Ebony & Ivory von Coraline ================================================================================ Kapitel 2: Zuckerwatteporno & Atommüll-Bento -------------------------------------------- "Also dann erzähl mal, wie du auf die schöne Unbekannte gestoßen bist, von der du schon den ganzen Tag schwärmst.", grinste die große Blonde verschlagen und klopfte mit der flachen Hand auf den leeren Platz neben sich. "Ach, ich hab eigentlich selber keine Ahnung, wenn ich ehrlich bin." meinte Kaoru nachdenklich während er es sich auf dem übermenschlich großen Bett bequem machte. "Vielleicht war es ja Schicksal.", fügte er mit funkelnden Augen hinzu ehe er einen Polster ins Gesicht geschleudert bekam und zerzaust fortfuhr, als wäre nichts gewesen. "Schon gut, schon gut. Eigentlich hab ich nur einen Blumenladen gesucht und bin dann bei ihr gelandet." "Du meinst, du hast sie auf dem Weg dorthin getroffen?" "Nein.", lachte er und stützte sein Gesicht in seine Hände. "Ich meinte, ihr gehört der Blumenladen. Und sie hat mir sogar einen Riesen-Blumenstrauß geschenkt, weil ich nicht genug Geld hatte, kannst du dir das vorstellen? Ich will nicht wissen, wie viel der unter normalen Umständen gekostet hätte." "Und wie ich dich kenne, bist du sofort drauf angesprungen, du kleiner Träumer.", kicherte sie verhalten und rollte aufgrund eines besonders beherzten Stoßes in die Seite auch schon prompt vom Bett, wo sie unbekümmert liegen blieb und sich weiter über ihn amüsierte. "Es ist immer das Gleiche mit dir, Kaoru. Kaum siehst du ein hübsches Mädchen, das nett zu dir ist, bist du schon hin und weg und hältst sie für deine große Liebe." "Halt die Klappe! Ich bin nicht verliebt, klar?!" "Oh du bist ja so süß.", gurrte sie und kam um das Bett herumgekrochen, nur um ihn in die signalrote Wange zu stupsen, die halb unter dem weichen Kopfkissen von vorhin versteckt lag, das er sich in einem Anfall von pubertärer Frustration über den Kopf gestülpt hatte. "Und du nervst.", schmollte er und drehte seinen Kopf zur Seite, so dass sie nur noch seinen dunklen Haarschopf zu Gesicht bekam. Schmollend kletterte sie auf seinen Rücken und zog ihm das Kissen vom Kopf. "Ach komm schon, du weißt, das ich meine täglichen fünf Minuten bis fünf Stunden Wie-ärgere-ich-Kaoru-am-besten brauche, sonst bekomm ich diesen wunderschönen Glanz in den Augen, der aussieht wie toter Rotbarsch von letzter Woche, wie Shinji es so galant ausgedrückt hat." "Wieso? Passt doch zum Fischgesicht." Das diese Bemerkung tödlich enden könnte, wurde ihm erst bewusst, als ihm mit einem Daunenfederkissen der flauschigste Erstickungstod in Japan und vermutlich auch der ganzen Welt beschert wurde. Es hätte höchstwahrscheinlich auch ganz gut geklappt, wenn da nicht dieser gewisse Störfaktor S gewesen wäre, der wie ein Berserker an die Tür hämmerte und die beiden in ihrer trauten Zweisamkeit, nun ja, wie gesagt, einfach störte. Dankbar, dass seine Nahtoderfahrung unterbrochen wurde, warf Kaoru seine schwere Last von sich (die ausgesprochen unweiblich protestierte) und stürmte zur Tür, wo er auch schon bald neue Erfahrungen machte. Seine Nase auf Holz machte sich eindeutig nicht gut, fluchte er innerlich, als auch schon Shinji grinsend über ihm stand und laut verkündete: "Mann, wie konnte ich bloß vergessen, das ich einen Zweitschlüssel hab? Da hätte ich ja gar nicht anklopfen müssen!" Verwundert schaute er sich um, bis er Kaoru kniend vor sich entdeckte und sein anfängliches Grinsen noch breiter wurde. "Also das du dich so freust, mich zu sehen Kaoru... aber mitten in Kimikos Wohnung? Meinst du nicht, sie wird sauer, wenn's Flecken gibt?" Schwerfällig stand er auf und hielt sich die pochende Nase. "Komm einfach mit." "Hmm, ja stimmt, du würdest dir so wahrscheinlich nur die Knie wundscheuern.", plapperte sein Mitbringsel munter weiter und versuchte im unbeleuchteten Wohnungsflur nicht über seine eigenen Füße zu stolpern. "Halt einfach die Klappe Shin." "Oh das werd ich, keine Sorge. Solange du deine aufmachst." "Nfu!" "Nfu? Ist das überhaupt ein Wort?" "Lass mich in Ruhe. Ich bin frustriert. Außerdem muss ich noch mal über deine freundschaftlichen Absichten nachdenken." "Da hast du dir aber keine bessere Gelegenheit aussuchen können als heute, wo wir doch bei Kimiko übernachten, in einer besonders heißen Mainacht, in einem Hauch von nichts bekleidet und uns ein einziges Bett zu dritt teilen müssen." Sichtlich entnervt stapfte der Brünette voran, stieß die Tür zu Kimikos Gemächern auf und packte seine Schlafsachen aus, die er mitgebracht hatte, darauf erpicht, jeden weiteren Annäherungsversuch zu ignorieren. "Kimiko, du schläfst heute zwischen Shinji und mir, ja?" Angesprochene tauchte gerade unter ihrem Bett hervor und spuckte ein paar Strähnen aus, die ihr unliebsam im Mund hingen und versuchte insgesamt nicht so auszusehen wie ein blonder Wischmopp. Als sie das endlich bewerkstelligt hatte, sah sie die beiden Ankömmlinge leicht feixend an und stützte sich auf der Matratze vor ihr ab. "Was denn? Kein Sex für Shin heute? Hast du nicht Angst, dass er sich stattdessen an mir vergreift?" Abschätzend betrachtete der Oberschüler sie vom Kopfansatz bis zu den Fingerspitzen, denn mehr bekam er im Moment nicht zu sehen und wandte sich mit einem kühlen "Nein" wieder ab. Statt sich zu beschweren streckte sie ihm nur die Zunge heraus und schnappte sich den Neuankömmling um ihn etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. "Rosa.", stellte sie trocken fest. "Ich weiß." "Was echt?", kam es aus dem Bad, in dem sich Kaoru befand und dem Lautstärkepegel nach zu urteilen vermutlich gerade versuchte, sich umzuziehen oder einfach beliebig irgendwelche Badeutensilien zerstörte. "Ich dachte vorhin an der Haustür, wegen dem Luftmangel es wäre eine optische Täuschung. Wäre mir ehrlich gesagt lieber gewesen." Bestürzt griff sich der kleinste der Drei an die Brust und rief vorwurfsvoll: "Glaubt ihr etwa im Ernst, das ich mir die Haare freiwillig so färben würde? Gut, ich hatte vor, dieses Jahr alle Regenbogenfarben durchzunehmen, aber ich hatte mir auch ganz fest vorgenommen, rosa auszulassen! Das war Mius Verdienst, sie hat mir irgendwas in meine Shampooflasche getan, das Biest." Als der Name Miu fiel, hörte man ein besonders lautes Krachen aus dem Badezimmer und kurz darauf auch schon einen weiteren Zusatz in Kaorus buntem Vokabular, das es sich vorgenommen hatte, Shins Haarfarben mit großem Erfolg nachzueifern. Bei Miu handelte es sich nämlich um niemand anderen als eine von Shins kleinen Schwestern, die nebenbei ebenfalls die Freuden des Haarefärbens entdeckt hatte, und, was noch schlimmer war, das ungezogenste Rotzgör war, das er kannte. Um die Umstände noch ein bisschen zu erschweren, war sie äußerst frühreif für ihre zarten elf Jahre und hatte seit neustem sehr... unproduktive Wege entdeckt, ihre Zuneigung zu Kaoru zum Ausdruck zu bringen. Der Nachgeschmack ihres selbst gemachten Atommüll-Bentos lag ihm nach Monaten immer noch schwer auf der Zunge. Leicht angewidert trat er aus dem Badezimmer und musste feststellen, dass es besser gewesen wäre, für den Rest des Abends drinnen zu bleiben. "Also das... das ist..." Ihm fehlten für einen kurzen Moment die Worte, als Kimiko so vor ihm stand, offensichtlich nicht der visuellen Körperverletzung bewusst, die sie ihm mit ihrer neuen Garderobe antat. "Was denn? Gefällt's dir nicht? Da sind Häschen drauf.", nuschelte sie ein bisschen kleinlaut unter dem geschockten Blick, den er ihr zuwarf. "Kimiko, das ist kein Schlafanzug mehr, das ist einfach nur noch abturnend. Wärst du nicht meine beste Freundin, würde ich überlegen, dich zu verklagen.", entrüstete sich Kaoru. Als sie ihn nur mit großen fragenden Augen ansah, erbarmte sich Shinji schließlich, auch etwas dazuzusagen. "Kimmi, wenn es wenigstens durchsichtig wäre, hätten wir nichts dagegen", an dieser Stelle bekam er einen bösen Blick von Kaoru, der es sich aber in letzter Sekunde doch anders überlegte und zustimmend nickte, "aber das... ist einfach eine Beleidigung fürs Auge Süße, ich mein das ernst." Nachdenklich zupfte sie an ihren sackartigen Ärmeln und inspizierte eines der Häschen ein bisschen genauer als nötig. "Ich schlafe immer so. Wenn ihr ein Problem damit habt, dann schlaft eben auf dem Boden oder sonst wo, ich hatte jedenfalls nicht vor, in meinem Negligé vor euch rumzutänzeln.", gab sie sich berechtigt etwas beleidigt und beendete damit das Gespräch. "Also, wenn du das Negligé nicht tragen willst, dann finde ich, sollte Kaoru das machen.", schlug Shinji nach einer Weile des Schweigens in einem Ton vor, als wäre es das normalste der Welt. Die entgleisten Gesichtszüge ignorierend fuhr er gelassen fort: "Denk an die Hochzeitsnacht, Kaoru. Wenn es soweit ist, sollten wir uns doch mit dem Körper des anderen auskennen, findest du nicht?" Statt zu antworten ging dieser nur schweigend auf ihn zu und legte ihm die Hände auf die Hüften mit der Aussage: "Ich finde, wenn du schon unten liegst, solltest du nicht so große Töne spucken, Kleiner, obwohl ich bezweifle, dass du das in dieser Lage überhaupt könntest." Jetzt war Shin wenigstens still, auch wenn das von dem Schock her rührte, das sein Freund etwas so uncharakteristisch zweideutiges vom Stapel ließ, dass er es geschafft hatte, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. "Kimiko?", wandte er sich ängstlich an das blonde Mädchen, das dazu übergegangen war, kritisch ihre Reflexion in den zahlreichen Spiegeln über ihrem Bett zu betrachten. "Ja?" "Du schläfst heute zwischen mir und Kaoru, ja?" Gähnend hievte sie sich wieder aus ihrer liegenden Position nach oben und bedachte sie beide mit einem amüsiert-gelangweilten Lächeln, (einer ihrer Spezialitäten) und antwortete: "Das mit dem Schlafanzug war wohl doch keine so schlechte Idee von mir, wenn ich schon bei euch zwei notgeilen Spinnern schlafen muss." Doch trotz der eigentlich unüberwindbaren 70 Kilo Barriere zwischen ihnen, schafften es beide Jungen am Morgen wieder halb aufeinander zu landen und halb auf dem Schlafzimmerboden, gefesselt und geknebelt von unzähligen weißen Laken, sodass sie aussahen wie zwei riesige menschliche Raupen. Das wurde ihnen beiden allerdings erst bewusst, als sie von graziösem Hin- und Hertrampeln und dem verdächtigen Klicken einer Kamera im Minutentakt geweckt wurden. Verschlafen öffnete Shinji die Augen, der es trotz Kaorus Behauptung geschafft hatte, über eben diesem zu liegen und wurde sogleich mit einer hyperaktiven Kimiko belohnt, die nichts besseres zu tun hatte, als die morgendliche Stille auszunutzen und Fotos zu schießen. "Was machst du da?", nuschelte er noch nicht ganz bei sich und runzelte die Stirn. "Sieht man doch. Ich mache Fotos. Manchmal bist du echt so was von blöd, Shin.", kicherte sie angesichts des Gesichtsausdrucks, der ihr geboten wurde. "Ja soviel seh ich auch Kimmi. Aber wieso?" "Ist 'n schönes Motiv.", meinte sie schlicht, jetzt erst recht angestachelt von dem schnellen Klicken der Kamera. "Kimmi, wie viel Zucker hast du in deinen Kaffee getan?", stöhnte ein braunhaariges Stoffbündel, bei dem es sich unverkennbar um Kaoru handeln musste. "Ein bisschen.", zwitscherte sie und zupfte inzwischen wie wild an ihrer Hochsteckfrisur herum. "Ich hab's nicht wirklich gesehen, weil es noch dunkel war, als ich aufgewacht bin. Aber so viel kann's nicht gewesen sein.", fügte sie noch hinzu und tauchte in den Unweiten ihres begehbaren Kleiderschranks ab. "Das erklärt alles. Wie spät ist es überhaupt?", murrte Kaoru, verzweifelt herumstrampelnd, immer noch gefangen in seinem Raupenanzug. "Es ist dreizehn Uhr, mein Lieber.", tönte es motiviert aus dem Kleiderschrank. "Haben wir heute nicht Schule?", gähnte der rosa Ballast über Kaoru und machte nicht die geringsten Anstalten, sich nur einen Millimeter von seiner jetzigen Position fortzubewegen, was das herausschälen für seinen Freund so gut wie unmöglich machte. "Wir hatten. Heute ist Samstag. Shin und wenn du nicht sofort von mir runter gehst, überleg' ich's mir anders und nehm' deine vielen Angebote ernst." "Sogar mit meinen unsexy rosa Zuckerwatte-Haaren?" "Oh die finde ich ja ganz besonders süß an dir. Vom Rest mal ganz abgesehen", lächelte er charmant und leckte sich kurz über die Lippen. "Kaoru-chan?" "Hm?" "Kimiko filmt uns gerade.", stellte Shin mit einem kurzen Seitenblick nach rechts fest. "Ich weiß." "Und ich will einen ordentlichen Porno, Leute, also ein bisschen mehr Action, Shinji, denk an den Umsatz.",feuerte Kimiko ihn an und fuchtelte ein bisschen unnötig mit der Kamera herum, die drohte, ihr aus den Händen zu fallen. Wie von der Tarantel gestochen sprang der Angesprochene auf und starrte abwechselnd zwischen den beiden Grinsekatzen hin und her, die sich seine Freunde nannten. "Na dann", strahlend klatschte die Blondine in die Hände, "ein ordentlicher Porno ist nichts ohne ordentliches Spielzeug, also zieht euch an ihr Luschen, wir gehen jetzt shoppen." Eine Stunde später hatte sie auch beide so weit und schleifte sie enthusiastisch von einer Boutique zur nächsten, als sie unversehens stehen blieb und auf eins der Schaufenster zuhüpfte, nur um sich die Nase daran platt zu drücken. "Ein Juwelier? Was will sie dort?", flüsterte der Junge mit der auffälligen Haarfarbe in einer dunkeln Vorahnung. "Sie will doch nicht etwa-" "Doch. Ich glaube, es ist besser, wenn du ihr nachgehst und dafür sorgst, dass sie ihren Vater nicht in den Ruin treibt." "Was? Wieso sollte ich mich von der Elster da drüben zerfleischen lassen, während du zuschaust?", beschwerte er sich und deutete mit einer ausholenden Geste auf das Mädchen das sich zu ihnen umgedreht hatte, unschuldig lächelte und gleichzeitig das Funkeln eines Raubtiers auf Beutefang in den Augen hatte. "Weil ich jetzt ein Date habe, Liebling. Falls es dir zuviel wird, ich bin in dem kleinen Laden da drüben. Zück schon mal das Portemonnaie, Kleiner, ich glaube, Kimmi hat was schönes gefunden." Und schon war er verschwunden, mitsamt dem unangefangenen Kaffee, den Shinji bis vor zwei Sekunden noch sein eigen nennen durfte. Wie ein kleiner Wirbelwind kam er in den Laden gestürmt und sorgte dafür, dass die Glocke über ihm wieder eines ihrer liebreizenden Konzerte veranstaltete. Dass der Kaffee dabei überschwappte und sich über seiner Hand ergoss, bemerkte er gar nicht erst. Sein Fokus lag ohnehin auf der jungen Frau hinter der Theke, die, als sie ihn kommen hörte, überrascht von ihrem Buch aufsah und ihm zulächelte. "Guten Tag, Manjyoume-kun, ich dachte schon, Sie kommen nicht mehr." "Ach was.", grinste er verlegen und stellte den Becher vor ihr ab und rieb sich mit der rechten Hand den Nacken. "Ich will ja nicht unhöflich sein, aber Sie schmieren sich da gerade Kaffee in die Haare." "A-Ach wirklich?", stotterte er und zog die pochende rote Hand wieder hinter seinem Kopf hervor. "Ja. Und Sie waren gleich so geschickt, sich vorher daran zu verbrennen. Wenn Sie wollen, mache ich Ihnen einen Verband.", schlug sie hilfsbereit vor und holte einen Erste-Hilfe-Koffer unter der Theke hervor. Nach einpaar geistigen Ohrfeigen traute er seiner Stimme wieder, mehr als nur ein Piepsen zu sein und antwortete: "Also das... das wäre sehr nett, danke." Hätte er doch lieber den Mund gehalten, fluchte er innerlich. Er klang, als würde man ihn Hüfte abwärts mit einem Schlagstock malträtieren. Nun gut, vielleicht wäre es besser, nichts zu sagen, beschloss er und versuchte irgendwie seine Schamesröte zu verstecken, ein Versuch, der fruchtlos bleiben sollte, da eine weiche blasse Hand nach seiner griff und ihn wieder diese vermaledeiten Augen auf eine Art und Weise fixierten, als wüssten sie bereits mehr über ihn, als er jemals preisgeben würde. Und sie amüsierten sich köstlich darüber. "Sie machen sich lustig über mich.", schmollte er und brach den Augenkontakt gezwungenermaßen ab. "Ein bisschen vielleicht. Aber Sie bieten sich ja geradezu dafür an." Entrüstet schnappte er nach Luft und wollte schon fast seine Hand aus ihrem Griff befreien, doch sie gluckste nur leise vor sich hin, während sie den Verband sorgsam um seine Handinnenfläche legte. "Das braucht Ihnen nicht peinlich zu sein. Ich finde schüchterne Jungs sehr süß." Jetzt musste er sich wenigstens nicht mehr vornehmen, den Mund zu halten, das hatte diese Aussage für ihn glücklicherweise schon erledigt. "Wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen? Manjyoume ist mir persönlich ein bisschen zu wenig." Mist. "Natürlich. Ähm... ich-ich heiße Kaoru." "Was für ein schöner Name! Sie können mich Riku nennen, wenn Sie wollen." Erstaunt riss er die Augen auf und zog die Hand ein bisschen zurück. "Aber ist das nicht furchtbar unhöflich? Ich meine, wir kennen uns doch kaum und-" "Sie dürfen das." "Und wieso?" "Ich finde Sie niedlich.", antwortete sie ihm, als wäre es ein Naturgesetz. Kaum eine Sekunde später war sie auch schon mit dem Verbinden fertig und nahm einen Schluck aus dem Becher vor ihr. Offensichtlich wollte sie ihm alle Zeit der Welt mit dem Antworten lassen. Ihr Gegenüber für seinen Teil jedoch, war noch nie so froh gewesen, einen Pony zu haben, hinter dem er sich im Moment verzweifelt zu verstecken versuchte. Als er jedoch einsah, das er den neugierigen Blicken der Frau nicht entkommen konnte, holte er tief Luft und fasste allen Mut zusammen: "Also ich finde Sie auch nicht schlecht, wenn ich ehrlich bin." "Das dachte ich mir bereits.", lächelte sie und schlug die Augen nieder, während sie einen weiteren Schluck nahm. "Schön, wenn sie sowieso schon alles wissen, brauche ich ja gar nichts mehr zu sagen." "Wollen sie denn gar nichts über mich wissen?" "Doch, aber", vorsichtig hievte er sich auf die Theke, da er nicht die ganze Zeit stehen wollte und drehte sich zu ihr nach hinten, um sie besser anschauen zu können, "ich weiß nicht ganz, wo ich anfangen soll." "Stellen Sie mir einfach die Frage, die Ihnen als Erstes in den Kopf schießt." "Also gut. Ähm... haben Sie nie daran gedacht, den Laden zu restaurieren? Als ich letztes Mal herkam, war dass das Erste, was mir aufgefallen ist.", gab er zu und hoffte, sie würde ihm nicht allzu böse sein. Doch stattdessen verschluckte sie sich nur an ihrem Kaffee. "Nun ja, eigentlich schon. Aber", sie hustete erneut, "Sie müssen wissen, mir gehört der Laden nicht. Ich vertrete nur eine Freundin von mir, bis sie aus ihrem Urlaub zurück ist, weil ich nichts Besseres zu tun habe. Aber sobald sie zurückkommt, werde ich ihr das ans Herz legen." "Wirklich? Was machen Sie denn sonst so, wenn sie nicht hier arbeiten würden?" An diesem Punkt seufzte sie und blickte irgendwo in die Ferne, den Kopf in der Hand gestützt. "Alles und gar nichts." "Was soll das denn heißen? Gehen Sie gar nicht zur Schule oder so?" Lachend versprühte die junge Frau den Rest des Becherinhaltes über ihr offen liegendes Buch, was sie aber offenkundig nicht groß störte. "Was ist? Hab' ich was Falsches gesagt?" "Nein, nein, das ist es nicht... für wie alt halten Sie mich Manjyoume-kun?" Nach kurzem Überlegen sagte er: "Na ja, älter als 25 können sie nicht sein." Der Laden erbebte fast unter ihrem schallenden Gelächter, hinterließ bei ihrem Besucher allerdings nur ein riesiges Fragezeichen im Kopf. "25 also... wenn Sie das möchten, von mir aus.", kicherte sie und schüttelte den Kopf. Das diese Antwort den Oberschüler nur noch mehr verwirrte, war offensichtlich, doch als er zu einer weiteren Frage ansetzen wollte, vernahm er das Klingeln der Glocke in seinem Rücken und drehte sich wieder so um, dass er sich den neuen Besucher genauer ansehen konnte. Kurz stockte ihm der Atem. Es handelte sich um ein Schulmädchen in einer schwarzen Uniform, ungefähr in seinem Alter, doch das war nicht das außergewöhnliche an ihr. Es war ihr Gesicht, denn es war exakt das Gleiche, von dem er sich vor einpaar Sekunden abgewandt hatte. "Sag mal, hab ich was im Gesicht, das du mich so anstarrst?", fragte sie ein bisschen irritiert von dem intensiven Blick, der ihr zuteil wurde. "Was? Äh nein, natürlich nicht!" Fast schon automatisch schnellte seine Hand zu seinem Nacken, eine nervöse Angewohnheit von ihm. Schnell wandte er seinen Blick wieder von ihr ab und drehte sich nach hinten. "Sie haben eine Schwester, Riku?" Diese konnte sich kaum noch halten vor lachen und lag schon halb auf dem Holztisch. "Nein, nicht direkt also-" Das Mädchen schnitt ihr das Wort ab, indem sie auf beide zuschritt und Kaoru von oben bis unten musterte. "Ist das der Kerl, von dem du mir erzählt hast?" Mehr als ein schwaches Nicken brachte sie in ihrer gegenwärtigen Lage nicht zustande. "Ein Schüler? Sag mal, hast du gar keine Manieren mehr?!" Eine Antwort konnte sie wohl nicht mehr erwarten, das bemerkte auch Kaoru, der schnell das Wort ergriff. "Der Kerl hat auch einen Namen, nur damit du es weißt." "Ach ja und welchen, wenn ich fragen darf?", schnappte sie und bedachte ihn mit einem leicht angewiderten Blick. "Manjyoume Kaoru, angenehm." "Inoue Hotaru. Du flirtest da gerade mit meiner Mutter, du Hohlpfosten." 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