Dream on von Arianrhod- ([RayMariah]) ================================================================================ Kapitel 1: Higher than the moon ------------------------------- 1. when it's cold outside Manchmal glaubte Mao, sie könne nur glücklich sein, wenn sie die Gitarre zwischen den Fingern hielt und spielte. Sie spielte gern und lange, eine Leidenschaft, die sie früh entwickelt hatte, als ihre Eltern noch lebten und sie zusammen in dem kleinen Haus neben dem Gemüseladen gewohnt hatten, ihre Eltern und Lai und sie. Nachher wandelte es sich von Leidenschaft zu Zwang und sie spielte, bis ihre Finger bluteten und weiter, denn wenn sie spielte, dachte sie an nichts anderes, nicht an den Unfall, den Tod ihrer Eltern, wie es vorher gewesen war und dass es nie wieder so sein würde. Sie erinnerte sich an nicht mehr viel in dieser Zeit nach dem Tod ihrer Eltern. Es war wie ein Traum oder ein Alptraum, an etwas, was sie nicht mehr fassen konnte und die sich ihren Fingern entzog, wann immer sie danach griff. Da war nur ihre Gitarre, die sich glatt und fest unter ihren Finger anfühlte, und tausend Melodien, die durch ihren Kopf liefen und nach draußen wollten, und an die Kälte vor der Tür, an den Schnee und an die Luft, die ihre Lungen schnitt. 2. sweet melody Manchmal schlafwandelte sie. Es fiel ihrem Großvater Tao erst auf, nachdem sich die Trauer um ihre Eltern schon halb überwunden hatte, aber sie alle wussten, dass es sie es vorher nicht getan hatte, und er fand es amüsant, aber sie fand es nicht toll, mitten in der Nacht in der Küche aufzuwachen oder im Wohnzimmer. Lai lachte darüber, aber der Unterton in seiner Stimme strafte dieses Lachen Lügen und manchmal war er wach, wenn sie zurück in ihr Zimmer tapste und stand in der Tür seines eigenen. Manchmal war er nicht da und sie schlich leise durch den dunklen Flur. Manchmal war er wach, aber seine Tür geschlossen und die leise, sanfte Melodie, so süß wie reife Beeren im Sommer und so bitter wie grüne Äpfel im Frühjahr, ließ sie stets innehalten. Sie war nicht die einzige, die das musische Talent ihrer Eltern geerbt hatte, aber Lai hatte aufgehört, tagsüber zu spielen, wenn man ihn hören konnte, nachdem sie zu ihrem Großvater gekommen waren. Jedes Mal, wenn er nachts spielte und sie ihn hörte, setzte sie sich in die Nische seiner Tür und lauschte. Am Morgen fand er sie dort, schlafend und zusammengerollt wie ein Baby. 3. breathe Es war schon dunkel und der Park verlassen, wenn sie von ihrer Gitarrenstunde auf dem Weg zu dem Haus ihres Großvaters war, das hinter der Grünanlage lag. Die Lampen beleuchteten die gewundenen Hauptwege und die Pflanzen und Bänke am Rand. Der Kies knirschte leise unter ihren Füßen, wenn sie rasch daran entlang schritt, und der Wind raschelte in den Laubbäumen und fuhr durch ihre langen Haare, die sie stets zu einem Zopf gebunden trug. Die Gitarre fühlte sich schwer auf ihrer Schulter an, während sie regungslos da stand und den Jungen anstarrte, der auf der Lehne der Bank saß und sang. Das Licht der Straßenlampe verlieh ihm einen überirdischen Schein und sein Gesicht lag im Schatten. Er sang von gebrochenen Herzen und Nähfaden, von Sonnenschirmen und Sommergras. Er verschlug ihr den Atem. 4. haunting Er hieß Rei und er ging mit ihrem Bruder in eine Klasse, wenn auch erst seit zwei Wochen. Lai brachte ihn einmal mit um eine Schularbeit zu machen. Rei mochte Rock und Metal, erfuhr sie, als sie ihn in einem CD-Laden traf, wo er zwischen den Regalen herumstöberte. Er liebte lange Spaziergänge, auch im Winter, sagte er ihr, als sie ihm wiederholt im Park begegnete, wenn sie ging, um Dinge zu erledigen oder ihrer Gitarrenstunde. Er mochte Nüsse und Schokolade, bemerkte sie, als er mit seinen Einkäufen zur Kasse ging. Sein Vater war ein viel reisender Geschäftsmann, der nie Zeit für seinen Sohn hatte, und seine Mutter war tot, sagte er ihr, als sie ihn zufällig auf dem Bahnhof traf, wo er seinen Vater abholte. Außerdem mochte er es, den Mädchen, die er mochte, Rosen zu schenken, erklärte er ihr, als er ihr eine pinke Rose reichte. Sie suchte seine Gesellschaft nicht und er nicht ihre und doch trafen sie sich so oft, dass sie Freunde wurden und vielleicht mehr und sie ihm von ihrer Gitarre berichtete, ihren blutenden Fingern und Lais Gewohnheit, nur nachts zu spielen, wenn er glaubte, dass sie und Großvater Tao schliefen. 5. anything is possible Das erste Mal die Idee, eine eigene Band zu gründen, hatten sie, als Lai Gaou mitbrachte und ihnen erzählte, wie gut der große, freundliche Junge mit dem Schlagzeug war. Er gab ihnen eine kleine Kostprobe, auf Töpfen und Möbeln und Mao lachte und klatschte dazu, während die anderen beiden Jungen anerkennend grinsten. Sie lernten, dass Gaou kein glücklicher Junge war, auch wenn er so wirkte und sich bemühte, es wirklich zu sein. Er war groß und langsam und die Gleichaltrigen hänselten ihn deswegen und wegen seiner Mutter, die nie verheiratet gewesen und arm war und sich und ihren Sohn mit mehreren kleinen Jobs über Wasser hielt. Sie trafen sich oft und er begann, sich bei ihnen wohl zu fühlen. An einem Abend blieben sie lange, lange auf und zusammen und redeten und als sie in Taos Wohnzimmer einschliefen hatten sie einen Bandnamen. Es fühlte sich an, als wäre in diesem Augenblick alles möglich. 6. treasure hunt Sie hatten sich nach Byakko, dem Weißen Tiger, benannt und sie suchten einen Bassspieler, denn ohne Bass konnten sie alles vergessen und das wollten sie nicht. Sie wollten das, was sie begonnen hatten, weiterführen – auch wenn keiner von ihnen ein Ende sah oder sehen wollte. Es war schwerer, als sie es sich vorgestellt hatten. Auch wenn sie eine Reihe von Leuten fanden, die mehr oder weniger in der Lage waren den Bass zu spielen, so war doch keiner dabei, der ihren Anforderungen entsprach. Entweder sie waren zu schlecht oder sie kamen nicht mit einem von ihnen vier aus. Rei plauderte mit jedem, Lai kritisierte jeden, Gaou wagte es nicht, seine Meinung zu artikulieren und Mao selbst wusste nicht, was sie tun sollte, also schwankte sie zwischen einer der drei Möglichkeiten, die die anderen ihr vormachten. Es war wie die Suche nach einem Schatz und entlang des Weges fanden sie viel, viel mehr, als sie gesucht hatten. Am Ende der Suche wartete jemand auf sie, für den es sich gelohnt hatte. Kevin war wie ein Affe, aber gleichzeitig so geschickt auf seinem Instrument, dass sie sich auf der Stelle in sein Spiel verliebte und es nicht zugelassen hätte, wenn sie ihn wieder hätten gehen lassen. 7. kiss Es dauerte lange, bis sie sich aufeinander eingespielt hatten, ehe sie etwas anderes in Frage ziehen konnten. Mao genoss jede einzelne Sekunde und doch erschienen ihr die folgenden Monate verschwommen und unklar, ein einziger Fleck aus Musik und Byakko, aus ihren Gefühlen und Träumen. Musik und Byakko, das wurde eins für sie und dazu gehörten lange Abende und durchgemachte Nächte, Lai und Gaou, Kevin und Rei, viel Schokolade und Eis und Gelächter und blutende Hände. Ihre Gefühle waren ein Chaos und doch wusste sie, sich genau zurechtzufinden darin. Und sie explodierten, als Rei sie das erste Mal küsste, während einer ihrer Nächte vor der Garage von Kevins Eltern, die sich nicht darum kümmerten, was ihr Sohn tat. Die anderen sagten nichts, als sie zurückkamen, die Hände ineinander verschlungen. Es war das erste Mal, dass sie sich wieder wirklich glücklich fühlte. Ihre Träume waren groß und weit und vielleicht unerfüllbar, aber sie liebte sie und sie liebte es, zu träumen und sie würde es nicht aufgeben. 8. flying without wings Es roch nach Alkohol und Zigaretten, die Kneipe war verraucht und das Licht schummrig. Die Leute vor der Bühne schrieen und jubelten der anderen Band zu, die auf der großen Bühne spielten und den Zuschauern gehörig einheizten. Die Musik dröhnte aus den großen, alten Boxen, die links und rechts an der Bühne angebracht waren, und ließ die Gläser klirren. Mao starrte die Gruppe an und fragte sich, ob Byakko je so gut sein konnten, während sie an ihrem Glas nippte. Eine Woche später spielten sie auf dieser Bühne, die von Lichtern angestrahlt wurde, und die Musik dröhnte aus den Boxen, es war verraucht und roch nach Alkohol. Mao strahlte über das ganze Gesicht, während ihre Finger über die Saiten glitten und fühlte sich zum ersten Mal wieder wirklich lebendig. Sie fühlte sich, als würde alles stimmen, als wäre es dies hier wofür sie geboren war. Hier waren die Band, ihre Freunde, Rei, hier war die Bühne, die schreiende Menge und die Musik. Es war, als würde sie fliegen, auch wenn sie keine Schwingen hatte. 9. vanilla; flavour Lai war es, der mit der schlanken Broschüre für das Festival ankam, einige Monate nach ihrem ersten wirklichen Auftritt, auf den noch viele mehr gefolgt waren, als sie um den Gartentisch hinter dem Haus von Kevins Eltern herumsaßen und Eis aus der Packungen aßen. Es war Vanilleeis, was Mao besonders liebte, und so aß sie jeden Löffel mit Genuss. Lai hob die Broschüre hoch, so dass alle die dicken Zeilen lesen konnten, die verkündeten, dass auf die siegreiche Gruppe des Wettbewerbs ein Plattenvertrag stand, das, was sich jede junge, aufstrebende Band erhoffte. Die Aufregung, die sofort alle ergriff, war mehr als nur spürbar und sie ließ sie alle aufspringen und wild durcheinander plappern. Und davon träumen, Byakko auf dem Siegerpodest stehen zu sehen. Dieser Tag hatte einen ganz besonderen Geschmack. Er schmeckte nach Glück und Zukunft. 1o. white dragon Sie kamen früh an und wurden früh entmutigt, als sie Stormdragon spielen hörten, die Band um Kinomiya Takao, der einen weißen Drachen auf dem T-Shirt trug, die Band, die alles waren, was Mao sich von Byakko erträumte. Sie waren perfekt. Sie trafen sie nachher hinter der Bühne, als sie noch einmal alles durchsprachen. Takao war laut und arrogant, seine Freundin, die Keyboarderin, war ebenfalls laut, aber jedes Mal, wenn er zu weit ging, zog sie ihm eins über den Hinterkopf. Mao fragte sich, ob er deswegen einen Dachschaden bekommen würde. Wenig später spielten sie auf der großen Bühne, die so viel größer war als alle anderen, die sie bis jetzt kannten, und vor einem Publikum, dass sie kaum überblicken konnten, und mit Boxen, aus denen ihre Musik dröhnte und Mao dachte, auch wenn Stormdragon ihnen den Preis vor der Nase wegschnappte, es lohnte sich doch alles hier. Sie spielten besser als zuvor. Oder schlechter denn je. 11. phoenix; rebirth Manchmal fragte sie sich noch, was sie davon erwartet hatten. Ob sie wirklich geglaubt hatten, sie würden etwas bekommen, unter den besseren sein. Sie wurden nicht Erster. Auch nicht Zweiter oder Dritter. Nicht einmal Zehnter. Sie waren gut, aber nicht gut genug, und die Fahrt nach Hause war schweigsam und still, nahezu totenstill. Danach spielten sie für Tage nicht mehr, zumindest nicht gemeinsam. Lai verlegte sich wieder darauf, nachts zu spielen, allein wie sonst. Sie rührte ihr Instrument nicht an, bis sie sich in den Garten setzte, allein, und leise an den Saiten zupfte. Sie verstand nicht, warum es sie so mitnahm, denn es hatte nicht viel zu bedeuten. Was bedeutete etwas? Ihre Musik, ihre Freunde, Rei, ihr gemeinsames Spiel, ihre Träume. Nicht das Festival oder ein Plattenvertrag. Sie hatte all das, was zählte. Auch ihre Träume, vor allem sie, denn sie hatte nicht vor, aufzuhören von dem zu träumen, was sie wollte. Denn Träume starben nur, wenn man es zuließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)