Stuhl und ein kleiner Schrank. Gegenüber der Eingangstür waren zwei große Fenster, die von Lamellenvorhängen verdeckt wurden und an der linken Wand standen das Bett und die Gräte, welche einen gleichmäßigen Piepton vernehmen ließen. Seufzend ging Katzuja zu dem Tisch, nahm sich den Stuhl und stellte ihn neben das Bett. Dann setzte er sich. Minuten lang sah er Ricu einfach nur an, ohne ein Wort zu sagen. Einige blonde Strähnen hingen dem Kleinen ins Gesicht. Seine Haut war noch blasser als sonst. Nur hier und da bildeten kleine rote Narben und blaue Flecken einen Kontrast zu seiner hellen Haut. »Als ob er nur schlafen würde!«, dachte Katzuja und lächelte leicht. Aber so schnell, wie es gekommen war, verschwand es auch wieder und wich einem traurigen Ausdruck. "Es ist alles meine Schuld!", flüsterte er. "Ich hätte besser aufpassen sollen! Ich wollte dich doch vor allem beschützen!" Langsam stiegen ihm Tränen in die Augen. Zu stark waren die Trauer und die Verzweifelung, die sich erneut seiner Seele bemächtigten. Vorsichtig strich er die blonden Strähnen beiseite. "Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen!" Sanft nahm er die Hand des Kleinen und drückte sie leicht, doch es kam keine Reaktion. "Bitte, wach bald wieder auf! Ich will nicht allein sein!" Plötzlich tauchten vor seinem geistigen Auge die Bilder aus seinem Traum wieder auf und er erinnerte sich daran, was sein kleiner Bruder zu ihm gesagt hatte. »`Du denkst immer nur an dich!` - `Du bist egoistisch und selbstsüchtig!`« Immer und immer wieder hallten diese Worte in seinem Kopf wieder. "Hör auf! Bitte, hör doch auf!", flüsterte er verzweifelt, doch die Stimme tat ihm diesen Gefallen nicht. Langsam ließ er seinen Kopf auf das Bett sinken, seine Tränen konnte er schon längst nicht mehr zurückhalten und so weinte er, bis die Stimme in seinem Kopf schließlich irgendwann doch stillschwieg und ihm der Schlaf erneut Ruhe gönnte. Leise wurde die Tür des Zimmers geöffnet und der Chefarzt betrat still den Raum. Lächelnd legte er eine Decke über den Schlafenden, welche er zuvor aus dem Schränkchen genommen hatte. Anschließend überprüfte er noch einmal die Werte, die die Geräte anzeigten und zog einen Vorhang vor das Fenster zum Flur. Dann löschte er das Licht und verließ das Zimmer ebenso leise, wie er es betreten hatte. Kapitel 22: Schwere Zeit ------------------------ Am nächsten Morgen schreckte Katzuja früh aus seinem Schlaf auf. Wieder hatte er diesen Albtraum, doch dieses Mal war es nicht sein Vater, der die Waffe auf ihn richtete. Nein, dieses Mal stand Ricu mit kaltem Blick über ihm. "Es ist alles deine Schuld! Jetzt wirst dafür büssen! Ich hasse dich, Katzuja Akai!", waren die Worte des Kleineren, bevor er mit einem eisigen Lächeln den Abzug der Waffe betätigte… Nur langsam gelang es Katzuja sich zu beruhigen und sich wieder bewusst zu werden, wo er sich befand. Verzweifelt sah er den Kleinen an. Was, wenn dieser Traum wahr wird? Wenn Ricu ihm nicht verzeihen kann? Könnte der Kleine tatsächlich einen solchen Hass auf ihn entwickeln, dass er ihn alleine lässt und sich von ihm abwendet? Unweigerlich stieg Angst in Katzuja auf. Er wollte nicht, dass Ricu ihn hasste, wollte nicht, dass er ihn alleine ließ. Doch eines stand für Katzuja fest: "Ich werde dich beschützen, auch, wenn du mich hassen solltest!" Erst jetzt bemerkte er, dass er die ganze Zeit Ricus Hand gehalten hatte. Auch im Schlaf hatte er diese nicht losgelassen. Im Vergleich zu seiner Eigenen, wirkte sie so klein und schmal, wie die eines Kindes. Lächelnd begann er sie zu streicheln und wandte seinen Blick wieder Ricus Gesicht zu. "Wach bitte schnell wieder auf… mein kleiner Engel!" Die letzten Worte kamen nur flüsternd über seine Lippen. Noch eine ganze Weile saß Katzuja an Ricus Bett und hielt dessen Hand. Jedoch ein Blick auf seine Armbanduhr zwang ihn schließlich, sich von ihm zu trennen. Seufzend ließ er von Ricu ab und stand langsam auf. Behutsam stellte er den Stuhl an seinen ursprünglichen Platz zurück und auch die Decke, über die er sich wunderte, wer sie ihm übergelegt hatte, wurde wieder ordentlich in den Schrank zurückgelegt. Dann wandte er sich wieder Ricu zu. "Ich komme heute Abend wieder!", sagte er leise und gab dem Kleinen noch einen Kuss auf die Stirn. Dann verließ er das Zimmer und machte sich auf den Weg nach Hause. Als er seine Wohnung erreichte, ging er schnell duschen und nahm sich etwas zu Essen, bevor er sich seinen Rücksack schnappte und den Weg zur Schule antrat. Draußen war es lausig kalt und ein eisiger Wind wehte ihm ins Gesicht, doch von alledem bekam Katzuja nichts mit. Er hing seinen Gedanken nach, die sich unaufhörlich um Ricu und diesen merkwürdigen Traum drehten. Noch nie in seinem Leben hatte er solche Angst gehabt wie in eben jenem immer wiederkehrenden Traum. »Ob Ricu auch solche Angst hatte als sein Stiefvater ihn so zugerichtet hat?« Katzuja war sich der Antwort auf diese Frage fast 100%ig sicher. Ja, der Kleine hatte Angst, wenn nicht sogar Todesangst. Sich dieser letzten Sache immer mehr bewusst werdend und völlig in seine Gedanken versunken, bemerkte er nicht einmal, dass Ray sich zu ihm gesellt hatte und ihn prüfend ansah. "…zuja? Hey, Katzuja, gibt es leben auf dem Mars?", fragte ihn dieser und fuchtelte mit seiner Hand vor Katzujas Gesicht herum, um ihn aus seinen Gedanken zu holen. Abrupt blieb dieser stehen, als er seinen Kumpel bemerkte und sah ihn verwirrt an. "Natürlich nicht!", kam die Antwort auf Rays Frage und dieser konnte sich ein Grinsen einfach nicht verkneifen. "Sah aber so aus, als ob du mindestens beim Mars wärst!", smilte er ihn vergnügt an. Doch Katzuja verzog keine Miene, sondern sah ihn nur noch beklommener an. Dann schüttelte er den Kopf und setzte seinen Weg fort, ohne Ray weiter zu beachten. "Hey, was ist denn los? Ist was passiert?", fragte dieser etwas verwundert, als Katzuja ihn einfach so stehen ließ. Doch schon im nächsten Moment fiel es ihm siedend Heiß ein. "Ist es wegen dem Kleinen?", fragte er vorsichtig und Katzuja hielt im Gehen inne. »Shit! Volltreffer!«, dachte Ray und ging auf ihn zu. "Was ist passiert? Gibt es Neuigkeiten?" Katzuja sah ihn nicht an und Ray konnte sich denken, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte. "Er liegt im Koma!", brachte Katzuja leise hervor, den Blick starr auf den Boden gerichtet. "Was! Aber, die O.P. ist doch gut verlaufen oder nicht?", kam es entsetzt von Ray. Katzuja nickte. "Schon, aber Ricu hat extremes Untergewicht, sein Körper ist einfach zu schwach, als dass er das so einfach verkraften könnte." "Das wusste ich nicht. Klar, er ist ziemlich dünn, aber, dass es gleich so krass ist, hätte ich nicht gedacht!", meinte Ray und sah Katzuja entschuldigend an. Dessen trauriger Blick wich plötzlich einem Lächeln und er schüttelte leicht den Kopf. "Weist du was? Neulich hat er sich bei mir entschuldigt, weil er nicht so viel gegessen hatte. Er hat sich deswegen unglaubliche Vorwürfe gemacht. So ein Dummerchen." Ray sah ihn fragend an, meinte dann aber mit einem ruhigen Lächeln: "Ja, ein Dummerchen, genau wie du! Ihr passt halt gut zusammen, da kann man sagen was man will!" Katzuja schaute ihn verdutzt an und Ray konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Auch Katzuja konnte sich nicht mehr zurückhalten und lachte einfach mit. Als sie sich wieder beruhigt hatten, setzten sie ihren gemeinsamen Weg fort. "Hey, Katzuja!" "Mmh?" " Hast du es dem Kleinen eigentlich gesagt?" Katzuja überlegte kurz, kam aber zu dem Schluss, dass er nicht wusste, was Ray meinte. "Was soll ich ihm gesagt haben?" "Na, dass du ihn liebst!", kam es spontan von Ray und Katzujas Gesicht bekam eine rötliche Färbung. "Nein, er weis es nicht! Ich wollte es ihm zwar sagen, aber…" Katzuja brach ab. "Du hast Zweifel, stimmts? Ach Katzuja!", meinte Ray und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Der Unfall macht es nicht gerade leichter. Was, wenn er mich deswegen hasst?" "So´n Blödsinn! Du kannst doch nichts dafür. Es war nicht deine Schuld!" "Doch verdammt, es ist meine Schuld! Ich habe versprochen, ihn zu beschützen, aber… ich habe versagt." In dem Moment packte Ray ihn unsanft am Arm und hielt ihn so zurück. Er hatte nicht übel Lust Katzuja einfach Eine zu verpassen, damit dieser wieder zu sich kam, aber er konnte sich gerade noch beherrschen. "Jetzt hör mir mal zu! Was passiert ist, ist weder deine Schuld, noch die des Kleinen. Es ist nun mal geschehen, wir können da jetzt sowieso nichts mehr dran ändern. Sich deswegen selbst fertig zu machen bringt nichts. Also hör gefälligst auf, so ´nen Stuss zu reden! Außerdem ist es echt unfair, dass du dich hinter dieser Sache versteckst, nur weil du Schiss hast, dem Kleinen die Wahrheit zu sagen." Er machte eine Pause, um sich wieder zu beruhigen. Schließlich ließ er Katzujas Arm los und atmete einmal tief durch. Dann sprach er weiter, aber dieses Mal, war seine Stimme ruhiger. "Weist du was ich denke? Ich denke, dass der Kleine dich mindestens genauso mag wie ich, wenn nicht sogar noch mehr! Deshalb solltest du es ihm so schnell wie möglich sagen!" Katzuja sah ihn erstaunt an. "Klar soweit?", setzte Ray noch hinterher, als von seinem Kumpel keinerlei Reaktion kam. Dieser nickte nur langsam, löste sich dann aus seiner Starre und meinte schließlich: "Ja, du hast Recht! Entschuldige bitte!" "Ach, ist schon gut! Aber jetzt sollten wir zusehen, dass wir zur Schule kommen, sonst gibt’s ´nen Eintrag!", meinte Ray lächelnd und gab Katzuja noch einen Klaps auf die Schulter, bevor sie mit hastigen schritten ihren Weg fortsetzten. Als Ray und Katzuja das Schulgelände erreichten, wurden sie schon von Hisoka erwartete. Er stand an die Schulmauer gelehnt und neben ihm stand ein Beutel, der bis obenhin mit Klamotten voll gestopft war. Als er die Beiden bemerkte, schnappte er sich seinen Beutel und ging ihnen freudestrahlend entgegen. "Morgen ihr Zwei! Ihr seid spät dran, ich wart hier schon ´ne halbe Ewigkeit!", begrüßte er sie. "Hallo, Hisoka! Sorry, wir haben getrödelt. Kommt nicht wieder vor!", entschuldigte Ray sich bei dem Kleineren. "Na gut, ich lass es euch noch mal durchgehen!", meinte dieser mit gespielt ernster Miene. "Ach übrigens, Katzuja! Hier sind die Sachen! Ich hab den Ganzen Kleiderschrank aufn Kopf gestellt, die Meisten sind mir zu klein. Denke mal, dass sie ihm passen werdn! Er kann sie behaltn, wenn er will!" "Danke, ich bin dir echt was schuldig!", antwortete Katzuja. "Oh ja, das bist du, aber das klärn wir später!", meinte Hisoka nur und smilte ihn unschuldig an. »Und ich weis auch schon, wie du die Schulden begleichn kannst!«, fügte er in Gedanken hinzu. "Wie geht’s ihm eigentlich?", meinte er nach kurzer Zeit an Katzuja gewandt. Dessen Gesichtszüge wurden schlagartig wieder ernst und Ray übernahm es für ihn Hisoka zu antworten. "Er liegt seit Gestern im Koma!" "Oh und wissen die schon, wann er wieder aufwacht?" Katzuja schüttelte mit dem Kopf. "Der Arzt meinte, dass es zwischen ein paar Tagen und mehreren Monaten dauern könnte.", meinte er und wirkte dabei doch sehr geknickt. »Das läuft ja besser als ich dachte!«, freute sich Hisoka und grinste fies in sich hinein. Nach Außen jedoch machte er einen besorgten Eindruck. "Hoffen wir mal, dass es ihm bald besser geht!" Als Antwort bekam er von den Beiden anderen nur ein zustimmendes Kopfnicken. "Also dann, wir sollten uns jetzt aber wirklich mal in die Spur machen, sonst kriegt Frau Kadowaki noch eine Krise.", meinte Ray schließlich und die Drei begaben sich auf den Weg ins Klassenzimmer. Kurz nachdem sie es erreicht hatten, betrat auch Frau Kadowaki den Raum und begann mit dem Unterricht. Zu ihrer Freude, schien sich der Zustand von Katzuja im Vergleich zum Vortag doch zumindest etwas gebessert zu haben, was sie doch sehr erleichterte. Aber hatte es nicht den Anschein, dass er sie nun endlich in seine Probleme einweihen würde. Jedoch wollte sie ihn nicht drängen. Er sollte von allein zu ihr kommen und so gab sie ihm die Zeit, die er dafür benötigte. Kapitel 23: Silberstreif am Horizont ------------------------------------ Den Rest der Woche und die Hälfte der darauf Folgenden, verbrachte Katzuja jede freie Minute im Krankenhaus und schlief jede Nacht an Ricus Seite. Unter keinen Umständen wollte er den Kleinen allein lassen und auch, wenn es ihm am Anfang etwas unangenehm war, so tat er was der Arzt ihm empfohlen hatte und sprach zu Ricu. Er erzählte ihm, was es in der Schule Neues gab oder las ihm aus diversen Büchern vor. Manchmal jedoch schwieg er und schaute ihn einfach nur an. Dann dachte er nach, über ihn und auch über sich. Überlegte, wie er ihm sagen sollte, was er für ihn empfand und malte sich aus, wie Ricu reagieren könnte. Oftmals trieben ihm die möglichen Antworten des Kleinen Tränen in die Augen und sorgten dafür, dass Angst in ihm aufstieg, während Andere ihn wiederum lächeln ließen. Zwar wollten Ray und Hisoka ihn des Öfteren begleiten, jedoch lehnte Katzuja es immer wieder ab. Er wollte nicht, dass sie Ricu so sahen, angeschlossen an all diese Maschinen. Aber er versprach ihnen, sie zu informieren, sobald es etwas Neues gab. So verging die Zeit und als Katzuja an einem Mittwoch- Nachmittag zu seinem, mittlerweile für sämtliches Krankenhauspersonal üblichen Besuch kam, erlebte er eine angenehme Überraschung. Das Zimmer auf der Intensiv- Station, in dem Ricu bisher gelegen hatte, war leer. Völlig perplex blieb er vor dem Fenster stehen, durch welches man vom Flur aus in besagtes Zimmer hineinschauen konnte. Eine ihm mittlerweile recht vertraute Stimme riss ihn aus seiner Starre. "Herr Akai!" Mit fragendem Blick wandte Katzuja den Kopf in die Richtung aus der die Stimme kam und erkannte einen groß gewachsenen Mann mit kurzen braunen Haaren und einem weißen Kittel, den er ein paar Tage nach Ricus Einlieferung in die Klinik als Dr. Shihara genauer kennen gelernt hatte. Dieser hatte damals auch Ricus Operation durchgeführt und kümmerte sich seither um ihn. Mit eiligen Schritten kam er auf Katzuja zu. "Ist etwas passiert? Wo ist er?", wurde er sogleich überfallen. "Nein, machen sie sich keine Sorgen! Es geht ihm gut! Wir haben ihn auf ein anderes Zimmer verlegt! Kommen sie, ich bringe sie zu ihm!", meinte dieser und lächelte Katzuja beschwichtigend an. Dieser bedachte den jungen Arzt, der wohl Mitte Zwanzig war, nur mit einem irritierten Blick, folgte ihm aber schließlich. Sie verließen die Intensiv- Station und gelangten kurz darauf in einen etwas belebteren Teil des Stockwerkes. Immer wieder kamen ihnen Patienten mit Krücken und Gehilfen entgegen. Rechts und links des Flures säumten mehrere Türen den Weg. Einige waren geschlossen, Andere jedoch gewährten einen Blick in die dahinter liegenden Zimmer. Langsam dämmerte es Katzuja, sie befanden sich auf der Patienten- Station und diese Erkenntnis ließ in ihm neue Hoffnung aufkeimen, was den Zustand des Kleinen betraf. Als sie fast das Ende des Ganges erreicht hatten, blieb Dr. Shihara vor einer der Türen stehen. Neben dieser stand auf einem kleinen Schild die Nummer `238` geschrieben und darunter der Name des Patienten `Hiwatari, Ricu`. Katzujas Herz machte einen kleinen Sprung, als er den Namen las. Ohne ein Wort zu sagen, klopfte Dr. Shihara an die Tür und öffnete sie schließlich, dann betrat er das Zimmer, während Katzuja noch kurz Draußen wartete. Irgendwie traute er sich nicht richtig, das Zimmer zu betreten. Doch als Dr. Shihara merkte, dass Katzuja ihm nicht gefolgt war, wandte er sich zu ihm um und bat ihn mit einem Kopfnicken herein. Nach kurzem Zögern kam Katzuja schließlich der Aufforderung des Arztes nach. Im Gegensatz zu dem Zimmer auf der Intensiv- Station, strahlte das, welches er soeben betrat eine ungeheure Wärme aus. Die Wände waren nicht weiß und steril, sondern in einem freundlich gelben Ton. Vor den Fenstern hingen luftige Vorhänge, die jede menge Licht in das Zimmer ließen und einige Schränke, ein Tisch und ein paar Stühle, ließen es fast schon wohnlich erscheinen. Neben der Tür konnte man direkt ins Bad gelangen, welches ebenfalls mit einem kleinen Schränkchen und einem Spiegel über dem Waschbecken ausgestattet war. Das Einzige, was daran erinnerte, dass man sich in einem Krankenhaus befand, war das Bett, in dem der Kleine seelenruhig schlief, während eine Schwester seine Verbände prüfte. Als sie fertig war, nickte sie Dr. Shihara kurz zu und verließ das Zimmer. Dieser trat nun näher an das Bett heran und besah sich das Krankenblatt. "Er ist vor ein paar Stunden aus dem Koma aufgewacht, seit dem war er noch nicht bei Bewusstsein. Aber ich denke, dass er bald zu sich kommen wird. Seine Befunde sind soweit in Ordnung. Alles normal, deswegen haben wir ihn hierher verlegt. Ich habe dafür gesorgt, dass er ein Einzelzimmer bekommt." Katzuja nickte verstehend, schaute den Arzt aber nicht an. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt nun Ricu, der noch immer keine Reaktion zeigte. "Ich lasse sie jetzt alleine. Später werde ich noch mal nach ihm sehen, wenn sich etwas tut, sagen sie bitte einer Schwester oder mir bescheid." Damit drehte er sich um und verließ das Zimmer. Noch immer stand Katzuja wie erstarrt neben der Tür. Natürlich freute er sich, dass es mit Ricu jetzt wieder bergauf ging, aber gleichzeitig wusste er, dass damit auch der Augenblick näher rückte, an dem er ihm die Wahrheit sagen musste und diese Tatsache bereitete ihm größeres Unbehagen, als er gedacht hätte. Schließlich löste er sich aus seiner Starre und näherte sich langsam dem Bett, ohne Ricu auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Zögernd lies er sich auf einem Stuhl, der neben dem Bett stand nieder. Minutenlang saß er einfach nur da und starrte den Kleinen an. So lange hatte er sich gewünscht, dass er wieder aufwachen würde und nun, da es soweit sein sollte, wünschte er sich, dass er wieder ins Koma falle. In ihm tobte ein Kampf, bei dem die eine Seite alles tun würde, damit es Ricu besser geht, während die Andere angst davor hatte. So albern es auch klingen mochte, aber Katzuja hatte tatsächlich Angst vor Ricu und vor dem was passieren würde, wenn dieser wieder zu sich kam. Er war so in Gedanken, dass er nicht bemerkte, wie jemand nach kurzem Anklopfen das Zimmer betrat. Erst als er eine Hand auf seiner Schulter spürte und neben ihm eine wohl vertraute Stimme erklang, schreckte er aus seinen Gedanken. "Hey! Wie geht es ihm?" Katzuja sah ungläubig zu der Person auf. "Ray? Was machst du denn hier?", fragte er mit heiserer Stimme. "Tut mir leid! Ich weis, dass du nicht wolltest, dass Hisoka oder ich herkommen, aber… der Kleine ist schließlich auch unser Freund und na ja~" "Schon gut!", meinte Katzuja abwehrend. "Du brauchst dich nicht entschuldigen. Du hast ja Recht, er ist nicht nur mein Freund, also ist das okay." Ray nickte erleichtert, dann sahen sie Beide wieder zu Ricu. "Sagtest du nicht, dass er auf der Intensiv liegt?", fragte Ray schließlich nach kurzem Schweigen. "Ja, aber er ist vorhin aus dem Koma aufgewacht und seine Werte sind in Ordnung, also haben sie ihn hierher verlegt.", antwortete Katzuja. "Hey, das ist doch super. Dann wird er ja bald wieder fit sein.", freute sich Ray und gab Katzuja einen Klaps auf die Schulter. Dieser jedoch schaute eher bedrückt als freudig drein. "Mein Gott, du scheinst dich ja echt tierisch zu freuen! Was ist denn los? Ist es immer noch, weil du nicht weist, wie du es ihm sagen sollst oder was?" Katzuja seufzte. "Einmal das und dann sind da noch ein paar andere Dinge." Ray rollte mit den Augen und meinte dann kopfschüttelnd: "Ich habe dir doch gesagt, dass es nicht deine Schuld war!" "Schon, aber…", begann Katzuja, jedoch verstummte er sofort wieder. "Aber was?", bohrte Ray nach. "Jetzt komm schon, lass dir nicht immer alles aus der Nase ziehen!", meinte er und knuffte Katzuja in die Seite, woraufhin dieser ihm alles erzählte. Er erzählte von seinem Traum und von der Angst, die ihn wieder und wieder befiel. Ray hörte ihm aufmerksam zu bis Katzuja geendet hatte. "Man, das ist echt hart! Kein Wunder, dass dich das fertig macht.", meinte er schließlich und sah Katzuja mitleidig an. "Aber weist du, wenn du weiterhin davon läufst, dann wird es nur noch schlimmer! Sag ihm, was du fühlst - er wird es verstehen, da bin ich mir ganz sicher. Vergiss was du geträumt hast. Das waren nur deine Ängste! Es wird niemals soweit kommen, denn niemand kann dich für das, was passiert ist verantwortlich machen, das wäre einfach unfair dir gegenüber! Also, denk nicht so viel darüber nach, sondern tu etwas, sonst gehst du daran noch kaputt, okay!?" Katzuja nickte. Ray hatte vollkommen Recht. Es brachte nichts, wenn er vor seinen Gefühlen davon lief. Lächelnd sah er Ray an. "Okay!", meinte er dann und war heilfroh einen so guten Freund zu haben. "Gut! Also dann, ich muss jetzt los! Wir sehen uns Morgen in der Schule. Bis dann!", entgegnete Ray. "Ja!", antwortete Katzuja und wandte sich wieder Ricu zu, der noch immer seelenruhig schlief und von dem Gespräch der beiden Freunde anscheinend nichts mitbekommen hatte. Doch gerade als Ray das Zimmer verlassen wollte, hielt ihn Katzuja noch einmal zurück. "Ray?" Der Angesprochene hielt im Gehen inne und drehte sich zu seinem Kumpel um. "Hm…?" "Danke!", meinte Katzuja und lächelte ihm selig entgegen. "Schon gut, Großer!", grinste Ray und verließ mit einem kurzen "Ciao!" das Zimmer. Katzuja jedoch blieb noch bis zum späten Abend und beobachtete seinen schlafenden `Engel`. Zwischenzeitlich kam Dr. Shihara oder auch eine Schwester, um nach Ricu zu sehen und die Verbände zu prüfen. In dieser Zeit verlies Katzuja stets das Zimmer, da er es fast unerträglich fand Ricus Wunden zu sehen und ging erst hinein, wenn Dr. Shihara bzw. die Schwester es wieder verließen. Langsam wurde es still auf der Station und auch Dr. Shihara hatte vor kurzer Zeit seinen letzten Besuch bei Ricu für diesen Tag getätigt. "Er wird bald aufwachen, es kann nicht mehr lange dauern. Vielleicht sogar schon heute Nacht.", hatte er Katzuja die gute Nachricht übermittelt, als er seine Visite beendet hatte. Katzuja hatte ihn daraufhin nur mit einem dankenden Lächeln angesehen und kurz genickt, bevor Dr. Shihara sich von ihm verabschiedete und seine Schicht für diesen Tag beendete. Gedankenverloren saß Katzuja nun wieder am Bett des Kleinen und beobachtete ihn still. Ab und zu strich er ihm einige vorwitzige Strähnen aus dem Gesicht. "Weist du eigentlich, wie schön du bist?", flüsterte er schließlich, so leise, dass es niemand außer ihm hätte hören können. Er stellte sich vor, wie der Kleine vor ihm stand und ihn aufgrund dieses Satzes errötend ansah. Lächelnd legte Katzuja seinen Kopf neben Ricu aufs Bett und schlief mit diesem letzten Gedanken an seinen kleinen `Engel` ein. Kapitel 24: Ein perfider Plan ----------------------------- Es war eine ruhige, traumlose Nacht gewesen und Katzuja schlief zum ersten Mal, seit Ricu ins Krankenhaus eingeliefert wurde wieder durch. Erst die eingeschaltete Alarmfunktion seiner Armbanduhr riss ihn wieder aus der wohlverdienten Ruhe. Sein erster Blick galt Ricu, der jedoch noch immer tief und fest schlief. Erleichtert stand Katzuja von seinem Nachtlager auf, gab dem Kleinen einen sanften Kuss auf die Stirn und verließ das Zimmer, um sich auf den Weg nach Hause zu begeben. Dort angekommen genehmigte er sich erst einmal ein ausgiebiges Frühstück, bevor er sich auf den Weg zur Schule machte. Auch wenn es ihm in den letzten Tagen nicht so gut ging, so musste er doch zugeben, dass er an diesem kalten, jedoch sonnigen Donnerstag- Morgen sehr gut drauf war. Aller Wahrscheinlichkeit nach, lag dies auch an dem Gespräch, welches er am Vortag mit Ray geführt hatte. Es hatte sein Selbstbewusstsein ungemein gesteigert und er war nun fest entschlossen, Ricu zu sagen, was er ihm bis jetzt verheimlicht hatte. Als Katzuja den Klassenraum betrat, entdeckte er Ray und Hisoka, die bereits auf ihren Plätzen saßen und sich über dies und das unterhielten, um so die Zeit bis zum Beginn der Stunde zu überbrücken. Langsam ging Katzuja zu ihnen und setzte sich schließlich auf seinen Platz. Augenblicklich wurde er von den Beiden herzlich begrüßt und Hisoka ließ es sich nicht nehmen ihn genau zu mustern. Irgendetwas war heute anders als sonst. Katzuja wirkte nicht mehr so bedrückt, ganz im Gegenteil. "Hey Katzuja, du bist ja heute so gut drauf. Wie kommt's denn?", fragte er unwissend, obwohl er sich den Grund für Katzujas Freude schon denken konnte. "Ricu geht es endlich besser. Er ist aus dem Koma aufgewacht. Momentan ist er zwar noch bewusstlos, aber der Arzt meinte, dass er in den nächsten Tagen wieder aufwachen wird und wenn alles glatt geht, kann er vielleicht schon bald wieder nach Hause.", antwortete Katzuja ihm freudestrahlend. "Hey, das sind ja mal gute Nachrichten!", meinte Ray, während Hisoka Katzujas Worte nur mit einem etwas gequälten Lächeln quittierte, was jedoch keiner der Beiden anderen registrierte. Nun hatte er es doch nicht mehr geschafft, sich an Ricus Leiden zu ergötzen und nachdem, was Ray ihm gerade erzählt hatte, würde Katzuja diesem Rotzbengel seine Liebe gestehen, sobald dieser wieder aufwachte. »Das muss ich um jeden Preis verhindern, sonst kann ich Katzuja für immer vergessen.« Tatsächlich hatte Hisoka im Gegensatz zu seinen zwei Freunden längst mitbekommen, dass Katzuja dem Kleinen genau so viel bedeutete wie umgekehrt und so bestand die Gefahr, dass die beiden gegen seinen Willen ein Paar wurden. Die Frage war nur, wie sollte er es verhindern, ohne selbst in die Schusslinie zu kommen? Am besten wäre es gewesen, wenn sie sich gegenseitig fertig machen würden, aber darauf konnte er lange warten. Also musste er etwas nachhelfen und genau in diesem Moment entwickelte er einen perfiden Plan, der so hinterhältig war, dass sogar der Teufel persönlich den Hut davor gezogen hätte. So kam es, dass Hisoka in den nächsten Schulstunden damit beschäftigt war, seinen Plan bis ins kleinste Detail zu perfektionieren. In einer Hofpause machte er sich schließlich daran, den ersten Teil seines Projektes in die Tat umzusetzen. Am Ende dieses Tages würde sein Plan in vollem Gange sein und schon bald wäre das Ziel erreicht. Doch das Beste war, niemand würde ihn verdächtigen und wenn sie es dann herausfinden, wäre es bereits zu spät. So vergingen die Stunden und schließlich ertönte die Schulglocke, um das Ende der letzten Stunde kund zu tun. Rasch packten die Schüler ihre Sachen in die Rucksäcke und verließen lautstark die Schule. Auch Ray, Hisoka und Katzuja machten sich daran ihre Sachen einzupacken und sich auf den nachhause Weg zu machen. Ein Stück des Weges legten sie noch gemeinsam zurück, bis Hisoka und Ray sich schließlich von Katzuja verabschiedeten und er alleine weiterging. Mittlerweile hatten sich dunkle Wolken vor die Sonne geschoben und es war noch kälter geworden. In Gedanken schon bei Ricu, lief Katzuja den von Schneematsch bedeckten Gehweg entlang, bis vor ihm plötzlich zwei Typen auftauchten. Katzuja kannte sie, sie gehörten zur Fußballmannschaft der Parallelklasse und sie hatten sich schon oft ein hartes Spiel auf dem Platz geliefert. Die beiden schienen Katzuja nicht bemerkt zu haben und liefen, sich angeregt über etwas unterhaltend vor ihm her. Zuerst verstand Katzuja nichts von dem, was sie sagten und kam zu dem Schluss, dass es ihn nichts anging. Sich wieder seinen Gedanken widmend, lief er hinter den beiden her, bis der Eine etwas sagte, was ihn aufhorchen lies. "Den haben wir richtig fertig gemacht! Nur schade, dass die Bullen gekommen sind! Hast du gesehen, wie dämlich der geglotzt hat, als ich ihm in seine schwule Fresse geschlagen hab und dann fing der auch noch an zu heulen! Echt unbezahlbar. Aber ich sag dir, wenn diese Schwuchtel es noch einmal wagen sollte mich auch nur anzusehen, dann bring ich ihn um." "Der dachte wohl, bloß weil er so klein ist kann der sich alles erlauben. Ich hab gehört, der soll was mit einem aus der Parallelklasse gehabt haben! Abartig oder!?", erwiderte der Andere verächtlich. "Ja man, du sagst es. Diese Schwuchteln sollte man alle von der Schule schmeißen, ist ja ekelhaft und so was geht in unsere Klasse.", meinte der Größere nun. "Du meinst wohl ging in unsere Klasse! Ich glaube nicht, dass wir den so schnell wieder sehen, so wie du den zugerichtet hast!", lachte der andere fies. "Hey, vielleicht sollten wir dieser anderen Tunte auch mal ´nen Besuch abstatten. Die aus seiner Klasse werden uns sicher dankbar sein!", meinte er dann noch und während der Andere ihm lachend zustimmte, verschwanden sie hinter der nächsten Ecke. Wie vom Blitz getroffen blieb Katzuja stehen. Was er soeben gehört hatte, war für ihn fast unbegreiflich. Er wusste ja, dass einige Leute auf solche wie ihn nicht so gut zu sprechen waren, aber das… Zwar wusste er nicht, wer der Arme gewesen war, über den sich die Beiden unterhalten hatten, aber allein die Tatsache, dass er klein und schätzungsweise auch nicht sehr stark war, löste in Katzuja größte Unruhe aus. Was, wenn Ricu auch so etwas passierte? Wenn jemand herausfand, dass er den Kleinen liebte und dann Beide darunter zu leiden hatten? Das wollt er nicht. Wenn er selbst litt, war das nicht so schlimm, aber nicht er, nicht Ricu. Er würde den Kleinen davor bewahren und dies ging am Besten, wenn dieser nichts von Katzujas Gefühlen erfuhr. Er hätte sich selbst verfluchen können. Endlich hatte er den Mut es Ricu zu sagen und dann konnte er es doch nicht, weil er befürchten musste, dass es schlimme Konsequenzen für den Kleinen haben könnte. Kapitel 25: Das Erwachen ------------------------ Niedergeschlagen kam Katzuja am späten Nachmittag im Krankenhaus an. Er war zuvor noch schnell zu Hause gewesen und hatte die Sachen geholt, die er von Hisoka bekommen hatte. Auf der Station herrschte geschäftiges Treiben, doch je näher er Ricus Zimmer kam, desto ruhiger wurde es. In dem Teil des Flures in dem das Zimmer des Blonden lag, waren so gut wie keine Patienten untergebracht, weshalb es hier auch angenehm still war. Leise betrat er das Zimmer. Anscheinend war eine Schwester erst vor kurzem bei dem Kleinen gewesen, da die sichtbaren Verbände noch sehr frisch aussahen. Also musste Katzuja sich keine Sorgen machen, dass in der nächsten Zeit jemand nach ihm sehen würde. Noch immer schlief Ricu und hatte wohl auch keine Anstalten gemacht dies zu ändern. "Hallo mein Engel!", flüsterte Katzuja mit einem betrübten Lächeln und näherte sich, nachdem er den Beutel mit den Sachen in eine Ecke gestellt hatte, langsam dem Bett. Bevor er sich setzte, gab er dem Kleinen noch einen sanften Kuss zur Begrüßung. Traurig nahm er Ricus Hand in die Eigene und begann sie zu streicheln, doch dieser zeigte noch immer keinerlei Reaktion auf die Berührung. Katzuja begann ihm mit der freien Hand durch das blonde Haar zu streichen, welches er so lieb gewonnen hatte. Der Gedanke, ihn nie wieder so berühren zu können, ließ einen stechenden Schmerz in seinem Herzen zurück, der ihm Tränen in die Augen trieb. Einen kurzen Moment später löste sich bereits die Erste und rann unaufhaltsam seine Wange hinab. Viele weitere folgten ihr. "Ricu!", flüsterte er, lies schließlich von Ricus Haar ab und legte seinen Kopf zögernd auf dessen Bauch. Noch immer rannen Tränen unaufhaltsam seine Wangen hinab und versickerten schließlich im Bezug der Bettdecke. Doch schon kurze Zeit später waren sie alle versiegt und Katzuja über den gleichmäßigen Atemgeräuschen des Kleinen eingeschlafen. ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ Alles um ihn herum war dunkel und so sehr er sich auch anstrengte, er konnte nichts erkennen - umgeben von endloser Schwärze, die sich so unendlichweit in alle Richtungen erstreckte. Er wusste nicht, wie lange er schon in dieser Dunkelheit war oder wie er hierher gekommen war, aber er wusste, dass er hier weg wollte. Diese Finsternis machte ihm angst. Er begann zu rennen, einfach in irgendeine Richtung, in der Hoffnung, dort einen Ausgang zu finden und so diesem schrecklichen Ort zu entfliehen. Doch egal wie lange er lief, vor ihm breitete sich nur immer mehr Finsternis aus. Schließlich blieb er schwer atmend stehen und sank erschöpft auf die Knie. Er begann zu weinen und in seiner Verzweiflung schlug er mit den Fäusten auf den harten Boden. Doch plötzlich hielt er inne. Er hörte etwas, eine Stimme, die beruhigend zu ihm sprach. Er kannte sie, aber woher? Die Stimme erzählte ihm von einer Schule, nannte Namen, die er irgendwoher kannte: `Ray` und `Hisoka`. Aufmerksam hörte er ihr zu, bis sie irgendwann wieder verstummte. "Nein, bitte, hör nicht auf! Sprich doch bitte weiter!", rief er ihr nach, doch die Stimme blieb stumm. Verzweifelt kauerte er sich auf dem Boden zusammen. Er fühlte sich einsam und verlassen. Wo war er hier nur? Irgendwann schlief er ein. Als er wieder aufwachte hörte er sie wieder - die Stimme. Dieses Mal erzählte sie von weit entfernten Ländern und einem Jungen, der auf einem Piratenschiff viele Abenteuer erlebte. Die Stimme erklang immer öfter und erzählte ihm immer wieder neue Dinge. Einmal berichtete sie von einem Jungen, der ein Schwert aus einem Stein zog und dadurch König von England wurde. Er hatte viele treue Ritter zu seiner Seite und bestritt unzählige Schlachten. Sein treuster Freund, `Merlin`, war ein Zauberer und stand ihm mit Rat und Tat zur Seite. Die Stimme hatte ihn gefragt, ob er die Geschichte von König Arthur und den Rittern der Tafelrunde kennen würde, und als er mit einem "Nein!" geantwortet hatte, begann sie ihm davon zu erzählen. Es war eine schöne Geschichte und er schwor sich, dass er sie nie vergessen würde. Manchmal jedoch weinte die Stimme und flüsterte vor sich hin. Er verstand es trotzdem. "Es ist alles meine Schuld! Das wirst du mir nie verzeihen!", sagte sie immer und immer wieder. Er bat sie, nicht zu weinen, doch es war, als würde sie ihn nicht hören. Oft erklangen neben der vertrauten Stimme auch Fremde, die sich über einen Jungen unterhielten. Einmal war jedoch auch eine Stimme dabei, von der er hätte schwören können, dass er sie ebenfalls kannte. Sie unterhielt sich mit der Stimme, die ihn stets begleitet hatte und von der er jetzt Dinge erfuhr, die er lieber nicht erfahren hätte. Sie erzählte, dass sie Angst hätte und berichtete von Albträumen, die sie jede Nacht heimsuchten. Sie tat ihm leid und er wollte ihr gerne helfen, aber er saß in dieser verdammten Dunkelheit fest und so konnte er nur hoffen, dass es ihr bald besser ging. Am Ende des Gespräches hörte er, wie sie die andere Stimme mit Namen rief "Ray?" und wieder kam ihm das vertraut vor. So verging eine ihm endlos erscheinende Zeit, in der er den Geschichten der Stimme still gelauscht hatte und immer wieder darüber nachdachte, was sie erzählt hatte. Denn neben den Albträumen und den Ängsten, hatte sie auch noch von jemandem gesprochen, den sie liebte und ihre Gefühle gestehen wollte, es aber nicht konnte. War er selbst denn nicht auch in jemanden verliebt und konnte es ihm nicht sagen? Er wusste es nicht genau, aber er konnte die Sorgen der Stimme verstehen. Irgendwann sprach die Stimme nur noch sehr leise, so, dass er sie kaum verstehen konnte. Immer wieder sagte sie etwas von einem Engel und einmal nannte sie seinen Namen "Ricu!" Er schaute verwundert in die Finsternis. "W… Woher kennst du meinen Namen?" Doch er bekam keine Antwort, spürte nur, wie etwas schweres sich auf seinen Bauch legte. Er sah an sich hinab, doch da war nichts. Plötzlich verschwand die Finsternis um ihn herum, der Boden unter seinen Füßen gab nach und er wurde sanft in ein warmes Licht gezogen… ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ + ~ Langsam öffnete Ricu die Augen, schloss sie jedoch gleich wieder, da das einfallende Licht ihn blendete. Einen kurzen Augenblick später versuchte er es erneut und dieses Mal konnte er seine Augen ohne größere Probleme öffnen. Irritiert sah er sich um, ohne sich jedoch großartig zu bewegen. Er nahm alles noch etwas verschwommen wahr, doch schon einige Momente später schärfte sich sein Blick und er sah wieder klar. Wo war er hier und wie kam er hierher? In diesem Augenblick entdeckte er Katzuja, der noch immer friedlich schlafend seinen Kopf auf Ricus Bauch gebettet hatte. Da sein Gesicht von dem Blonden abgewandt war, wusste dieser nicht gleich, wer da auf ihm lag. Beim Versuch die rechte Hand anzuheben und diesen Jemand zu berühren, stellte er fest, dass ihm dies nicht möglich war, da sich besagte Hand in der des `Fremden` befand und dieser keine Anstalten machte sie loszulassen. Zögernd hob Ricu nun die andere Hand, um sein Vorhaben doch noch in die Tat umzusetzen. Etwas unsicher näherte sich seine Hand Katzujas Kopf und begann ihm zaghaft durch die schwarzen, seidigen Haare zu streichen. Murrend legte Katzuja den Kopf auf die andere Seite - wobei er auch Ricus rechte Hand losließ - so dass der Kleine sein Gesicht sehen konnte. Schnell hatte der Blonde bei dieser Reaktion seines Gegenübers die andere Hand wieder weggezogen und betrachtete nun dessen immer noch schlafendes Gesicht. »Katzuja!? Was macht er hier?«, fragte sich Ricu, doch in diesem Augenblick entdeckte er die Spuren auf Katzujas Gesicht, die deutlich davon zeugten, dass er geweint hatte. Lächelnd streichelte er mit der nun endlich wieder freigegebenen Hand über Katzujas Wange. »Wie süß er ist, wenn er schläft!«, dachte er, wobei er einige der schwarzen Strähnen zur Seite schob, die diesem vorwitzig in die Stirn gefallen waren. In diesem Moment wachte Katzuja auf und sah Ricu verschlafen an. Dieser zog Augenblicklich seine Hand zurück und lächelte Katzuja sanft an. Schlagartig war der Ältere hellwach, als er erkannte, dass der Kleine endlich aufgewacht war. "Ricu! Du… du bist wach? Endlich!", schon fiel er dem Kleineren überglücklich um den Hals und vergrub das Gesicht in dessen Halsbeuge. Ricu war so überrascht, dass er im ersten Moment gar nicht wusste wie ihm geschah und so saß er einfach nur still da und genoss die herzliche Umarmung. Doch plötzlich begann Katzuja zu zittern. "Katzuja? Was hast du?", fragte Ricu besorgt, doch Katzuja blieb ihm die Antwort schuldig. Umarmte ihn nur noch fester, jedoch nur soviel, dass er Ricu nicht wehtat. Dieser legte nun ebenfalls seine Arme um den Anderen und begann ihm sanft über den Rücken zu streicheln, während er beruhigend auf ihn einsprach. Kapitel 26: Die Amnesie ----------------------- Langsam beruhigte Katzuja sich wieder. "Es tut mir leid! Bitte verzeih` mir!", meinte er plötzlich flüsternd, ohne sich jedoch von Ricu zu lösen. "Ist schon gut! Mach dir keinen Kopf deswegen!", antwortete dieser, da er dachte, dass Katzuja seinen kleinen `Überfall` eben meinte. Tatsächlich aber, bezog sich diese Entschuldigung auf den `Unfall`, der Ricu widerfahren war und wegen dem er nun in diesem Krankenhaus lag. Doch Katzuja wagte es nicht einen Widerspruch einzulegen, auch wenn er wusste, dass Ricu etwas ganz anderes meinte als er selbst. Noch eine ganze Weile verharrten sie in dieser Umarmung und genossen die Wärme des jeweils Anderen. Ein leises Klopfen veranlasste sie schließlich sich voneinander zu lösen und kurz darauf betrat Dr. Shihara das Zimmer. "Ah, Herr Hiwatari, wie ich sehe sind sie endlich aufgewacht! Wie geht es ihnen?", fragte er Ricu, der etwas irritiert aus der Wäsche sah. "Oh, entschuldigen sie bitte. Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Dr. Shihara, ihr behandelnder Arzt.", meinte der junge Chefarzt und reichte ihm die Hand. Zögernd erwiderte Ricu dessen Geste und sah dabei etwas unsicher zu Katzuja, der ihm jedoch aufmunternd zunickte. "Na dann wollen wir mal sehen, wie das werte Befinden ist!", lächelte Dr. Shihara und nahm Ricus Hand, um dessen Puls zu fühlen, während er dabei auf seine Armbanduhr sah. Zufrieden lies er die Hand des Blonden schließlich wieder los und nahm sein Stethoskop zur Hand, um die Brust des Kleinen abzuhören. Dieser schreckte etwas zurück, als der Arzt seine Kleidung etwas bei Seite schob und so dessen Oberkörper freilegte. "Ganz ruhig!", meinte der Chefarzt beruhigend, was bei dem Angesprochenen jedoch keine sonderlich große Wirkung zeigte. Zwar wusste er, dass der Arzt ihm nicht wehtun würde, doch irgendetwas in ihm hatte ihn zu dieser ungewollten Reaktion verleitet. Hilfe suchend schaute der Kleine zu Katzuja, doch dieser hatte den Blick abgewandt. »Was hat er? Warum schaut er denn weg?« Zwischenzeitlich hatte Dr. Shihara Ricus Brust abgehört und steckte sein Stethoskop wieder in die Tasche seines Kittels. Noch immer sah Ricu Katzuja fragend an, als er plötzlich spürte, wie der Chefarzt seinen Bauch abtastete. Erschrocken zuckte er zusammen und sah ihn entsetzt an. »Was tut er denn da?« Langsam lies er seinen Blick zu seinem Bauch schweifen. Ihm stockte fast der Atem, als er die unzähligen Verbände um seinen Oberkörper und seinen Bauch sah. "Wa… Was ist passiert?", fragte er mit heiserer Stimme. Dr. Shihara sah von den Verbänden auf und auch Katzuja sah den Kleinen verwundert an. "Was?", erwiderte Katzuja etwas irritiert. "Sie können sich nicht erinnern?", fragte Dr. Shihara prüfend. Ricu schüttelte zögernd den Kopf und starrte noch immer fassungslos auf die Verbände. In anbetracht der Tatsache, dass er sich an nichts mehr erinnern konnte, fing er unkontrolliert an zu zittern und seine Augen begannen sich mit Tränen zu füllen. Verzweifelt barg er sein Gesicht in seinen Händen und weinte. Katzuja konnte es nicht mit ansehen, wie sein kleiner `Engel` litt und so nahm er ihn behutsam in den Arm und tröstete ihn, während Dr. Shihara überlegte, was sie tun konnten, um ihn wieder zu beruhigen. Da aber alles Trösten und gut Zureden nichts half, beschloss er, Ricu eine Beruhigungsspritze zu geben, damit dieser den Schock in aller Ruhe verarbeiten konnte. Dieser war da jedoch ganz anderer Ansicht und wehrte sich mit aller Kraft, um die Spritze zu verhindern. Er hasste diese Dinger und hatte extreme Angst vor ihnen. Erst als Katzuja ihn ganz fest in den Arm nahm, konnte Dr. Shihara sie gefahrlos setzen. Ricu zuckte bei dem Einstich zusammen und als Katzuja die Umarmung wieder etwas gelockert hatte, sah er ihn erbost an. "WARUM HAST DU DAS GETAN?", schrie er ihn mit Tränen in den Augen an und Katzuja sah betroffen zur Seite. Ricu begann nun wütend auf Katzujas Brust einzutrommeln, was diesen nicht gerade freundlich stimmte. Ruckartig löste er seine Umarmung und hielt Ricu energisch an den Handgelenken fest. Was glaubte der Kleine eigentlich, für wen er das alles tat? "Hör auf damit!", fauchte er den Blonden an, der ihn nun erschrocken und starr vor Schreck ansah. "Du willst wissen, warum ich das getan habe? Ich sag es dir. Weil ich nicht will, dass du an so etwas zu Grunde gehst. Glaubst du etwa ich tu das, um dich zu ärgern? Oh nein, ich will dir verdammt noch mal helfen und wenn es nicht anders geht, dann muss ich dich eben dazu zwingen.", antwortete er und sah den Kleinen wütend an. Dann wurde sein Blick wieder sanft. "Ich will dir doch nicht wehtun, versteh das doch!", bat er ihn mit ruhiger Stimme. Nachdem Katzuja ihm das gesagt hatte, sackte Ricu in sich zusammen, was für Katzuja ein sicheres Zeichen war, dass er die Handgelenke des Blonden nun wieder loslassen konnte. Mit gesenktem Blick saß Ricu vor ihm. Er fühlte sich mies, weil er so gemein zu Katzuja war, obwohl dieser doch nur das Beste für ihn wollte. Schließlich hob er den Kopf wieder, sah ihm jedoch nicht in die Augen. "Katzuja, ich… Es tut mir leid, bitte entschuldige!", meinte er kleinlaut, bevor sein Blick wieder von Tränen verhangen wurde. "Schon gut! Ich weis ja, dass es nicht leicht für dich ist.", erwiderte dieser nur. Unsicher sah Ricu ihm daraufhin in die Augen und als Katzuja ihn sanft anlächelte, war er sich sicher, dass dieser ihm verziehen hatte. "Katzuja!", rief er glücklich und umarmte den Größeren stürmisch, während Tränen der Freude seine Wangen benetzten. Auch Katzuja legte seine Arme um den Kleineren und erwiderte dessen Geste. Dr. Shihara bedachte die Beiden mit einem erleichterten Lächeln und wartete noch bis die Spritze ihre Wirkung zeigte, was auch nicht allzu lange auf sich warten lassen sollte. Schon kurze Zeit später saß Ricu mit einem verträumten Blick an Katzujas Brust gelehnt und schlief bald darauf in dessen Umarmung ein. Vorsichtig löste Katzuja sich von ihm und legte ihn sanft in sein Bett. Dann zog er ihm das Oberteil wieder richtig an und deckte ihn zu. Anschließend wandte er sich an Dr. Shihara, der ihn bis dahin stillschweigend beobachtet hatte. "Wie kommt es, dass er sich nicht an den `Unfall` erinnern kann?", fragte er den jungen Chefarzt. "Nun ja, es wird genau wie das Koma eine Schutzfunktion sein. Sein Gehirn hat das Geschehene einfach verdrängt. Das erleben wir öfter bei Patienten, mit schlimmen Erinnerungen. Wir nennen es eine traumatische Amnesie. Manchmal bleiben diese Erinnerungen für immer weg, doch meistens erinnern sich die Patienten bei bestimmten Geschehnissen wieder daran. Es ist also gut möglich, dass er sich wieder erinnert, wenn er etwas erlebt, was ihn an diesen Vorfall erinnert." Katzuja nickte verstehend. "Ich hoffe, dass er sich nicht wieder erinnert.", meinte er leise, woraufhin ihn Dr. Shihara nur fragend ansah. Schließlich schüttelte er jedoch den Kopf und verabschiedete sich von Katzuja. Seine Schicht war für diesen Tag beendet und er würde erst am Nächsten wieder nach Ricu sehen. Die Sonne war mittlerweile verschwunden und das Zimmer wurde nur von der Abenddämmerung noch etwas erhellt. Nachdenklich weilte Katzuja noch bis in die späten Abendstunden an Ricus Seite bis er schließlich ebenfalls einschlief. Kapitel 27: Ai shiteru ---------------------- Früh am nächsten Morgen wurde Katzuja erneut vom nervtötenden Alarmsignal seiner Armbanduhr geweckt. So schnell wie möglich stellte er das störende Geräusch ab, in der Hoffnung, dass es den Kleinen nicht ebenfalls geweckt hatte. Doch dieser schlief tief und fest und hatte sich davon nicht stören lassen. Lächelnd betrachtete Katzuja den Blonden, der wie eine Katze zusammengerollt in seinem Bett lag und sein Kissen fest umklammert hielt. Seine Decke hatte er während der Nacht so weit von sich geschoben, dass sie ihn nur noch zur Hälfte bedeckte. Leise stand Katzuja auf und griff nach ihr. Vorsichtig deckte er Ricu wieder zu, so, dass er sich sicher sein konnte, dass dieser nicht frieren würde. Während er dem Kleinen die Decke überlegte, begann dieser sich etwas zu regen und umklammerte sein Kissen noch fester. "Katzuja!", murmelte er leise. Augenblicklich lies Katzuja von Ricu ab und schaute ihn unsicher an. »Habe ich ihn etwa geweckt?« Doch schon einen Moment später stellte er erleichtert fest, dass dies nicht der Fall war, sondern, dass der Kleine im Schlaf gesprochen hatte. »Er träumt von mir!? Na hoffentlich ist es ein schöner Traum!«, dachte Katzuja noch, bevor sich Ricu - erneut etwas vor sich hinmurmelnd - in sein Kissen kuschelte. "Ai shiteru!" Dieser Satz brachte Katzuja völlig aus der Fassung und er starrte Ricu ungläubig an. "Was?", brachte er leise hervor. Doch schon im nächsten Augenblick, musste Katzuja sich eingestehen, dass der Kleine den letzten Satz nicht ernst gemeint haben konnte - egal, wie sehr er sich das auch wünschte. »Er schläft und im Schlaf sagt man manchmal Dinge, die eigentlich gar nicht stimmen…« Diese Tatsache tat ihm unwahrscheinlich weh, aber er wusste, dass es so war und dass er nichts daran ändern konnte. »Ich sollte besser gehen!«, dachte Katzuja. Doch bevor er sich daran machte das Zimmer zu verlassen, ging er noch einmal zu Ricu, um sich bis zum Abend von ihm zu verabschieden. "Auch, wenn du es nicht ernst meinst… Ich liebe dich auch!", flüsterte er so leise, dass er es selbst nicht verstanden hätte, wenn er nicht genau gewusst hätte, was er sagte. Dann hauchte er dem Kleinen einen sanften Kuss auf die Stirn, der daraufhin süß lächelte und verlies so leise wie möglich das Zimmer. Den gesamten Heimweg dachte er über Ricus Worte und deren Bedeutung nach. `Ai shiteru!` - `Ich liebe dich!` »Warum musste er das sagen? Verdammt noch mal! Als ob es nicht so schon schwer genug wäre!« Er ärgerte sich über seine eigene Schwäche dem Kleinen gegenüber. In Gedanken weiter vor sich hinfluchend, erreichte er schließlich seine Wohnung und machte sich nach einer ausgiebigen Dusche und einem ebenso großzügigen Frühstück auf den Weg zur Schule. Dort angekommen, wurde er wie immer aufs Herzlichste von Ray und Hisoka begrüßt, bevor sie gemeinsam den Klassenraum betraten. Wenig später begann der Unterricht, doch Katzuja konnte sich irgendwie nicht wirklich darauf konzentrieren. Noch immer spukten ihm die Worte des Kleinen im Kopf herum und forderten seine gesamte Aufmerksamkeit. Der einzige Gedanke, den er dem Unterricht widmete, bestand in seiner Hoffnung, auf einen langen Schultag. Er wollte den nächsten Besuch im Krankenhaus so lange wie möglich hinauszögern. Kapitel 28: Verletzungen ------------------------ Als Ricu am nächsten Morgen aufwachte, war Katzuja nicht mehr da. Sich noch etwas müde die Augen reibend, sah sich der Blonde in `seinem` Zimmer um und entdeckte schließlich den Beutel mit den Sachen, die Katzuja ihm mitgebracht hatte. Neugierig geworden, versuchte er aufzustehen, was jedoch gar nicht so einfach war. Das Bett kam ihm unwahrscheinlich hoch vor und als seine Füße endlich den Boden erreichten und er sich hinstellen wollte, versagten seine Beine ihren Dienst und er landete äußerst unsanft auf seinem Hinterteil. "Au! Verdammt!", fluchte er und rieb sich seinen Kopf, den er sich zusätzlich noch an der Bettkante gestoßen hatte. Wütend klammerte er sich mit den Händen am Bettgestell fest und versuchte krampfhaft sich hochzustemmen, was ihm nach einigen Fehlversuchen auch endlich glückte. Nach einer kurzen Verschnaufpause, beschloss er doch lieber erst einmal das Bad aufzusuchen, bevor er sich um den Beutel und dessen Inhalt kümmerte, da sich in diesem Moment ein ihm doch stark vertrautes Bedürfnis bemerkbar machte. Langsam und mit wackeligen Beinen, tastete er sich am Bett entlang und als er schließlich das Ende erreicht hatte, war es nur noch ein kleines Stückchen bis zur gegenüberliegenden Wand, an der der Tisch stand. Wenn er es bis zum Tisch schaffte, konnte er sich an der Wand bis zum Bad abstützen. Allerdings gab es da noch ein klitzekleines Problem, denn der Abstand zwischen seinem Bett und dem Tisch war nicht gerade klein - zumindest für jemanden, der auf seinen eigenen Beinen sehr unsicher stand. Vorsichtig, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren streckte er die rechte Hand aus, während er sich mit der Linken weiterhin am Bett festhielt und versuchte so, den Tisch zu erreichen. "Verdammt, ich komm noch nicht ran!", fluchte er leise, als sein Vorhaben scheiterte. Langsam schob er sein rechtes Bein ein Stück in Richtung Tisch und versuchte es dann erneut. »Gleich, nur noch ein kleines Stück… « Doch genau in diesem Moment verlor er das Gleichgewicht und fiel Vornüber. Aber noch ehe er auf dem Boden aufschlug, wurde er festgehalten. "Hoppla!" Erschrocken sah Ricu seinen `Retter` an. "Das wäre beinahe schief gegangen!", lächelte Dr. Shihara ihn an und half ihm sich wieder in eine aufrechte Position zu bewegen. "Sie sollten noch liegen bleiben! Wo wollten sie denn eigentlich hin?" Ricu senkte den Blick und meinte dann leise und mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen: "Ich… ich muss mal aufs Klo!" Es war ihm irgendwie peinlich, es Dr. Shihara zu sagen, obwohl es sich doch um eine ganz natürliche Sache handelte. "Na dann! Kommen sie, ich helfe ihnen!", meinte der Doc mit einem leichten Lächeln. Etwas widerwillig lies Ricu sich von dem jungen Mann zum Badezimmer geleiten und verschwand schließlich in diesem. Während er wartete, prüfte Dr. Shihara noch einmal die Krankenakte des Blonden. Als Ricu fertig war und das Bad verlies, brachte ihn der Chefarzt zurück zum Bett und half ihm sich wieder hinzulegen. Auch, wenn es dem Kleinen nun besser ging, hielt der Ältere es doch für angebrachter, wenn er sich noch etwas ausruhte und auch Ricu merkte, dass er noch nicht ganz auf der Höhe war, was ihm ein zusätzliches leichtes Schwindelgefühl ebenfalls bestätigte. Als der Blonde wieder sicher im Bett lag, begann Dr. Shihara mit den üblichen Routineuntersuchungen. Blutdruck messen, Verbände prüfen, usw.. Auch dieses Mal schreckte Ricu etwas zusammen, als er die kühlen Hände des Arztes auf seiner Haut spürte. Warum nur verspürte er ein solches Unbehagen, ängstigte sich gerade zu vor den Berührungen des jungen Mannes? Hatte es vielleicht etwas mit seinem `Unfall` zu tun? Was war überhaupt geschehen? Diese Frage wurde sogleich an Dr. Shihara gerichtet, in der Hoffnung endlich eine Antwort zu bekommen. Doch der junge Chefarzt musste ihn enttäuschen. "Tut mir leid, aber da kann ich ihnen auch nicht weiterhelfen. Herr Akai hat nie etwas über den Unfall gesagt, überhaupt hat er nie sehr viel geredet." Eigentlich hatte Ricu sich eine andere Antwort erhofft, aber er konnte dem Arzt ja schließlich keine Vorwürfe machen. "Vielleicht sollten sie mal mit ihm reden!", meinte Dr. Shihara, der Ricus nachdenklichen Blick bemerkt hatte und holte diesen so aus seinen Grübeleien. "Wissen sie, wann er wieder zurückkommt?", fragte der Blonde kleinlaut. "Nun ja, ich denke er wird am Abend vorbeikommen, so wie immer!" "Wie immer? Aber, wie lange bin ich denn schon hier?", wollte Ricu nun doch etwas beunruhigt wissen. "Herr Akai hat sie vor etwa zwei Wochen zu uns gebracht." "Was!? Zwei Wochen schon?" Ricu war von der Antwort des Arztes sichtlich geschockt. "Ja! Sie lagen im Koma!", bestätigte Dr. Shihara. "Aber machen sie sich keine Sorgen, sie können bald wieder nach Hause! Ich werde ihnen gleich mal was zum Essen bringen lassen! Sie haben doch sicherlich Hunger!? Ich werde dann später noch mal vorbeischauen!" Ohne eine Antwort abzuwarten, verlies Dr. Shihara das Zimmer und lies Ricu mit seinen Gedanken allein. Bei den Worten `nach Hause`, hat irgendetwas im Kopf des Kleinen `klick` gemacht und nun dachte er angestrengt nach, was es sein könnte. »Zu Hause? Wo ist eigentlich mein Zuhause? Ich weis, dass ich bei Katzuja gewesen bin und da auch übernachtet habe - glaube ich. Am nächsten Tag sind wir zusammen zur Schule gegangen und später habe ich Ray und Hisoka kennen gelernt. Aber…was ist dann passiert?« Wütend schlug er mit der Faust neben sich aufs Bett. "Verdammt! Wieso kann ich mich nicht erinnern?" Seine Wut war nun wieder der Verzweifelung gewichen und er war kurz davor erneut in Tränen auszubrechen, aber er unterdrückte dieses so gut es ging. Kurz nachdem Dr. Shihara das Zimmer verlassen hatte, klopfte es an der Tür. Ricu, der sich auf dem Bett zusammen gekauert hatte, hob ruckartig den Kopf und sah erwartungsvoll zur Tür, in der Hoffnung, dass es Katzuja wäre. Doch als die Tür geöffnet wurde und eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren das Zimmer betrat, verschwand jegliche Hoffnung sofort wieder in der Versenkung. "Guten Morgen!", meinte sie lächelnd und stellte das Tablett mit dem Essen, welches sie mitgebracht hatte, auf das Nachtschränkchen neben dem Bett. Dann wandte sie sich noch immer lächelnd an Ricu. "Dr. Shihara meinte, dass ich ihnen etwas zu Essen bringen soll. Ich bin übrigens Schwester Natzumi.", erklärte sie ihre Anwesenheit. Ricu nickte ihr schüchtern zu und brachte ein leises "Hallo!" über die Lippen. "Da sie schon sitzen, werde ich gleich mal ihre Verbände wechseln, danach können sie in aller Ruhe essen!", sagte Schwester Natzumi und machte sich augenblicklich daran, dem Blonden dessen Oberteil auszuziehen, was gar nicht so einfach war, da Ricu keine Anstalten machte zu kooperieren. Es war ihm zwar nicht so unangenehm, wie bei Dr. Shihara, aber dennoch fühlte er sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Die letzte Frau, die ihn angefasst hatte, war seine Mutter gewesen und das war nun schon mehr als fast neun Jahre her. "Hey, sie brauchen sich doch nicht zu genieren. Ich schau ihnen schon nichts weg!", bemerkte Schwester Natzumi geduldig auf Ricus Widerwillen hin. Auf dessen Wangen hatte sich eine leichte Röte geschlichen und er sah verlegen auf seine Hände, die in seinem Schoß ruhten. "Sie haben wohl nicht sehr oft mit dem weiblichen Geschlecht zu tun oder?", meinte Schwester Natzumi daraufhin und Ricu wurde noch eine Nuance mehr rot. "Aber das kann ich gut verstehen. Wenn man so einen guten Freund hat, dann will man ihn natürlich nicht verlieren und so eine feste Beziehung mit jemand anderes, kann eine Freundschaft schnell zunichte machen. Natürlich ist das nicht immer der Fall. Manche Freundschaften halten ja wirklich ein Leben lang. Sie und Herr Akai müssen sich ja schon fast eine Ewigkeit kennen, dass er sie hier wirklich jeden Tag besuchen kommt. Also ich zumindest kenne niemanden, der das für seine Freunde tun würde. Sie Mal besuchen ist ja selbstverständlich, aber jeden Tag…" Ricu sah sie nun völlig überrascht an. »Was? Er kommt jeden Tag her?«, dachte er, als ihn Schwester Natzumi wieder aus seinen Gedanken holte. "…aber was erzähle ich ihnen das, sie kennen das ja sicherlich auch!?", beendete sie gerade ihren letzten Satz. "Nun sollten wir aber wirklich mal ihre Verbände wechseln, sonst wird das Heute nichts mehr.", lächelte sie und versuchte erneut ihm das Oberteil auszuziehen, wobei Ricu dieses Mal mitmachte. Im Gegensatz zu Dr. Shihara, waren Schwester Natzumis Hände angenehm warm. Vorsichtig löste sie die Verbände und cremte dann die freigelegten Verletzungen ein, anschließend kam ein neuer Verband. Interessiert sah Ricu ihr dabei zu, doch als er die Narben der Operation und die vielen blauen Flecke sah, musste er sich zusammen reißen, um nicht los zu heulen. Der Anblick war einfach nur schrecklich. Was in aller Welt hatte ihn nur so furchtbar entstellt? Schnell schloss er die Augen und wandte den Kopf zur Seite, bis Schwester Natzumi fertig war. "So, das war's! Fertig!", meinte sie schließlich und half Ricu, das Oberteil wieder anzuziehen. Dann nahm sie das Tablett und stellte es auf die Bettbrücke, welche sie so hinschob, dass Ricu bequem Essen konnte. Anschließend verabschiedete sie sich von ihm und verlies das Zimmer. Dem Blonden war im Moment jedoch ganz und gar nicht nach essen zu Mute und so schob er die Bettbrücke wieder weg. Immer wieder schoss ihm das Bild seiner Verletzungen durch den Kopf und in seinen Augen begannen sich Tränen zu sammeln. Verzweifelt legte er sich wieder hin und vergrub das Gesicht in dem weichen Kopfkissen. Kapitel 29: Die Bedingung ------------------------- "Erde an Katzuja! Hey, jetzt komm endlich mal wieder zu dir!" Zum bestimmt zehnten Mal an diesem Tag versuchte Ray seinen Kumpel aus dessen unergründlichen Gedanken zu holen. "Was? Hast du was gesagt?", kam es nur müde von eben diesem zurück. "Kommt`s mir nur so vor oder stehst du heute echt total neben dir?", meinte Ray kopfschüttelnd. Wie immer standen sie an ihrem Stammplatz auf dem Schulhof und warteten auf den Beginn der nächsten Stunde. Hisoka hatte sich von ihnen abgesetzt - angeblich, um etwas Wichtiges zu klären - und so konnten sich Ray und Katzuja ungestört unterhalten. "Was ist es denn dies Mal?", wollte Ray wissen, da der Schwarzhaarige nicht gerade einen `Heile-Welt-Eindruck` machte, sondern mal wieder eher total neben der Spur war. Doch dieser schüttelte nur mit dem Kopf und meinte dann: "Es… es ist nichts! Jedenfalls nichts Schlimmes - denke ich!" "Ach, und warum bist du dann so komisch, wenn doch nichts ist? Verarschen kann ich mich selber! Also?", erwiderte Ray, während er sich direkt vor Katzuja stellte, damit dieser seinem Blick nicht mehr ausweichen konnte. Als von eben diesem jedoch keine Antwort kam, wurde Ray langsam sauer. "Verdammt noch mal Katzuja, hör auf dich wie ein kleines Kind zu benehmen und sag endlich was los ist!" In diesem Moment riss auch Katzuja der Geduldsfaden. "OKAY, WENN DU ES UNBEDINGT WISSEN WILLST - ER IST GESTERN AUFGEWACHT UND KANN SICH NICHT ERINNERN! ZUFRIEDEN?" Völlig perplex sah Ray seinen Kumpel an. "Wie `Er kann sich nicht erinnern`?" Katzuja seufzte. Irgendwie ging ihm Ray heute tierisch auf den Geist, auch wenn er nicht ganz verstand, wieso das so war. Immerhin machte sein Kumpel sich doch nur Sorgen und wollte ihm helfen. Sich selbst in Gedanken wieder etwas beruhigt, beantwortete er schließlich die gestellte Frage. "An den Vorfall mit seinem Stiefvater. Er hat alles vergessen. Wahrscheinlich weis er nicht einmal mehr, dass er einen Stiefvater hat. Der Doc meinte, dass es eine traumatische Amnesie ist. Dabei werden wohl schlimme Erinnerungen einfach verdrängt." Ray nickte verstehend. "Eigentlich ist es so ganz gut!", meinte Katzuja plötzlich. "So hat er wenigstens keine Angst mehr! Nur leider kann es passieren, dass er sich wieder erinnert, sobald er etwas erlebt, was mit der Sache zu tun hat." "Das wirst du wohl leider nicht verhindern können!", antwortete Ray schließlich und sah dabei nachdenklich zu Boden. "Ja, ich weis, aber ich hoffe für ihn, dass es nicht allzu bald sein wird.", erwiderte Katzuja noch, bevor Beide schweigend den beginn der nächsten Stunde abwarteten. Als Katzuja am späten Abend ins Krankenhaus kam, wurde er sofort von Dr. Shihara in Empfang genommen. "Herr Akai. Gut, dass sie endlich da sind. Ich muss dringend mit ihnen sprechen!" Etwas überrascht, was nun kommen würde, sah der Schwarzhaarige den jungen Arzt an. Dieser kam auch gleich zur Sache und erklärte Katzuja die momentanen Umstände. "Seit er aufgewacht ist, hat Herr Hiwatari nichts zu sich genommen. Er verweigert jegliches Essen." "Wissen sie warum er nichts essen will?", unterbrach ihn Katzuja, der bis dahin aufmerksam den Worten seines Gegenübers gelauscht hatte. Doch Dr. Shihara schüttelte nur mit dem Kopf und meinte: "Ich kann nur vermuten woran es liegt. Wahrscheinlich hängt es mit seinem Gedächtnisverlust zusammen, außerdem meinte eine Schwester, dass er sich heute Morgen sehr merkwürdig verhalten hat, nachdem sie seine Verbände gewechselt hatte! Ich war vor kurzem bei ihm, aber er will mit niemandem reden. Wenn er nicht bald etwas isst, dann besteht die Gefahr, dass er erneut ins Koma fällt. Aber, vielleicht ….wenn sie zu ihm gehen. Ich bin mir sicher, dass er auf sie hören wird." Katzuja nickte verstehend, wünschte sich aber gleichzeitig, lieber zu Hause geblieben zu sein. Nach dem die Pause um war, hatte er weder mit Ray, noch mit Hisoka ein Wort mehr gewechselt und war schließlich ohne sich von den Beiden zu verabschieden nach Hause gegangen. Den gesamten Nachmittag hatte er dort auf der Couch gesessen und nachgedacht, über sich, über Ricu und darüber, wie es weitergehen sollte. Doch je mehr er darüber nachdachte, desto mehr wünschte er sich, dass er den Kleinen damals einfach vor der Tür hätte stehen lassen. Jedoch nicht etwa weil er ihn nicht leiden konnte - ganz im Gegenteil - aber, seit der Kleine da war, hatte sich Katzujas Leben komplett verändert, war komplizierter geworden und das machte ihm sehr zu schaffen. Wie sollte er nur bewältigen, mit Ricu klar zu kommen, wenn er nicht einmal mit sich selbst zurecht kam? Natürlich würde er den Blonden deswegen jetzt nicht allein lassen, denn dass wäre einfach nur unfair und egoistisch. Jedoch hatte er sich fest vorgenommen, sich ihm gegenüber genauso zu verhalten, wie bei Ray und Hisoka. Er würde ein ganz normales, freundschaftliches Verhältnis aufbauen, auch wenn es nicht einfach sein dürfte, die eigenen Gefühle wieder abzustellen. Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, machte er sich auf den Weg ins Krankenhaus und nun stand er wieder hier. Langsam ging er den langen Gang entlang und blieb schließlich vor einer der im hinteren Teil gelegenen Zimmer stehen. Noch einmal atmete er tief durch, bevor er allen Mut zusammen nahm und anklopfte. Ruhig wartete er auf eine Antwort, doch es blieb still. Vorsichtig öffnete er die Tür und linste ins Zimmer. Alles lag stil und dunkel vor ihm. Leise betrat er den dunklen Raum, schloss die Tür und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ricu saß auf dem Bett, hatte die Beine dicht an seinen Körper gezogen und den Kopf auf seine Knie gebettet, so, dass er aus dem Fenster sehen konnte. Ab und zu kam eine Schwester oder Dr. Shihara zu ihm, um ihm etwas zu Essen zu bringen oder einfach nur um zu sehen, ob es ihm auch an nichts fehlte. Alle waren stets freundlich und gaben sich die größte Mühe, doch der Blonde schwieg nur und rührte das Essen nicht an. Schon eine ganze Weile war nun niemand mehr bei ihm gewesen, aber das sollte ihm nur recht sein. So konnte er ungestört seinen Gedanken nachgehen. Die Hoffnung, dass Katzuja noch vorbei kommen würde, hatte er bereits aufgegeben, denn sowohl die Schwestern, als auch Dr. Shihara meinten, dass es sehr untypisch wäre, wenn er so spät noch nicht da war. Das plötzliche Klopfen an der Tür überhörte er einfach - es war sicher wieder eine der Schwestern oder Dr. Shihara. Auch als derjenige den Raum betrat, schenkte er ihm keine Aufmerksamkeit. Dann war es wieder still und Ricu begann sich zu fragen, wer da gekommen war und warum er kein Licht anmachte. Beide Fragen wurden ihm mit einem mal beantwortet, als derjenige leise seinen Namen sagte. "Ricu?" Der Blonde glaubte seinen Ohren nicht trauen zu können und wandte seinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Gespannt wartete Katzuja an der Tür auf eine Antwort, doch es blieb ewig still. »Schläft er vielleicht schon?«, kam es ihm in den Sinn. Doch gerade, als er erneut ansetzte etwas zu sagen, wurde er von einer leisen Stimme unterbrochen. "Du… kannst dich ruhig zu mir setzen!" Langsam setzte Katzuja sich in Bewegung und ließ sich auf seinem angestammten Platz nieder. "Ich dachte schon du kommst nicht mehr!", meinte der Blonde mit leicht vorwurfsvollem Klang in der Stimme, nachdem Katzuja an seiner Seite platz genommen hatte. Noch immer verharrte er in der gleichen Position wie zuvor. Mittlerweile hatte er seinen Blick wieder dem Fenster zugewandt und starrte in die Dunkelheit auf der anderen Seite. "Ich… ich konnte nicht eher! Tut mir leid!", antwortete ihm Katzuja und bemerkte wie schwer ihm diese Worte fielen. Entschuldigend sah er den Kleinen an, doch dieser schaute weiterhin aus dem Fenster und meinte nur: "Schon okay, jetzt bist du ja endlich hier!" Dann wurde es wieder still im Zimmer. Verzweifelt sah Katzuja sich in dem dunklen Raum um, in der Hoffnung etwas zu finden, was Ansporn gab, das schreckliche Schweigen zu brechen. Am Ende des Bettes entdeckte er die Bettbrücke, auf der noch immer das Abendessen stand, welches Schwester Natzumi zuletzt vorbeigebracht hatte. Nichts war von Ricu angerührt worden und Katzuja erinnerte sich an das Gespräch, welches er bei seiner Ankunft mit Dr. Shihara geführt hatte. Zögernd wandte er sich wieder dem Blonden zu. "Du… hast noch nichts gegessen! Warum nicht?", fragte er besorgt. "Ich habe keinen Hunger!", kam die monotone Antwort. "Aber du musst was essen!", erwiderte Katzuja in ernstem Ton, der jedoch nichts von seiner Besorgnis verloren hatte. Doch Ricu antwortete nicht. "Bitte…tu' s für mich!", brachte Katzuja stockend heraus. Auch wenn es ein ernstes Thema war, fühlte er sich bei diesen Worten doch irgendwie seltsam, aber etwas Besseres fiel ihm im Moment nicht ein. Zu seiner Überraschung reagierte der Kleine auf seine Bitte und wandte sich vom Fenster ab. "Katzuja… Ich will nach Hause!", kam es kleinlaut von dem Blonden. Er spürte förmlich, wie Katzuja ihn durch die Dunkelheit anstarrte, auch wenn er selbst das Gesicht des Älteren nicht sehen konnte. "Ich will nicht mehr hier bleiben! Bitte, können wir nicht einfach wieder nach Hause gehen?", flehte er, als von Katzuja nach einiger Zeit noch immer keine Reaktion kam. Es dauerte erneut einen Moment, bis dieser sich wieder gesammelt hatte und bereit war eine Antwort zu geben. "Du musst dich noch ausruhen und ich glaube nicht, dass Dr. Shihara dich schon gehen lässt!" Betrübt wandte der Kleine den Blick ab und sah auf seine Knie. "Ja, ich weiß. Aber… versteh doch…", bat er den Älteren. "… ich bin im Krankenhaus, weil ich Verletzungen habe, von denen ich nicht einmal weiß, woher sie stammen. Außerdem… will ich bei dir sein." Der letzte Satz des Blonden war kaum mehr als ein leises wispern - welches Katzuja nur mit Mühe verstand - und der so unerwartet kam, dass es ihm für einen Augenblick die Sprache verschlug. Auch Ricu, der in dieser Sekunde gewahrte, was er soeben gesagt hatte, verfiel schlagartig in betretenes Schweigen und schalte sich selbst in Gedanken für seine unüberlegten Worte. Was würde Katzuja jetzt wohl von ihm denken? Hatte er die Worte überhaupt verstanden? "Ich~", begann er unsicher, doch Katzuja fand in eben diesem Augenblick seine Sprache wieder und unterbrach ihn. "Ich werde mit Dr. Shihara sprechen und ihn fragen. Vielleicht lässt er dich doch schon eher wieder gehen.", sagte er mit einem nachdenklichen Blick, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Draußen hatte sich der Mond zwischenzeitlich durch die dichte Wolkendecke gekämpft und erhellte nun mit seinem sanften Schein das Zimmer. Verwundert und gleichzeitig erleichtert darüber, dass seine Sorge anscheinend unbegründet war, sah Ricu den Älteren durch das Halbdunkel des Raumes an. "Aber nur unter einer Bedingung…", kam es plötzlich von Katzuja, was Ricu zu erneuter Unruhe veranlasste. Unsicher sah er den Schwarzhaarigen an. "Und… die wäre?", fragte er vorsichtig und mit leicht zitternder Stimme. Katzuja begriff, dass er von dem Kleinen alles nur erdenkliche hätte fordern können, aber im Moment war ihm nur wichtig, dass Ricu schnellstmöglich wieder gesund wurde und so beschränkte sich seine Forderung auf zwei simple Dinge. "… versprich mir, dass du tun wirst, was Dr. Shihara sagt und nicht weiter diskutierst!" Damit war seine Forderung beendet und nun hing der weitere Verlauf von Ricus Antwort ab. Dieser sah verwirrt zu Katzuja und versuchte in dessen Augen zu lesen, ob dies Tatsächlich alles war, was er von ihm verlangte. Es schien ihm so einfach und wenn er bedachte, dass er alles getan hätte, nur um aus diesem verfluchten Krankenhaus raus zu kommen, kam es ihm sogar fast schon lächerlich vor. "Also, was ist jetzt?", fragte Katzuja und riss den Blonden aus seinen Gedanken. Dieser nickte nur etwas zögernd und meinte schließlich leise: "Einverstanden! Ich gebe dir mein Wort!" "Gut!", antwortete Katzuja. "Dann würde ich sagen, dass du jetzt erst einmal etwas isst, damit Dr. Shihara sieht, dass es dir ernst ist." Ricu verzog das Gesicht, hatte er doch gewusst, dass die Sache einen Haken hatte. Katzuja, der den Blick des Kleinen bemerkt hatte, sah ihn ernst aber dennoch sanft an. "Du hast es versprochen!", beharrte er mit ruhiger Stimme und schließlich griff der Blonde die Bettbrücke und zog sie langsam zu sich heran. Die Suppe, die in einer Schüssel stand, war noch immer warm und roch verlockend, auch, wenn Ricu dies nicht so empfand. Zögernd nahm er den Löffel, der neben der Schale lag und Tauchte ihn in die warme Mahlzeit. Unter Katzujas wachsamen Blick, begann er langsam und vorsichtig einen Löffel voll nach dem anderen sich einzuverleiben und erst jetzt bemerkte er, wie hungrig er eigentlich war. Aber auch dieses Hungergefühl verging wieder genauso schnell, wie es gekommen war und schon kurze Zeit später beendete er das Essen. Die Schüssel war nur noch zu einem Viertel gefüllt. Unschlüssig, ob dies Katzuja genügte, schaute er den Älteren fragend an und dieser beantwortete seine ungestellte Frage mit einem Lächeln. Auch, wenn es nicht viel war, was Ricu gegessen hatte, so war es doch zumindest ein kleiner Fortschritt und Katzuja hatte ein Einsehen. Abwartend sah der Blonde Katzuja an und dieser verstand auch ohne Worte, was nun von ihm erwartet wurde. Er nickte leicht, stand auf und ging zur Tür. Bevor er jedoch das Zimmer verließ, drehte er sich noch einmal zu Ricu um. "Es ist schon spät, du solltest ein bisschen schlafen! Ich wecke dich, wenn ich wiederkomme." Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete er die Tür und verließ das Zimmer. »Schlafen? Jetzt? Ich kann doch jetzt nicht schlafen!«, dachte Ricu spöttisch, nachdem Katzuja die Tür hinter sich geschlossen hatte. In der Tat war der Blonde im Moment viel zu aufgeregt, um auch nur ein Auge zu zutun. Doch schon wenige Minuten später, hatte sein Körper sein Recht verlangt und der Schlaf ihn übermannt. Kapitel 30: Liebe? ------------------ Als Ricu wieder aufwachte, war es bereits hell draußen. Verschlafen drehte er sich auf die andere Seite, um noch ein wenig zu dösen - doch daraus wurde nichts. Überrascht setzte er sich auf, als er Katzuja gewahrte, der wieder neben seinem Bett saß und ihn mit sanften Augen ansah. "Morgen!", begrüßte er den Kleinen, doch dieser reagierte nicht wirklich darauf. "Warum hast du mich nicht geweckt?", fragte er vorwurfsvoll. "Tut mir leid. Du hast so friedlich geschlafen, da wollte ich dich nicht noch mal~" "Was hat Dr. Shihara gesagt?", unterbrach der Blonde ihn, noch ehe er den Satz beenden konnte. Man konnte förmlich spüren, wie wichtig es dem Kleinen war, das Krankenhaus so schnell wie möglich zu verlassen, was Katzuja auch gut verstehen konnte. Er hasste Krankenhäuser mindestens genau so sehr wie Ricu und mied diese so gut es ging. "Er war nicht gerade begeistert von der ganzen Sache!", begann Katzuja und Ricus Hoffnung geriet gefährlich ins Schwanken. Mit gesenktem Blick ließ er sich ein Stückchen auf dem Bett zurücksinken. Bevor der Kleine jedoch völlig die Hoffnung verlieren konnte, fuhr Katzuja fort. "Es hat mich ´ne Menge Überzeugungskraft gebraucht, aber er lässt dich gehen!" Ricu glaubte sich verhört zu haben, doch als er die Zuversicht in Katzujas Blick sah, begriff er, dass dieser es ernst meinte. Überglücklich warf er sich dem Älteren in die Arme und drückte ihn so fest, dass Katzuja schon befürchten musste, einem Erstickungstod zu erliegen. Es war fast unglaublich, was dieser kleine Körper an Kraft aufbringen konnte - auch, wenn ihm durchaus bewusst war, dass dies nur der überschwänglichen Freude des Kleinen zu verdanken war. Katzujas Vermutung wurde auch Augenblicklich bestätigt, als die Umarmung des Blonden abrupt abschwächte. "Danke!", flüsterte Ricu und kuschelte sich noch etwas mehr an Katzuja. »So schön warm!«, dachte der Kleine und wollte dem beruhigenden Pochen von Katzujas Herzen lauschen. Doch der sonst so gleichmäßige Rhythmus war einem unruhigen Hämmern gewichen, das alles andere als beruhigend war und schon im nächsten Moment wurde er von Katzuja an den Schultern gefasst und sanft weg geschoben. Verwirrt schaute der Blonde den Älteren an, aber dieser schaute nur betreten zur Seite, sodass Ricu seine Augen nicht sehen konnte. "Sch… Schon gut!", meinte Katzuja stockend, ohne den Blick zu heben. "Du… solltest noch etwas essen, bevor wir gehen! Ich werde der Schwester bescheid sagen, dass sie dir etwas bringen soll." Ricu sah ihn irritiert an, nickte dann aber bestätigend. Katzuja stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Er seufzte tief und ließ sich gegen die Tür sinken, nachdem er sie hinter sich geschlossen hatte. Schon wieder. Dieses verlangende Gefühl hatte schon wieder von ihm besitz ergriffen und gedroht seinen Verstand auszuschalten und das nur, weil er ihn Umarmt hatte. Aber das Schlimmste war, dass Ricu es auch noch bemerkt hatte. Dieser Blick - mit dem er ihn angesehen hatte - war so voller Verwirrung und Katzuja glaubte auch noch etwas anderes darin gesehen zu haben… Angst? Konnte es sein, dass der Kleine ihn für einen Augenblick tatsächlich fürchtete? Katzuja schüttelte den Kopf und drängte seine wirren Gedanken mit aller macht zurück. Er war müde und hatte sich das bestimmt nur eingebildet. Im Nachhinein erschien es ihm sogar fast schon absurd. Warum sollte Ricu ihn fürchten? Er wusste doch, dass sie Freunde waren und er ihm nie wehtun würde. »Ja, wir sind nur gute Freunde - mehr nicht!« Ein Stich durchfuhr seinen gesamten Körper und ließ ihn unweigerlich zusammenzucken, als er diese Tatsache gewahrte. Es tat weh zu wissen, dass der Kleine für ihn wahrscheinlich nie so empfinden würde wie Katzuja es tat. Aber was konnte er schon großartiges tun, als ihm ein guter Freund zu sein? Nichts! Genau dies machte die Sache endgültig. Betrübt über diese Erkenntnis stieß er sich von der Tür ab und begab sich auf den Weg in Richtung Schwesternzimmer, um das versprochene Frühstück für Ricu zu beschaffen. Unterdessen kämpfte Ricu mit den verschiedenen Gefühlen, die von ihm besitz ergriffen. Nachdem Katzuja das Zimmer verlassen hatte, hatte er sich zurück in die Kissen sinken lassen und starrte nun an die Decke. Katzujas Reaktion auf seine Umarmung verwirrte ihn immer mehr, je öfter er darüber nachdachte und im gleichen Maße wuchs seine Angst. Die Angst, das Katzuja ihn irgendwann verstoßen könnte und er wieder allein währe. Auch wenn er sich an fast gar nichts erinnern konnte, was vor dem "Unfall" war, so wusste er doch mit erschreckender Sicherheit, dass er früher immer allein war. Das Gefühl der Einsamkeit hatte sich tief in sein Bewusstsein gebrannt und wahrscheinlich würde er es nie ganz vergessen können. Aber zumindest würde er es versuchen und er wusste, dass Katzuja ihm die nötige Kraft dazu gab. Er war sich Hundertprozentig sicher, dass er alles überstehen konnte, solange er ihn zum Freund hatte. Aber reichte ihm das - eine Freundschaft mit ihm? Wollte er nicht eigentlich mehr - viel mehr als nur freundschaftliches zusammen sein? ~Du liebst ihn!~ Die Stimme in seinem Kopf war leise, kaum mehr als ein Flüstern und doch traf sie ihn mit der Wucht eines Schlages. Für den Bruchteil einer Sekunde schien sein Herz auszusetzen, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit und heftiger als je zuvor weiter zuschlagen. Sie hatte Recht. Die Stimme hatte vollkommen Recht. Er liebte Katzuja, wollte jede Sekunde seines Lebens mit ihm verbringen, seine Wärme spüren… Es hatte lange gedauert, bis er dies erkannte. So lange Zeit, die er seinen Gefühlen blind gegenüberstand. Aber nun hatte er die Augen weit geöffnet und sah ihnen voller Ehrfurcht entgegen. Selbst wenn Katzuja eine gewisse Zuneigung für ihn empfand, so würde es doch nie dem gleichkommen, was er für ihn fühlte. »Wahrscheinlich würde er es nicht verstehen!« Sein Herz schien sich schmerzhaft unter dem Erkennen zusammenzuziehen und er spürte, wie Tränen in seine Augen traten. Mühevoll blinzelte er sie weg, als es an der Tür klopfte und Katzuja zusammen mit Schwester Natzumi das Zimmer betrat. Als er Katzuja sah, machte sein Herz einen verheißungsvollen Sprung und neue Hoffnung keimte in ihm auf. »Aber vielleicht versteht er es ja doch?! Er muss es verstehen! Er muss einfach… « Ricus Entschluss stand fest, er würde Katzuja seine Gefühle offenbaren, auch auf die Gefahr hin, dass dieser dann vielleicht nichts mehr von ihm wissen wollte. Insgeheim betete er jedoch, dass dies nicht der Fall sein würde. Kapitel 31: Nach Hause ---------------------- Nachdem Ricu das von Schwester Natzumi mitgebrachte Frühstück so gut es ging gegessen hatte, kam Dr. Shihara noch ein letztes Mal vorbei, um sich nach Ricus befinden zu erkundigen und sich von ihnen zu verabschieden. Er hatte ihnen eingebläut, sich sofort zu melden, falls irgendwelche Probleme bei Ricus Genesung auftreten sollten. Des Weiteren bestand er darauf, dass sie jeden dritten Tag zur Nachuntersuchung im Krankenhaus erscheinen sollten, bevor er sie schließlich mit einem skeptischen Stirnrunzeln gehen ließ. Man merkte sofort, dass ihm die Genesung seines kleinen Patienten sehr am Herzen lag und dass er es nicht unbedingt für gut befand, ihn schon so früh wieder zu entlassen, aber er hatte Katzujas und auch Ricus Wort, dass sie seinen Ratschlägen und Bitten folge leisten würden. Als sie schließlich das Krankenhaus verließen und sich auf den Weg zur Bushaltestelle machten, schlug ihnen ein eiskalter Wind entgegen, der Ricu trotz T-Shirt und dicken Pullover stark frösteln ließ. Automatisch zog er seine neuen Sachen enger um sich, aber auch diese Maßnahme zeugt nicht gerade von sonderlichem Erfolg. Bildete er es sich nur ein oder war es jetzt sogar noch kälter als zuvor? Unweigerlich begann er noch stärker zu zittern und schmiegte sich dichter an Katzujas Arm, der ihm als Stütze diente. Denn auch wenn er sich schon sehr viel besser fühlte, so waren seine Muskeln doch noch immer sehr geschwächt von der langen Ruhezeit. Natürlich entging Katzuja die Reaktion des Kleinen keineswegs und so blieb er stehen, zog seine Jacke aus und legte sie ihm um die Schultern. Diese Geste des Älteren löste in Ricu einen Schwall von Gefühlen aus, der seine Wangen augenblicklich mit einem leichten Rotschimmer versah. Schnell senkte er den Blick und flüsterte ein leises "Danke!", bevor er wieder nach Katzujas Arm griff und sie weitergingen. Katzuja selbst hatte die Antwort des kleine auf seine Geste mit einem Lächeln bedacht, das allerdings sehr gezwungen wirkte. Glücklicherweise kam der Bus schon nach weniger als zwei Minuten und so mussten sie nicht allzu lange in dieser Eiseskälte ausharren. Behutsam stiegen sie ein und setzten sich auf zwei leere Plätze auf der Fahrerseite. Der Bus musste erst seit kurzem in Betrieb sein, da die Heizung ihn noch nicht auf eine angenehme Innentemperatur gewärmt hatte und die Seitenscheiben auf Grund des Temperaturumschwunges noch vollständig beschlagen waren. Ricu hatte am Fenster platz genommen und wischte mit dem Ärmel seines Pullovers ein Stück der Scheibe frei, sodass er hinaussehen konnte. Die gesamte Gegend lag grau und trist. Seit der Nacht vor zwei Wochen hatte es nicht mehr geschneit - fast als würde der Himmel auf Grund des Unglücks, das den kleinen ereilt hatte streiken - und auch der letzte Schneerest war schon wieder geschmolzen. Der Himmel war von dichten Wolken verhangen, die keinen Sonnenstrahl durchdringen ließen. »Ob ich es ihm jetzt sage?« Verstohlen sah Ricu zu Katzuja hinüber, doch dieser schaute nur stur nach vorne und schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. »Vielleicht sollte ich doch noch etwas warten, wenigstens bis wir zuhause sind.« Gerne hätte er gewusst, worüber der Schwarzhaarige sich Gedanken machte, aber er würde ihn ganz sicher nicht nach dem Grund fragen - obwohl er sich eingestehen musste, dass Katzuja sich in letzter Zeit sehr eigenartig benahm. Er wirkte noch ruhiger und auch verschlossener als sonst und Ricu begann sich langsam Sorgen um ihn zu machen. Seine Bedenken wurden jedoch Nebensächlich, als er spürte, wie erschöpft und müde er eigentlich war. Das kleine Stück vom Krankenhaus zur Bushaltestelle hatte ihn mehr Kraft gekostet als er je angenommen hätte und die Kälte die draußen herrschte machte es nicht gerade leichter. Langsam ließ er sich im Sitz zurücksinken und schloss die Augen. »Nur einen kurzen Moment ausruhen. Nicht lange… « Doch schon nach wenigen Augenblicken glitt er in einen ruhigen, traumlosen Schlaf. Noch immer starrte er stur geradeaus, ohne etwas von seiner Umgebung mitzubekommen. Nun also würden sie wieder jeden Tag zusammen sein - das, was er in den letzten Wochen so vermisst hatte. Aber von nun an würde es für ihn noch schwieriger werden sich zu beherrschen. Er hätte sich ohrfeigen können. Warum hatte er sich nur darauf eingelassen? Abends wäre es kein Problem, da er dann sowieso arbeiten ging - zumindest am Wochenende - und unter der Woche währe er vormittags in der Schule. War nur noch die verbleibende Zeit, in der er sich unheimlich zusammenreißen musste, aber wie sollte er das nur bewerkstelligen? Von jetzt an würde er den Kleinen immer um sich haben und er konnte ihn ja schlecht ignorieren. Gerade jetzt, wo dieser ihn doch so dringend brauchte. Er seufzte lautlos und schüttelte den Kopf, um seine Gedanken wieder in halbwegs geregelte Bahnen zu bringen. Irgendwie würde er es schon schaffen… Bedächtig sah er sich im Bus um. Die meisten Fahrgäste waren während der letzten Stationen ausgestiegen und inklusive des Fahrers und ihnen selbst waren es sieben Personen, die noch im Bus saßen. Zwei Reihen vor ihnen - direkt hinter dem Fahrer - hatte eine ältere Dame Platz genommen und ihr schräg gegenüber saß ein junger Mann, der angeregt mit jemandem über Handy telefonierte. In der letzten Reihe hinter ihnen saß ein junges Pärchen, das eng aneinander gekuschelt zärtliche Küsse und Liebkosungen austauschte. Katzuja beobachtete die Beiden eine geraume Zeit und langsam spürte er, wie Neid in ihm aufkam. Warum konnten sie sich nicht auch so lieben? Warum wurde es als krank empfunden, wenn sich zwei Gleichgeschlechtliche zueinander hingezogen fühlten? Was war denn nur so falsch daran? Er verstand es einfach nicht. Sicher, früher hatte er nicht anders über eine solche Beziehung gedacht wie die Meisten anderen auch. Hatte über die gelacht, die auf solche Art und Weise ihre liebe gefunden hatten, aber daran konnte und wollte er sich nicht erinnern. Diese Zeit war vorbei, er war jetzt einer von ihnen… Eine plötzliche Berührung an seiner Schulter ließ ihn aus seinen Gedanken hochschrecken. Ricu war im Schlaf gegen ihn gesunken, als der Bus in eine Kurve einbog und nun ruhte sein Kopf an Katzujas Schulter. Der Schwarzhaarige hob die Hand, um ihn zu berühren, aber er führte die Bewegung nicht zu Ende, sondern ließ seine Hand nach kurzem Zögern wieder sinken. Er spürte die Wärme, die von dem Kleinen ausging, nahm seinen Geruch wahr - sanft und schmeichelnd. Er erinnerte ihn an Vanille und an Sommer und doch war er ganz anders. Dann war da wieder dieses Gefühl, stark und fast übermächtig schlug es wie eine riesige Welle über ihm zusammen und ertränkte seine Seele. Aber dieses Mal war es anders. Es war angenehm, beruhigend - eine vollkommen andere Art von Verlangen. Dieses Mal musste er nicht befürchten seinen Verstand zu verlieren und so schloss er die Augen und gab sich ganz diesem wunderbaren Gefühl hin. Kapitel 32: Home sweet home --------------------------- Als Katzuja nach einer ganzen Zeit die Augen wieder öffnete, waren es nur noch zwei Stationen, bis der Bus in der Nähe seines Wohnhauses anhalten würde und sie aussteigen mussten. Ricu schlief noch immer seelenruhig und bekam nichts von alledem mit, was um ihn herum geschah. Auch Katzuja war etwas eingenickt, hatte er die vergangene Nacht doch kaum geschlafen - viel zu sehr beschäftigte ihn die Tatsache, dass Ricu nun wieder bei ihm sein würde. Neugierig drehte Katzuja sich um, doch das Pärchen, das drei Reihen hinter ihnen saß, war bereits vor einiger zeit ausgestiegen und auch die ältere Dame hatte den Bus schon lange verlassen. Nur der junge Mann saß noch immer im vorderen Teil des Busses. Sein Telefonat hatte er beendet und sah nun gelangweilt aus dem Fenster. Die vorletzte Haltestelle - die auf ihrem Weg lag - kam in Sicht und Katzuja befand es für besser, den Kleinen jetzt doch langsam zu wecken. Sachte rüttelte er ihn mit der freien Hand, doch bis auf ein leises Murmeln - das sich fast wie ein "Noch fünf Minuten!" anhörte und der Tatsache, dass der Blonde sich noch etwas dichter an den wärmenden Körper neben sich kuschelte, kam keine Reaktion. »Du bist so süß!«, dachte Katzuja mit einem sanften Lächeln. Es war ihm beinahe zuwider, den Kleinen jetzt aus dem anscheinend doch so notwendigen Schlaf holen zu müssen. Sicher, er hätte ihn auch tragen können, aber wahrscheinlich wäre er dann sowieso aufgewacht. Also war es egal, ob er den Blonden jetzt weckte oder nicht. Etwas fester als zuvor und unter zu Hilfenahme seiner Stimme, versuchte er es erneut und dieses Mal waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt. Langsam öffnete Ricu die Augen und sah sich einen Moment lang verwirrt um, ohne dabei den Kopf von Katzujas Schulter zu nehmen. Dieses Versäumnis holte er jedoch augenblicklich nach, als er es bemerkte. Verlegen wandte er den blick aus dem Fenster. "Entschuldige!", nuschelte er. "Ach was, es ist in Ordnung, wenn du müde bist… Wir müssen gleich aussteigen!", bemerkte Katzuja und Ricu nickte zustimmend, sah aber weiter aus dem Fenster. Das ganze war ihm doch sehr unangenehm. Langsam nahm der Busfahrer das Tempo weg und ließ den Bus schließlich an der Haltestelle zum Stehen kommen. Als sie angehalten hatten, stand Katzuja auf und reichte Ricu seine Hand, um ihm ebenfalls aufzuhelfen. Doch der Blonde schüttelte nur heftig mit dem Kopf, stützte sich an der Rückenlehne des Vordersitzes auf und als er halbwegs sicher stand, trat er zu Katzuja in den gang hinaus. Nur sehr langsam stieg er die zwei Stufen in dem Bus hinunter und atmete erleichtert auf, als er sicher mit beiden Beinen den Bürgersteig erreichte. Die Kälte war noch stärker geworden und fraß sich langsam durch seine Kleidung. Auch dieses Mal bot Katzuja ihm seine Hilfe an, ihn zu stützen. Doch der Kleine schüttelte erneut abwehrend den Kopf. "Ich will es allein versuchen!", beantwortete er Katzujas fragenden Blick. Dieser seufzte nur lautlos und meinte: "Gut. Aber sag es bitte, wenn du nicht mehr kannst, ja!?" Ricu nickte und setzte sich in Bewegung. Sie kamen nur sehr langsam voran und auch Katzuja spürte mittlerweile, wie die Kälte in ihm hoch kroch. Ricu hatte noch immer seine Jacke an und so blieb Katzuja nur noch sein Pullover. Fröstelnd verschränkte er die Arme vor der Brust, um es wenigstens ein bisschen wärmer zu haben. Sie liefen dicht neben einander, damit Katzuja den Blonden sofort stützen konnte, wenn es notwendig war. Im Gegensatz zu Katzuja selbst, entging es Ricu nicht, dass der Schwarzhaarige am ganzen Körper zitterte wie Espenlaub. »Ihm muss schrecklich kalt sein!«, dachte er besorgt. "Wenn du willst, kannst du deine Jacke haben!", meinte er dann, doch Katzuja wehrte ab. "Ach was, es geht schon. Behalte du sie lieber!" "Aber du erkältest dich!", protestierte Ricu und machte sich daran, die Jacke auszuziehen. Schnell legte Katzuja seine Hand auf Ricus Arm und hielt ihn so auf. "Ich werd´ schon nicht krank und außerdem sind wir sowieso gleich da!" Noch einmal sah Ricu ihn mit besorgtem Blick an, nickte dann aber und ging weiter. Tatsächlich standen sie nur Augenblicke später vor Katzujas Wohnhaus und genau wie beim ersten Mal als er davor stand, fühlte Ricu sich geborgen. Es war, als würde er nach Hause kommen, auch wenn er wusste, dass er eigentlich woanders wohnte - wo auch immer das war. Die drei Stufen zur Hauseingangstür schaffte der Blonde ohne größere Anstrengung, doch als sie im Hausflur standen und er an die "vielen" Stufen dachte, die sie noch zu gehen hatten, kamen ihm doch arge Zweifel, ob er das überhaupt schaffen würde. Unsicher blieb er am Fuße der Treppe stehen, während Katzuja schon ein Stück gegangen war. Als der Ältere merkte, dass Ricu ihm nicht mehr folgte, blieb er stehen und sah besorgt zu ihm zurück. "Alles okay? Soll ich dir helfen?" Ricu schüttelte den Kopf. "Nein. Es… es geht schon!", antwortete er ihm kleinlaut. Natürlich hätte er gerne Katzujas Hilfe angenommen, aber er wollte ihm nicht zur last fallen und wenn er bedachte, dass der schwarzhaarige sich in den nächsten Wochen um ihn kümmern würde, bekam er ein schlechtes Gewissen. Katzuja tat so viel für ihn, doch statt es ihm zu Danken, fiel er ihm noch mehr zur last. »Wie ein Bettler!«, dachte Ricu betrübt. Die sanfte Berührung an seiner Schulter ließ ihn aus seinen Gedanken hochschrecken. "Ist wirklich alles in Ordnung?", fragte Katzuja, der die Treppe wieder hinunter gestiegen war und ihn nun mit besorgtem Blick ansah. Verlegen nickte Ricu und versuchte Katzujas Besorgnis mit einem Lächeln - was jedoch alles andere als echt wirkte - zu besänftigen. Kapitel 33: Die Arbeit ruft --------------------------- Endlich hatten sie Katzujas Wohnung erreicht. Auf dem Weg nach Oben, mussten sie öfters eine Pause einlegen, damit Ricu etwas durchatmen konnte. Die letzten Stufen hatte er sich dann doch von Katzuja stützen lassen und nun saß er völlig fertig auf der Couch im Wohnzimmer. Katzuja hatte ihm noch beim ausziehen der Schuhe und der Jacke geholfen und stand nun im Flur, um sich selbst seiner Schuhe zu entledigen. Anschließend ging er zu Ricu ins Wohnzimmer. Dieser hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Er war so müde, dass er beinahe im sitzen eingeschlafen wäre, wenn Katzuja ihn nicht angesprochen hätte. "Leg´ dich ruhig hin und schlaf etwas, wenn du müde bist!" Eigentlich wollte Ricu ihm widersprechen, aber er war einfach nicht mehr dazu in der Lage. Also beließ er es bei einem zustimmenden Nicken und legte sich auf der Couch hin. Fast augenblicklich war er eingeschlafen. Katzuja sah ihn mit einem sanften Lächeln an, ging dann ins Schlafzimmer und kam mit einer kuscheligen Fleecedecke zurück, mit der er den Blonden zudeckte. Er selbst legte sich im Schlafzimmer noch eine Weile hin, um so den fehlenden Schlaf der letzten Nacht nachzuholen. Am späten Nachmittag wurde Katzuja vom Piepen seines Weckers geweckt. Er hatte ihn vorsorglich gestellt, damit er noch genügend Zeit hatte sich für die Arbeit fertig zu machen und etwas zu Essen für Ricu zu holen. Er hätte ihm gern auch etwas gekocht, aber vermutlich hätte er ihn dann geweckt. Noch immer etwas müde, setzte er sich an der Bettkante auf und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. Anschließend stand er auf und ging zum Kleiderschrank hinüber, um seine Arbeitssachen und frische Unterwäsche herauszusuchen. Als er sich auf den Weg ins Bad machte, um vor der Arbeit noch schnell zu duschen, stellte er mit einem kurzen Blick ins Wohnzimmer fest, dass Ricu noch immer tief und fest schlafend auf der Couch lag und sich nicht einen Zentimeter gerührt hatte, seit er sich vor ein paar Stunden hingelegt hatte. Lächelnd schüttelte er den Kopf und ging ins Bad. »Es muss ihn unheimlich angestrengt haben!«, dachte er, bevor er sich seiner Sachen entledigte und unter die Dusche ging. Nach ca. einer halben Stunde war er fertig und hatte sich für die Arbeit hergerichtet. Ein kurzer Blick auf die Wanduhr im Wohnzimmer verriet ihm, dass er noch eine knappe Stunde Zeit hatte, bis seine Schicht begann. Er schnappte sich Geldbörse und Schlüssel, verstaute alles in seinen Jackentaschen und zog sich seine Schuhe an, um schließlich leise die Wohnung zu verlassen. Zum Imbiss unten an der Ecke war es nicht weit, aber auch diese kleine Entfernung sorgte dafür, dass er komplett durchgefroren war, als er wieder die Wohnung erreichte. Schnellen Schrittes ging er in die Küche, schaltete dort den Ofen an und stellte die zwei mitgebrachten Päckchen hinein. Selbst das Essen war auf dem kurzen Weg vom Imbiss zu seiner Wohnung stark abgekühlt und da Katzuja nicht wusste, wann Ricu aufwachen würde, befand er es für eine gute Idee, das Essen bis dahin im Ofen aufzuwärmen. Anschließend ging er noch einmal ins Schlafzimmer und nahm sich dort einen warmen Pullover aus dem Schrank, den er über seine Arbeitskleidung streifte. Augenblicklich wurde es etwas wärmer und wenn er dann noch seine Winterjacke anzog, würde er auf dem Weg zur Arbeit nicht einmal mehr halb so sehr frieren, wie er es gerade getan hatte. Als er wieder ins Wohnzimmer zurückkam, drehte er die Heizung dort noch etwas höher, damit sie es schön warm hatten, wenn er nachher wiederkam. Noch einmal blieb er kurz neben der Couch stehen und betrachtete den Blonden still. Gleich würde er gehen und müsste ihn für fünf Stunden allein lassen. Er konnte ihm nicht einmal die Telefonnummer seiner Arbeitsstelle da lassen, denn das würde sowieso nichts nützen, da Katzuja weder Telefon noch Handy hatte. Katzuja ärgerte sich mehr und mehr. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass er feststellen musste, wie wichtig es war für andere erreichbar zu sein. Vom nächsten Geld das er bekam, würde er für sich und den Kleinen ein Handy kaufen - soviel stand fest. Aber bis dahin dauerte es noch etwas. Ein erneuter Blick auf die Wanduhr, gab ihm jetzt doch Anlass sich zu beeilen, sonst würde er sich verspäten. Schnell besorgte er sich Zettel und Stift und kritzelte so leserlich wie möglich eine Nachricht für den Kleinen darauf. Dann legte er beides auf den Couchtisch, nahm seine Sachen und machte sich auf den Weg. Kapitel 34: Der König und sein Gefolge -------------------------------------- Am späten Abend wachte Ricu von einem leckeren Duft auf, der sich im gesamten Wohnzimmer ausgebreitet hatte. Er blinzelte verschlafen und richtete sich langsam auf, nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte. Fast augenblicklich stellte sich das Gefühl eines dringenden Befürfnisses ein und so kam er der Aufforderung seines Körpers nach. Als er wieder aus dem Bad kam, sah er sich etwas verwundert um. "Katzuja?" Er ging ins Schlafzimmer,wo das Bett zwar aufgeschlagen, jedoch verlassen war. Auch im Rest der Wohnung war von dem älteren keine Spur. Seufzend ließ Ricu sich wieder auf die Couch sinken. »Wo ist er nur?« Plötzlich fiel ihm der Zettel auf, der auf dem Couchtisch vor ihm lag. Neugierig nahm er ihn in die Hand und las: Hey Kleiner, ich hoffe du hast gut geschlafen! Ich muss leider noch arbeiten. Sorry, dass ich vergessen hab es dir zu sagen!!! Ich werde ungefähr gegen 22 Uhr zurück sein. Essen steht im Ofen, aber sei vorsichtig, dass du dir nicht die inger verbrennst! Bis nachher! Katzuja Ein Lächeln schlich sich auf Ricu´s Lippen als er die Zeilen las. Es war so süß, wie Katzuja sich um ihn sorgte. Doch schon im nächsten Moment verschwand der freudige Ausdruck auf dem Gesicht des Blonden und wich einem beschämten Blick. »Er hat soviel Mühe mit mir!«, dachte Ricu betrübt, doch noch bevor er den Gedanken zuende brachte, machte sich sein Magen mit einem lautstarken Knurren bemerkbar und riss ihn wieder ins Diesseits. Langsam stand er auf und ging in die Küche, um sich etwas von dem Essen zu nehmen, welches Katzuja in seiner Nachricht erwähnt hatte. Tatsächlich hätte sich Ricu beinahe die Finger verbrannt, wenn er nicht im letzten Moment an die Topflappen gedacht hätte. Denn auch wenn der Ofen das Essen nur warm halten sollte, so war es jetzt doch schon sehr heiss. Schließlich hatte er sich auf umständliche weise etwas von dem warmen Gericht auf einen Teller getan und machte es sich damit wieder auf der Couch bequem. Heißhungrig begann er sich eine Gabel voll davon einzuverleiben, aber schon nach wenigen weiteren Bissen wurde ihm schrecklich übel und er stellte den Teller beiseite. Sicherlich, das Essen schmeckte ihm sehr gut, nur war sein Körper irgendwie anderer Meinung, wenn es darum ging mehr als drei Gabeln voll davon zu essen. Ricu verstand zwar nicht, wieso sein Körper sich so gegen das Essen sträubte, aber auch als sich die Übelkeit nach einiger Zeit wieder gelegt hatte und er es erneut versuchte, hatte er keinen großen Erfolg. Im Gegenteil, es wurde sogar noch schlimmer und im nächsten Augenblick fand er sich knieend vor der Toiltte wieder. Als sich sein Magen nach einiger Zeit endlich wieder beruhigt hatte, musste Ricu voller Missmut feststellen, dass sein Hunger kein bisschen abgenommen hatte, aber er wagte es auch nicht, sich etwas anderes zu nehmen, aus Angst, dass die Übelkeit wieder auftreten könnte. Schlimm genug, dass er sich übergeben hatte - was er zutiefst demütigend fand. Bis jetzt hatte er es immer gschafft den Brechreiz zu unterdrücken, aber an diesem Tag war sein Wille einfach nicht stark genug, um den Kampf gegen seinen Körper zu gewinnen. Er war nur froh, dass Katzuja ihn nicht so gesehen hatte, denn dann wäre es ihm noch peinlicher gewesen als es ohnehin schon war. Nun saß er also wieder mit knurrendem Magen im Wohnzimmer. Ein Blick auf die Wanduhr sagte ihm, dass es noch gute drei Stunden dauerte, bis Katzuja wieder zurück sein würde. Seufzend ließ er sich mit dem Rücken gegen die Lehne der Couch sinken. »Und was mach ich jetzt drei Stunden lang?« Schlafen konnte er nicht mehr, dazu war er zu ausgeruht. Essen fiel auch aus und zum Fernsehen hatte er keine Lust. Wahscheinlich würde sowieso nichts gescheites laufen. Da fiel ihm Katzujas Büchersammlung auf, die neben dem Fernseher im Regal stand. Neugierig stand er auf und ging zur Schrankwand. Die Bücher standen ordentlich und sehr übersichtlich sortiert. Ricu strich mit dem Zeigefinger über die Buchrücken und las sich dabei aufmerksam deren Titel durch. Es waren größtenteils Abenteuer- und Fantasy-Geschichten, aber auch Gedichtbände standen dort. Ein Buch fiel ihm besonders auf, denn es stand etwas abseits der Anderen und hatte keinen Titel. Es musste schon sehr alt sein, denn der mit rotem Samt bezogene, doch sehr edel wirkende Einband wirkte schon etwas mitgenommen und war an einigen Stellen abgeschrammt. Aber im Großen und Ganzen wirkte es sehr gepflegt. Vorsichtig griff der Blonde danach und zog es behutsam aus dem Regal. Auch auf dem Buchdeckel waren keinerlei Hinweise zu finden, die Aufschluss über den Titel des Buches hätten geben können. Erst als Ricu es öffnete, stand er in schwarzen Lettern geschrieben: König Arthur und die Ritter der Tafelrunde. Ricu zuckte zusammen, als er den Titel las. Er kam ihm irgendwie bekannt vor, auch wenn er sich 100%ig sicher war, ein Buch mit diesem Namen noch nie zuvor gelesen zu haben. Noch wärend er zur Couch zurück ging und sich dort in die weiche Fleecedecke kuschelte, hatte er zu lesen begonnen und war schon nach wenigen Seiten vollkommen in die Geschichte vertieft. Darüber hinaus vergaß er seinen Hunger und die Zeit. Kapitel 35: Der Ton macht die Musik ----------------------------------- Unterdessen fieberte Katzuja mehr oder weniger dem Ende seiner Schicht entgegen. Das Restaurant in dem er arbeitete war an diesem Abend gut besucht, so dass sein Kollege Satoshi und die anderen Kellner alle Hände voll zu tun hatten. Satoshi war ein großer, schlanker, junger Mann mit langem schwarzem Haar, welches er sich immer zu einem Pferdeschwanz zusammen band. Katzuja mochte ihn und kam auch gut mit ihm zurecht, was sicherlich auch daran lag, dass er ihm den Job zu verdanken hatte. Aber obwohl es Katzuja viel Spass machte und er hier seine Probleme wenigstens für ein paar Stunden vergessen konnte, war es dieses Mal anders. Er konnte sich kaum richtig auf das Spielen konzentrieren. Im Gegensatz zu Satoshi, der ständig in Bewegung war, um den Gästen ihre Speisen zu bringen bzw. deren Bestellungen aufzunehmen, saß Katzuja an einem riesigen schwarzen Flügel und hatte die Aufgabe, die Gäste des Restaurants mit klassischen Klavierstücken zu unterhalten. Durch seine Unkonzentriertheit kames öfter vor, dass er sich verspielte, was eigentlich Niemandem wirklich auffiel, da er die Fehler geschickt überspielte. Trotzdem kam es, dass Herr Tanaka, der Besitzer des Restaurants nach einer viertel Stunde zu ihm kam. Er war ein kleiner, dicklicher Mann, dessen bereits ergrautes Haar ihm das Aussehen eines Professors verlieh und der, so nett er auch war, sehr wohl hart durchgreifen konnte, wenn es nicht so lief, wie er es gerne hätte. Genau das war es auch, was seinen Mitarbeitern einen gehörigen Respekt vor ihm einflöste. Katzuja hatte gerade eines der Stücke beendet, als Herr Tanaka ihm auf die Schulter tippte und ihm mit einem unauffälligen Nicken bedeutete mitzukommen. Gehorsam folgte Katzuja dem älteren Mann in einen der hinteren Räume, die dem Personal als Umkleiden dienten. "Herr Akai, was ist denn nur los? Letzte Woche rufen sie an, weil sie krank sind und heute spielen sie fast wie ein Anfänger. Sind sie sicher, dass sie wieder ganz gesund sind?" Auch wenn es sich wie ein Vorwurf anhörte, so wusste Katzuja doch, dass Herr Tanaka sich nur sorgen um ihn machte, was sein eindeutig besorgter Blick noch unterstrich. Katzuja nickte: "Es ist alles in Ordnung. Ich habe letzte Nacht nur nicht so gut geschlafen, aber ich werde mich jetzt zusammenreissen!", versprach er, woraufhin Herr Tanaka ihn mit einem Stirnrunzeln bedachte. "Nun gut, das will ich hoffen, aber dennoch sollten sie noch fünf Minuten Pause machen und sich etwas sammeln, damit das nicht nochmal vorkommt!" "Ja, mache ich. Danke, Herr Tanaka!" Dann verliess der Ältere den Raum und Katzuja setzte sich auf einen der Stühle, die in einer Ecke um einen kleinen Tisch herumstanden. Aber er sollte nicht lange allein bleiben, denn kurz nachdem die Tür hinter Herr Tanaka ins Schloss gefallen war, wurde sie auch schon wieder geöffnet und Satoshi betrat den Raum. "Hey, Katzuja! Was war denn los?", fragte er und deutete mit einer Kopfbewegung zur Tür. Katzuja zuckte nur mit den Schultern und meinte dann: "Tanaka macht sich sorgen, weil ich vorhin so schlecht gespielt habe." "Achso. Also ich fand ja, dass es wie immer super klang, aber wenn du selbst sagst, dass es nicht gut war... Ich hab ja keine Ahnung davon." Er grinste Katzuja an, während er sich auf einen anderen Stuhl setzte und sich eine Zigarette anzündete, die er zuvor aus seinem Rucksack genommen hatte. Genüsslich stieß er eine Wolke des blauen Dunstes aus. "Hey Satoshi! Sag mal...was hälst du eigentlich von...von Homosexuellen? Ich meine...würde es dich stören, wenn..wenn ich zum Beispiel einer wäre?" Katzujas Stimme klang mehr als verunsichert, als er seinem Kumpel diese Frage stellte und es hatte ihm etliches an Überwindung gekostet, aber er musste es einfach wissen. Denn er wollte auf keinen Fall, dass Satoshi es irgendwann auf andere Art und Weise heraus fand und ihn dann vielleicht als Freund ablehnte, obwohl er seit Ray und Hisoka wusste, dass es nicht immer für jeden schlimm war, mit jemandem wie ihm befreundet zu sein. "Nö, würde mich nicht stöhren. Einige meiner besten Freunde sind Schwul! Wieso fragst du?" Katzuja sah verlegen auf den Tisch vor sich. "Naja..." "Seit wann weisst du es denn schon?", fragte Satoshi plötzlich, als Katzuja nicht weiter sprach. Dieser sah erschrocken auf, fing sich jedoch gleich wieder, als er Satoshis beruhigenden Blick sah. "Seit...seit ungefähr zwei Wochen!" "Hm...und wie bist du darauf gekommen?" Wieder wurde Katzuja verlegen und eine leichte Röte legte sich auf seine Wangen. Satoshi deutete die Reaktion des Jüngeren richtig und meinte grinsend: "Du hast dich verliebt, stimmts?" Katzuja nickte nur schüchtern. "Underwiedert derjenige deine Gefühle?" "Er...er weiss es nicht!",meinte Katzuja leise und sah betreten auf seine Hände. "Aber er ist doch bestimmt auch..." "Ich weiss es nicht, aber wahrscheinlich nicht!" Zu Satoshis Überraschung, schien die Gewissheit über diese Sache Katzuja extrem herunter zu ziehen. Noch nie zuvor hatte er den Jüngeren so niedergeschlagen gesehen und er fühlte sich dazu verpflichtet, ihn wieder aufzumuntern. "Hey, nun sie doch nicht alles so schwarz! Das wird schon werden. Einen netten Kerl wie dich muss man einfach mögen!" Das half, denn gleich nachdem Satoshi das gesagt hatte, hellte sich Katzujas Gesicht auf und er wirkte nicht mehr ganz sbedrückt. "Und wenn es soweit ist, musst du ihn mir mal vorstellen, okay?" Ein schüchternes Lächeln war Katzujas Antwort. "Aber jetzt solltest du wirklich wieder nach vorne gehen, sonst kriegt Tanaka noch ne Krise!", smilte Satoshi nachdem er einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr geworfen hatte. Erschrocken fuhr Katzuja hoch. Die fünf Minuten waren sicherlich shon vorbei. Schnell ging er zur Tür, blieb aber noch einmal stehen und drehte sich zu seinem Kumpel um, bvevor er sich erreichte. "Danke!" "kein Problem, Ich kamm dich ja schlecht so einer dämlichen Depri-Phase überlassen!" Noch einmal grinste er Katzuja verschwörerisch an, der wiederum zurück lächelte und schließlich den Raum verliess. Der Rest des Abends verlief ohne weitere Probleme und Katzuja spielte wieder in gewohnter Qualität, sehr zur Freude seines Vorgesetzten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)