Schall und Rauch von Ryu-Stoepsel (Which path will you choose?) ================================================================================ Kapitel 41: ------------ A/N: Liebe Leser und vor allem GELPHIE-Fans, wir dachten uns, wir 'belohnen' euch mal für das aktive (und auch passive) Lesen unserer FF. Hiermit schenken wir euch den ersten Teil von 2 reinen Elphaba/Glinda-Kapiteln und wir hoffen, sie sagen euch zu! (Rechtschreibfehleranmerkungen sind gerne gesehen!) Folgt diesem Link http://www.youtube.com/watch?v=-0P2zWbB8qY und lest die FF. Ihr werdet wissen, wann ihr auf 'play' drücken müsst. (; Genießt es und schaut nochmal bei K 40 vorbei (; Es gibt eine neue Zeichnung! LG Ryu & Jane _________________ Kapitel 41 Draußen war es noch dunkel und Glinda betrachtete den sternenklaren Himmel durch das angefröstelte Fenster. Der Mond schien noch immer und sein Licht fiel auf den Schlafzimmerfußboden. Glinda seufzte und ihr Atem hinterließ eine Spur in der bitterkalten Luft. Sie hatte gestern gar nicht mehr gemerkt, wie kalt es wirklich geworden war. Sie fühlte, dass auch ihre Nase, die so gerade noch unter der Bettdecke hervorlugte, ein wenig kalt war, doch das machte ihr nichts aus. Normalerweise schlief sie immer, bis die Sonne sie weckte, aber nun war sie schon eine halbe Stunde wach und konnte nicht mehr einschlafen. Vielleicht lag es an dem warmen Körper, an den sie sich erneut enger angeschmiegt hatte, nachdem sie aufgewacht war. Sie schloss die blauen Augen und atmete tief ein. Elphabas Wärme und der leichte Duft nach Kamille erweckten in Glinda den Wunsch, dieses Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit würde nie ein Ende nehmen. Doch gerade als sie das gedacht hatte, merkte sie, wie Elphaba sich leicht zu bewegen begann. Glinda rührte sich nicht. Elphaba gähnte leise und öffnete dann die Augen. Leicht verwirrt verblieb sie in ihrer Position, bis sich ihre Erinnerungen wieder entschleiert hatten. Sie fühlte den zierlichen Körper, um den sie ihren rechten Arm gelegt hatte und als sie ihre Finger bewegte, merkte sie, dass Glindas linke und ihre rechte Hand ineinander verflochten waren. Als die Hexe aus dem gardinenlosen Fenster blickte, sah sie, dass es noch immer dunkel war. Es musste also noch sehr früh am Morgen sein, dennoch war sie ausgeschlafen. Bevor sie sich vorsichtig von Glinda losmachte, horchte sie in die Stille des Zimmers hinein und hörte nur Glindas regelmäßige Atemzüge. Als sie ihre Hand aus der von Glinda gelöst hatte, strich Elphaba mit ihren Fingerspitzen sanft über Glindas Oberarm. Die blonde Frau, die noch immer vorgab zu schlafen, bekam augenblicklich Gänsehaut und musste einen Seufzer unterdrücken. Sie wollte wissen, wohin das ganze führen sollte und regte sich deshalb nicht. Elphaba stützte ihren Kopf auf ihre linke Hand und betrachtete die blonden Locken im Mondschein. Die Wärme, die nun von der Bettdecke aufstieg, stand im absoluten Kontrast zu der eiskalten Raumtemperatur, die Elphaba nun an ihrem Arm fühlen konnte. „Flamara chim…“, murmelte die Hexe in die Dunkelheit hinein, ihren Blick auf den Kamin an der gegenüberliegenden Wand gerichtet und schon nach wenigen Sekunden sah sie das Licht vom Feuer an den Wänden tanzen. Sie hatte beschlossen, mit dem Aufstehen zu warten, bis es nicht mehr ganz so kalt war und lauschte entspannt den Knistergeräuschen des brennenden Holzes. Mit geschlossenen Augen sog Elphaba den Duft von Glindas Locken ein und seufzte leise. Für sie war es mehr als ungewohnt, neben jemandem aufzuwachen, der ihr Wärme gab. ‚Und nicht nur das…’, stellte Elphaba leicht verwirrt fest. Sie fühlte sich irgendwie nach langer Zeit wieder geborgen und die Nähe zu ihrer Freundin tat ihr gut, das konnte sie fühlen. Aber in ihr stieg langsam ein weiteres Gefühl auf, welches sie noch nicht richtig benennen konnte. Es dauerte einige Zeit, bis Elphaba die Worte gefunden hatte: ‚Es fühlt sich an, als müsste es so sein… Und nicht anders…’ Es war merkwürdig, nach all den Jahren wieder neben Glinda aufzuwachen. In der Zeit, bevor die beiden die Smaragdstadt und den Zauberer besucht hatten, war eine solche Szene zwar auch ungewöhnlich gewesen, aber es war öfter vorgekommen, dass Elphaba morgens aufwachte und die junge Frau in ihren Armen gehalten hatte. Das war immer dann passiert, wenn Glinda einen Albtraum gehabt hatte und das war beinahe bei jedem Gewitter gewesen. Elphaba hatte sie einmal gefragt, ob sie vor dem Gewitter Angst hatte und Glinda hatte mit ‚Nein’ geantwortet. Die Hexe sah wieder das Bild vor ihrem inneren Auge: „Nein..“, sagte Glinda und die blonden Locken fielen ihr beim Kopfschütteln ins Gesicht. Dann senkte sie die Augen. Elphaba wollte gerade zu einer erneuten Frage ansetzen, als die eisblauen Augen sie wieder ansahen. Sofort war das grüne Mädchen damals verstummt, als sie den Schmerz und die Verzweiflung ihrer Freundin fast hatte greifen können. Danach hatte sie nie wieder danach gefragt… ‚Hmmm’, dachte Elphaba in Gedanken, ‚Vielleicht ist es nach all den Jahren nun Zeit, wirklich alle Fragen zu beantworten…’ und fügte diese Frage dann auch ihrer Liste hinzu, die sie in ihrem Kopf während des Besenfluges erstellt hatte. Ohne es zu wollen, driftete Elphaba gedanklich wieder in ihre Zeit während des Studiums ab. Damals waren sie und Glinda noch junge Mädchen gewesen und sie hatte jetzt erst erkannt, wie intensiv ihre Freundschaft wirklich gewesen war. Bei diesem Gedanken erdunkelgrünte Elphaba leicht. ‚Aber jetzt sind wir beide erwachsen… Wir sind Frauen und …’, sie konnte den Gedanken nicht zu Ende führen. Diese Worte konnte sie nicht einmal DENKEN. Glinda hatte die Augen noch immer geschlossen und fühlte, wie Elphabas Körper sich von ihrem entfernte. Warum sie das enttäuschte, wusste sie genau, aber sie wollte nicht darüber nachdenken. Schon am See der heiligen Aelphaba hatte sie ihre Gedanken abgewürgt und tat es nun wieder. Die Hexe schlüpfte vorsichtig unter der warmen Bettdecke hervor und hoffte, Glinda würde nicht wach werden. Sie fühlte, wie die eisige Kälte sich in ihren Körper drängte, doch Elphaba ignorierte die Empfindung. Sie konnte nach diesen undenkbaren Gedanken einfach nicht mehr ruhig liegen bleiben. Leise öffnete sie ihren Kleiderschrank und zog sich ein Paar dicke Socken, einen Rollkragenpullover und eine lockere Hose an. Dann schlüpfte sie in ihre Hausschuhe und wollte die Tür öffnen. ‚Oh nein!’, dachte Elphaba erschrocken, als sie unabsichtlich etwas lauter an der Tür gerüttelt hatte, ‚Der Schlüssel…’ Erstaunt hörte Glinda das Geräusch eines Schlüssels, der im Schloss knarrend umgedreht wurde. ‚Elphaba hat abgeschlossen?’, dachte sie verwundert. Als sie hörte, wie die Tür von außen wieder geschlossen wurde, setzte sie sich ruckartig im Bett auf. Das Licht des Feuers fiel auf ihr Gesicht und sie genoss die Wärme, die sich ganz langsam in dem Raum ausbreitete. So saß sie eine ganze Weile dort und dachte darüber nach, wie es nun weitergehen sollte. Sie hatte keine Ahnung, was Fiyero sagen würde. Genauso wenig wusste sie, was in jener Nacht wirklich passiert war oder wie es mit ihr und Elphaba weitergehen sollte. Bei dem Gedanken an Elphaba bekam Glinda erneut Gänsehaut und rieb sich fröstelnd die nackten Oberarme. ‚Glinda Hochborn, hör auf damit!’, schalt sie sich selber und wollte sich gerade wieder auf ihre Fragen zu der schrecklichen Nacht konzentrieren, als sie dumpfe Klänge hörte. „Was…“, setzte Glinda an und verstummte sofort wieder. Lauschend saß sie auf dem Bett und hielt ihren Atem an, als ihr klar wurde, dass jemand irgendwo im Schloss Klavier spielte. Elphaba ging, noch immer mit ihren Gedanken bei Glinda und Shiz, murmelnd die Treppe hinunter. Im Wohnsaal war es noch viel kälter als im Schlafzimmer und sie zog den Morgenmantel etwas fester um den knochigen Körper. Zitternd ließ sie den großen Kamin auflodern, wie sie es auch vorhin im Schlafzimmer getan hatte, nur war dieses Feuer dreimal so groß. Im sanften Licht, welches nun auch von den angehexten Kerzen flackerte, sah sie sich suchend in dem großen Raum um. Es sah alles genauso aus, wie es gestern Abend gewesen war und noch immer gab es keine Spur von Fiyero. Seufzend ließ Elphaba sich auf den Hocker des schwarzen Klaviers fallen und öffnete den edlen Kasten. Sie fragte sich, warum Fiyero wohl so lange fortblieb. Die weißen Tasten schimmerten leicht im Schein der Lichter und liebevoll strich die grüne Hand über das edle Holz. Als die große Wanduhr am anderen Ende des Raumes leise läutete, erkannte Elphaba, dass es erst sieben Uhr war. Sie hatte beinahe neun Stunden geschlafen, was auch erklärte, warum sie nun schon so hellwach war. Elphaba richtete ihren Blick wieder auf die Tasten, stand dann auf und griff in den Flügel hinein. In einer Art Geheimecke hatte sie alle möglichen Lieder, die sie einmal komponiert hatte, aufbewahrt. Seit ihrer Kindheit konnte sie Klavier spielen und es war ihre Art, mit verwirrenden, frustrierenden oder traurigen Emotionen umzugehen. Es half ihr sehr, eine Melodie zu ihrer gefühlsmäßigen Lage zu spielen und irgendwann während des Spiels waren dann immer die Worte wie von selber aufgetaucht und sie hatte sie gesungen. Danach hatte sie das Lied immer aufgeschrieben und es behutsam in eine Hülle gepackt. Sie hatte also nicht eine Abstellkammer, in welche sie ihre Gefühle in Schuhkartons verpackt ablegte, wie Glinda es tat, sondern sie hatte eben ein Klavier, mit welchem sie ihre Gefühlslage verarbeitete. Diese Schuhkartonsache hatte Glinda ihr auch irgendwann während des Studiums erzählt. Da war sie schon wieder… ‚Glinda…’, dachte Elphaba seufzend und drückte sanft eine Klaviertaste nach unten, sodass ein leiser Ton entstand. Sie fühlte, wie die Note ihren grünen Körper ergriff und ihn von innen heraus durchflutete. Es war dieses wunderbare Gefühl, welches sie empfand, wann immer sie gute Musik hörte oder aber, und das am liebsten, selber spielte. Automatisch legte sie ihre andere Hand auf die Tasten und sie konnte beobachten, wie beide Hände nun scheinbar durch eigenen Willen begannen, eine leise und beruhigende Melodie zu spielen. Da sie von Kindesbeinen an spielte, konnte Elphaba ihren Gedanken freien Lauf lassen, während ihre Finger das taten, wonach ihnen gerade war. Elphaba kam es so vor, als würden ihre Gedanken durch diese flüssige Melodie ebenso flüssig werden. Sie dachte darüber nach, wie sie erst vor ungefähr dreißig Minuten neben Glinda aufgewacht war und dann erinnerte sie sich an die Zeit, kurz nachdem sie die blonde Frau in der Kutsche davongeschickt hatte. Damals hatte sie sich ein kleines Zimmer in der Smaragdstadt gemietet und jeden Morgen war sie beinahe in solcher Kälte aufgewacht und ebenso hatte sie sich jeden Morgen gewünscht, wie in Shiz neben Glinda aufzuwachen, weil diese in der Nacht laut geschrien hatte. All diese Erinnerungen spukten ihr im Kopf herum und plötzlich bemerkte sie, was für eine Melodie ihre Hände dort nun erzeugten: Es war die Melodie, welche sie in dieser Zeit komponiert hatte. Diese Melodie war genau an einem solchen Morgen entstanden: Es war bitterkalt gewesen und Elphaba hatte die ganze Nacht über gefroren und kaum ein Auge zugetan, weil sie wusste, wenn sie aufwachen würde, wäre sie allein. Im frühen Morgengrauen war sie dann endlich aus dem Bett gestiegen und hatte ihren Fingern mit geschlossenen Augen freies Spiel gelassen… Jedoch war sie damals nicht in der Lage dazu gewesen, einen passenden Liedtext zu formulieren. Diese Erinnerung erweckte eine weitere zum Leben und Elphaba dachte: ‚Vor kaum mehr als anderthalb Jahren habe ich an diesem Flügel hier gesessen und die Melodie gespielt… und dann sind die Worte einfach so erschienen, wie aus dem Nichts…’ Sie wollte nicht daran denken, wie sie nach Nessas Tod hier, genau auf diesem Stuhl gesessen und mit den Tränen gekämpft hatte. Sie wollte nicht daran denken, wie Glindas Worte in ihrem Kopf damals immer wieder und wieder gehallt waren: „Nein, Elphie! So war es nicht! Nein, Elphiiee… Neeein!“ Sie wollte nicht daran denken, wie schuldig sie sich damals gefühlt hatte, nachdem, was sie Glinda alles angetan hatte und wie gemein sie zu ihr gewesen war. Sie wollte nicht daran denken, wie sie es damals bereut hatte, Glinda so verletzt zu haben. Sie wollte nicht daran denken, wie die Gewissheit langsam in ihr aufgestiegen war, dass Glinda an der ganzen Sache keine Schuld hatte. Sie wollte nicht daran denken, wie sie sich selber damals für alles die Schuld gegeben hatte. Sie wollte nicht daran denken, wie sie damals unter Tränen diese Melodie gespielt und den endgültigen Entschluss gefasst hatte, dass ihr Leben so nicht mehr weitergehen konnte. Und mit diesem Entschluss hatte sie damals einer Stimme gelauscht. Diese Stimme hatte den Entschluss und die Melodie zu einem vollendeten Lied zusammengefügt und erst am Ende hatte Elphaba realisiert, dass es ihre eigen Stimme gewesen war. Auch jetzt lauschte sie wieder der Melodie, die scheinbar von anderen Händen als den eigenen gespielt wurde und als sie sich an all das erinnerte, konnte Elphaba sich nicht mehr kontrollieren. Sie fühlte, wie sich ihr Mund öffnete und ihre Lungen sich mit der kalten Luft vollsogen. Als der erste Ton erst leise, dann lauter und kräftiger erklang, stiegen ihr die Tränen in die Augen und sie dachte: ‚Elphaba, hör auf! Hör auf, verdammt noch mal! Das ist doch schon alles längst vorbei…’ Doch die Hexe hatte die Kontrolle über ihren Körper verloren und als sie ihre eigene Stimme aus vollem Halse singen hörte, hoffte sie einfach nur, Glinda würde nicht aufwachen und sich daran erinnern, dass genau dieses Lied im Einband des Grimoriums stand… Als Glinda begriffen hatte, dass es nur Elphaba sein konnte, die dort unten Klavier spielte, war sie mit einem Sprung aus dem Bett und an der Tür. ‚Wenn Fiyero schon hier wäre, dann hätten wir es bestimmt gemerkt…’, dachte Glinda, als sie lautlos die schwere Holztür öffnete und sofort wurden die Töne klarer, die nun direkt an ihr Ohr drangen. Als die blauen Augen das letzte Stück der Wendeltreppe hinab blickten, sah Glinda den Schein der Lichter auf den letzten Stufen und schlich langsam die Treppe hinunter. Die Steintreppen waren eiskalt und ihre nackten Füße schmerzten beinahe schon, aber das war ihr egal. Sie musste wissen, ob diese wundervolle und gleichzeitig traurige Melodie von Elphabas Händen kam. Aus Furcht, Elphaba würde sofort aufhören, wenn sie Glinda sah, drückte die Blondine ihren zitternden Körper an die noch kältere Steinwand und blieb auf der letzten Stufe stehen, die noch in Dunkelheit gehüllt war. Sie stand dort im Schatten der Wendeltreppe und traute ihrem Augen kaum: Die grüne Frau saß anmutig an einem eleganten, schwarzen Flügel und die grünen Finger schienen über den Tasten zu schweben. Glinda war wie gefesselt, sie konnte nicht mehr atmen. Noch nie hatte sie einen Menschen gesehen, der so wie Elphaba Klavier spielen konnte. ‚Dabei habe ich noch nicht einmal gewusst, DASS sie es kann!’, dachte sie und konnte sich an kein Gespräch erinnern, in welchem Elphie etwas in der Richtung erwähnt hatte. Aber in Shiz hatte Elphaba nie gespielt… ‚Oder habe ich sie einfach nie spielen gesehen?’, fragte sich Glinda nun, als sie Elphabas feine Züge im Kerzenschein musterte. Die grüne Stirn lag in Falten und die dunkle Augen starrten an die gegenüberliegende Wand. Die Hexe schien über etwas nachzudenken, was sie sehr bewegte, denn Glinda sah, wie Elphabas Mundwinkel von Zeit zu Zeit leicht zuckten. Plötzlich sah Glinda, wie Elphabas Blick glasig wurde und für den Bruchteil einer Sekunde hielten die grünen Hände inne. „Das ist doch schon alles längst vorbei!“, hörte sie Elphies zittrige Worte. Glinda hatte den Eindruck, als hätte Elphaba nicht gemerkt, dass sie das gerade laut ausgesprochen hatte, denn kurz darauf setzten ihre Hände wieder ein und die Melodie erklang von Neuem. Glinda sah, wie Elphie einen langen Atemzug nahm. Als die Stimme ihrer Freundin den Raum erfüllte, zitterte Glinda noch stärker, aber nicht mehr vor Kälte. Mit großen Augen sah sie zu, wie Elphaba erst unsicher, doch dann sehr selbstsicher zu singen begann. Als sie die ersten gesungenen Worte hörte, schien es, als hätte die Welt aufgehört, sich zu drehen… "No, I can’t forget this evening Nor your face as you were leaving But I guess that’s just the way this story goes… You always smile - But in your eyes your sorrow shows… Yes it shows… Von der Zärtlichkeit in Elphabas Stimme überwältigt, musste Glinda sich an der Wand festhalten, um nicht ihr Gleichgewicht zu verlieren. Sie wusste nicht, woher auf einmal die vergangene Bilder wieder vor ihrem inneren Auge auftauchten, doch sie sah sich als junges Mädchen weinend in einer Kutsche sitzen, damals, als Elphaba wieder in der Menschenmenge verschwunden war… Und lächelnd war Glinda damals aus der Kutsche gestiegen… “No I cant forget tomorrow When I think of all my sorrow When I had you there but then I let you go And now its only fair that I should let you know What you should know…” Sie hörte Elphabas Worte von damals: „Ich will dich nicht anlügen, mein Liebes. Das ist gar nicht nötig. Ich weiß nicht wohin, ich gehe. Ich habe mich noch nicht entschieden, damit ich nicht lügen muss.“ Und dann fühlte sie wieder Elphabas Kuss auf ihren Lippen. „Halte durch…“, hatte sie gesagt und mit diesen Worten hatte sie Glinda gehen lassen… “I can’t live If living is without you. I can’t live. I can’t give anymore Can’t live If living is without you! Can’t give, I can’t give anymore…” Elphaba hörte ihre eigenen Worte, wie sie sich kraftvoll aus dem grünen Körper befreiten. Es war erst das zweite Mal, dass sie dieses Lied wirklich sang und es war noch überwältigender, als beim ersten Mal, obwohl doch alles schon so ewig her war. Das Gefühl der Überwältigung wollte nicht abebben, im Gegenteil, es wuchs… Glinda sah, wie das Bild von Elphaba am Flügel verschwamm und merkte, wie die Tränen sich ihren Weg suchten. Sie konnte nicht glauben, dass es Elphaba Elea Thropp war, die gerade gesungen hatte, dass sie sich ein Leben ohne Glinda nicht mehr vorstellen konnte. Elphaba hatte ihren Namen weder gesungen, noch gesprochen, dennoch fühlte Glinda, es ging um sie und sie ahnte auch, dass Elphaba an dieselben Ereignisse gedacht hatte, als sie das Lied geschrieben haben musste. Als sie durch ihre Tränen sah, wie Elphaba bei den letzten Worten ihren Kopf in die Höhe reckte und aus vollem Halse mit so viel Gefühl sang, gab Glinda dem Drang nach und ließ sich auf die Stufe sinken. Ihre Beine konnten sie nicht mehr tragen… “Well, I cant forget this evening Nor your face as you were leaving But I guess that’s just the way the story goes. You always smile - But in you eyes your sorrow shows… Yes it shows…” Glinda schloss die Augen und nun sah sie sich als Glinda die Gute, wie sie über Nessas Grab kniete. In sekundenschnelle spielte sich das Geschehene abermals ab und am Ende wurde sie von Elphaba weggezogen… „Du bist ja viel zu sehr damit beschäftigt, den Leuten hier weis zu machen, wie WUNDERVOLL alles ist…“, hörte sie Elphabas Worte. Glinda die Gute hatte immer gelächelt… “Can’t live If living is without you I can’t live. I can’t give anymore! Can’t live If living is without you… I can’t live, I can’t give anymore!” Mit der rechten Hand stützte sich Glinda noch immer an der Wand ab. Bei diesen gesungenen Worten musste sie sich ihre linke Hand vor den Mund halten, um nicht zu schluchzen oder Elphabas Namen zu rufen. Die Tränen liefen ihr nun auch über die Hand und als sie Elphabas „Ohhhhhhhh, no, no, no, I can’t liiiiiive…" hörte, hielt sie es nicht mehr aus. Ruckartig stand sie auf, drehte sich um und fiel dabei vorn über. Sie fing sich noch rechtezeitig mit der rechten Hand ab, denn die linke Hand presste sie noch immer auf ihren Mund. Ihr ganzer Körper vibrierte und zitterte. Sie konnte das alles nicht glauben. ‚Das kann nicht wahr sein…’, dachte sie immer wieder, als die nackten Füße die Steintreppen so leise wie möglich hoch liefen. Glinda hatte versucht, all die Gedanken, für die sie sich eben noch selbst getadelt hatte, in einen Schuhkarton zu sperren und ihn ganz oben auf den Stapel der anderen Kartons zu stellen, damit sie auch auf keinen Fall mehr in Versuchung kam, den Karton zu öffnen. Doch nun schien es ihr, als wäre der ganze Stapel auf sie heruntergefallen und sie fühlte sich, als hätten alle Schuhkartons auf einmal ihren Deckel verloren. Als sie oben angekommen zitternd nach dem Türgriff tastete, überkam sie eine neue Gefühlswelle. Hastig machte sie die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel um. Erst dann ließ sie ihren Tränen freien Lauf, nahm sich ein Kissen vom Bett und schrie dort unter Tränen hinein. Das Feuer loderte hell auf und Glinda dachte, das Innere ihres Körpers würde brennen. Die Schmerzen, die sie seelisch empfand, schienen nun auch physisch zu sein. Ihre Beine und Arme schmerzten, ihr Magen zog sich qualvoll zusammen und sie ließ sich auf den Teppich vor dem Kamin fallen. Jammernd zog sie ihre Beine an die Brust, das Kissen noch immer gegen ihr Gesicht gedrückt. Ihre Augen schmerzten von dem Salz und ihr Hals brannte von den Schreien, die das Kissen verschluckt hatte. Wimmernd lag sie dort, bis der Tränenausbruch langsam abgeebbt war. Sie wusste nicht, was sie so sehr aufgewühlt hatte oder was all diese Gefühle erweckt hatte oder wo diese Gefühle überhaupt alle hergekommen waren. Als sie sich etwas beruhigt hatte und ihr Atem nicht mehr den Anschein erweckte, als würde sie gleich kolabieren, lauschte sie dem Spiel des Feuers und konzentrierte sich dabei auf mögliche andere Geräusche. Doch es drang kein einziger Klavierton mehr an ihr Ohr und sie hoffte innig, Elphaba würde noch nicht nach ihr sehen. Sie verstand das alles nicht… „Warum jetzt? Warum erst jetzt?“, fragte sie flüsternd das Feuer, als sie langsam das Kissen von ihrem Gesicht nahm und es unter ihren Kopf legte. Als Elphaba merkte, dass keine Worte mehr in ihrem grünen Körper zurückgeblieben waren, spielte sie die letzten Noten und nahm dann ihre langen Finger von den Tasten. Wie gebannt starrte sie auf das schwarz-weiße Wechselspiel. Ihr Herz schlug in erhöhtem Rhythmus gegen ihre Brust, ihr Atem ging schneller und es dauerte einige Zeit, bis Elphaba wieder den Raum um sich herum wahrnahm. Sie hatte den Fakt, dass sie nicht alleine auf Kiamo Ko war, ausgeblendet. Doch als sie sich daran erinnerte, drehte sie ihren Kopf blitzartig in Richtung Treppenansatz und als sie dort niemanden sah, blickte sie in Richtung Flurtür. Erleichtert seufzte sie auf, da sie glaubte, weder Fiyero noch Glinda hätten ihr Spiel gehört. Elphaba hatte keine Ahnung, wie laut oder wie leise sie gesungen hatte, denn wenn das passierte, folgte sie lediglich einem inneren Drang und blendete dabei alles andere um sie herum aus. Fiyero hatte immer zu ihr gesagt, sie würde mit einem solchen Ausdruck in ihrer Stimme singen, dass es Menschenherzen zum Schmelzen bringen könnte. „Erzähl keinen Quatsch!“, hatte Elphaba dann immer darauf geantwortet und sich gefragt, wie sich ihr Gesang wohl anhörte… Bei den Gedanken an Früher stahl sich ein Lächeln auf Elphabas stumme Züge. Noch immer saß sie regungslos auf dem Klavierhocker. Als die Wanduhr hinter ihr erneut erklang, schreckte sie zusammen und wäre beinahe von dem kleinen Stuhl gefallen. „Gütiger Oz…“, seufzte sie, als sie sich langsam aufrappelte. Als Elphaba sich umdrehte, fiel ihr Blick erneut auf den weißen Zettel auf dem Tisch. ‚Wo zum Ballon steckt Fiyero?’, fragte sie sich verärgert und merkte, dass sie sich langsam um ihn sorgte. ‚Elphaba, beruhige dich! Es wäre nicht das erste Mal, dass Fiyero zwei ganze Tage wegbleibt und früher hat dir das auch nichts ausgemacht…’, versuchte die Hexe sich selber zu beruhigen, doch diesmal wusste sie, war es anders. Sie musste Fiyero unbedingt sprechen, denn ohne ihn konnten Glinda und sie nicht ausmachen, wie es nun weitergehen sollte… Elphaba war noch immer etwas zittrig von ihrem gefühlvollen Klavierspiel. Die Emotionen hatten sie beinahe brutal überfahren erst jetzt merkte sie, dass sie sich sammeln und beruhigen musste, bevor sie Glinda wieder gegenübertrat. Schnell rannte sie zurück zum Flügel, steckte das Notenblatt wieder in die Hülle zu den anderen und legte das dicke Paket dann in ihr Geheimfach – in den Flügel hinein. Mit einem Blick aus dem Fenster sah die grüne Frau, dass es langsam hell wurde und der Schnee glitzerte verführerisch im Schein der aufgehenden Sonne. Als Elphaba durch das Fenster hinaus in den Schnee starrte, berührte einer ihrer Finger leicht eine Klaviertaste und der leise Ton erfüllte dennoch das Zimmer. Elphaba zuckte erschrocken zusammen und starrte auf die Klaviertasten. Normalerweise hatte es sie immer beruhigt, Klavier zu spielen. Manchmal war es auch passiert, dass sie erst aufgewühlter geworden war, aber sobald sie etwas gesungen und somit ihre Emotionen ausgesprochen hatte, war diese Aufgewühltheit durch Ruhe ersetzt worden. Doch dieses Lied eben hatte sie ganz und gar nicht beruhigt. Sie fühlte immer noch das leichte Brennen der Tränen auf ihren Wangen. Ihre Hände begannen erneut zu zittern, als sie die grünen Finger ausstreckte, um die Tasten zu berühren. Elphaba erkannte verwirrt, dass sie Angst hatte. Angst, dass ein erneuter Gefühlsausbruch sie aus der Bahn werfen würde. ‚Reiß dich zusammen, Elphaba’, stutzte sie sich verärgert in Gedanken zurecht und ließ sich dann erneut auf den Klavierhocker fallen. Mit einer unbeschreiblichen Grazie dehnte sie ihre Finger, wackelte dann mit den Fingerspitzen in der Luft herum und setzte dann die grünen Hände sanft auf die Tasten. Ihr Puls schoss in die Höhe und in ihren Ohren konnte sie den eigenen Herzschlag hören. Dennoch begann sie, eine neue, beruhigende Melodie zu spielen, die ihr gerade in den Sinn kam und wonach sie sich fühlte. Leise summte die Hexe mit und sie merkte, wie sich ihr zitternder Körper schon nach einer kurzen Zeit wieder etwas beruhigte. Sie spielte noch eine Weile weiter und horchte in sich hinein, doch die Worte waren noch nicht bereit, gesungen zu werden. Also beendete Elphaba die Melodie mit den letzten Noten, die ihre Hände spielen konnten und stand dann auf. Im Licht des Kerzenscheins und des Feuers suchte sie sich ein leeres Blatt und setzte sich damit auf das Sofa vor dem Kamin. Sie liebte es, früh morgens, wenn der Tau noch auf den Blättern klebte, sich vor den brennenden Ofen zu setzen und zu lesen oder etwas zu schreiben oder einfach nur über etwas nachzudenken. Mit ihrer linken Hand griff sie nach dem Stifthalter, der auf dem kleinen Beistelltisch stand und zog eine elegante, schwarze Füllfeder heraus. Dann langte sie nach einem Buch, welches unter dem Tisch lag und benutzte es als Unterlage für das Blatt. Erst dann begann sie, die Melodie sorgsam aufzuschreiben, wobei sie die ganze Zeit vor sich hinsummte. Aufgrund ihrer Sorgfalt dauerte es einige Zeit, bis sie damit fertig war und dann erklang schon wieder die Wanduhr. „Acht Uhr…“, murmelte sie leise, stand dann auf und steckte das Blatt zu den anderen Papieren in ihrem Flügel. Vorsichtig klappte sie das Klavier wieder zu und stellte sich dann vor das große Fenster, an welchem der schwarze Flügel stand. Elphaba überlegte, was sie nun tun sollte. Glinda würde bestimmt noch schlafen, aber das war wohl auch gut so. ‚Ich kann noch nicht mit ihr sprechen…’, stellte Elphaba erschöpft fest und entschied sich dann dazu, erst einmal das Frühstück vorzubereiten. Sie wusste, was Glinda am liebsten frühstückte, doch bei der Vorbereitung würde Elphaba mit Wasser in Berührung kommen. Also stieg sie mit ihren pantoffelbekleideten Füßen die Treppe hinauf und stutzte, als sie merkte, dass die Tür von innen abgeschlossen worden war. „Nanu?“, fragte sie leise in den kleinen Flur hinein und klopfte vorsichtig. Sie wollte Glinda auf keinen Fall wecken. Nicht nur, weil sie wusste, dass ihre Freundin den Schlaf brauchte, sondern auch weil sie selber merkte, dass sie noch nicht bereit dazu war, in diese eisblauen Augen zu schauen. ‚Hmmm…. Wie ging das jetzt noch mal? Immer diese blöden Sprüche…’, ärgerte sich Elphaba in Gedanken, als ihr der Zauberspruch zum Türen Aufschließen nicht einfallen wollte. „Clave… clave… clave was?... Clave inversa!“, murmelte sie endlich, als sie meinte, die richtigen Worte gefunden zu haben. Erneut probierte sie, die Tür zu öffnen, doch es gelang ihr nicht. Erst da sah sie, dass der Schlüssel nun auf ihrer Seite des Schlosses steckte. ‚Naja, nicht ganz korrekt, aber egal..’, schmunzelte sie und drehte den Schlüssel leise um. Genauso leise öffnete sie das schwere Holz und schlüpfte durch den kleinen Spalt in das Zimmer. Als sie sah, dass Glinda nicht mehr im Bett lag, überkam sie eine Welle von Panik. „Glin…“, begann sie etwas lauter und hielt sofort inne, als sie Glinda vor dem Kamin entdeckte. Sie hatte sich zu einem Ball zusammengerollt, die zarten Finger lagen an ihrem Mund und unter ihrem Kopf lag Elphabas Kissen. Die Hexe machte einen Schritt auf sie zu und beobachtete, wie regelmäßige Atemzüge Glindas Brustkorb auf- und abhoben. Der Tanz des Feuers spiegelte sich auf Glindas heller Haut und Elphaba dimmte es etwas, aus Angst, Glinda würde sich sonst noch verbrennen. Mit der Frage in ihrem Kopf, warum Glinda abgeschlossen hatte, huschte Elphaba ins Badezimmer, zog sich die Kette wieder an und betrachtete eine andere Frau im Spiegel. Mit einem zärtlichen Blick auf Glinda verließ die Hexe das Schlafzimmer, steckte dann den Schlüssel wieder auf die Innenseite der Tür und zog sie dann hinter sich zu. Da sie den Spruch nicht wusste, wie man Türen von der anderen Seite aus auf- oder abschließen kann, ließ sie es bleiben und machte sich dann auf den Weg in die Küche. Es dauerte nicht lange und Elphaba war voll und ganz in ihrem Tun versunken. Sie dachte, es wäre wohl besser, im Wohnsaal zu essen, aufgrund des unangenehmen Gesprächsthemas, was nun noch zu klären war. Außerdem wollte sie Fiyero direkt abfangen, wenn er nach Hause kommen sollte. Elphaba konnte es noch immer nicht fassen, was Fiyero ihr vorgeworfen hatte. Es war nicht der Vorwurf an sich, der Elphaba so fassungslos machte. ‚Es ist die Tatsache, dass er mir etwas vor Augen gehalten hat, was ich die ganze Zeit nicht sehen WOLLTE!’, dachte die Hexe, als sie die Tür zum Garten aufschloss. Schnell schob sie ihre Gedanken wieder beiseite und machte sich daran, einige Tomaten und eine Gurke zu ernten. Sie hoffte, dass die grüne Pracht nicht bald eingehen würde, aufgrund der klirrenden Kälte. Aufgrund dieser Vorahnung ging sie abermals nach draußen und pflückte auch noch drei rote Paprika. Schnell huschte sie wieder ins Haus und ließ sich in die Wärme einhüllen, die sich nun überall ausgebreitet hatte. Sie zog ihren Morgenmantel aus, dann ihren Rollkragenpullover und hängte diesen über einen Küchenstuhl. Schnell schlüpfte sie wieder in ihren Mantel und machte sich dann daran, das Gemüse abzuwaschen. Sie genoss es, das kalte Wasser auf ihren Händen zu spüren und nahm sich die Zeit, etwas mit dem feuchten Nass herumzuspielen. Kichernd sah sie zu, wie die Wasserspritzer sich im Umkreis von einem Meter um sie herum verteilten und gleichzeitig lockerte sich auch ihre innerliche Anspannung etwas auf, die sie seit dem Klavierspiel empfunden hatte. Dann schnitt sie das Gemüse und schaute in den Kühlschrank. Verwundert stellte sie fest, dass er Quadlinger Brötchen enthielt. Erst da erinnerte sie sich an das Frühstückstablett, welches Fiyero ihr vor drei Tagen ans Bett gebracht hatte. ‚Erspart mir eine Menge Arbeit…’, dachte sich die Hexe und legte die Brötchen zum kurzen Aufbacken in den Ofen. Dann deckte sie den Tisch, lief noch einmal kurz in den Garten und schaute stolz auf ihr fast vollendetes Werk. Mit einem Blick auf die Uhr stellte Elphaba fest, dass die Brötchen noch eine gute Viertelstunde brauchen würden. Also nahm sie sich ihren Pullover von der Stuhllehne und stieg die Steintreppe zu ihrem Zimmer hinauf. Ihre Gefühlsebene hatte sich soweit wieder eingependelt und nun wollte sie Glinda wecken. Lauter als zuvor klopften die grünen Hände gegen das Holz, doch es kam keine Antwort. Elphaba drückte die Klinke herunter und trat in das warme Schlafzimmer, das nun von der Morgensonne erfüllt war. „Elphaba, warum erst jetzt?“ „Ich weiß es nicht.“ Glinda konnte das Gesicht der Freundin nicht sehen. Ihr langes, rabenschwarzes Haar versperrte die Sicht. Die beiden Frauen standen so nah beieinander, dass Glinda die Hitze auf ihrem Körper spüren konnte, die von Elphaba ausging. „Elphaba, warum erst jetzt?“, fragte sie noch einmal, nun lauter und deutlicher als zuvor. Im Hintergrund spielte eine beruhigende Melodie, doch als Glinda hinter sich blickte, konnte sie nichst erkennen. Als sie sich wieder umdrehte, fragte sie verdutzt: „Elphaba?“ Die Hexe war nicht mehr da. „Glin…“, hörte sie die vertraute Stimme rufen und drehte sich erneut um. Grüne Arme umschlossen sie plötzlich und Glinda tauchte in die Zärtlichkeit ein. „Ich verspreche es…“, hörte sie Elphabas Stimme sagen, bevor das Bild langsam verblasste. Verwirrt wachte Glinda auf und rieb sich die verschlafenen Augen. Dann streckte sie ihre nackten Beine und Arme aus und gähnte laut. Das Feuer kitzelte sie mit seiner Wärme an der Nase und Glinda fühlte, wie ihre Wangen glühten. Entspannt drehte sie sich auf den Rücken und starrte an die Zimmerdecke. Ohne es zu wollen, hörte sie Elphabas Gesang in ihren Ohren: „And now its only fair that I should let you know - what you should know…” Schnell schob sie die aufsteigenden Gedanken zur Seite. Sie musste darüber nachdenken, das stand fest, aber das konnte sie nicht, wenn Elphaba bei ihr war. Irgendwie musste sie die Freundin loswerden, wenn auch nur für kurze Zeit. Aber sie brauchte definitiv einige Zeit für sich… ‚Und ich weiß auch schon, wie ich das anstellen werde…’, dachte Glinda und streckte sich dann noch einmal. Nach dem Dämmerschlaf merkte Glinda, wie sich ihre Gefühlswelt langsam wieder beruhigt, aber noch lange nicht geordnet hatte. Sie spürte, dass bestimmte Themen, von denen sie eigentlich gedacht hatte, sie wären abgeschlossen, sich wieder neu geöffnet hatten, aber jetzt wollte und konnte sie darüber nicht nachgrübeln. Langsam richtete sie sich auf, wobei sie ihren Körper auf die Arme stützte. „Meine Güte…“, stöhnte Glinda, als sie merkte, wie heiß ihr war. „Wie lange habe ich denn hier gelegen?“, fragte sie in das Feuer hinein und rappelte sich auf. Fröhlich sah sie, dass die Morgensonne schon ihre ersten Strahlen in das Zimmer warf. Es hatte schon seinen Grund, warum die blonde Schönheit sich meistens vom Sonnenschein wecken lies, aber auch darüber wollte sie nicht nachdenken- Glinda verbannte all die anstrengenden oder traurigen Fragen, Tatsachen, Erinnerungen aus ihren Gedanken und stellte sich vor das Fenster. Sie öffnete es leise und steckte ihre Nase in die kühle Morgenluft. Dann atmete sie tief ein und genoss es, die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut zu fühlen, die gleichzeitig von der kalten Luft umgeben war. Als undeutliche Geräusche an ihr Ohr drangen, öffneten sich die eisblauen Augen und schauten auf den Garten hinab. Glinda sah, wie Elphaba, bekleidet mit Hausschluppen, Morgenmantel und Rollkragenpullover sich an einer Tomatenstaude zu schaffen machte. Eine der roten Kugeln fiel in den Schnee. Als Glinda sah, wie Elphaba danach greifen wollte, fielen der Hexe auch die anderen Tomaten aus der Hand. Glinda musste grinsen, als sie sah, wie Elphaba sich aufregte und dabei die Hände in die Luft warf. Da sie nicht von Elphaba gesehen werden wollte, schloss Glinda das Fenster wieder und sah noch einmal in den Garten hinunter. Dabei stellte sie fest, dass die Hexe wieder entgrünifiziert war und wunderte sich, warum sie am Klavier grün gewesen war. „Entweder trug sie die Kette bei sich oder…“, überlegte Glinda laut mit einem Blick auf die Tür, „…oder sie war hier.“ Schnell lief sie zur Tür und stellte beunruhigt fest, dass diese nicht mehr verschlossen war. ‚Oh nein, was wird Elphie jetzt denken?’, fragte sie sich insgeheim. ‚Ich werde einfach sagen, dass ich nach dieser Nacht noch immer schreckliche Angst davor habe, dass jemand in mein Zimmer kommt. Besonders dann, wenn ich alleine bin…’ Doch als sie diesen Gedanken gefasst hatte, merkte Glinda, dass es sogar der Wahrheit entsprach. Auch, wenn es in dem Zimmer nun gemütlich warm war, stieg die Kälte von dem Steinboden langsam in ihr auf. Glinda ging zu der Tür, von der Elphaba ihr gesagt hatte, dass dahinter das Badezimmer lag und stieß sie auf. Direkt links von ihr befand sich ein großer, offener Schrank mit drei Regalreihen, die voll von Handtüchern und Badesachen standen. Ihr gegenüber lag ein großes Fenster, durch welches die Sonnenstrahlen fielen und den ganzen Raum erhellten. Unter dem Fenster stand eine Komode, die der Länge des Lichtspenders entsprach. Links daneben stand die Toilette und an der rechten Wand von ihr befand sich die Badewanne. Durch das Zimmer zog sich ein dunkelgrauer Teppich mit rubinfarbenem Muster und einigen roséfarbigen Akzenten, der in Kreuzform zu all den Stellen lief, die man am häufigsten benutzte. Glinda war noch immer von der Eleganz des dunkelrot lackierten Holzes gefangen, welches beinahe schon an Braun grenzte. Die Türgriffe der Kommodenschränke waren hellgrau, passend zu dem hellgrauen Waschbecken darin und der hellgrauen Badewanne mit rubinfarbenem Rand, auf die Glinda nun zuging. Sie drehte die Wasserhähne auf und sah , wie der dampfende Qualm sich auf die eiskalte Fensterscheibe über der Badewanne legte. Dann ging sie zu dem Regal, welches in der gleichen Farbe wie die Kommode lackiert worden war und nahm sich ein großes und ein kleines Handtuch heraus. Während das Wasser munter vor sich hin in die Wanne plätscherte, durchsuchte Glinda die Schubladen der Kommode nach einer Zahnbürste. Schmunzelnd stellte sie fest, dass Elphaba eine grüne benutzte und tatsächlich fand Glinda noch eine pinke in der Schublade. ‚Zwei zum Preis von einer’ las sie auf der Verpackung, als die blonde Frau die pinke Zahnbürste aus ihrer Hülle befreite und die Verpackung in den Mülleimer warf, der zwischen Kommode und Toilette stand. Schnell putzte sie sich die Zähne und stellte dann ihre Zahnbürste zu der von Elphaba. ‚Pink passt so gut zu grün…’, dachte sie kichernd und erinnerte sich an Elphaba, mit pinkfarbener Blume in dem rabenschwarzen Haar. Nachdem sie damit fertig war, ging sie zum anderen Ende der Kommode, nahm sich eines der Badesalze und schüttete etwas davon ins gurgelnde Wasser. Dann stellte sie das Fläschchen zurück auf seinen Platz, zog sich ihr Kleid über den Kopf und stieg langsam in das dampfende Wasser der Badewanne. Mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich in das warme Wasser gleiten und drehte dann die Wasserhähne zu. Sie war gerade dabei, ihre Haare zu waschen, als sie hörte, wie es an der Badezimmertür klopfte. „Ja?“, rief sie fragend. Die Tür wurde geöffnet und Elphaba steckte ihren Kopf hinein. „Ach hier bist du, Glin…“, mitten im Satz brach Elphaba ab und sie stellte sich hinter die Tür, sodass Glinda nur noch ihre Hand auf der Klinke erkennen konnte. Die Hexe hatte sich nicht schnell genug bewegt, denn Glinda hatte noch sehen können, wie sich ihr Gesicht dunkelrot gefärbt hatte. Glinda kicherte: „Elphie, ich sitze im Schaum. Nun komm rein und stell dich nicht so an!“ Etwas zerknirscht trat Elphaba in den Raum, noch immer hielt sie den Türgriff fest umklammert. „Entschuldige, Liebes…“, sie versuchte zu lächeln, „Aber wieso hast du die Tür nicht abgeschlossen?“ „Ich habe mir gedacht, dass es eh nichts bringt, weil du ja anscheinend Schlösser knacken kannst!“, lachte Glinda nun und Elphaba wusste, worauf sie anspielte. „Ich habe eben nur schnell meine Kette geholt… Ich wollte dich wirklich nicht wecken, aber ich dachte mir, wenn ich die Tomaten abwasche, wäre meine Wasserresistenz vielleicht gut zu gebrauchen…“ Endlich schaffte Elphaba es, ein Lächeln auf ihre Züge zu zaubern und ihre Augen zwinkerten. Das Eis war gebrochen. „Tomaten!“, Glinda klatsche erfreut in die Hände und der Schaum spritzte gegen die Wand. Elphaba nickte: „Ich habe uns Frühstück gemacht. Kommst du gleich runter? So in… einer Viertelstunde?“ „Das werde ich wohl schaffen! Wenn ich mich anstrenge…“, lachte Glinda und Elphaba stieg in das Lachen mit ein. Beide Frauen wussten, wie ewig Glinda baden konnte. Die Frau in der Badewanne beobachtete, wie Elphaba auf die Kommode zuging und ihre Kette vom Hals nahm. „Elphie, wieso…?“, begann sie und wurde unterbrochen. „Fiyero.“, war das einzige, was Elphaba sagte und Glinda nickte. „Bis gleich.“ Mit diesen Worten war Elphaba wieder verschwunden und Glinda seufzte. ‚Liebes’ hatte Elphaba gesagt. Es war das erste Mal nach mehr als neun Jahren… „Halte durch, Liebes…“, hörte Glinda Elphabas Worte, als sie die Luft anhielt und untertauchte. Schnell stieg sie wieder auf und sagte laut und deutlich zu sich selber: „Galinda von Hohenhochborn, hör jetzt verdammt noch mal auf damit! Du wirst heute noch genügen Zeit bekommen, über alles nachzudenken. Aber jetzt nicht. JETZT NICHT!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)