100promts-Challenge von nukaru ================================================================================ #92: Leben (A whisper in the dark) ---------------------------------- Promt #92: Leben POV: Jennifer Timeline: unbekannt Title: A whisper in the dark Justin verlässt das Haus nicht mehr. Wenn man es genau nahm, tat er eigendlich nichts mehr, das er früher gern getan hätte. Er zog sich nicht mehr an und er ass auch nur so selten, das du schon Buch darüber führtest. Er stand noch nicht einmal aus dem Bett auf, wenn du seine Hand in deine nahmst und so fest zogst, wie du konntest. Justin lebte nicht mehr wirklich und egal, was du versuchtest, du schafftest es nie, das er freiwillig einen tiefen Atemzug nahm und lächelte. „Steh auf.“ Du schnauzt ihn an, doch seine Beine ziehen sich nur näher an seine Brust, er rollt sich nur noch mehr zusammen. „Steh verdammt nochmal auf!“ „Sei ruhig.“ Er sagt es nur ganz leise und die dicken Decken und vielen Kissen, lassen seine Stimme noch leiser scheinen, so dass du ihn fast nicht verstehst. Und du reißt die oberste Decke vom Bett. „Steh. Jetzt. Auf!“ Du schmeißt die Decke durch das ganze Zimmer, drehst dich um und gehst wutentbrannt in die Küche. ::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: Drei Stunden später, als du dir eine neue Tasse Kaffee einschüttest –war es deine fünfte?- kommt er in die Küche, streicht sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht und setzt sich auf einen Stuhl, die Hände im Schoss gefaltet. „Iss,“ sagst du kurz angebunden und schiebst den Teller, mit kaltem, mitlerweile bestimmt ungenießbaren Essen, in seine Richtung. Und er starrt einige Minuten auf den Teller, nimmt die Gabel in die Hand und beginnt zu essen. Und als er keine zehn Minuten später im Badezimmer verschwindet, um sich dem eben gegessenem zu entledigen, schüttest du dir eine neue Tasse Kaffee ein. „Ich muss für zwei Tage nach West Virginia. Es gibt einen Interessenten für das Anwesen,“ meinst du ein paar Stunden später, holst eine Schachtel Zigaretten aus deiner Handtasche und ziehst eine Zigarette heraus. Du lässt die Schachtel neben den schmächtigen Jungen auf die Couch fallen, der nur halbherzig mit den Schultern zuckt und an der Decke in seinem Schoss rumzieht. Er selbst nimmt sich nun ebenfalls eine und du zündest ihm die Zigarette an, als er sie in den Mund steckt. Justin raucht auch eigendlich nicht viel. Ein paar Züge, ein paar kleine Wolken aus Rauch, die seine Lippen verlassen. Danach starrt er aus dem Fenster, lässt die Zigarette in seinen Fingern verqualmen. Du streckst deine Hand aus und tippst mit einem Finger leicht auf seine, sodass sich etwas Asche löst und auf den Boden fällt. „Du verbrennst deine Finger.“ Wieder beherscht dieser barsche Ton deine Worte und du reißt seine Hand an dich, nimmst die Zigarette und drückst sie im Aschenbecher aus, der mitlerweile schon überquillt. Und Justin hört nicht auf, aus dem Fenster zu sehen. Nicht, als du seine Hand herumdrehst und dir die verbrannte Stelle ansiehst. Auch nicht, als du deinen Daumen langsam über das verbrannte, wunde Fleisch streichen lässt. "Wann musst du los?" Noch immer starrt er zum Fenster und dein Blick richtet sich ebenfalls dort hin, während sich in deinem Inneren eine unschöne Vorahnung breit macht. "Warum guckst du raus, Justin?" Du versucht deine Stimme mit Desinteresse zu belegen, sodass sie sich nach unwichtigen Gedanken und leeren Bedeutungen anhört. Viele Schichten von unwichtigen Gedanken und leeren Bedeutungen. Und für einen kleinen Augenblick, fühlst du auf deiner Haut, wie sich sein Blick auf dich richtet, als du erneut zu der Schachtel auf dem Sofa greifst und eine neue Zigarette herausholst. "Es regnet," murmelt Justin, in einen Bart, den er nicht hat und streckt seine Hand nach deiner Zigarette aus, seine Finger zittern. Als du nach draussen siehst, strahlt dir die Sonne geradezu entgegen und deine Vorahnung bewahrheitet sich. ::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: 86 Stunden später, 36 Stunden zu spät, schließt du die Tür auf und findest alles so vor, wie du es verlassen hast. Außer einer kleinen Staubschicht, die sich über die Möbelstücke gelegt hat, ist nichts an einem anderem Platz. Du greifst in deine Tasche und suchst das Päckchen Zigaretten, von dem du sicher bist, das es noch nicht leer sein kann. "Justin?" Du findest ihn auf der Couch, und tief in deinem Inneren weißt du, dass er nicht erst seit ein paar Stunden dort liegt. So wie du ihn kennst, liegt er noch immer dort. Noch immer schlafend, noch immer weit weg in einer Welt, die ihn in deinen Augen fast farblos macht. Denn schon seit langem hast du das Gefühl, das er für dich unerreichbar ist. Deine Hand findet die Schachtel und du ziehst sie langsam heraus. Und erst als du das Feuerzeug anmachst, um die Zigarette anzuzünden, öffnen sich die Augen des blonden Mannes. "Bist du wach?" fragst du ihn kurz angebunden und er schließt die Augen wieder. "Justin, steh auf." "Sei ruhig." Blaue Augen wenden sich ab von dir und den Augen folgt der ganze Körper, bis er auf der anderen Seite liegt, mit dem Gesicht zur Lehne. In deinem Inneren löst sich der Knoten und du gehst zur Routine über, zerrst an dem dünnen Arm, bis dein Sohn aufrecht sitzt. "Steh verdammt nochmal auf!" Du ziehst ihn in die Küche, zerrst weiter, als er anfängt zu staucheln und schubst ihn in einen Stuhl. "Du siehst scheiße aus. Geh duschen, rasier dich und zieh dich an." Justin sieht zu dir auf, streicht sich leicht über das Gesicht und legt die Stirn in Falten. Und kaum, das du zuende gesprochen hast, steht er auf und läuft, komisch gebeugt, aus der Küche. ::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: 3 Stunden später sitzt er auf der Couch im Wohnzimmer und spielt mit den Enden der Decke, die du über ihn gelegt hast, während du durch dein eigenes, blondes vor allem aber nasses Haar streichst und mit der anderen Hand eine Tasse Kaffee festhälst. "Alles okay?" Fragst du leise, aber Justin sieht nur weiter aus dem Fenster, spielt weiter mit der Decke, während seine Finger zittern. "Ich will ihn sehen..." Justin's Stimme klingt müde, leise und gefühllos. Seine Finger krallen sich in der Decke fest und als er zu dir aufsieht, spührst du, das Tränen sich den Weg in deine Augen Bahnen. "Ich will ihn sehen..." Du empfindest kein Mitleid. Denn immerhin ist es Justin, der dich soweit getrieben hat. Justin hatte dein Leben in diesen komischen Zustand verwandelt, aus dem du nun nicht mehr hinaus kamst. Es war Justin, der nicht aus seinem Bett aufstand, bis du schriest und zerrtest und begangst zu fluchen. Es war Justin, der vergaß das er eine Zigarette hielt, bis nur noch Asche von ihr übrig war und seine Hände verbrannt und schwielenbedeckt waren. Es war Justin, der alles erbrach, was er aß, aber nicht genug aß um überhaupt etwas anderes als Galle heraus zubekommen. Er war es, der Tag für Tag, Stückchen für Stückchen, immer weiter verschwand. Nur noch aus Haut, die sich verzeifelt an Knochen klammerte, bestand. Es war dieser Justin, den du so garnicht kanntest. Und diesen Justin hättest du am liebsten gewürgt, denn irgendwann hattest du angefangen, diesen Justin zu hassen. Dieser Justin, der dich so weit trieb, den du hasstest, weil es das erste Mal in deinem Leben war, das du nichts machen konntest. Denn wie solltest du einem Menschen helfen, der eigendlich schon lange nicht mehr da war? "Sei ruhig!" Du schreist es heraus, aber er hat sich bereits wieder zum Fenster gewendet. Mit einem Gesicht so ausdruckslos, wie seine Augen. Du trinkst deinen Kaffee, trnkst auch den, den du für ihn bereit gestellt hattest und gehst in die Küche um dir noch eine Tasse zu holen. Trinkst weiter, als du gegen die Arbeitsplatte gelehnt stehst und durch den Türrahmen ins Wohnzimmer siehst. Wo Justin noch immer aus dem Fenster schaut. Du trinkst noch eine Tasse, noch eine und wieder eine neue, bis dir schlecht wird und du die gelb-braun-schwarze Flüssigkeit, den Abfluss hinunter spülst. Als du wieder ins Wohnzimmer gehst, eine neue Zigarette bereits in der Hand und dich in einen Sessel fallen lässt, siehst du ein Lächeln auf den blassen Lippen. "Was?" fragst du ruhig, als du die Zigarette anmachst und sie ihm dann reichst. Und Justin nimmt sie mit erschreckend dünnen Fingern an sich, das Lächeln noch immer auf seinen Lippen. "Warum ist du so glücklich?" "Es regnet," flüstert er dir entgegen, als ob es ein Geheimnis zwischen euch wäre und er zieht an der Zigarette und bläst eine graue Wolke aus, die sich schnell auflöst. Genau so wie er es tat. Und dann drehte er sich wieder dem Fenster zu und du schaust zu, wie die Zigarette langsam verglüht. Und du nimmst sie erst aus seiner Hand, als du den leichten Geruch verbrannter Haut wahrnimmst, während er nicht einmal blinzelt. Du schaust auf deine Hände. Auf die gelben Flecken, die sich beginnen abzuzeichnen. Gelb von zu viel Kaffee, zu viel Koffein und einem Leben, das viel zu lange dauerte. ::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: Als du ihn auf sein Zimmer bringst, ein Raum ohne Fenster -ein Fenster konntet ihr euch nicht mehr erlauben, seit er es das letzte Mal weit geöffnet, sich eine Zigarette angesteckt und hinausgesprungen war und danach auf dem Boden gelandet war, wie ein gottverdammter Vogel mit gebrochenen Flügeln- und er in seinem Bett liegt, flüsterst du ihm leise ein "Gute Nacht" in sein Ohr. Du wiederholst es nocheinmal, erhällst aber keine Antwort, als der junge Mann einfach weiter aus einem Fenster sieht, das nicht existiert. Und aus dem Türrahmen heraus, beobachtest du, wie er Stückchen für Stückchen verschwindet. Hinfort gelockt von lang vermissten Küssen eines über den Tod hinaus besitzergreifenden Mannes. Und... Justin verlässt das Haus nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)