Schall und Rauch von Ryu-Stoepsel (Which path will you choose?) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Während Elphaba und Fiyero noch im Wald auf die Dunkelheit warteten, um ungesehen nach Kiamo Ko zurück zu fliegen, überlegte Glinda, was sie nun am Besten tun sollte. Als Vorzeigefigürchen des Zauberers, den sie eben erst verbannt hatte, war sie dem Volk von Oz als „Glinda die Gute“ sehr wohl bekannt. Sie hatte eine Volksversammlung ausgerufen und stand nun auf einem Podest in der Mitte des smaragdischen Marktplatzes. Ihr hell-blaues Kleid mit den Pailletten am Dekolleté glitzerte im Sonnenschein. Mit dem Rücken stand sie zu der Menge, welche schon gespannt auf ihr neues Oberhaupt warteten. ‚Durchatmen! … Und los!’, dachte Glinda. Als sie sich umdrehte, ging ein Raunen und Staunen durch die Menge. Fragende Gesichter blickten ihr entgegen. Blitzartig hob Glinda die Arme, um die Menschen zu beruhigen: „Meine lieben Ozianischen Mitbürger! Es gibt sehr viel Neues, was ich zu verkünden habe! Ich bitte euch, erst einmal Ruhe zu bewahren und mir zuzuhören, bevor ich die Brillensache erläutere!“ Ein Murmeln ging durch die Menge. Noch nie hatte ein Mensch es gewagt, bzw. geschafft, die grüne Brille abzunehmen. Bis heute. Glinda stand mitten in der Menge, ohne Brille und leicht zitternd. „Zuerst“, setzte Glinda erneut an, „möchte ich verkünden, dass der Zauberer aus Oz verbannt wurde, aufgrund seiner geheimen Machenschaften gegen die Tiere, sowie aufgrund von Tier-Misshandlung und böswilliger Verbreitung von Propaganda!“ Die Menge schrie auf, Glinda ließ sich nicht beirren und fuhr fort: „Des Weiteren … meine lieben Ozianer, bitte! … Des Weiteren wurde Madame Akaber aufgrund der Kooperation mit dem Zauberer verhaftet und das Gefängnis der Smaragdstadt ist nun ihr neues Heim. Über sie wird mit der größten Sicherheit gewacht, seid also unbesorgt! Die Vorletzte Angelegenheit betrifft unsere kleine Heldin…“, Glindas Stimme brach bei diesem Wort. ‚Nicht jetzt!’, zwang sie sich, schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter und sprach weiter, das Volk von Oz schweigend: „… unsere kleine Dorothy aus dem fernen Kansas. Auch für sie fanden wir einen Weg der Heimkehr und zwar…“ Ein lautes und großes Jubeln unterbrach Glindas Monolog. ‚Ist vielleicht auch besser so…’, vermutete Glinda, ‚Ich erspare dem Volk besser den: Der-Zauberer-ist-gar-kein-Zauberer-sondern-ein-Lügner-Teil. Das wäre wohl zu viel für sie und schließlich hat der Zauberer ja nicht nur schlechtes vollbracht.’ Brutal wurde Glinda aus ihren Gedanken gerissen, als die Menge zum Volkslied des Jahres anstimmte: „Endlich ist die Hexe tot!“, krakelten die Alten, die Jungen und sogar die Kinder. Die blonde, zierliche Frau drehte sich zu einem Diener um und verlangte nach ihrem Zauberstab. ‚Elphaba, verzeih’ mir. Ich weiß, du wolltest das nicht, aber ich kann mit diesem schlechten Gewissen nicht leben. Ich MUSS es wenigstens versuchen!’ Mit einem leisen Zischen schwang Glinda ihren Zauberstab durch die Lüfte und es knallte zwei Mal sehr laut. Urplötzlich verstummte die Menge und Glinda besaß wieder die vollste Aufmerksamkeit. „Bevor ich nun etwas verkünde, möchte ich euch, liebe Ozianer bitten, mit eurem Jubel bis zum Ende der Verkündung zu warten!“ Sie sah ein Nicken durch die Reihen gehen und setzte wieder an: „Ja, es stimmt. Die Hexe des Westens ist tot, doch…“, beschwichtigend und um Ruhe bittend hob Glinda ihre linke Hand: „Doch möchte ich euch etwas erklären: Die Hexe des Westens hatte es nicht leicht! Schon als Kind hatte sie es schwer, niemand liebte sie genug und auch ihre Familie hatte ihre Geheimnisse voreinander! Ihr müsst verstehen…“ „Wir verstehen schon!“, unterbrach eine laute Jungenstimme Glinda in ihrer Rede. „Keiner weint um Hexen!!!“, rief er. Die Menge schloss sich an und bald war der Singsang so laut, dass man ihn noch Meilen weiter hören konnte. Fassungslos stand Glinda auf dem Podest. Was sollte sie nun tun? Sie hatte es versucht, sie wollte Elphies Namen reinwaschen… Sie wollte es so sehr. Neun Jahre waren seit Shiz vergangen. All die Jahre hatte Glinda ihre Elphie vermisst, die sich zurückgezogen hatte in ein dunkles Gemäuer irgendwo im Wynkiland. Doch nun war es anders… Nun war Glinda all’ die Hoffnung, ihre Freundin noch einmal wieder zu sehen, auf einen Schlag genommen worden. Erneut rappelte sich Glinda auf und rief sich Elphabas Worte in Erinnerung: „Versprich mir, dass du nicht versuchen wirst, meinen Namen rein zu waschen!“ Und ja, Glinda hatte es versprochen, weil Elphie sich um sie gesorgt hatte. Und auch wusste Glinda nun, dass das Volk einen Sündenbock braucht und ein jemand, der sich auf des Sündenbocks Seite schlägt, auch zu einem wird. Schließlich war „Glinda die Gute“ lange genug Vorzeigepüppchen des Zauberers gewesen, um etwas Einblick in die politische Drahtzieherei zu bekommen. „Nun gut…“, seufzte sie, „nun bleibt nur noch eins zu tun.“ Abermals verschaffte sich Glinda Gehör mit ihrem kleinen Zaubertrick und erklärte den Tag, an dem die Hexe des Westens starb, zum Feiertag. Als der erneute Jubel abebbte und Glinda wieder an Fassung gewonnen hatte, sprach sie ganz ruhig: „Nun gibt es noch eine letzte Sache, mit der ich, Glinda die Gute, euch beweisen möchte, dass ich als neue Zauberin nicht dem Lügenprinzip des alten Zauberers nachgehen werde. Was nun passiert, wird euch schocken, liebe Mitbürger, doch glaubt mir, ich war nicht weniger entsetzt. Um euch nicht länger auf die Folter zu spannen, SEHT selbst!“ Mit einem Handzeichen deutete Glinda dem Diener an, er solle ihr das Grimorium geben. Sie schlug die markierte Seite auf. Es dauerte etwas und sie musste drei Mal genauer hinsehen, bis sie den Spruch wieder lesen konnte: „NON cum vitris suis!“, sprach sie laut und wie von Zauberhand öffneten sich die Brillen der Menschen. Glinda nickte dem Volk zu, ihre blonden Locken hüpften mit jeder ihrer Bewegungen mit. Das Entsetzen und die Angst stand den Menschen in ihren Gesichtern geschrieben: „Es ist in Ordnung, nehmt sie ruhig ab. Ich bin auch nicht blind geworden.“ Nach kurzer Zeit des Zögerns konnten einige ihre Neugierde nicht unterdrücken. „Das kann doch nicht wahr sein?!“, schrieen die ersten, nun sehr aufgebrachten Bürger. Daraufhin geschah es wie ein Lauffeuer: Ein jeder nahm seine Brille ab und schaute sich verdutzt um, denn nun war irgendwie alles gar nicht mehr so grün, außer jenes, was oberhalb der Stadtmauer lag. Um einen Ausbruch zu verhindern, sprach Glinda sehr laut und deutlich, mit einem Schwang Autorität in ihrer Stimme, in das Mikrophon: „Ja, meine lieben Ozianer! Ihr seht also: Alles nur Schall und Rauch! Ihr habt sicher viele Fragen! Geht nun nach Hause, denn ein jeder von euch wird ein exklusives Nachrichtenblatt vorfinden, auf welchem die Gründe für unsere weiss-grüne Smaragdstadt zu finden sind! Mein erstes Ziel wird nun sein, eine Großzahl der Kristalle durch wirkliche Smaragde zu ersetzen, als eure Glinda die Gute!“ Erneut brach großer Jubel aus. Glinda nahm ihn nickend zur Kenntnis, hob eine Hand und winkte noch einmal der Menge zu, bevor sie vom Podest stieg und sich schleunigst in den Palast fahren ließ. Keine zwei Minuten später war der Marktplatz wie leer gefegt und ganz Oz wusste darüber Bescheid, dass der Zauberer ein Lügner gewesen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)