HOLLOW von Creep (A Vampire Story) ================================================================================ Kapitel 9: Conversation ----------------------- Das neuste Kapitel wird Antworten auf ein paar Fragen geben, gleichzeitig aber auch neue aufwerfen. |D Dieses Kapitel zu schreiben war für mich doch etwas nervenaufreibend :D Aber Spaß hat's mir gemacht! Ich hoffe ihr habt genauso viel Spaß beim Lesen, wie ich ihn beim Tippen hatte. enjoy ♥ *-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-* Nächster Morgen, Sagas Schlafzimmer ... Unruhig wälzte sich Saga in der zerwühlten Bettdecke, solange, bis er schlussendlich aufwachte. Etwas benommen öffnete er die Augen und sah sich um. Er war zu Hause. Hatte er geträumt? War alles nur ein Alptraum gewesen? Langsam setzte der Braunhaarige sich auf und ein stechender Schmerz durchzuckte seine Schläfen. Also gut, dann halt kein Traum. Träume taten nicht dermaßen weh, da konnten sie noch so realistisch sein. Sagas Blick schweifte zur Tür. Die war gerade dabei sich langsam und fast lautlos zu öffnen. „Guten Morgen.“, sagte Tsukasa, als er den Raum betrat und sich gleich neben Saga auf die Bettkante setzte. „Und? Konntest du ein bisschen schlafen?“ Der Angesprochenen gähnte verschlafen und nickte. „Ja, hab zwar etwas unruhig geschlafen, aber immerhin hab ich geschlafen.“ Er lächelte matt. Tsukasa streckte die Hand aus, um vorsichtig den Kopf seines kleinen Bruders zu streicheln. Ganz entgegen seiner sonstigen Verhaltensweisen ('Verdammt nochmal, hör auf mit dem Scheiß! Ich bin keine fünf mehr!'), ließ Saga sich die Berührung gefallen, war sogar in gewissem Maße dankbar dafür. „Ich hab Frühstück gemacht. Soll ich dir was bringen, oder kannst du aufstehen?“, fragte der Ältere, ohne seine Hand auch nur einen Millimeter von Sagas Haar zu entfernen. „Ist schon ok, ich kann aufstehen. Aber sag mal... Hättest du nicht eigentlich heute Vorlesung? Es ist Montag, wieso bist du nicht in der Uni?“, nuschelte Saga und gähnte erneut. Ein schiefes Grinsen breitete sich auf Tsukasas Gesicht aus. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich in der Verfassung hier alleine lasse, nur wegen der scheiß Vorlesung da, oder?“ Er hob die Augenbrauen. Nun musste auch der Jüngere grinsen. „Ok, hast ja Recht, hätte ich mir denken können. Man kann mich ja auch in meinem Alter unmöglich alleine lassen. Ich könnte die Küche in Brand stecken, oder die Putzmittel trinken.“, stichelte er und sah seinen Bruder gespielt herausfordernd an. „Ganz genau! Und deswegen lass ich dich nur ungern hier alleine. Stell dir mal vor ein böser Onkel klingelt an der Tür und du machst auch noch auf. Das könnte ich nicht verantworten. Und jetzt beweg deinen Hintern in die Küche, dein Fläschchen ist fertig.“. Grinsend erhob sich Tsukasa und verschwand. Saga lächelte still vor sich hin. Ja, sein Bruder war schon etwas Besonderes. Fremden gegenüber war er misstrauisch und verschlossen, doch sobald man es geschafft hatte, ihn näher kennen zu lernen, stellte man fest, wie anders er eigentlich war. Besonders für seinen kleinen Bruder fühlte Tsukasa sich verantwortlich und nannte, seit Saga denken konnte, einen fast schon übertriebenen, Beschützerinstinkt sein eigen. Ächzend stand Saga auf, nur um sich Sekundenbruchteile später wieder aufs Bett fallen zu lasen. Kopfweh. Richtig fieses Kopfweh! Jeder bisherige Kater entpuppte sich als erbärmliches Zwicken im Vergleich zu diesem hämmernden Schmerz, der sich da in seiner linken Schläfe und vor allem an seinem Hinterkopf, verselbstständigt hatte. Beim zweiten Anlauf schaffte der Braunhaarige es tatsächlich bis zur Zimmertür, wo er stoppen musste, um bei einem dritten Versuch das letzte Stück Weg bis hin zur rettenden Küchenbank zu bewältigen. „Verdammte Scheiße! Hast du was gegen Kopfweh?“, fragte Saga ächzend und presste sich die Hand an seinen schmerzenden Hinterkopf. „Mein Schädel bringt mich noch um!“ Mit einem leisen Klirren wurde ihm ein Glas mit Wasser vor die Nase gestellt. „Austrinken. Ich hab da schon ne Kopfschmelztablette drin aufgelöst.“ Angeekelt verzog Saga das Gesicht. Widerliches Zeug. Widerlich, aber leider wirkungsvoll. Mit zugehaltener Nase und zusammengekniffenen Augen stürzte Saga die klare Flüssigkeit hinunter und leerte das Glas in einem Zug. „Eh! Das schmeckt noch beschissener, als ich's in Erinnerung hatte.“, meckerte er und warf dem leeren Glas einen hasserfüllten Blick zu. „Jaja, ich weiß. Das sagst du jedes Mal. Und jetzt iss mal was, ok?“, entgegnete Tsukasa unbeeindruckt und setzte sich auf die Küchenzeile, während Saga begann sich über seinen Toast herzumachen. Eine Weile herrschte gefräßiges Schweigen, dann meldete sich Saga zu Wort. „Tsukasa? Sag mal, warum finde ich es nicht zu über hundert Prozent absurd, dass ich gestern von einem Vampir angefallen worden bin. Jeder andere halbwegs normale Mensch würde sich fragen, ob er noch bei klarem Verstand wäre. Wieso erscheint es mir also so gar nicht ungewöhnlich, dass ich gestern einem Vampir über den Weg gelaufen bin?“ „Naja, ich würde sagen, weil du der Ansicht bist, dass es so unwahrscheinlich nicht sein kann. Immerhin beschäftige ich mich seit Jahren mit diesem Thema und natürlich weißt du davon. Vielleicht hast du ja doch mal unbewusst auf deinen großen Bruder gehört.“ Er lächelte schief. Ein Seufzen entfuhr dem Jüngeren. „Ja, gut möglich.“ Saga schwieg und fuhr dann leise fort. „Und du glaubst wirklich, dass er mich... fressen wollte?“ Die letzten Worte bereiteten ihm sichtliche Probleme. „Du hast unglaubliches Glück gehabt, ehrlich. Es ist ungewöhnlich, dass er dich hat gehen lassen, wirklich. Eigentlich holen sich Vampire was sie wollen, sobald sie es einmal direkt vor der Nase haben.“ Saga ließ seinen Toast sinken, sein Blick ruhte starr auf Tsukasa. „Woher weißt du das alles so genau? Hast du schon mal einen getroffen?“ Der Gedanke war beängstigend, genauso wie diese komplette, absolut unrealistische Geschichte, in die Saga sich anscheinend unwissentlich verstrickt hatte. Der Ältere schüttelte den Kopf. „Nein, hab ich nicht. Aber es gibt genug Berichte von Menschen, die es an meiner Stelle getan haben. Vampire sind kein Mythos, das hast du gestern selber gesehen. Diese Wesen sind gewissenlos, grausam und blutrünstig. Was glaubst du, wie viele Morde von Vampiren begangen werden? Erinnerst du dich an den Zeitungsbericht von vor drei Wochen? Der Artikel, in dem sie über dieses Blutbad in Mitaka berichtet haben?“ Saga nickte stumm. „Vampire. Natürlich haben die Medien es als Ritualmord verkauft, immerhin war es so inszeniert. Dieses untote Pack ist schlauer als die meisten Menschen, das ist das Problem. Die meisten Blutmorde sind inszeniert und sehen aus wie stinknormale, von Menschen begangene Verbrechen.“ Tsukasa sah ernst in Sagas blasses Gesicht. „Aber warum hat er mich dann gehen lassen? Hizumi meine ich. Es hat den Eindruck gemacht, als wollt er mich überhaupt nicht angreifen, als hätte er dagegen angekämpft, verstehst du? Ich meine, er hat mir dreimal gesagt, dass ich verschwinden sollte, solange ich es noch könnte. Wenn sie wirklich so grausam sind, wie du sagst- Warum wollte er dann, dass ich abhaue?“ Desinteressiert zuckte Tsukasa die Schultern. „Keine Ahnung. Aber das spielt keine Rolle. Es war pures Glück, dass du einfach so davongekommen bist. Ich will gar nicht daran denken, was ich getan hätte, wenn er dich erwischt hätte.“ Der Ältere seufzte schwer und senkte den Blick. Nach einer Weile erhob sich Saga ohne weitere Probleme, weil die Kopfschmerzen sich, dank der ekel-Pillen, nun doch recht zügig verflüchtigt hatten. Er ging auf Tsukasa zu und diesmal war er es, der seinen Bruder in den Arm nahm. „Ist gut, ja? Ich bin hier und mir geht's gut, ok?“ Tsukasa erwiderte die Umarmung und seufzte tief. „Ich weiß. Und ich weiß nicht, wem ich schon wie oft dafür gedankt habe, dass du es noch bist.“, flüsterte der Ältere gegen Sagas Schulter. Toshiyas POV Ich stand in der Küche und war dabei Frühstück zu machen. Zero war noch nicht aufgetaucht, entweder schlief er noch, oder er arbeitete wieder an irgendetwas Kompliziertem. Ich hatte beschlossen, ihm soviel ich konnte zu helfen und sei es nur mit dem Haushalt. Immerhin hatte ich ihm wahrscheinlich mein Leben zu verdanken. Ich kämpfte mit dem Toaster, als plötzlich die Tür aufging und Zero den Raum betrat. „Guten Morgen. Du bist schon wach?“, fragte er etwas verwundert. Ich nickte. „Ja und ich hab Frühstück für dich gemacht.“ Ich lächelte ihn an. Anstatt das Lächeln zu erwidern, legte er den Kopf leicht schräg und musterte mich eindringlich. „Das ist nett von dir, aber du musst das nicht tun, das weißt du, oder?“ Wieder nickte ich. „Ja, weiß ich, aber ich will es tun. Du hast soviel für mich getan und irgendwie macht es mich etwas traurig, dass ich dir niemals soviel zurückgeben können werde, wie du mir gegeben hast.“ Ich spürte deutlich, wie ich rot wurde. Schnell senkte ich den Blick und starrte den Toaster an. „Ich erwarte ja auch nicht von dir, dass du versuchst es irgendwie wieder gut zu machen.“ Der Mann war unmöglich. Wieso verstand er nicht, dass ich ein schlechtes Gewissen hatte? Sicher, ich war wirklich glücklich, dass Zero mich vor ein paar Tagen gefunden hatte, wer weiß, was aus mir geworden wäre, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Ich stand in seiner Schuld und basta. Wieso konnte er das nicht einfach einsehen? Das Piepen des Toasters riss mich aus meinen Gedanken. Ich ging mitsamt dem fertigen Toast zum Küchentisch und setzte mich. Zero stand weiterhin im Türrahmen und musterte mich nachdenklich. „Willst du nichts frühstücken?“, fragte ich. Wieso sah er mich so an? „Hab ich was Falsches gesagt?“ Er schüttelte den Kopf und setzte sich mir gegenüber. „Nein, schon gut. Ich hab nur gestern Abend lange arbeiten müssen, ich bin noch etwas müde.“ Er lächelte leicht. In den Tagen, die ich bisher hier verbracht hatte, hatte ich ihn erst ein paar Mal lächeln sehen, was ich schade fand, denn er sah hübsch aus, wenn er denn einmal lächelte. Doch mich störte es auch nicht, dass er anscheinend ziemlich in sich gekehrt und oft nachdenklich war. Ich mochte Zeros Art sehr und irgendwie machte es mich traurig, dass ich ihn bald würde verlassen müssen. Natürlich war mir klar, dass ich nicht ewig bei ihm bleiben konnte, aber trotzdem. Schweigend beschmierte ich meinen Toast mit Marmelade, als Zeros ruhige Stimme mich aufsehen ließ. „Toshiya, entschuldige wenn sich die Frage vielleicht etwas aufdringlich anhört, aber ich habe gestern mit jemandem von einer dieser sozialen Einrichtungen gesprochen und der wollte unter anderem wissen, ob du in früherer Zeit irgendwelche Drogen genommen hast, oder noch nimmst. Beschissenes Thema zum Frühstück, ich weiß.“ Er lächelte entschuldigend. Ich konnte gut nachvollziehen, dass dieser Sozial-Typ wissen wollte, ob ich ein Junkie war. Ich hatte viele getroffen, die Drogen nahmen. Von einigen wusste ich sogar, dass sie im Laufe der Zeit daran gestorben waren. Ich schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf. „Nein, hab ich nie. Ich hab noch nie irgendwas an Drogen genommen. Gut, ab und zu hatte ich mal Phasen in denen ich geraucht hab, aber harte Drogen hab ich nie genommen. Ich finde man sollte sein Leben nicht einfach so wegwerfen, selbst wenn es bis zu dem Zeitpunkt scheiße verlaufen ist.“ Ich traute mich nicht wirklich, meinem Gegenüber in die Augen zu sehen. Das hörte sich mal wieder ganz so an, als wäre alles in meinem Leben bis jetzt beschissen gewesen, aber das stimmte nicht. Ich hatte auch schöne Momente gehabt. Ich erinnerte mich an einen Winter vor ein paar Jahren. Ich saß alleine, mitten in der Nacht auf einer Bank im Park und es war eiskalt. Und ganz plötzlich hatte es angefangen zu schneien. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich nicht erinnern können, wann es das letzte mal in Tokyo geschneit hatte und ich war glücklich gewesen, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Momente wie diesen hatte es viele gegeben. Meistens waren es ganz alltägliche Dinge, die mich glücklich machen konnten, aber das reichte vollkommen aus. Warum nicht das Beste aus seinem Leben machen, egal wie schlecht es vielleicht verlaufen sein mochte? Ich konnte Menschen nicht verstehen, die Familie, Haus und Job hatten und trotzdem, wegen Nichtigkeiten, unglücklich waren. Aber vielleicht rührte diese Verständnislosigkeit auch daher, dass ich all das nie wirklich, oder nur für eine kurze Zeit besessen hatte. Zero sah mich wieder auf seine nachdenkliche, verschlossene Art an. „Um ganz ehrlich zu sein, das hätte ich nicht gedacht.“ Ich musste lachen, als ich Zeros verblüfftes Gesicht sah. „Ja, kann ich mir vorstellen. Meistens bringt man Leute, die auf der Straße leben und dazu auch noch auf den Strich gehen, automatisch mit Drogen in Verbindung. Sehr viele von denen sind ja auch Junkies, aber nicht alle. Und meistens sagen die Leute, dass Junkies generell schlechte Menschen sind. Ich kannte ein paar Drogensüchtige und keiner von ihnen war schlecht. Nur kamen sie alle nicht mit ihrem Problemen klar, leider.“, erklärte ich, wurde aber zum Schluss hin immer leiser, als ich daran dachte, dass auch einer meiner wenigen Freunde, oder eher Verbündeten, vor einem Jahr an einem Schuss Heroin gestorben war. „Das sind verdammt kluge Worte, für jemanden, der noch so jung ist.“, bemerkte Zero leise und sah mich ernst an. Das verwirrte mich etwas. „So viel älter als ich bist du doch auch nicht, oder? Wie alt bist du eigentlich?“ Wie peinlich... Ich hatte mich nie genau nach Zeros Alter erkundigt. Generell wusste ich eigentlich nichts von ihm, außer, dass er Zero hieß. Sofern das überhaupt sein richtiger Name war. „Ich bin sechsundzwanzig.“, folgte die Antwort auf meine Frage. Ich lächelte ihn an. „Du siehst jünger aus. Ehrlich. Ich hätte dich vielleicht auf vierundzwanzig geschätzt. Gut, vom Verhalten her dann vielleicht doch älter, aber so vom Äußerlichen her.“ „Ich fasse das schlichtweg mal als Kompliment auf.“ Und wieder brachte er mich zum Lachen. Es war schon fast niedlich, wenn Zero etwas beleidigt war. Wahrscheinlich merkte er nicht einmal, dass er gerade mit einem ziemlich schmolligen Gesichtsausdruck am Tisch saß. Anscheinend hatte ich ihn mit meinem Heiterkeitsausbruch verwirrt, denn wieder neigte er den Kopf leicht zur Seite und sah mich fragend an. „Wieso lachst du?“ Ich lächelte breit. Mit geschlossenem Mund, wie immer. Ich wollte nicht, dass jemand meine schiefen Zähne bemerkte, deswegen hatte ich mir diese Versteckmethode angewöhnt. Einfach immer mit geschlossenem Mund lächeln und so selten wie möglich richtig lachen. „Weil du gerade wirklich niedlich ausgesehen hast, als du ein bisschen beleidigt warst.“, sagte ich, nur um danach wieder rot zu werden, als mir klar wurde was ich da mal wieder von mir gegeben hatte. Erst denken, dann sprechen, Toshiya! Zero verzog leicht den Mundwinkel, sagte aber nichts weiter dazu. Ich wollte die Situation nutzen, um etwas mehr über meinen, mir doch recht unbekannten, Retter herauszufinden. „Hast du eine Familie?“, fragte ich ihn, und hoffte inständig, dass es nicht zu vorlaut, oder allzu neugierig klang. Er schüttelte den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Mein Vater hat meine Mutter und mich sitzen lassen, als ich noch zu klein war um es zu begreifen und meine Mutter ist vor zehn Jahren gestorben.“ Ich biss mir auf die Lippe. Scheiße. „Das tut mir Leid. Ehrlich.“, murmelte ich kleinlaut. Das war mal wieder ganz typisch. Ich hatte ein Talent dafür, jedes Fettnäpfchen sofort zu finden und genau hinein zu tappen. Und ja, es tat mir Leid. Immerhin wusste ich, wie schwer es war, sich vollkommen allein durchs Leben zu schlagen. Aber anscheinend hatte Zero es richtig gemacht. Er schien zumindest eine ganze Menge an Geld zu haben, dachte ich, als ich mich noch einmal in dem großen, alten Haus umsah. Doch nur weil er Geld hatte, musste er ja nicht unbedingt glücklich sein. Wenn man einsam war, was brachte einem dann all das Geld.? Ich hinderte mich selbst am weiterdenken. Ich phantasierte mal wieder wie wild vor mich hin. Woher sollte ich wissen, dass er einsam war? Nur, weil er eher der ruhige und verschlossenen Typ war? Vielleicht war er ja glücklich. Das konnte ich nicht wissen. „Ist schon gut. Es ist viel Zeit vergangen seitdem.“, sagte er. Anscheinend war er mir tatsächlich nicht böse. Ich nickte und wusste nicht so recht, was ich darauf antworten sollte. Irgendwie hatte mir Zeros Antwort auf meine Frage den Wind aus den Segeln genommen und ich hatte Angst, wieder etwas zu sagen, das vielleicht alte Wunden erneut aufreißen konnte. Zero schien zu merken, dass ich eingeschüchtert war, denn er ergriff das Wort. „Um nochmal zu dir und deiner Gabe zu kommen. Du hast gesagt, dass du erst ab einem bestimmten Zeitpunkt angefangen hast, Gedanken lesen zu können, oder?“ Ich blinzelte etwas verwirrt, nickte aber. Wie kam er denn jetzt wieder auf das Thema? „Und du sagst, es gab keine konkreten Auslöser dafür?“ Wieder nickte ich wahrheitsgetreu. „Nein, einfach so. Ich saß nur da und hab versucht im Unterricht aufzupassen, als plötzlich diese Stimme in meinem Kopf war. Später hat sich dann herausgestellt, dass dieses Mädchen mich tatsächlich... süß fand. Eine ihrer Freundinnen hat gepetzt und irgendwann wusste es die halbe Schule, wie das halt immer so ist unter Kindern.“ Ich erinnerte mich nicht gern an meine Schulzeit, besonders nicht an diesen einen schicksalhaften Tag. Ich hatte nie anders sein wollen als die anderen. Natürlich wollte ich individuell sein, so wieder jeder Mensch es gern sein möchte, aber irgendwann hörte es auf mit der Individualität. Irgendwann ging es zu weit und ich wurde zum Außenseiter. „Aber eigentlich ist es doch ganz praktisch, wenn man die Gedanken seiner Mitmenschen lesen kann, oder?“, warf Zero ein und sah mich interessiert an. Ein Seufzen entwich mir und ich schüttelte den Kopf. „Nein, ist es nicht. Zumal ich anscheinend nur Dinge hören kann, die mich direkt betreffen. Aber trotzdem. Eigentlich will ich diese 'Gabe' gar nicht haben. Erstens, weil es jedes Mal furchtbar weh tut, wenn ich irgendwelche Gedankenfetzen von anderen im Kopf habe und zweitens, weil ich mir einfach wünsche ein ganz normales, stinklangweiliges Leben zu führen. Und wie soll jemand, der ungewollt in die Köpfe seiner Mitmenschen guckt ein normales Leben führen können?“ Ich sprach ohne groß darüber nachzudenken, was ich eigentlich sagte. Ich war hier momentan dabei, einem, so gesehen, fremden Mann von meinen Wünschen und Ängsten zu erzählen und vor allem von meiner 'Gabe', die ich eher als Fluch betrachtete. Merkwürdiger Weise vertraute ich Zero, und das, obwohl ich ihn kaum kannte und sonst eher zurückhaltend anderen Menschen gegenüber war. Und jetzt saß ich da, redete mit ihm übers Gedankenlesen und für ihn schien das das normalste der Welt zu sein. Bis jetzt hatte mich jeder, vor allem mein Vater, entweder für psychisch krank, oder für einen Lügner gehalten. Er nicht. Zero hatte mir zugehört und kein Wort der Verachtung, oder des Spottes war über seine Lippen gekommen. Er schien mich und mein Problem wirklich ernst zu nehmen und in gewisser Weise wunderte mich dies doch sehr. Langsam hatte ich den Eindruck, dass dieser verschlossene Mann mehr wusste, als er preisgeben wollte. Und zwar eine ganze Menge mehr. Zehn Tage später Sagas POV Ich saß am Fenster und starrte hinaus in den Regen. Es war ein kalter, nasser Oktobernachmittag und die Sonne hatte sich seit Tagen nicht mehr gezeigt. Ich saß also da und dachte nach. Mal wieder. Die letzten zehn Tage hatte ich so gut wie nichts anderes getan. Körperlich ging es mir wieder blendend, doch meine Gedanken drehten sich immer noch um den Abend vor einer Woche. Und immer noch stieg eine leichte Panikwelle in mir auf, sobald ich an diese abgedrehte Nacht zurück dachte. Doch meistens kreisten meine Gedanken nicht darum, dass ich fast mein Leben gelassen hätte und das auch noch durch etwas, das es eigentlich nicht in einer realen Welt geben sollte. Meistens kreisten meine Gedanken um Hizumi und um die Worte, mit denen er versucht hatte mich zu warnen. Es ließ mich nicht los. Ich musste wissen, ob es alles nur ein mieser Trick gewesen war, oder ob mehr dahinter steckte. Ich seufzte tief. Tsukasa war nicht da, mal wieder. Wahrscheinlich würde er erst gegen Abend wiederkommen. Ich hatte also Zeit. Genug Zeit um die einzige Person zu suchen, die mir meine Fragen beantworten konnte... Der Regen peitschte mir ins Gesicht und ich klappte meinen Mantelkragen bis zur Kinnspitze hoch. Von drinnen hatte das Wetter nicht halb so ätzend ausgesehen, wie es wirklich war. Und natürlich hatte mein fürsorglicher Bruder den einzigen Regenschirm mitgenommen. Spitze! Ich kämpfte mich durch die Wassermassen, die da wie Sturzbäche von Himmel fielen und stand irgendwann direkt vor dem restaurierten Fabrikgebäude, in dem Hizumi seine Wohnung hatte. Es war Irrsinn. Kein Zweifel. Doch wenn ich jetzt anfangen würde logisch über meine lebensgefährliche und idiotische Aktion nachzudenken, dann hätte ich auch gleich zu Hause bleiben können, um mir weiter den Kopf zu zerbrechen. Ich wollt eine Antwort. Basta. Jeder meiner Schritte hallte an den Wänden des menschenleeren Treppenhauses wider, bis ich vor Hizumis Haustür zum Stehen kam. Ich atmete tief durch und drückte auf den Klingelknopf. Jetzt wurde es ernst. Drinnen hörte ich Schritte. „Wer ist da?“, fragte Hizumis gedämpfte Stimme durch die dünne Tür. Wieso fragte er denn bitteschön noch nach? Normale Menschen machten einfach die verdammte Tür auf. Gut. Ok, er war ein untoter Mensch, aber konnten die sich nicht auch einfach mal an althergebrachte Regeln halten? Was war so schwer daran die verdammte Tür auf zu machen?! „Ich bin's. Saga.“, antwortete ich also durch die geschlossenen Tür hindurch. Eine Pause entstand. „Hizumi, lass mich rein, ich muss mit dir reden.“, bat ich eindringlich und starrte die idiotische Tür an. Schweigen im Walde. Und auch auf der anderen Seite der Tür. Dann, nach einer schier unendlichen Zeit der Stille, in der ich mir blöd vorkam, weil ich mit einer geschlossenen Tür geredet hatte, folgte eine Antwort. „Wie lebensmüde bist du eigentlich? Wieso bist du wiedergekommen? Hast du sich nicht mehr alle, oder was?“, hörte ich Hizumi sagen. Er klang aufgebracht. „Ja, ich weiß selbst, dass es bescheuert ist, aber du musst mir was erklären, bitte! Lass mich rein!“, bettelte ich. „Ich werde dich nicht reinlassen, das kannst du dir abschminken. Willst du, dass es so endet wie das letzte Mal? Wobei, nein. Es würde dieses mal wahrscheinlich tödlich enden und zwar für dich.“ Langsam wurde ich sauer. Was bildete der sich ein? Es war doch meine Entscheidung, ob ich die Gefahr auf mich nehmen wollte, von Angesicht zu Angesicht mit diesem Vampir, oder was auch immer er war, zu reden. Ich wollte meine Antworten! Jetzt war Hartnäckigkeit gefragt. „Gut, wie du willst. Dann werde ich mich jetzt vor deine Tür setzen und solange warten, bis du mir meine Fragen beantwortet hast. Ob du mich dazu reinlässt, mir Zettelchen schreibst, oder SMS, oder sonstwas ist mir scheißegal. Hauptsache du hörst dir an, was ich zu sagen habe!“ Dem hatte ich's gegeben! Stille. Dann leise Schritte, die kurz vor der Tür verstummten. Demonstrativ setzte ich mich auf den Boden, mit der rechten Schulter gegen die Tür gelehnt, die Arme verschränkt. Auf der anderen Seite hörte ich ein leises Rumpeln. „Also gut, dich wird man eh nicht los. Was willst du?“, fragte Hizumi, dessen Stimme nun deutlicher zu verstehen war. Ich nahm an, dass er eine ähnliche Haltung eingenommen hatte, wie ich. „Ich hab mit meinem Bruder geredet, über dich und alles was passiert ist. Du weißt schon, der Vampir-Freak. Und er hat mir erklärt, dass ihr nichts weiter seid, als grausame, kaltblütige und instinktgesteuerte Monster.“ Harte Worte, aber genau so hatte Tsukasa es mir erklärt. „Aber irgendwie machst du nicht den Eindruck auf mich, als wärst du so, wie mein Bruder dich da beschrieben hat. Der Hizumi den ich kennengelernt habe ist anders.“ Ein leises verächtliches Lachen ertönte. „So, du kennst mich also sagst du? Du kanntest mich gerade mal ein paar Tage lang, wie willst du da wissen wie ich bin?“ Guter Einwand, aber mein Gegenargument hatte auch Hand und Fuß. „Wenn du wirklich so ein abscheuliches Monster bist, warum hast du mich dann nicht einfach gefressen, als du die Möglichkeit dazu hattest? Warum hast du mir dreimal gesagt, dass ich verschwinden soll, solange ich es noch kann?“ Tja, das sollte er mir mal bitte erklären. Eine lange Pause entstand. Anscheinend hatte ich einen Volltreffer gelandet, denn auch nachdem eine ganze Weile verstrichen war, folgte keine Antwort. „Ich glaube weder dir, noch Tsukasa, dass du mich wirklich töten wolltest. Ich hab zwar keine Ahnung von diesem ganzen Vampirkram, aber ich weiß, was ich gesehen habe. Und das was ich gesehen habe, sah eher so aus, als wolltest du mich gar nicht verletzen.“ Ich wartete darauf, dass Hizumi sich dazu äußern würde, doch es dauerte, bis er leise das Wort ergriff. „Ja, ist gut, du hast ja Recht. Ich wollte dich nicht angreifen, wirklich nicht. Aber ich hab die Kontrolle verloren. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Es war dumm und falsch von mir mich mit dir zu treffen. Du glaubst überhaupt nicht, wie viele Regeln ich gebrochen habe, nur, weil ich mit dir einen Kaffee trinken gegangen bin.“ Er klang traurig. „Ist das bei dir immer so? Dass du die Kontrolle verlierst, wenn du es mit Menschen zu tun hast?“, fragte ich und lehnte den Kopf gegen die Tür. „Nein, eigentlich so gut wie nie. Wenn ich mich bei jedem Menschen so anstellten würde, dann könnte ich weder zur Uni gehen, noch sonstwohin.“ Diese Antwort warf sofort eine neue Frage auf. „Und warum bist du dann bei mir so ausgetickt?“ Ich hörte, wie er leise seufzte. „Ich weiß auch nicht. Vielleicht, weil ich dich mag. So paradox es auch klingt. Eigentlich sind Menschen mir egal, aber bei dir ist es irgendwie nicht so. Und ich würde jetzt eigentlich liebend gern die Tür auf machen, um dir das alles ins Gesicht zu sagen, aber ich hab Angst, dass ich es nicht aushalte. Das Risiko will ich nicht eingehen.“ Die letzten Worte verstand ich kaum, so leise war er geworden. Verblüfft starrte ich die Tür an. Was meinte er damit? „Saga. Ich will nicht, dass du nochmal wiederkommst. Wir können und dürfen uns nicht mehr sehen, ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du stirbst. Am Besten du vergisst, dass du mich jemals getroffen hast, ok?“, drang Hizumis gedämpfte Stimme durch die Tür. Was hätte ich darum gegeben, sein Gesicht sehen zu können, als er sprach. Es wäre mir leichter gefallen zu beurteilen, ob er seine Worte wirklich ernst meinte. Ich fühlte mich mies. Es machte mich traurig, was Hizumi da sagte. Hauptsächlich, weil ich wusste, dass er Recht hatte und dass es die einzig sinnvolle Lösung war. Für uns beide... Zeros POV Es war früher Abend geworden und die eintretende Dämmerung ließ verzerrte Schatten spielen. Toshiya saß neben mir auf dem Sofa und wir schauten fern, als mich plötzlich ein unangenehmes Drücken in meiner rechten Schläfe aufschrecken ließ. Jemand versuchte mir etwas mitzuteilen. Ich erhob mich und gab vor, auf die Toilette zu müssen. Mal wieder schloss ich mich im Badezimmer ein und erlaubte dem noch Unbekannten mir seine Gedanken mit zu teilen. Es war Karyu. //Zero, ich habe rausbekommen, wie Hizus kleiner Menschenfreund heißt. Und bevor du fragst. Nein, ich war nicht bei Hizumi und habe ihn gefragt: ich hab mir nur kurz seine Gedanken angesehen und da er momentan eh an nichts anderes denkt, war es wirklich nicht schwer herauszufinden. Der Typ heißt Saga und ist just in diesem Moment bei Hizumi, wenn du es genau wissen willst.// Immerhin war Karyus Dreistigkeit mal zu etwas zu gebrauchen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich, um Karyu eine Antwort zu schicken. Dann verließ ich das Bad, um wieder zurück ins Wohnzimmer zu gehen. Als ich dort ankam, sah ich, dass Toshiya sich auf dem Sofa zusammengerollt hatte und anscheinend eingeschlafen war. Ich fragte mich, wie man es schaffen konnte, innerhalb von zehn Minuten in Tiefschlaf zu verfallen, doch dann erinnerte ich mich daran, dass er schon ziemlich müde ausgesehen hatte, bevor ich ins Badezimmer verschwunden war. Ich betrachtete ihn einige Augenblicke lang, dann schaltete ich den Fernseher aus, nahm eine Wolldecke und deckte Toshiya vorsichtig damit zu. Es war ganz gut, dass er im Moment schlief... Sagas POV Ich hatte den Kopf an das kühle Holz der Tür gelehnt und wartete darauf, dass Hizumi etwas sagen würde, doch es blieb still. „Also... werden wir uns nicht mehr sehen können, oder?“, fragte ich leise und zu meinem Erstaunen bemerkte ich, dass dieser Gedanke mir wirklich sehr zu schaffen machte. „Ja, genau so ist es. Ich will dich nicht nochmal in Gefahr bringen.“, sagte Hizumis Stimme und immer noch klang er traurig und das passte mir nicht. „Und es gibt keine Möglichkeit?“, bohrte ich nach. Ich war niemand, der so schnell aufgab! Ein leises Seufzen ertönte. „Nein Saga, gibt es nicht. So sehr ich mir auch wünschen würde, dass es sie gäbe.“ Ich versuchte krampfhaft ein Loch in das weiße Holz der Tür zu starren, um so die Möglichkeit zu haben einfach hindurch zu krabbeln, auf der anderen Seite der Tür wieder herauszukommen, mich zu Hizumi zu setzen und ihn in den Arm zu nehmen. Mittlerweile war die Angst vor ihm fast gänzlich verflogen, mittlerweile empfand ich ehrliches Mitleid mit ihm. Es musste furchtbar sein, sich nicht unter Kontrolle zu haben und so andere zu gefährden. „Am Besten du gehst jetzt und vergisst alles was passiert ist.“, sagte er leise, so leise, dass es kaum mehr als ein Flüstern war. Nein. Ich wollte aber nicht gehen! Irgendwie hatte sich die bescheuerte Hoffnung in meinem Kopf festgesetzt, dass die Tür sich doch noch öffnen wurde. Was sie natürlich nicht tat. Ein Seufzer entwich mir und ich rappelte mich auf. „Gut. Dann werde ich jetzt gehen. Es war schön dich getroffen zu haben, Hizumi. Ehrlich.“ Schon wieder ein Satz, der sich absolut unglaubwürdig und bekloppt anhörte, wenn man mal an die letzte Woche zurück dachte. Doch ich meinte es ernst. Auch wenn es nur zwei Tage gewesen waren und einer dieser Tage fast mit meinem Tod geendet hatte, waren es zwei wirklich schöne Tage gewesen und Hizumi schien mir nicht so unnahbar und oberflächlich zu sein, wie er mir ganz am Anfang unserer schicksalhaften Begegnung vorgekommen war. Ich wartete auf eine Antwort, doch es blieb still. Mit einem letzten Blick zur Tür, drehte ich mich um und durchquerte das nun düstere Treppenhaus. Als ich ins Freie trat, traf mich die kalte Luft wie ein Schlag ins Gesicht. Toll, das fehlte mir noch. Nass-kaltes Wetter und dann war es auch noch dunkel geworden. Ich kramte mein altersschwaches Handy aus der Hosentasche und sah auf die Zeitanzeige auf dem Display. Kurz nach sieben. Ich musste mich beeilen, Tsukasa würde in den nächsten zwei Stunden nach Hause kommen und er würde mir mit Sicherheit den Kopf abreißen, sobald er herausfand, wo ich gewesen war. Ich schlug meinen Mantelkragen hoch und versuchte, möglichst nicht wieder an Hizumi zu denken. So beschissen es sich auch anfühlte, ich musste ihn vergessen, das schien auch mir am sinnvollsten. Den Blick gesenkt hetzte ich durch die dunklen Straßen. Erst nach einer Weile merkte ich, wie schnell ich eigentlich gegangen war und dass mir langsam aber sicher die Puste ausging. Ich war schlichtweg zu unsportlich für diese Welt! Ich blieb stehen, um wieder etwas zu Atmen zu kommen. Immerhin hatte das bisschen Bewegung die Kälte aus meinem Körper vertrieben. Ich sah zum Himmel, der eine gelblich-graue Färbung angenommen hatte, wie in fast jeder Nacht. In dieser Stadt wurde es nie richtig dunkel und Sterne sah man so gut wie nie. Zumindest konnte ich mich nicht erinnern jemals einen Stern über Tokyo gesehen zu haben. Plötzlich schepperte etwas, nur wenige Meter neben meinem rechten Fuß. Reflexartig machte ich einen Satz nach links und mein Herz hämmerte wild gegen meinen Brustkorb. Ich blickte mich um, doch alles, was ich im gelblichen Schein der Neonlampen sah, war eine dürre, zerzauste Katze, die neben einem aufgeplatzten Müllbeutel hockte und mich aus großen Augen anstarrte. Blödes Vieh. Mir so einen Schrecken einzujagen. Ich gab einen kurzen, zischenden Laut von mir und die Katze verschwand hinter der nächsten Ecke. Ich atmete tief ein, um meinen Puls wieder auf ein ertragbares Level zu senken. Zum Ausatmen kam ich nicht mehr, denn eine Hand legte sich fest auf meinen Mund, erstickte jeden möglichen Hilfeschrei und mit einem schmerzhaften Ruck wurde ich rückwärts in die Dunkelheit gezogen. Das Herz schlug mir mittlerweile buchstäblich bis zum Hals und mein Gehirn sendete vergeblich den Impuls für einen Fluchtversuch. Noch bevor ich klar denken konnte, wurden mir mit einem Ruck beide Arme auf den Rücken gedreht und ein Schmerzensschrei, der jedoch durch die kalte Hand auf meinem Mund gedämpft wurde, entwich mir. Verzweiflung und Angst hatten mich erfasst. Ich versuchte mich mit allen Mitteln aus dem Klammergriff dieses Unbekannten, dessen Gesicht ich nicht sehen konnte, weil er hinter mir stand, zu befreien. Es war zwecklos. Genauso gut hätte ich versuchen können, mich aus einem festgezogenen Schraubstock zu befreien. Irgendwann gab ich auf. Mein Angreifer hatte scheinbar nur auf diesen Moment gewartet, denn ich spürte, wie ich weiter in das faulige Dunkel der engen Gasse gezerrt wurde. Mein Fuß stieß hart gegen eine rostige Metalltonne, die auf dem Boden lag und wieder durchzuckte mich eine Schmerzwelle, diesmal von meinem rechten Knöchel aus. Langsam, aber unaufhaltsam und fast lautlos zog mich mein Angreifer weiter. Ich stolperte rückwärts, das Brennen in meinem Knöchel war einem dumpfen Schmerz gewichen und die Gelenke meiner Schultern fühlten sich an, als ob nicht mehr viel fehlte, um sie endgültig auszukugeln. Resignation schlich sich in meine Gedankenwelt. Was auch immer mich da gerade mit sich zerrte, ich hatte das Gefühl, dass ich aus dieser Sache nicht mehr lebend rauskommen würde... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)