Vom selben Stern von abgemeldet (Charlie und die Schokoloadenfabrik - Fanfiction) ================================================================================ Kapitel 2: Ein Schritt aus dem Schrank -------------------------------------- 2. Ein Schritt aus dem Schrank But it’s you I take, ’cause you’re the truth not I. Der peinlichste Vorfall in Charlies bisherigem Leben war nun schon seit zwei Wochen Vergangenheit. Er hatte es seitdem zu seinem großen Beschämen weder geschafft, Mister Wonka in die Augen zu blicken, noch mehr als notwendig mit seinen Eltern zu sprechen, die sich daraufhin sehr um ihrem Sohn sorgten, ihn aber auch zu nichts drängen wollten und deswegen hofften, Chalies Schweigen sei nur eine ‚Schwierige Phase’ im Verlauf seiner Pubertät. Nicht einmal die übrigen Bereiche seines Lebens konnte Charlie erfolgreich heißen. Kürzlich, vor genau drei Tagen, hatte er sich mit seinem bis dato engsten Freund John gestritten, der die ernsthafte Meinung vertrat, man solle Gemeinschaftskabinen für Homosexuelle errichten, 'Jungen-und Mädchenumkleiden seien ja auch getrennt’. Charlie fühlte sich durch diese Aussage unnatürlich ertappt, wurde rot und protestierte wild, was fast zu einer Keilerei und auf jeden Fall zu viel Zwietracht führte und ihn nur weiter betrübte. Desweiteren hatte er sich eingestehen müssen, dass er in sportlicher Betätigung einfach nicht ausreichend war und dieses Jahr wohl eine mangelhafte Note auf seinem Zeugnis würde akzeptieren müssen. Außerdem kamen ihm schon seit Wochen keine guten Ideen für Süßigkeiten mehr, was ihn fürchten ließ, seinen Geschäftspartner früher oder später zu enttäuschen. Und schlussendlich hatte er Zahnschmerzen. Unangenehme, nervende quälende Zahnschmerzen, die ihm so peinlich waren, dass er nicht einmal vor sich selbst zugeben wollte, dass es seine Zähne waren, die ihm wehtaten. Er hatte sie doch immer geputzt! Er hatte sogar Zahnseide benutzt! (obwohl Mister Wonka diese verabscheute, vielleicht hatte er doch einige unerfreuliche Kindertraumata….) Und trotzdem war es jetzt dazu gekommen… wie konnte das nur passieren? Er war verzweifelt. Und er konnte mit niemandem darüber reden. Aber eins stand außer Frage- er musste Linderung erfahren! So ging das nicht weiter, denn Charlie konnte nicht einmal mehr richtig schlafen. Und so beschloss er an einem regnerischen Nachmittag, dass er wohl oder übel einen Zahnarzt besuchen würde. Nachdem er eine Weile überlegt hatte, stellte er fest, dass er niemanden kannte, der diesen Beruf ausübte und nicht Willbur Wonka hieß und so borgte er sich an einem sonnigereren Nachmittag von dessen Sohn den hauseigenen Gläsernen Fahrstuhl und machte sich auf den Weg zur abgelegenen Klippe, auf dem das wonka’sche Haus derzeit stand. Ein wenig merkwürdig war ihm schon zumute, er war schließlich erst einmal hier gewesen, und das auch noch in einer mehr als heiklen Situation ( die sich glücklicherweise zum guten gewendet hatte)… Er erinnerte sich noch gut an den autoritären, respekteinflößenden Mann, der ihn mit einer frostigen Stimme nach dem Grund seines Erscheinens gefragt hatte. Der weiße Kittel und die Latexhandschuhe, die auch sein Sohn trug, mit der Ausnahme, dass diese meist kreischend bunt waren, und nicht so klinisch weiß wie der Rest des Mannes. Charlie verbot sich, an Willy Wonka zu denken, so lange er mit dessen Vater verkehren würde, um sich nicht durch unbedachte Aussprüche zu verraten oder verdächtig zu machen, schließlich hatte er sich vorgenommen, dass niemand jemals hinter seine erste und vermutlich größte Liebe kommen würde. Schon gar nicht sein Angebeteter selbst. Und deshalb atmete Charlie vor dem Haus an dem von grauen Wolken verhangenen Himmel auf der einsamsten Insel der Welt tief ein, hob die Hand und klingelte, um zum ersten Mal ins einem Leben zum Zahnarzt zu gehen. Er hätte weinen mögen und wäre wohl einfach wieder weggerannt, hätte sich nicht in just diesem Moment die Tür geöffnet und sich ein grauhaariger, streng aussehender Mann in den Spalt zwischen Tür und Angel geschoben. „Brauchst du einen Termin?“ fragte er und schob seine Brille, die sein Gesicht noch härter erscheinen ließ, wieder zurecht auf seine Nase. Diesmal hatte Charlie niemanden, hinter dem er sich verstecken konnte, also nahm, er seinen Mut zusammen (schließlich war er achtzehn! Das war ja nicht zu fassen!) und sagte mit der festesten Stimme zu der er sich fähig sah: „Ja, umgehend.“ „Dann hast du aber Glück“, knurrte Wilbur Wonka in einer Art, als würde die Ausübung seines Berufs ihn unglaublich viel Überwindung kosten und trat einen kleinen Schritt zur Seite, so dass Charlie eintreten konnte, bevor er die Tür hinter ihm schloss. „Was plagt dich denn?“, fragte er weiter, während er Charlie eine Treppe hinaufführte, die sie zu einem grauen, klinisch sauber wirkenden Raum brachte, dessen Wände über und über mit Zeitungsartikeln und Fotos übersät waren. Und genau über dem ebenfalls grauen, fast furchteinflößenden Zahnarztstuhl hing etwas, das zwar prinzipiell wahrscheinlich, für Charlie aber sehr überraschend war. Ein kleines neueres Foto, auf dem Willy Wonka und er selbst nebeneinander saßen. Charlie sah darauf gedankenverloren auf das alte Haus zurück, in dem er und seine Familie immer noch lebten und neben ihm sah ihn Mister Wonka merkwürdig an. Der Blick war nicht gut zu erkennen, aber das, was er erkennen konnte, erinnerte ihn daran, wie Jonathan seine Freundin ansah, wenn diese gerade nicht in seine Richtung schaute (aber manchmal auch wenn sie es tat)- verlangend. In winziges Bisschen Hoffnung keimte in Charlie auf, aber kurz darauf musste ihm klar werden, dass er sich irrte- niemals könnte Willy Wonka etwas anderes von ihm denken als an seine Hilfe in der Fabrik- er seufzte resigniert und ließ sich in den Stuhl sinken. „Wo tut es denn weh?“, fragte der Zahnarzt und griff neben sich, um sein Werkzeug zu suchen. Charlie zeigte auf die Stelle und verzog das Gesicht bei dem Anblick der befremdlich Weise daran, wie relevant die augenblickliche Situation für sein körperliches Wohlbefinden war. All die Jahre der Zahnseide waren vergebens gewesen- und Charlie schwor sich, niemals wieder einem derartigen Schwindel zu vertrauen, besonders wenn er das lebende Beispiel dafür, dass man Zahnseide nicht brauchte, persönlich kannte. Nach einigen erstaunlicherweise erfolgreich verbrachten Kunststücke seines eigenen Mundes, schüttete Mister Wonka Senior den Kopf. „Da werde ich wohl bohren müssen“, sagte er, klang dabei aber nicht im geringsten bedauernd. „Hat Willy etwa einen schlechten Einfluss auf dich?“ Charlie fuhr zurück. Wie konnte man so etwas nur behaupten! Willy Wonka war das beste, was ihm je in seinem Leben passiert war, wer weiß, wo er ohne ihn wäre. Und er wollte auf keinen Fall zu lassen, dass jemand schlecht über ihn sprach, nicht einmal sein eigener Vater. Er öffnete den Mund, um eine bemerkenswert beleidigende Entgegnung in den Raum zu stellen, die ihn vermutlich seine Behandlung kosten würde, aber alles, was er letztendlich murmelte war: “Nein.“ Der ältere Mann zuckte angesichts Charlies aufrührerischer Miene den allseits gefürchteten Bohrer, und drückte den Jungen nicht grob, aber bestimmt zurück in den Zahnarztstuhl, bevor er das Gerät einschaltete und das einzige Geräusch im Raum das elektrische Brummen war, dass die Rotation der Spitze verursachte. „Das will ich auch nicht gehofft haben,“, knurrte er, veranlasste Charlie dazu, seinen Mund weiter zu öffnen und setzte Den Bohrer an. Der Patient wappnete sich gegen den zu erwartenden Schmerz, als der Arzt plötzlich weitersprach. „Ich sag es ja nicht gerne, Junge, aber ich habe dir eine Menge zu verdanken.“ Er konnte sich gerade noch besinnen, nicht den Kopf zu bewegen, deswegen ließ es Charlie bei einem erschrockenen Augenaufreißen bewenden, dass eine Gefühle aber auch schon zur Genüge widerspiegelte. Warum bedankte Wilbur Wonka sich bei ihm? „Immerhin hast du Willy zu mir gebracht.“ Ja, das war zum Teil sein Verdienst gewesen, dachte Charlie bei sich und fürchtete sich gleichzeitig vor mangelnder Bescheidenheit, denn es war doch nur selbstverständlich gewesen. Wie hätte er es unversucht lassen können, wo doch so offensichtlich geworden war, dass Willy Wonka und seine Fabrik dem Ruin bevorstanden, ginge es ihm nicht bald besser? Außerdem hatte es Charlie schon damals fast das Herz zerrissen, seinen jetzigen Mentor niedergeschlagen zu erleben, so wie das auch nun noch der Fall war, wobei er sich aber der Tatsache bewusst war, dass er das früher schlicht und einfach nicht wahrhaben wollte. „Überhaupt erkenne ich meinen Sohn kaum wieder, seit ich ihn wiedergesehen habe“, fuhr der andere fort, da Charlie aufgrund des Bohrers in seinem Zahn weder sprechen konnte noch wollte. „Er scheint so…glücklich zu sein. Früher war er ganz selten so. Natürlich habe ich ihn lange nicht gesehen, aber ich hätte nie gedacht…dass…dass…“ Er brach kurz ab, um sich seinem Handwerk zu widmen und nachdem Charlie seine Kunstfertigkeit auf höchst unangenehme Weise selbst erfahren hatte, beendete er seine Arbeit und sah sehr zufrieden drein. „Bevor wir zum Geschäftlichen kommen will ich nur sagen, dass ich glaube, dass du ihm unglaublich gut tust.“ Ein kleines Lächeln stahl sich auf sein sonst so hart wirkendes Gesicht und ließ den verbitterten alten Mann für einen kurzen Moment wie einen wirklichen glücklichen Vater aussehen. Doch die Sekunden verflogen und schon einen Herzschlag später sah er mitnichten unprofessioneller aus als noch vor einer Viertelstunde, als er Charlie an seiner Praxistür empfangen hatte. „So, Junge, woraus soll deine Füllung bestehen?“ Eigentlich hätte Charlie sein Herz nicht mehr in seiner Brust spüren müssen, so hoch schlug es ihm, doch mit jedem Schritt, dem er sich der riesigen Fabrik am Rande der Stadt näherte, hämmerte es schmerzhafter. Er war gut für Mister Wonka, das hatte sein Vater gesagt. Diese Worte erreichten sein Gehirn nur langsam. Die Bedeutung des Gesagten formte sich von einem Schemen zu einem deutlichen Abdruck in seinem Kopf. Wily Wonka konnte etwas für ihn empfinden. Natürlich nicht das gleiche wie Charlie für ihm empfand, aber das war zuerst nebensächlich. Er konnte ihm wichtig sein! Gleichzeitig mit diesem fast euphorischen Gedanken in seinem Kopf bemerkte Charlie noch etwas. Er musste es jemandem erzählen. Zumindest den Leuten, die ihm am nächsten standen, konnte er nicht mehr vormachen, dass er eines Tages ein nettes Mädchen mit nach Hause bringen würde, zumindest nicht so lange er noch mit dem anderen Chocolatier zusammenarbeitete. Plötzlich steckte Charlie ein Kloß m Hals und dieser wurde mit jedem Atemzug, den er machte, größer, denn jedes Mal musste er sich die Gesichter seiner Familie vorstellen, die ihn ansahen, verletzt oder enttäuscht. Vielleicht sollte er es doch nicht…? Aber dann würde er ja lügen. Und lügen war das Schlimmste, was er tun konnte, das wusste Charlie schon lange. Die gute Stimmung, die ihn bis gerade eben noch erfasst hatte, schien fast vollständig zu schwinden und um wenigstens noch das schwächste Echo von ihr spüren zu können, lehnte Charlie sich, wie als wolle er sich ausruhen, an einen Laternenpfahl und seufzte. Auf einmal wurde ihm unglaublich kalt und es dauerte einige Sekunden, bis er die Lage erfasste. Ein Auto hatte ich nass gespritzt, in einer hohen Woge. Vielleicht hätte er sich besser an den Stromkasten halten sollen. Konnte dieser Tag noch merkwürdiger werden? Seine Familie hatte mit dem Essen nicht auf ihn gewartet, weil es schon seit Monaten nicht mehr üblich war, dass er unangemeldet ihr Haus betrat. Es tat ihm ein wenig Leid, dass er sich so sehr mit Arbeit eingedeckt hatte, dass sie kaum noch sah, allerdings fühlte er sich so seltsam frei und viel besser als zuvor. Als hätte er nicht mehr so viele Verpflichtungen, doch wie das wirklich aussah, das sah man ja heute. Er würde es ihnen trotzdem sagen, nahm er sich vor und schluckte. Seine Eltern blickten ihn erwartungsvoll, gleichzeitig aber erfreut an. „Charlie! Was für eine wunderbare Überraschung!“, rief seine Mutter und kam auf ihn zu, während sie ihre Hände an der etwas schmuddelig wirkenden Schürze abtrocknete. „Setz dich doch!“ Das ließ Charlie sich nicht zweimal sagen und schob die Nervosität bestimmt zur Seite, die sich seiner zu bemächtigen drohte. „Eigentlich bin ich nur hier, weil ich euch etwas sagen wollte“, begann er schließlich und endgültig, wobei er froh war, dass seine Großeltern gerade schliefen. „Du siehst so ernst aus“, unterbrach sein Vater die darauf folgende Kunstpause, „ Ist irgendetwas passiert?“ Doch sein Sohn schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich glaube, es ist trotzdem…. wichtig.“ Dann ließ er den Kopf hängen und starrte auf den Küchentisch, dessen adrette Tischdecke ihn daran erinnerte, dass es ihm nicht immer so gut gegangen war. Er wollte seinen Eltern keinesfalls wehtun. Andererseits- was war schon so schlimm an seinem anliegen? Seufzend fasste Charlie sich ein Herz, hob den Blick und sagte mit so fester Stimme wie ihm nur möglich war: „Mom, Dad, ich mag keine Frauen.“ Für einen sehr, sehr langen Moment herrschte Stille in dem kleinen Haus, die nur von dem gelegentlichen leisen Schnarchen der Großeltern unterbrochen wurde. Dann sagte jemand: „Ich verstehe dich nicht ganz.“ Jetzt war es Charlie unglaublich peinlich, hier zu sitzen und für einen Moment war er überzeugt, nicht einmal jenes Ereignis vor zwei Wochen hätte ein derartiges Schamgefühl in ihm auslösen können, doch als er sich der Umstände der Situation besann, revidierte er sein Urteil sogleich wieder. Jetzt musste er sich erklären. „Ich glaube, ich bin schwul.“ Dann war es heraus. Und diesmal erschien ihm das Schweigen nur noch unheimlicher. Schließlich begann sein Vater zu sprechen: „Das hätte ich nicht erwartet.“ Neben ihm schüttelte Mrs. Bucket ihren Kopf. „In der Tat nicht, nein.“ „Wie kommst du überhaupt darauf? Ich meine, du hattest doch noch nie- Oh.“ Der leise Monolog beendete sich selbst. Charlie wollte aufatmen, er hatte sich das sehr viel schlimmer vorgestellt. Innerlich schämte er sich schon für die Visionen von Tränen und Schreien. Das hier waren seine Eltern- die ihn liebten, und zwar so, wie er war. Auch, wenn er niemals heiraten würde. Auch, wenn sie niemals Enkel bekommen würden- oder? „Gut.“ Er erhob sich und sah in die fassungslosen und erschrockenen Gesichter seiner Eltern, was ihn dazu veranlasste, sich auf der Stelle unglaublich missverstanden zu fühlen. Elend. „Ich glaube, ich gehe jetzt.“ Seine Stimme klang belegt. „Nein…doch… Charlie, du hast uns sehr überrascht.“ Die Stimme seiner Mutter klang zittrig und ihm selbst wurde schlecht. „Das tut mir Leid.“ Es klang nicht einmal ansatzweise so neutral, wie er es gewollt hätte, doch das war augenscheinlich gar nicht nötig. „Bitte gib uns Zeit, das zu verdauen!“, hörte er seinen Vater noch sagen, bevor er die wenigen Schritte zur Tür hinter sich brachte und sie mit einem lauten Knall ins Schloss fiel, während er fast über den künstlichen Rasen rannte und mit seinen Tränen rang. Rast fand er erst irgendwo tief im inneren, unterirdischen Teil der Fabrik. Hier war es dunkel, da die Zutaten, die hier gelagert wurden, nur wenig Licht vertrugen. Und jetzt war hier genau der richtige Ort, um sich vor der Welt zu verstecken. Die Umpa-Lumpas würden hoffentlich kein Wort darüber verlieren, wie er, weinend und schluchzend, durch das ganze Gebäude gerannt war, ohne auch nur einen von ihnen zu grüßen, wie es sonst seine Art war. Und hierher würde Mister Wonka auch nicht kommen. Bestimmt nicht vor morgen. Das war es, was ihn dazu veranlasste, sich neben einem großen blechernen Behälter fallen zu lassen und sein Gesicht in den Händen zu vergraben. Warum fühlte er sich so schlecht? Er hatte doch damit gerechnet, damit rechnen müssen, dass seine Eltern, die zugegebenermaßen nur begrenzt modern dachten, nicht in Freudenschreie ausbrechen würden. Aber er fühlte sich abgestoßen. Als hätte er mit zwei Sätzen eine Mauer zwischen sich und seine Familie gezogen, die er nie wieder einreißen konnte. Wie gut, dass er ihnen nicht erzählt hatte, woher er wusste, dass er niemals eine Frau haben konnte. Sie würden ihn nicht mehr ansehen. Oder sofort ausziehen, vielleicht würden sie Mister Wonka anzeigen wollen. Nein, das würde für immer sein Geheimnis blieben. Und vielleicht, in ein paar Tagen, Wochen oder Monaten konnte man erste Friedensverhandlungen treffen. Vielleicht würde alles gut werden, doch daran wagte Charlie, in diesem Moment und wirklich tief unten, nicht zu glauben. Doch je mehr Zeit verstrich, desto froher war er, die Wahrheit gesagt zu haben. Es war, als hätte man ihm eine zweite Haut vom Leib gerissen. Es tat weh, aber jetzt konnte er endlich wieder atmen. Und die Dunkelheit tat ihm gut. Es war, als wäre sie ein Pflaster, das sich langsam über ihn legte und versprach, dass das alles bald besser werden würde. Deswegen wartete er und weinte und mit jeder Träne, die seine Wangen hinunterlief und auf den Boden tropfte, fühlte er sich trauriger, aber auch unglaublich viel leichter. Doch das Schicksal, dass es gut mit den wenigsten Menschen auf der Erde meint, hatte auch heute wieder etwas außergewöhnliches mit Charlie vor. Es schien ihm, als wären nur Minuten vergangen, obwohl es eigentlich auch hätten Tage sein können, da ging plötzlich das Licht an. Es war nur schwach und tauchte den Raum in ein warmes Orange, aber es ging an. Und das bedeutete, dass jemand sich im Raum aufhalten musste, den Charlie nicht hatte hereinkommen hören. Schritte erklangen. Sie waren laut , schwer, hallten von den Wänden wieder und Charlie wettete mit sich selbst, dass sie keinem Umpa-Lumpa gehörten. Aber vielleicht würde Mister Wonka ihn nicht entdecken. Vielleicht war er nur hergekommen, weil er irgendetwas suchte oder vergessen hatte (obwohl das sehr, sehr selten vorkam )und er würde gleich wieder gehen. Doch stattdessen kam er näher. Schmetterlinge begannen sich in Charlies Bauch zu regen, als würden sie nach langem Schlaf wieder erwachen, verschlafen zuerst, aber mit jeder verstreichenden Sekunde wurden sie lebhafter, und ein Kloß verstopfte Charlies Kehle, er konnte kaum noch atmen. Er schloss die Augen. Er wollte nicht gesehen werden- Doch zu spät. „Ah, da bist du!“ Die Stimme war ihm so vertraut, dass er sie unter tausenden erkannt hätte. Sie klang nur gespielt erfreut, und doch gleichzeitig wirklich fröhlich Und ein wenig besorgt. Mangels Alternativen hob Charlie den Kopf und blickte genau in die violetten Augen seines Mentors. „Du siehst aber gar nicht gut aus.“ Anstelle einer Antwort, murmelte Charlie: „Guten Tag, Mister Wonka“ und senkte den Kopf erneut, in der Hoffnung, der andere würde gehen, wenn er die offensichtliche Ablehnung spürte. Doch der andere Chocolatier dachte gar nicht daran. Mit einer graziösen Bewegung ließ er sich neben Charlie nieder und betrachtete diesen so lange schweigend, bis er sich erheblich gestört fühlte. „Kann ich Ihnen helfen?“, versuchte er, freundlich zu sein und einen gereizten Unterton zu unterdrücken. „Aber nicht doch. Ich bin hier, um dir zu helfen, mein lieber Junge.“ Das war allerdings das letzte was Charlie wollte, und nachdem die volle Bedeutung der Worte durch seinen Verstand gesickert war, schüttelte er den Kopf und lehnte ihn gegen den kühlen Behälter, versuchend, das störende Gefühl in seiner Magengrube zu ignorieren, das ihm sagte, er solle dem anderen sofort um den Hals fallen und dann werde alles gut werden. „Sie können mir nicht helfen.“ Die Verzweiflung kam langsam aber sicher wieder und Charlie stiegen erneut Tränen in die Augen. Aber weinen? Jetzt? Niemals. „Das ist schade.“ „Ja.“ Er wusste nicht, warum er das gesagt hatte, aber er hatte die leise Ahnung, dass die Schmetterlinge irgendetwas damit zu tun hatten. Plötzlich spürte er, wie etwas ihn an der Schulter berührte, das er nicht erkennen konnte, er fuhr herum um fand sein Gesicht nur weniger Millimeter von dem seines Gegenübers entfernt. Wann hatte er sich zu ihm herübergebeugt? Warum lag seine Hand auf Charlies Schulter? So lange die beiden sich kannten, hatte er derartiges noch nie getan, und als er sich dessen bewusst wurde, wurde Charlie augenblicklich rot. „Du solltest eine heiße Schokolade trinken“, verordnete Willy Wonka, und beim sSrechen streifte sein Atem das Gesicht des kleineren Jungen. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Nicht einmal eine Hand trennte ihn von seinem großen Vorbild. Und dann erhob sich der andere, ebenso elegant, wie er sich niedergesetzt hatte und streckte ihm seine Hand entgegen. „Komm! Wir haben Arbeit, und sie wird ganz abscheulich werden, wenn du so traurig bist.“ Vielleicht half er ihm ja doch, erwog Charlie, als er Willys Hand ergriff und sich auf die Beine ziehen ließ. Ihre Blicke trafen sich erneut, aber diesmal besserte sich Charlies Laune dadurch erheblich. Denn der Blick und das glatte Latex, das immer noch in seiner Hand lag, sagten ihm, dass, egal was kommen würde, zumindest eine Sache noch lange so bleiben würde, wie sie jetzt war. Hosted by Animexx e.V. 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