Grief von Vinushka ((Kaoru x Toshiya)) ================================================================================ Kapitel 1: I live without feeling the truth ------------------------------------------- GRIEF (Toshiya x Kaoru) 1. I live without feeling the truth Kaoru kam von einem langen Arbeitstag –er ist natürlich als letzter gegangen- zurück ins Hotel. Er schloss die Tür auf und betrat das bereits dunkle Zimmer. Er zog seine Schuhe aus und ging geradewegs in Richtung Bett. Er tastete sich durch die weichen Federn bis hin zur Bettkante zum Lichtschalter der Nachttischlampe, den er betätigte. Durch den Lampenschirm drang gedämpftes Licht in den Raum und gab Kaoru Ausblick darauf, dass sein Bett nicht leer war. In ihm lag ein schmaler junger Mann, dessen Gesicht von seinem schwarz-braunem Haar gänzlich verdeckt war. Kaoru drehte ihn auf den Rücken und streifte ihm sanft seine dunklen Strähnen aus dem Gesicht. „Wach auf, Toshiya“, säuselte der Leader, während er sich sein schwarzes Hemd aufknöpfte. Besagter Bassist regte sich nicht, sondern atmete ruhig weiter. Kaoru zog sich das Hemd von den Schultern und hang es über die Bettkante. Er stupste Toshiya an, doch dieser murrte nur. Milde lächelnd beugte er sich über ihn und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange. Toshiyas Augen öffneten sich und sahen nun den Gitarristen verklärt an. „Weißt du eigentlich wie spät es ist? Ich bin müde…“, flüsterte Toshiya und schloss die Augen wieder, „mach die Funzel aus!“ Kaoru grinste. „Ist es schon zu spät für ein bisschen Liebe?“ „Du meinst wohl Sex?“, entgegnete Toshiya und zog die Augenbrauen hoch. Kaoru begann mit seiner Hand über Toshiyas nackte Brust zu fahren und kreiste um seinen Nippel. Er zog sich zusammen und wurde steif und Toshiya schreckte nach oben. „Verdammt noch mal, lass das!“ Kaoru zog eine zuckersüße Schnute und sah Toshiya aus Hundeaugen an, ein Blick, den man sich aneignete, wenn man ein Jahr lang der feste Freund von Toshimasa Hara war. „Jetzt bereit für Liebe?“ Toshiya lächelte ihn an. „Okay, überzeugt.“ Er wand sich aus der Bettdecke und richtete sich vor Kaoru auf. Der Leader legte seine Arme besinnlich um Toshimasas Taille und zog ihn willig zu sich heran. Er drückte seine sinnlichen Lippen auf Totchis Mund und fuhr mit seinen Händen den Rücken seines Geliebten auf und ab. „Toshiya“, keuchte er dazwischen als er sich kurz von ihm löste, „bleib für immer bei mir.“ „Ich liebe dich auch, Kaoru.“ Toshimasa war es gewohnt, dass Kaoru nie >Ich liebe dich< sagte. Stattdessen sagte er Dinge wie >Bleib bei mir< oder >Verlass mich nie<. Wahrscheinlich schämte er sich sonst. Toshiya konnte es sich selbst nicht erklären. Kaoru war nun mal ein typisch japanischer Mann. Der junge Bassist öffnete den metallenen Hosenknopf seines Freundes und öffnete dessen Hosenschlitz. „Schwein“, flüsterte er Kaoru liebevoll zu, als er feststellte, dass dieser keine Unterhose trug. Der Leader zuckte nur erregt zusammen und warf den Kopf in den Nacken, als Toshiya begann ihn mit der Hand zu befriedigen. Kaoru biss sich lustvoll auf die Unterlippe damit ihm kein erregtes Stöhnen entwich. Toshiya lächelte verschmitzt und packte härter zu. Vor Schmerz und gleichzeitiger Erregtheit musste der Leader nun doch herzhaft aufstöhnen. Der junge Bassist, den dieses Geräusch ziemlich geil gemacht hatte, drückt seinen Liebsten nun auf das Bett. Er zog Kaorus Hose nach unten und streichelte über Kaorus Beckenknochen. Allerdings war der Ältere dort kitzelig und so wand er sich leicht genervt unter Toshiya. „Was soll das werden? Wir wissen doch hoffentlich beide, wer von uns der Aktive ist!“, sagte Kaoru, der von Beruf wohl Seme war. Toshiya lächelte. „Dafür bin ich doch viel zu faul, das weißt du doch!“, entgegnete Toshiya und zog seine enge Unterhose über den Po. Kaoru erwiderte sein Lächeln und schlang seine schlanken Arme um Toshiyas Hals. Toshiya ließ sich auf Kaorus Bauch ziehen und verteilte kleine Küsse auf dessen Brust. „Hör auf mit der Kinderkacke und lass mich ran!“, meckerte der Ältere und murrte. „Niikura, du bist so doof!“, zischte Totchi beleidigt, „ich wollt doch nur schöne Stimmung machen. Kann ja nicht jeder so rattig sein wie du!“ „Ich bin nicht rattig!“ „Ich bitte dich! Wenn du noch härter wärst, wäre deine Hose geplatzt!“ Toshiya war ziemlich sauer, Kao schien das allerdings nicht zu beeindrucken. Stattdessen zog er Toshiya wieder zu sich und wollte, dass er sich rittlings auf ihn setzte. Der Bassist aber, drückte sich von ihm weg und zog seine Unterhose wieder nach oben. „Das ist jetzt nicht dein Ernst?!“, maulte der Leader, „macht dein Süßigkeitenladen heute noch mal auf?!“ „Für dich bestimmt nicht!“ „Ach bitte, Toshimasa, jetzt lass doch nicht die sexgeile Schlampe raushängen. Wir wissen beide, dass ich der Einzige bin, der dich besteigt!“ Toshiya schenkte Kaoru einen eisigen Blick. „Hast du mich ‚Schlampe’ genannt? Verdammt, du weißt genau, dass ich das nicht bin! Das Image-„ „-hat nichts mit deiner echten Persönlichkeit zu tun, bla bla. Oh bitte…“, vervollständigte Kaoru den Satz. „Was ist los mit dir? Hast du zu viel gearbeitet oder gesoffen?“ Toshiyas Stimme klang gebrochen. Er war verletzt, von dem was Kaoru von sich gab, obwohl er es doch am besten wusste. „Verdammt noch mal ja! Ich hab gearbeitet und nicht zu wenig! Und wenn ich jetzt ins Hotel komme und weiß, dass wir morgen Abend ein Konzert geben, will ich, dass du ohne zu Maulen bereit bist, es mit mir zu tun. Ich hab nen verspannten Rücken und will morgen möglichst locker sein, also komm her und- Was zum Teufel tust du da?“ Kaorus Erklärung wurde von Toshiya unterbrochen. Der Bassist war vom Bett aufgestanden und hatte ein weißes Shirt aus seiner Reisetasche gezogen. Verwirrt schaute Kaoru ihn an, als Toshiya sich dann auch noch eine etwas weitere, kurze schwarze Hose anzog, die ihm wohl als Schlafanzug diente. „Ich schlaf bei Shinya. Du kotzt mich grad echt an, ehrlich.“ Kaoru sprang ebenfalls vom Bett hoch und rannte zu Toshimasa, der gerade die Zimmertür öffnen wollte. Er packte den Jüngeren bei der Hand und hielt ihn grob fest. Allerdings nur um ihn dann sanft in seine Arme zu ziehen. „Kaoru… Bitte lass das, du machst es nur schlimmer… Ich hoffe, dass du nur überarbeitet bist… Aber ich will heute lieber nicht bei dir schlafen.“ Phlegmatisch, wie in Zeitlupe, ließ Kaoru den Bassisten los. Seine Arme hingen träge links und rechts an ihm herunter. Toshiya starrte eine kurze Zeit lang auf den Boden vor Kaos Füßen, dann drehte er sich um und drehte den Türknauf um das Zimmer zu verlassen. Kaoru ging zurück zum Bett und legte sich hinein. Sein Blick harrte noch auf dem Kissen, wo die Stelle auf der Toshiya lag, noch immer eingedrückt war. Er schaltete die Nachttischlampe aus uns versuchte zu Schlafen. Sein Rücken war verspannt und schmerzte sehr… Derweil war Toshimasa zum Hotelzimmer des jungen Drummers gegangen. Vor der hölzernen Türe blieb er stehen und klopfte zaghaft dagegen. Als niemand öffnete haute er härter mit seinen Handknöcheln gegen das Holz. Die Tür öffnete sich und Shinya sah vorsichtig hindurch. Sein rötlich-blondes Haar war völlig verwuschelt und seine Augen waren zu kleinen Schlitzen zusammengekniffen, die das Licht vom Zimmerflur nicht durchdringen lassen wollten. „Toshimasa, was willst du noch um die Zeit?“ Der Bassist druckste herum. Er atmete kurz ein, als ob er zu sprechen beginnen wollte, atmete dann aber wieder aus, ohne dass ein Wort seine Lippen verließ. Shinya schob die Tür weiter auf, sodass Toshiya eintreten konnte. Toshiya ging an Shinya vorbei, den Blick durchs Zimmer schweifend. Shinya hatte nichts in seinem Hotelzimmer angerührt, so schien es zumindest. Die Blumen standen noch genauso auf der Mitte des Tisches, wie beim Einzug. Fein säuberlich mittig auf dem weißen runden Tischdeckchen. Die roten Vorhänge waren noch immer aufgezogen, nicht wie in ihrem Zimmer, wo Toshiya gleich als erstes die Gardinen zuzog, damit niemand sah, was die beiden trieben. Der junge Schlagzeuger setzte sich auf sein Bett und klopfte neben sich auf die Matratze. „Setz dich doch bitte.“ Toshiya kam der Bitte nach und setzte sich vorsichtig neben Shinya nieder. „Was gibt’s? Stimmt was nicht?“, fragte Shinya und legte sich selbst und Toshiya seine Bettdecke über die Schultern. „Nichts von Bedeutung.“ „Gab’s Ärger mit Kaoru?“ Toshiya schwieg. Shinya, Die und Kyo hatten keine Ahnung, was sich nachts zwischen ihrem Leader und dem Bassisten abspielte. „Hattet ihr Streit?“ Toshiya schüttelte den Kopf. „Darf ich dich mal was ganz anderes fragen? Nur so, unter Freunden…“ Shinya nickte lächelnd. Toshiya erwiderte das Lächeln für kurze Zeit und begann: „Hattest du schon jemals das Gefühl, dass du jemanden nicht mehr liebst, obwohl du ihn lieben willst?“ Shinyas Antwort war kurz und knapp: „Nein.“ Er bemerkte aber, dass Toshimasa das nicht hören wollte und so fuhr er fort: „Ich glaube, dass das normal ist. Es gibt halt Zeiten, wo man völlig verliebt ist und dann gibt es Zeiten in denen die Liebe nachlässt. Aber trotzdem ist und bleibt man verliebt. Warte einfach ab.“ „Und wenn er mich betrügt, während ich warte?“ „Er?!“ Toshiya verstummte und starrte auf seine Knie. „Toshiya“, fing Shinya an und legte seine Hand auf den Oberschenkel des Älteren, „es ist egal ob Mann oder Frau. Ich war bloß ein bisschen überrascht… Warum sollte er dich betrügen? Vertraust du ihm nicht?“ „Ich weiß einfach nicht… Es geht ihm manchmal mehr um Sex als um mich…“ „Ist er gewalttätig wenn er Sex will?“, fragte Shinya und sah ernst drein. „Nein, überhaupt nicht. Noch nie.“ „Hat er dir gesagt, dass er dich liebt?“ „Noch nie.“ „Hast du es ihm gesagt?“ „Ein Dutzend mal…“ Shinya legte behutsam seinen Arm um Toshiyas Schulter und legte seinen Kopf auf dessen Seite. „Wie lange kennt ihr euch schon?“ Toshiya schwieg zuerst. Shinya war nicht blöd. Würde er die Wahrheit sagen, würde er wohl sofort Bescheid wissen. „Ich weiß nicht, ein paar Jahre sicher…“, antwortete er stattdessen. „Und wie lange seid ihr zusammen?“, fragte er weiter und rieb sich kurz sein linkes Auge, was sich nicht recht an das Licht im Zimmer gewöhnen wollte. Toshiya seufzte. „Ein Jahr, fünf Monate und 16 Tage.“ Der Schlagzeuger lächelte bitter. So sehr liebte Toshiya ihn also… Toshiyas Augen verengten sich und er sprach weiter: „Er war heute unglaublich gemein zu mir. Vielleicht lag es auch nur an der Arbeit, vielleicht war er ja auch nur gestresst oder so…“ Shinya nickte ihm zu und sah dann zu Boden. Seine dünnen Beine baumelten leicht vom Bett herunter, daneben Toshiyas, fest auf der Erde. „Geh zurück zu Kaoru und stell ihn zur Rede“, sagte der blonde Schlagzeuger dann und zog seine Arme an seinen Körper zurück. Toshimasa riss die Augen weit auf. Hatte er sich doch verplappert?! Verdammt, warum war Shinya nur so intelligent? (Anm.: Das Gegenteil wäre doch schlimmer! (^.^)°) Shinya zog die Decke von Toshiya herunter und schlang sie fast schon selbstsüchtig um sich selbst. Dann ließ er sich auf das weiche Hotelbett nach hinten fallen und richtete seinen Blick an die Decke. „Ich hab keine Sekunde daran gezweifelt, dass es Kaoru ist“, sagte er dann ruhig. Aus dem Augenwinkel betrachtete er Toshiyas Rücken, der sich außer leichten Atembewegungen nicht bewegte. Er fragte sich, was gerade in seinem Freund vorging… „Du warst zwar oft mit mir zusammen. Und hast dir sonst das Zimmer mit mir geteilt… Aber du hast mich immer anders angesehen als Kaoru. Ich weiß nicht, als was du mich ansiehst, aber ihn siehst du an, als wäre er für dich ein Gott.“ Toshiya sah über seine Schulter zu Shinya und fragte leise: „Wissen Kyo und Die es auch?“ Shinya besah sich wieder die Zimmerdecke und streckte sich kurz. „Wenn du mich fragst“, begann er dann, „Die hat deine Blicke zu unsrem Leader längst bemerkt und Kyo steht sowieso über den Dingen. Er wusste es sicher schon bevor du es selbst wusstest.“ Der junge Bassist erhob sich vom Bett und verschränkte, sich wärmend, die Arme vor der Brust. „Bin ich wirklich so ein offenes Buch für alle?“ Shinya setzte sich auf. Er richtete sein zerstrubbeltes Haar und setzte sich im Schneidersitz. Er schüttelte den Kopf, obwohl er genau wusste, dass Toshiya das sowieso nicht sehen konnte. „Nur für die Menschen, die dich lieben“, antwortete Shinya. Gutmütigkeit und Wärme lag in seiner Stimme. Toshiya seufzte lang und gedehnt. „Ich kann da nicht wieder zu Kaoru rein spazieren. Jetzt lass mich schon bei dir schlafen!“ Shinya lachte kurz auf. „Was soll das denn? Willst du ihn eifersüchtig machen?“, fragte Shinya und zog an Toshiyas T-Shirt, sodass der Bassist wieder aufs Bett plumpste. „Ich hab keinen Bock heute noch mit ihm zu reden. Als Kumpel und Leader ist er vielleicht unübertrefflich, aber als fester Freund…“, zischte Toshiya zwischen seinen Zähnen hervor. „Ein ungeschliffener Diamant, vielleicht?“, fragte Shinya um Toshiyas Satz zu komplettieren. „Nee, eher ein Fels aus dem der Diamant rausgekloppt werden muss, um ihn dann zuschleifen…“ Toshiya lächelte Shinya leicht an und der Drummer lachte los. Toshiya mochte es wenn Shinya so lachte und so lachte er mit. Sie kriegten sich schnell wieder ein und Shinya rutschte vom Bett herunter und stand auf. Die weiße Bettdecke feuerte er hinter sich aufs Bett und er streckte sich herzhaft. Sein Gesicht nahm dabei die Züge einer Katze an, die eben erst gegähnt hatte. Toshiya lächelte seinen Freund verschämt an. Wie wäre es wohl, wenn Shinya sein Freund wäre? Er schüttelte sofort seinen Kopf um diesen verwirrenden und gleichzeitig unfairen Gedanken, gegenüber Kaoru, loszuwerden. Er musste sich auch schnell wieder fassen, denn Shinya hatte ihm seine schlanke Hand hingehalten. Toshiya sah ihn an wie ein Schaf, dass einen Rückwärtssalto vollführen sollte und fragte unsicher blinzelnd: „Was willst du?“ Shinya drehte genervt den Kopf und rollte dabei mit den Augen. „Gib mir deine Hand, Mann!“ Toshiya legte seine Hand in die des Drummers. Sie war genauso zart, warm und weich wie er sie in Erinnerung hatte. Schon wieder dachte er daran seinen Kaoru zu hintergehen… Shinya marschierte los in Richtung Tür. Toshiya bekam davon wenig mit. Er überlegte, warum er plötzlich solche Gedanken hegte. Fühlte er sich einsam? Warum – Kaoru war immer für ihn da, wenn er ihn brauchte. Wollte er es Kaoru heimzahlen? Was bitteschön heimzahlen – Kaoru war nur ein Mensch, auch er hatte mal schlechte Laune und machte Fehler, auch wenn sie verletzend waren. Und selbst wenn, Shinya für seine selbsternannte Rache zu missbrauchen war nun wirklich unterste Schublade. Schließlich tat Shinya alles um Toshiya zu helfen, selbst jetzt. Der Bassist merkte plötzlich ein unangenehmes Stechen in seiner rechten Wange, ausgelöst von Shinya, der ihn gerade mit seinem Zeigefinger piekste. „Erde an Hara Toshiya, bist du noch da?“ Der Drummer zeigte auf Toshimasas Kopf, also auf sein Hirn. „Lass den Scheiß“, zischte Toshiya und lachte leise. Erst jetzt bemerkte er, wohin Shinya ihn gezerrt hatte: Vor sein, Toshiyas, Hotelzimmer in dem er Kaoru zurückgelassen hatte. Hinter der Tür schien alles ruhig zu sein. Wahrscheinlich schlief sein geliebter Leader schon. „Was wird das?“, fragte Toshiya ungläubig und lehnte sich an die Wand neben der Tür. Shinya zog eine lächelnde Schnute. „Menno, jetzt geh schon zu Kaoru und klär das mit ihm!“ „Ich soll was?!“ Toshiya fuhr zusammen. „Frag ihn ob er dich liebt und stell ihm ein Ultimatum!“ Schon wieder erinnerte Toshiyas Blick an den des wolligen Tieres auf der Weide. „Ultimatum?! Was willst du von mir?!“ „Gott, jetzt stell dich nicht doof! Sag ihm, dass er die Wahrheit sagen soll oder das du ihn sonst verlässt!“ Toshiyas Augen verengten sich. „Was is’n das für ’ne Schnapsidee? Entweder er sagt nichts oder er wird mir sagen, dass er mich nicht liebt; in beiden Fällen wär es das Aus!“ Shinya sah bedrückt zur Seite. Daran hatte er gar nicht gedacht. Er fasste sich schnell wieder und antwortete: „Wäre es dir denn lieber mit ihm zusammen zu bleiben obwohl er dich nicht liebt?“ Toshiya schwieg kurz; er räusperte sich und sprach sehr leise. „Lieber leb ich mit der Lüge als allein zu sein…“ Shinya stockte der Atem. Toshiya stand vor ihm an der Wand, haute diesen Satz mit einer solchen Gleichgültigkeit raus, wie es Shinya noch nie erlebt hatte. Er konnte sich so keinen Reim darauf machen, was der Bassist meinte und ob es sein Ernst war. „Bist du denn alleine?“ Toshiya grinste spöttisch auf den Boden, schaute Shinya nicht ins Gesicht. „Ich war mein ganzes Leben allein, jeder wollte mich nur besteigen, nie war es ihr ernst. Selbst wenn Kaoru es nicht ernst meint; er ist länger als nur eine Nacht bei mir geblieben. Er hat mich gebeten für immer bei ihm zu bleiben. Würde er das fragen wenn er mich nicht wenigstens etwas liebt? Oder zumindest…gern hat? Er war eigentlich immer gegen mein Image als Schlampe.“ Der letzte Satz war nur ein Flüstern, wenn nicht gar ein Hauchen. Shinya tat es weh Toshiya so angreifbar zu erleben. Nie hatte er so offen über seine Gefühle gesprochen. Er hatte auch nie erwähnt, wie er sich mit dem Titel ‚Schlampe’ fühlte. Nie hätten sie angenommen, dass Toshiya tatsächlich der Typ war, der viele Liebhaber hatte… Er war immer der, der lachte und alles hinnahm ohne sich zu beschweren. Für Shinya war es nun schwer eine Antwort zu finden. Alles was Toshiya sagte, klang so seltsam aus seinem Mund. Toshimasa bestückte Shinya mit einem Blick, der ihm zeigte, dass es keine Antwort gab, auf das, was Toshiya gesagt hatte. „Es tut mir leid“, murmelte der Schlagzeuger, dem Blick seines Freundes ausweichend. „Für was entschuldigst du dich? Das macht meine Situation auch nicht besser!“ Shinya schrak zurück. Toshiya stieß sich mit den Händen von der Wand ab und ging, Shinya auffällig anrempelnd, zu seiner und Kaos Hotelzimmertüre. Er drehte den Knauf, ohne Shinya auch nur anzusehen und ging in das dunkle Zimmer, schlug die Tür laut hinter sich zu. Shinya schaute ihm betrübt hinterher, dann machte er kehrt um wieder in sein Zimmer ins Bett zu gehen. Toshiya stand nun im Finstren. Er konnte die Hand vor Augen nicht erkennen und so blieb er eine Weile stehen, bis sich seine Pupillen an die Dunkelheit einigermaßen gewöhnt hatten. Er erkannte gerade mal so ihr Bett und taumelte darauf zu, dabei sich seines T-Shirts entledigend, was er vorhin erst angezogen hatte. „Sorry, Kao, dass ich so einen Lärm gemacht hab. Hab ich dich geweckt?“ Er war am Bett angekommen; Kaoru antwortete nicht; sicher war er sauer. Toshiya tastete auf der Matratze herum und konnte Kaoru auf der linken Seite nicht fühlen und so kroch er unter die Decke und legte sich hin. Er legte sich mit dem Blick zur Tür, drehte Kaoru so den Rücken zu. „Wenn du immer noch mit mir schlafen willst, können wir jetzt. Oder soll ich dir den Rücken massieren?“ Stille. „Bist du sauer? Tut mir leid… Oder schläfst du schon halb?“ Wieder keine Antwort. Toshiya schluckte und griff nach dem kleinen schwarzen Schalter für die Nachttischlampe. Nach einem kurzen Knipsen wurde der Raum von gedämpftem Licht durchströmt und wieder mussten sich Toshiyas Augen daran anpassen. Geblendet, denn er lag ja direkt neben der Glühbirne, richtete er sich auf und blickte hinüber auf Kaorus rechte Seite. Toshiyas Augenlider flackerten verstört; er blickte sich um doch er war nicht da. Kaoru war weg. Deprimiert seufzte Toshimasa und zog seine Beine an den Körper. Er schlang die Arme darum und vergrub stöhnend seinen Kopf in den Knien. Klar war Kaoru gegangen. Er war ja schließlich so fies zu ihm gewesen. Geistesabwesend zog Toshiya seine Arme fester um sich selbst. Er wusste weder wo Kaoru hingegangen war, noch wann er wieder kommen würde. Eine Weile verharrte er in dieser Position. Dann kam ihm wieder Shinya in seine Gedanken und wie er ihn behandelt hatte. Der Tag war einfach nur beschissen. Er griff zum hölzernen Nachttisch neben ihm und tastete auf dem glatt lackierten Holz herum, bis er sein kleines schwarzes Handy unter seinen Fingern spürte. Er zog es an dem kleinen Astro-Boy-Anhänger (Anm.: Totchi steht halt drauf…) vom Tisch herunter in seinen Schoß. Er begann darauf herumzutippen, ziemlich schnell, denn er hatte schon verdammt viel Übung. >Sorry, dass ich so gemein war, Shin! Falls du noch nicht schläfst, gute Nacht ♥< Er hämmerte Shinyas Nummer, die er auswendig kannte, in die silbernen Tasten und sendete sie ab. Zwar nur ins gegenüberliegende Zimmer, aber so erschien es Toshiya nun mal sinnvoller. Er dachte darüber nach Kaoru zu schreiben, aber das ließ er dann doch bleiben. Er selbst hatte keine neuen Nachrichten, nur zwei entgangene Anrufe; von Kyo, der ihn sicherlich nur angeklingelt hatte, um zu testen, ob sein neues Mobiltelefon auch seinen Soll erfüllte, und von Die, der es wohl einfach aus Spaß an der Freude Kyo gleichgetan hatte. Seit sie in China waren hingen die beiden nur aufeinander. Toshiya schmunzelte in sich hinein, als er an gestern dachte; die beiden riefen Kaoru völlig verstört an, da sie sich verlaufen hatten und die chinesische Schrift für sie einfach keinen Sinn ergab. Vier geschlagene Stunden später fand Kaoru sie dann, etwa 200 Meter von ihrem Hotel entfernt… Die Standpauke beanspruchte dann noch mal eine Stunde. Trotzdem konnte Toshiya keinen ruhigen Gedanken über Kaoru fassen und so wählte er unsicher die Nummer des Leaders. Das Freizeichen erschien und Toshiya wartete. Kaoru hatte sein Handy auf stumm geschaltet. Allerdings vibrierte es jetzt penetrant in der Gesäßtasche seiner schwarzen Jeans, die am Boden lag. Neben dem Bett in dem er lag. Er wusste, dass er in dieses Bett nicht gehörte und trotzdem konnte er nicht erahnen wer dieses unangenehme Vibrieren verursachte. Er zog sein Handy aus der Hose; sein Blick wanderte zu der Person neben ihm. Er kannte sie nicht wirklich, sprach nicht mal ihre Sprache. Sie wusste nicht mal, dass Kaoru eine Berühmtheit war. Er hatte sie an der Hotelbar getroffen, sie hatte ihn angesprochen. Erst in Chinesisch, dann in Englisch. Kaoru fand sie niedlich, allerdings war sie keine Frau in die er sich verlieben hätte können. Das war ihm von Anfang an klar. Er schaute auf das Display seines Handys und sah Toshiyas Namen. Er seufzte und nahm ab. „Was ist?“, fragte Kaoru in seinem neutralen Leader-Tonfall, emotionslos. „Kaoru, wo bist du denn? Geht es dir gut?“ „Warum fragst du? Woher weißt du eigentlich, dass ich nicht im Zimmer bin? Bist du nicht mehr bei Shinya?“ „Nein… Es tut mir leid. Ich war nur müde und sauer. Ich meinte alles nicht so.“ Toshiya schniefte kaum merklich in die Telefonleitung hinein. „Krieg dich ein! Ist doch nun auch egal!“ „Ist es nicht!“, rief Toshiya aufgebracht, „Bitte komm wieder her. Du fehlst mir.“ „Was soll der Scheiß? Ich bin erst seit ein paar Stunden weg. Warum gehst du nicht wieder zu Shinya?“ „Kaoru, was ist denn los?“, fragte Toshimasa kleinlaut am anderen Ende der Leitung. „Frag nicht so dämlich!“, zischte Kaoru, da er die junge Frau neben ihm nicht wecken wollte und legte auf. Sein Groll auf Toshiya wurde immer größer. Für Sex war er zu gebrauchen, aber eine Beziehung mit ihm war einfach die Hölle. So sehr Kaoru sich ein Jahr lang bemüht hatte, war es doch eigentlich nur gute Miene zum bösen Spiel. Jedes Lächeln war nur noch gequält, jeder Kuss war ihm, Kaoru, unwichtig geworden. Er tat es nur noch, weil er es als Pflicht empfand. Niemals hätte er ihm >Ich liebe dich< sagen können. Für das, was er mit der Chinesin getan hatte, empfand er nicht die geringste Reue. Toshiya hockte auf seinem Bett. Seine Hand, die sein Handy fest umklammerte, zitterte. Sein Blick ging leer ins Zimmer. Er schluckte ab und zu schwer, verschlang so die Tränen, die andauernd in seine Augen wollten. Er hatte Angst. Angst vor Kaoru, wie er sich verhalten würde wenn er wieder da wäre. Vielleicht würde er so sein wie immer, vielleicht würde er ihn auch anschreien. Vielleicht würde er sogar Schluss machen. Noch immer wusste er nicht, wo Kaoru gerade war. Vielleicht hatte er kein Geld bei sich und musste zum Hotel laufen. Vielleicht war ihm was passiert und deshalb hatte er schlechte Laune. Neben ihm sah er Kaorus T-Shirt, in dem er schlief. Es war weiß und knittrig auf die Bettdecke geworfen worden. Kaoru hatte es wohl eilig, sonst hätte er es wohl ordentlicher hingelegt. Toshiya griff danach und wollte es zusammenlegen, als er plötzlich feststellte wie feucht seine Wangen geworden waren und wie seine Nase lief. Seine Hände bebten auf einmal so sehr, dass er es nicht fertig brachte das Shirt zu falten. Wie versteinert hielt er das weiße Stück Stoff fest in seiner Hand umschlossen. Er bekam eine Gänsehaut; ihm war schlagartig eiskalt und das Zittern der Hände breitete in seinem kompletten Körper aus. Um der Kälte zu entgehen zog er Kaos T-Shirt an. In diesem Moment hielt er es für wärmer als sein eigenes. Und tatsächlich, ihm wurde warm. Das Kleidungsstück roch nach Kaoru, nach seinem Rasierwasser und seinem Deo. Er schlüpfte unter die weiche Bettdecke und rollte sich auf Kaorus Seite. Er glaubte noch etwas von dessen Wärme spüren zu können, zumindest stellte er sich das vor. Ziemlich unruhig versuchte er zu schlafen. Er drehte sich erst auf die eine Seite, dann auf die andere, zuletzt auf den Rücken. Sein Herz pochte so schwer und laut, dass es in seinen Ohren donnerte. Er versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren, doch es klappte einfach nicht. Irgendwann, als er einfach dalag und an die Decke starrte, überkam ihn dann doch der Schlaf und seine Augen fielen ganz einfach zu. Als Toshimasa am nächsten Morgen erwachte, war er unglaublich fertig. Seine Augen wollten einfach nicht offen bleiben, doch die Sonne drängte sie dazu. Toshiyas erste Handlung war der Griff zum Mobiltelefon. Er drückte eine Taste, damit das Display leuchtete und er die Zeit besser erkennen konnte. Es war elf Uhr morgens. Der Bassist legte sein Handy wieder neben sich und wollte sich gerade wieder umdrehen und weiterschlafen, als ihm die Zeit erstmals richtig bewusst wurde. Er schreckte hoch, zerrte sich dabei halb den Rücken und stolperte halb aus dem Bett. Er plumpste auf seine Knie und krabbelte am Boden durchs Zimmer und sammelte seine Kleidung ein. Er schlüpfte gerade recht ungeschickt in seine Jeans, als ihm die Veränderung im Zimmer auffiel. Es wirkte irgendwie leerer als sonst. Was fehlte, fiel ihm erst ein als er an gestern dachte. Kaorus komplette Sachen waren weg. Wie leer gefegt, war sein Nachtschrank, auf dem vor einiger Zeit noch seine Brille und diverser anderer Nippes von ihm herumlag. Das einzige was noch an Kaorus Anwesenheit erinnerte, war das T-Shirt, was Toshiya trug. Toshiya erwachte aus seiner Starre und rannte ins Bad. Über dem blitzenden Waschbecken standen nur noch seine eigene Zahnbürste und seine eigenen Kontaktlinsen mit der dazugehörigen Salzlösung. Kaoru war gegangen. Er hatte Toshiya zurück gelassen, hatte klammheimlich seine Sachen gepackt und war gegangen. Toshiya stand unschlüssig in seinem Hotelzimmer. Er hatte doch damit gerechnet, oder? Hatte er es denn nicht gestern erst vorausgesehen? Aber das es so plötzlich war, versetzte ihm doch einen Stich ins Herz. Eigentlich hätten sie jetzt schon längst Proben für ihr Konzert heute Abend gehabt, aber Toshiya hatte keine Lust seinen Bass auch nur anzusehen. Er hatte zwar noch Hoffnung, da Kaoru ja nicht wirklich Schluss gemacht hatte, obwohl es doch ziemlich eindeutig war… Toshiya verbannte diesen Gedanken so schnell wie möglich aus seinem Kopf. Kaoru war nur stinkig, nichts weiter. Heute Abend würde er sicher wieder in ihrem Bett schlafen. Es klopfte sachte an der Tür. Toshiya drehte seinen Kopf zu der hölzernen Türe und murmelte ein gedehntes „Herein“. Er ließ sich grazil auf das eben erst verlassene Bett fallen und schlug die Beine übereinander. Er wusste wer hereinkommen würde; das sachte Klopfen konnte nur zu Shinya passen, Die, Kyo und Kao würden um die Zeit die Türe halb eintreten. Und tatsächlich: Der blonde Drummer betrat die Tür durch den schmalen Spalt und lächelte seinen Freund an. „Guten Morgen!“ „Morgen“, murmelte Toshiya leise. Shinya kam in kurzen schnellen Schritten zu ihm gelaufen und setzte sich ebenfalls aufs Bett. Er schaute Toshiya aus Engelsaugen an und grinste. „Was geht denn bei dir ab?“, murrte Toshiya, „wie kannst du zum frühen Morgen so ne Laune haben?“ „Wie kannst du nach so viel Schlaf so schlechte Laune haben?“, raunte Shinya und lächelte. Toshiya deutete hinter die beiden auf Kaorus Schlafplatz, auf dem noch die zerknietschte Decke lag, in die Toshiya letzte Nacht, wie der rohe Fisch im Reis, eingewickelt war. „Leader-sama hat sich aus dem Staub gemacht“, zischte Toshiya genervt. Shinya legte den Kopf schief. „War es doch etwas Ernsteres? Ich meine hat er dich etwa…verlassen?“ „Nee, das nicht. Aber er ist angepisst gewesen, gestern am Telefon. Und jetzt isser weg!“ Toshiya schob seine Unterlippe nach vorne und zog eine kindliche Schmollschnute. „Am Telefon?“ Toshiya nickte. „Jepp, war gestern nich mehr hier. Da hab ich ihn angerufen, nachdem ich dir geschrieben hatte.“ „Aah, und wo war er?“ „Keine Ahnung. Er war so stinkig, da hatte ich keine Gelegenheit zum Fragen.“ „Naja, er ist ja heute Morgen so früh los und das bei diesem Sauwetter. Er hatte also nicht mal Gelegenheit mit dir zu reden.“ „Sauwetter?“ „Hast du noch nicht raus gesehen? Draußen tobt ein Monsun übelster Sorte! Unser Konzert wurde sogar abgeblasen. Deshalb gammeln wir heute im Hotel rum. Die macht dieses Wetter voll ga-ga und Kyo steckt er damit an…“ Toshiya lachte. „Wie meinst du das?“, fragte er und smilte. Shinya seufzte und lief wieder zur Zimmertüre und stieß sie auf. Zum Vorschein kam Daisuke, der durch die Türe gelugt hatte. Auf seinem Rücken klebte Kyo, ebenfalls Spanner. „Menno Shin! Nich mehr alle Latten am Zaun?!“, maulte Die und stand auf, Kyo immer noch auf ihm hängend. „Moin Toshiya, alles klar?“, fragte Kyo und winkte dem Bassisten leicht zu. Toshiya nickte zaghaft. Kyo lächelte, gähnte herzhaft und grub seine Hände in Dies kurze rote Haare. „Was machst du da oben?!“, zischte der Gitarrist und wedelte mit den Armen nach oben, als ob er eine Fliege –in diesem Falle wohl eine kleine Kyo-Fliege- verscheuchen wollte. Der kleine Vocal sprang von seinem Fortbewegungsmittel ab und ließ sich auf den Boden plumpsen, wo er auf dem roten Teppich sitzen blieb. „Mir is’ so langweilig. Wir können nich’ mal rausgehen, ohne dass wir uns verlaufen…“, murmelte Kyo genervt und fing an den Teppich zu zerlegen, indem er an einzelnen roten Fäden herumzerrte, bis sie lose wurden, dann schmiss er sie Die entgegen. Dieser hatte sich ebenfalls auf den Boden vor die Tür gepflanzt, bekam aber von Kyos Rockstar-Zimmerzerlegungskünsten nicht viel mit, da er ekstatisch auf die Tasten seines dunkelblauen Gameboy-Advance einhämmerte. „Toshiya und ich haben uns nicht verlaufen“, meinte Shinya und schnaubte, bekam aber sofort den ‚Deathglance’ von Kyo entgegengeschleudert. „Du hast dich zwölf Mal verlaufen und hast dann noch mit mir rumgestritten, dass es ’ne Abkürzung war!“, sagte Toshiya, der zu ihnen an die Tür gekommen war und sich neben Kyo hockte. Shinya schwieg und drehte gespielt beleidigt den Kopf zur Seite. „Dramaqueen!“, kam es von Die, der kurz vom Display aufgesehen hatte und nun breit grinste. Ein völlig empörter Blick Shinyas und Kyo kugelte sich auf dem Boden vor Lachen. Die Augen des Drummers verengten sich und er wollte gerade dazu ausholen Die ins Schienbein zu treten, als er eine junge Frau an der Tür bemerkte. Sie sah ihn an und lächelte freundlich. „Ei sörch se blond gai, hu tscheckt in sis ruum ä fju deis ägo“ (Ich suche den blonden Mann, der vor ein paar Tagen in dieses Zimmer eingezogen ist), sagte sie auf Englisch und lächelte weiter, diesmal schüchtern. Shinya glotzte sie mit großen Augen an und schüttelte den Kopf. „Kän not äh spiek Inglüsch…?“, murmelte Shinya gedehnt. Wie von der Tarantel gestochen sprang Kyo auf, zerrte Die ebenfalls auf die Beine und sah ihn eindringlich an. Die drehte sich zu der Dame um, nickte und reichte dann seinen Gameboy strahlend an Toshiya weiter. „Zock’ für mich kurz weiter.“ Toshiya nahm ihn entgegen und sah die Frau noch einmal kurz an. Sie war hübsch, sehr niedlich durch die Grübchen in ihrem Gesicht. Ihre langen Haare fielen ihr leicht über die Schulter. Sie trug eine silberne enge Bluse aus Satin, einen schwarzen Rock, der ihr über die Knie reichte und dazu passende schwarze Pumps. Toshiya fand sie sehr attraktiv, allerdings nur objektiv betrachtet, da er nicht der Typ war, der anderen Frauen hinterher schaute. Die und Kyo waren mit ihr hinaus auf den Gang gegangen und der Bassist blieb mit dem Englisch-Ass Shinya zurück. „Wie weit es Fans heutzutage bringen…“, meinte Shinya und verschränkte die Arme. „Was denn?“, entgegnete Toshiya grinsend, „wärst du damals für Yoshiki-san nicht so weit gegangen bevor du ihn persönlich kanntest?“ Und schon wieder pulsierte die Ader an Shinyas Schläfe, die wohl seinen Wutpegel anzeigte. „Natürlich nicht! So was würd ICH nie tun! Das passt eher zu dir! Hast wohl früher ständig versucht in J-sans Hotelzimmer einzubrechen!“ (Anm.: Yoshiki, trommelte bei X, Shinyas Vorbild – J, spielte bei Luna Sea Bassgitarre, Toshiyas Idol) „Geht dich nen Dreck an“, zischte Toshimasa und streckte Shinya verspielt die Zunge entgegen. Shinya lachte und lehnte sich leicht an die Wand neben sich. „Aber sag mal“, begann er dann, „kanntest du das Mädchen?“ Toshiya schüttelte den Kopf. „Sie suchte, so wie ich das mitgekriegt hat, einen blonden Mann. Ist wahrscheinlich ein Fan von Kao.“ Shinya sah Toshiya eindringlich von der Seite an, der bemerkte das aber nicht sondern hackte auf Daisukes Gameboy ein. Der Drummer war stutzig geworden. Wäre sie wirklich wegen Kaoru hier, hätte sie seinen Namen genannt und den hatte er aus dem Englisch beim besten Willen nicht heraushören können. Und wäre sie ein Fan gewesen hätte sie auch die anderen Namen der vier gekannt, aber sie schien keinen von ihnen jemals vorher gesehen zu haben. Toshiya hatte soweit wohl nicht gedacht, denn er saß immer noch unbekümmert auf dem Teppich und spielte. Shinya wusste aber nicht, dass Toshiya doch bemerkt hatte, dass das Mädchen Kaoru nicht beim Namen genannt hatte. Er ließ es sich nicht anmerken. Er hatte keine Lust über Kaoru weiter nachzudenken. Vielleicht fand sie ihn ja nur scharf und suchte ihn deshalb. Und so hämmerte er weiter auf die weißen Knöpfe und das Steuerkreuz. Kyo und Die standen draußen vor Toshiyas Hotelzimmertüre dem chinesischen Mädchen gegenüber. Der Gang war dunkel, die Lampen waren ausgeschaltet und durch die Fenster konnte ebenfalls kein Sonnenstrahl dringen, da der Himmel von schwarzen Wolken verdeckt war. Kyos Blick war finster, sein blonder fransiger Pony hing ihm ins Gesicht, sodass er noch unfreundlicher wirkte. Daisuke daneben sah ebenfalls ernst drein, er hatte seine Arme vor der Brust verschränkt. Sein Blick ging gen Boden, die junge Frau vor sich wollte er nicht ansehen. Sie hingegen stand ruhig vor ihnen und fragte erneut auf Englisch, ob der blonde Mann in der Tür hinter ihnen wohnen würde. Die beiden ignorierten die Frage. „Wir wissen was Sie mit >dem blonden Mann< getan haben“, begann Kyo ebenfalls auf Englisch. Seine Stimme war ruhig, trotzdem war herauszuhören, dass viel Beherrschung dahinter steckte. „Wir haben Sie mit ihm gesehen“, fuhr er fort, dann wandte er sich an den rothaarigen Gitarristen neben sich, „sag der Schlampe, dass er vergeben ist und dass ich sie im Hotelgarten vergraben werde, wenn sie Kaoru noch einmal ansieht!“ „Ich werde keine Morddrohungen übersetzten!“, zischte Die zurück. „Hat die ein Glück, dass mein Englisch dafür nicht ausreicht…“, grummelte Kyo wütend; diesmal versteckte er seine Wut nicht. Die seufzte. „Der Mann ist in festen Händen“, dolmetschte er, „wir wollen nicht, dass Sie jemals wieder mit ihm…“ Er stockte, wollte es aus irgendeinem Grund nicht aussprechen. „Ficken!“, knurrte Kyo, das englische Wort, dass er bereits gekannt hatte bevor er überhaupt Englischunterricht hatte. Der Blick der jungen Frau verdunkelte sich schlagartig. Ihre Augen verengten sich und funkelten schwarz und hinterlistig. Spätestens jetzt zeigte sie ihr wahres Gesicht, das des Biestes. „Sie beide geht es einen feuchten Scheißdreck an, was ich in meiner Freizeit tue. Und wenn dazu mit Ihrem Freund schlafen zählt, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie sich um ihren eigenen Scheiß kümmern sollten. Wenn er wirklich schon vergeben ist, dann ist er ziemlich unbefriedigt. Seine Freundin ist wohl ne totale Niete. Sie ist ihm egal, sonst wäre er ja nicht gleich mit mir mitgekommen. Oh, sag ihr von mir, dass er sooo gut war!“ Sie hatte kaum ausgesprochen, da war Die auch schon einen Schritt auf sie zugegangen und hatte ausgeholt – hielt sich jedoch zurück. Sein Arm zitterte. Zu gern hätte er zugeschlagen, erinnerte sich dann aber trotzdem daran, dass sie körperlich unterlegen war und beherrschte sich. Seine Hand sank wieder und er sah sie hasserfüllt an. „Stirb, Miststück!“, fauchte er sie auf Japanisch an. Der kleine Vocal, dem diese Bemerkung nicht entgangen war, staunte nicht schlecht. Es war ja schon ungewöhnlich, dass Mr. Fun ausholte um jemanden ernsthaft zu verletzten, aber Todesflüche aussprechen? Das sah ihm nicht ähnlich… „Was hat sie gesagt, Die?! Sag schon!“ Die sagte es ihm nicht, stattdessen drehte er sich zu Kyo um. „Wie wärs: Ich fang an mit graben und du killst sie.“ „Was hat sie gesagt?!“ „Du bist kleiner als sie. Wenn du sie zusammenschlägst wär das nicht so schlimm.“ „Verdammte scheiße, soll ich mir ’n Wörterbuch kaufen oder würdest du mir endlich sagen, was sie gelabert hat!“ Kyos Englisch war zu schlecht, als das er alles richtig hätte verstehen können. Die sah ihn kurz an, ein Blick, der sich förmlich in Kyo hineinbohrte, dann wiederholte er, Wort für Wort, was sie gesagt hatte. Mit jedem Wort, das Daisukes Mund verließ, weiteten sich die Augen des Blonden und er biss blindwütig auf seinem metallenen Lippenpiercing herum. Als der Gitarrist ausgesprochen hatte, wandte sich Kyo dem Mädchen zu. Sie sah ihn überheblich von oben an, da sie ein paar Zentimeter mehr an der Messlatte aufwies als er. Er schrie sie an, stieß sie an die Wand und brüllte weiter. Kein Schimpfwort, kein Fluch blieb unbenutzt. Die stand daneben, tat nichts, sah nur zu. Er dachte dabei an Toshiya, den adoptierten Bassisten, der seit er Kaoru hatte so überglücklich war, dass er selbst Shinya damit ansteckte. Toshiya hatte große Stücke dazu beigetragen, dass sie jetzt das waren, was sie sind. Er spielte für sie Bass, ließ sich aus Nagano wegschleppen ohne zu meckern. Entwarf Kostüme und blieb nie zu Hause, wenn er krank war, da es ihm so bei ihnen gefiel. Kyo musste wohl dieselben Gedanken haben, da er nicht den Anschein machte, in nächster Zeit mit seinem Wutausbruch aufzuhören. Toshiya und Shinya, die dieses Geschrei nicht ignorieren konnten, saßen im Hotelzimmer und sahen sich fragend an. „Was machen die da? Klingt, als hätte Kyo irgend nen Anfall…“, murmelte Toshiya und schaltete den Gameboy aus. Shinya zuckte mit den Schultern und reichte Toshiya die Hand um ihm von Boden aufzuhelfen. Der Bassist ließ sich nach oben ziehen und drückte mit der anderen Hand bereits die Türklinke hinunter. Zusammen traten sie dann hinaus in den dunklen Gang, sahen wie Kyo das Mädchen schüttelte, hörten die eindeutigen Wörter >Schlampe, Flittchen, Hure<… Die sah hinüber zu den beiden, versuchte dabei Toshiyas Blick auszuweichen. Shinya nickte unmerklich zu Toshiya hinüber und Daisuke nickte, dabei den Kopf hängend lassen. Toshiyas Kopf war leicht zum Boden geneigt, er starrte ins Leere. Er vernahm Shinyas warme Hand nicht wirklich, die seine fest umschlossen hatte. Sie war weit weg, genauso wie das Pling-Geräusch am Ende des Ganges. Er vernahm nicht, wie der >blonde Mann< aus dem Fahrstuhl trat, entsetzt die Tasche fallen ließ und auf Kyo zustürmte. Kaoru packte Kyo an der Schulter und stieß ihn von sich und der Frau weg, sodass der kleine Prophet gegen Die flog, der ihn abfing. Die Frau lächelte kaum merklich und lehnte sich an seine Schulter. Schlagartig hob sich Toshiyas Kopf und starrte die Beiden an. Sein Blick war jedoch ausdruckslos. Wie hätte er auch so viele Gefühle in nur einen Blick packen können? Schmerz, Wut, Einsicht, Eifersucht und unendlichen Hass. Er hasste sich selbst. Wie konnte er nur so dumm sein? Es war immer das gleiche. Jegliche Liebe in seinem Leben war Lüge, er war so dumm, hatte sich immer täuschen lassen. War wie ein treuer kleiner Hund gewesen, den man dann doch mit einem gezielten Tritt vor die Tür setzte. Der sich dann an den Straßenrand setzte und sich von jemand anderem mitnehmen ließ, solange bis ihn Kaoru mitnahm. Der brauchte aber nur ein Hündchen zum spielen, nicht zum lieben. Wie konnte er nur behaupten mit der Lüge leben zu wollen? Er drückte Shinyas Hand, klammerte sich daran fest. Shinya hatte bereits zwei Hunde, aber er war wohl bereit noch einen dritten aufzunehmen. Einen verletzten, zerfledderten Hund, den er wieder aufpäppeln musste. „Wir sind bei dir“, flüsterte Shinya und nickte dabei zu Daisuke und Kyo. „Danke“, wisperte Toshiya und begann zu weinen. Hosted by Animexx e.V. 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