Lair von Celebrir (Das Geheimnis der Elfen von Mujial) ================================================================================ Prolog: -------- Die Vögel zwitscherten in den Wäldern von Mujial und die Sonne blinzelte vereinzelt durch die dicken Baumkronen. An wenigen Stellen traf die Sonne den Waldboden direkt und trotzdem war es nirgends zu dunkel. Für viele Besucher Mujials war dies unbegreiflich, aber für seine Bewohner war es nur eines der vielen Gleichgewichte in ihrer Umwelt mit denen sie zusammenlebten und die sie unter Aufwand all ihrer Kräfte schützen würden. Ein weiteres dieser Gleichgewichte war das der Jäger und Gejagten und das wusste auch Siriel Dûnsul, Jägerin der im Mujial lebenden Elfen. Da die Tiere trotz des Wissens um dieses Gleichgewicht nicht gerade darauf aus waren es mit ihrem eigenen Leben aufrecht zu erhalten musste die schlanke, aber für Elfenverhältnisse kleine Jägerin sehr vorsichtig sein, als sie sich an ein Reh anschlich. Ihre grünen Augen beobachteten gleichzeitig das Reh und den Waldboden vor ihr, damit sie nicht unabsichtlich auf einen herumliegenden Ast trat und genug Geräusche verursachte, dass selbst ein Faultier mitbekommen würde, dass sich ihm jemand näherte. Bei einem Faultier wäre es zwar noch eine andere Frage ob es sich entschließen konnte abzuhauen, bevor es einen Pfeil auf sich zufliegen sah, aber ein Reh würde bei dem leisesten Anzeichen von Gefahr fliehen. Leider gab es noch einen anderen entscheidenden Unterschied zwischen Faultier und Reh: Faultierfleisch schmeckte einfach nur schrecklich... Mit diesem Gedanken und einem leichten Lächeln aufgrund dieser Ironie legte sie lautlos einen Pfeil auf die Sehne ihres Bogen... Dann aber ertönte erst leise, immer lauter werdendes heulendes Geräusch. Augenblicklich war das Reh verschwunden, aber Siriel kümmerte sich nicht darum. Stattdessen blieb sie wie versteinert stehen und konzentrierte sich auf das Geräusch. Für einen Sekundenbruchteil hatte sie sich schon leicht wütend gefragt, wer da ihre Jagd vermasselt hatte, bis sie erkannte, dass es sich um kein normalen Weinanfall eines anderen Elfen handeln konnte. Es schien eher eine Art Protest von einem Wesen zu sein, dass seine Meinung auf keine andere Weise kundtun konnte. Mit der Schnelligkeit und Geschmeidigkeit, der ihre Familie einen Teil ihres Namen verdankte, denn „Sul“ bedeutet in der Elfensprache „Wind“, rannte sie in Richtung des Lärms ohne dabei mehr Geräusche zu machen als der Lufthauch es in den Blättern tat. Nachdem die Jägerin erkannt hatte, dass die Quelle nur von dem großen Fluss kommen konnte, der durch den Mujial floss, war sie auch schon beinahe dort und erblickte etwas, was sie noch nie in diesem Wald gesehen hatte und das war bei ihren immerhin schon 212 Lebensjahren keine Kleinigkeit: Ein Strohkorb mit einem schreienden Inhalt wurde von der Strömung durch das Wasser geschaukelt. Neugierig, aber trotzdem vorsichtig näherte sich Siriel dem Korb ohne dabei jedoch mehr erkennen zu können. Siriel musste rennen um mit dem Korb mitzuhalten, denn die Strömung hier war sehr stark und die Elfen überquerten den Fluss nur über Brücken, die sie von Baumkrone zu Baumkrone errichtet hatten. Im Lauf überlegte Siriel, was sie tun sollte. Nicht, ob sie dem etwas auf dem Fluss helfen sollte oder nicht, denn sie hatte gerade erst selbst ein Kind auf diese Welt gebracht und kannte das Geräusch eines jungen Wesens, dass man nicht im Stich lassen konnte, wenn man nicht gerade ein Herz aus Stein wie manche Menschen hatte. Bei der Erinnerung an einige dieser Menschen, die sie kennen gelernt hatte und die besonders schlechte Beispiele gewesen waren, verzog sie ihr Gesicht, aber dann kam ihr die entscheidende Idee. Die Elfen kannten ein Zauber mit denen es ihnen möglich war sich über Gedanken mit Tieren zu verständigen. Auf der Basis dieses Zaubers war ein System von gegenseitiger Unterstützung entstanden, dass den Waldbewohnern einiges erleichterte und da jede Tierart eine Art kollektives Gedächtnis zu haben schien beziehungsweise sich die Nachricht eines geleisteten Gefallen sich unter ihnen schnell im ganzen Wald ausbreitete, konnte man schon am nächsten Tag jedes Tier der gleichen Art um die Gegenleistung für den Gefallen bitten. Genau so würde Siriel jetzt die Hechte bitten ihr zu helfen, denn vor ein paar Tagen hatte sie einem Schwarm von ihnen aus den Netzen von Menschenfischern befreit, die mal wieder ohne irgendein Verständnis für die Gleichgewichte des Wasser maßlos leerten. Aber ersteinmal musste die Elfin hoffen eine kleine Portion Glück zu haben, als sie ihren ersten Zauber murmelte und dann ihre Hände in Richtung Wasser ausstreckte. Suchend flogen ihre geistigen Fühler in Richtung Wasser und fanden dort relativ schnell, was sie suchten: Einen Hecht, der sich gerade von der Strömung treiben lies. Schnell murmelte Siriel nun auch den Zauber, der es ihr ermöglichen würde mit dem Hecht zu sprechen. „Seid gegrüßt junger Hecht. Ich bin gekommen euch zu bitten Gleiches mit Gleichem zu vergelten“, sprach sie die rituelle Formel in den Gedanken des Fisches. Siriel spürte, dass dieser zuerst sehr überrascht war, dann aber zögerlich gedanklich nickte. Normalerweise gab es zwar eine festgelegte Antwort, aber manchen Tiere waren einfach nicht intelligent genug um sich ihn zu merken. Sie hoffte, dass er zumindest ihren Plan verstand... „Ihr seht vor euch … etwas aus eurer Sicht baumstammähnliches im Wasser schwimmen. Ich bitte euch einige eurer Freunde zu rufen und diesen Stamm so an das Ufer zu stoßen, sodass ich es dort heraus nehmen kann.“, erklärte sie. Sie hatte etwas gezögert, weil ihr einen Moment lang nicht eingefallen war, wie man einen Korb aus der Sicht eines Hechts beschreiben konnte, der natürlich noch nie zuvor einen Korb gesehen hatte und hoffte nur, dass es ihr geglückt war dem Fisch deutlich zu machen, was sie wollte. Es dauerte ein paar Sekunden, die Siriel viel länger erschienen als sie eigentlich waren, bis der Hecht ihr abermals ein gedankliches Nicken schickte. Kurz darauf registrierte ihr erster Zauber einige weitere Hechte, die sich versammelten und Richtung Korb schwammen. Gemeinsam gelang es ihnen schnell den Korb an das Ufer zu drängen und Siriel nahm ihn mit vor unterdrückter Ungeduld beinahe unmerklich zitterndem Körper aus dem Wasser. „Ich danke euch, dass ihr mir geholfen habt, wie ich es euch tat.“, bedankte sie sich schnell noch bei dem Hecht. Sie wartete gerade noch das dritte gedankliche Nicken des Fisches ab, bevor sie ihre beiden Zauber mit zwei schnellen Gesten beendete und so bemerkte sie auch nicht, wie der Hechtschwarm sich wieder verteilte. Aber das hätte sie auch nicht, wenn sie ihren Suchzauber noch aktiv gelassen hätte, denn der Anblick des Wesens in dem Korb beschäftigte sie viel mehr. Sie blickte in die feuchten, jetzt aber eher überraschten Augen eines menschlichen Babys. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)