Das Geheimnis der Kristalle von witch-ginny ================================================================================ Kapitel 2: die Schule im Wald ----------------------------- Céline stand im Zimmer und starrte auf das Durcheinander aus Säcken, Kleidern und sonstigen Dingen und plötzlich verflog die Begeisterung und sie wurde wütend. Es war einfach so bestimmt worden, dass sie hier zur Schule gehen würde, weit weg von ihrer Familie und ihren Freunden. Sie wusste noch nicht mal, wo sie hier eigentlich war! Warum? Diese Frage drängte sich immer wieder auf, warum war sie anders, warum konnte nicht alles bleiben, wie es war, warum wurde entschieden, ohne ihre Meinung anzuhören? Ihr war klar, dass sie keine Wahl hatte, als hier zu bleiben, nach dieser Szene in der Schule konnte sie unmöglich in ihr altes Leben zurück und sie wäre auch gerne hierher gekommen, aber so… war es einfach abrupt. Sie hatte noch nicht mal Zeit gehabt, sich von ihren Eltern zu verabschieden. Und plötzlich kamen die Tränen. Tränen der Einsamkeit, aber auch der Wut. Sie legte sich ins Bett und weinte lange, bis keine Tränen mehr kamen und sie sich total ausgelaugt fühlte. *°*°*°* Sehr geehrter Herr Meier Ihr Sohn Terry bekam offiziell einen Studienplatz an der Akademie der magischen Ausbildung zugesichert. In zwei Tagen wird ein Abgesandter der Schule kommen und mit ihnen und ihrem Sohn über dessen Zukunft reden. Wir bitten sie, bis dahin alle beigelegten Infoblätter zu lesen…. Terry war noch immer total erstaunt, wenn er diesen Brief las. War dies nur ein blöder Scherz? Aber dazu wirkte es fast zu offiziell. Konnte er sich wirklich Hoffnungen machen? Eine magische Ausbildung würde bedeuten nie mehr Mathe, Deutsch oder Französisch, Fächer, die er allesamt nicht beherrschte. Endlich nicht mehr verspottet, weil er so untrainiert und seine einzige Leidenschaft das Zeichnen war. Aber gab es Magie denn wirklich? Er hatte nicht eines der auf dem Infoblatt beschriebenen Symptome bei sich selbst bemerkt. Es hiess, ungewöhnliche Erscheinungen wie z.B. fliegende Dinge oder Wind in geschlossenen Räumen seien Hinweise auf Magie. Andererseits war er immer so zerstreut, dass er es vielleicht nicht bemerkt hätte. Allerdings sagen alle, dass es Magie nicht gab und er zu gutgläubig war. Aber, aber, aber, er wusste nicht mehr, was er denken sollte und so setzte sich der vierzehnjährige Junge mit den strubbligen, blonden Haaren auf die Treppe um beim ersten Anzeichen eines Klingelns sofort die Tür öffnen zu können. Terry wartete lange, er war schon seit sechs in der Früh auf, aus lauter Aufregung, obwohl er das natürlich niemals zugegeben hätte, falls ihn jemand gefragt hätte. Und so sass er auf der Treppe, um den Abgesandten zu erwarten, der um neun kommen sollte. Als es langsam neun wurde, wurde Terry immer nervöser, alle paar Minuten stand er auf, um durch den Spion zu sehen, ob nicht endlich jemand käme. Aber es war schon Viertel nach neun und noch hatte niemand geklingelt. Enttäuscht ging Terry in die Küche, um etwas zu essen. Er hätte es wissen müssen, Magie, das war einfach zu unglaublich, um wahr zu sein. Und er machte sich auch noch Hoffnungen, am liebsten hätte er geweint. Nachdem er lustlos ein Brötchen runter gewürgt hatte ging er in sein Zimmer als es doch noch läutete. Sofort sprang er die Treppe hinunter und riss die Türe auf. *°*°*°* Nach einiger Zeit hatte Céline sich in ihr Schicksal gefügt. Ihr war klar, dass sie nicht zurück konnte, also, dachte sie, würde sie wenigstens das Beste aus der Situation machen. Wenigstens haben sie Telefon, dachte sie mit einem bitteren Lächeln. Seufzend stand sie auf und begann, ihre Kleidung in den Schrank einzuräumen. Viel war es nicht, dafür lagen in dem Schrank noch ein paar schwarze Hosen und einige Blusen, wie sie sie jetzt trug. Ob das wohl die Schuluniform war? Als sie alle Kleider eingeräumt hatte, fiel ihr Blick auf die von Markus erwähnten Sandwiches und sie merkte wieder, dass sie schon lange nichts mehr gegessen hatte. Innert kürzester Zeit hatte sie alle drei Sandwiches verputzt und sie fühlte sich schon deutlich besser als zuvor. Gerade, als sie fertig gegessen hatte, kam Markus zurück. „Komm, ich zeige dir das Gebäude.“ Seufzend erhob Céline sich und lief Markus nach, der bereits wieder gegangen war. „Hier sind wir in dem einem der zwei Gebäude, in dem alle Schlafräume untergebracht sind“, erklärte er ihr, als sie ihn schliesslich eingeholt hatte. Wir haben 1000 Räume, die alle genau gleich sind, verteilt auf zwei Gebäude. Im Moment haben wir aber nur 680 Schüler, die angemeldet sind. Wahrscheinlich werden es bis Ende Ferien aber noch ein paar mehr.“ „Leben auch die Lehrer hier?“ „Nun, einige schon, aber die meisten leben in einem der umgebenden Dörfer. Naja, man braucht halt ein Auto und im Winter sind die Strassen häufig schlecht, deshalb haben wir eben auch einige, die hier wohnen.“ Während er all dies erzählte, waren sie zwei Treppen runtergestiegen und liefen nun auf den Ausgang des Gebäudes zu. Céline war verwirrt, dass Leute, die doch zaubern können, ein Auto verwenden, es gäbe doch sicher bessere Möglichkeiten. Diesen Gedanken sprach sie auch aus. „Ja“, das so viel Energie, dass man diesen Weg nur in einem absoluten Notfall anwendet antwortete Markus, „es gibt tatsächlich die Möglichkeit, sich mit Magie zu transportieren, allerdings braucht und nicht einfach so. Sie traten aus dem Gebäude und Céline sah wieder die verwirrenden Apfelbäume. Der Garten, den sie schon vorher bemerkt hatte, war noch viel grösser, als sie gedacht hatte, und es gab auch einige Orangenbäume in einer Ecke. Ob der Garten wohl zur Selbstversorgung diente? An jedem Ecken des Gartens stand ein Gebäude. Das Wohngebäude, aus dem sie soeben getreten waren, stand am südwestlichen Ende des Gartens. Direkt gegenüber stand ein Gebäude, dass genau gleich aussah, nur dass es rötlich gemalt war, anstatt gelb. Das musste in dem Fall das andere Wohngebäude sein. Zu ihrer Linken stand ein kleineres Gebäude, von dem sie nicht wusste, welchem Zweck es diente und Südöstlich des Gartens stand ein kleines Schloss. Über dieses Schloss freute sich Céline ganz besonders, entsprach es doch genau ihren romantischen Vorstellungen von einer Magieschule. „Ist dies das Schulhaus?“ „Ja, ich zeige es dir nachher, aber zuerst, lass uns zur Kantine und dem Lager gehen“, antwortete Markus und ging in Richtung des kleinen Gebäudes. Sie liefen auf ziemlich verschlungenen Wegen und Céline bestaunte alles mögliche an Früchten, Gemüsen und Beeren, das teils erst am spriessen war, teilweise aber schon in vollster Blüte war – und das alles durcheinander wuchs, als wäre der ganze Garten in kleine Quadrate unterteilt und dann zufällig gefüllt worden. Dem Mädchen fielen auch einige Gewächse auf, die sie noch nie gesehen hatte und bei denen sie auch bezweifelte, dass sie an einem anderen Ort als hier wuchsen. Nach etwa hundert Meter wichen die Bäume zu ihrer Linken zurück und sie erkannte, dass es dort weiterging mit riesigen Feldern voller Getreide, Kartoffeln und Mais. Wiederum war einiges erntebereit, während anderes erst zu wachsen begann. „Wie kann das nur sein?“, fragte sie den jungen Mann an ihrer Seite. „Das ist Magie. Toll, nicht?“, freute sich dieser. „Aber… wer ist dafür verantwortlich?“ „Alle zusammen. Alle Schüler bekommen in kleinen Gruppen einen Teil des Gartens zugeteilt, auf dem sie irgendetwas anpflanzen müssen. Dann muss man nur dafür sorgen, dass die Temperatur das ganze Jahr stimmt und schon wächst das Ganze wunderbar.“ „Versorgt sich die Schule so selber?“ „Fast, Fleisch und einige andere Dinge kaufen wir noch dazu. Aber theoretisch würde es reichen, man kann nämlich im Notfall etwa sieben Ernten pro Jahr haben.“ „So viel?!“, rief Céline aus, total erstaunt, ob dieser unglaublichen Zahl. Markus lachte fröhlich. „Ja, aber dann würden wir fast unsere gesamte Magie darauf verbrauche und das wollen wir nicht, wir beschränken uns deswegen auf zwei Ernten pro Jahr. Oder drei, wenn jemand etwas kleines wie Erdbeeren anpflanzt.“ Inzwischen waren sie beim Gebäude, in dem die Kantine war, angekommen, es stand etwa vierhundert Meter vom Wohnhaus entfernt. Das Gebäude hatte ein Erdgeschoss, das höher war, als normalerweise ein Stockwerk, mit grossen Türen, aber ohne Fenster. Treppen führten in den ersten Stock, der viel mehr Fenster hatte. Ein Teil des Daches des Erdgeschosses bildete einen grossen Balkon, an dessen einen Seite Stühle und Tische gestapelt waren. Wahrscheinlich konnte man im Sommer gut draussen essen. „Möchtest du noch die Bibliothek sehen“, fragte Markus, als sie bereits einige Zeit in den Gärten rumgelaufen waren. „Oh ja“, antwortete Céline erfreut, denn Bücher waren etwas, dass sie gut mochte. Deshalb machten sie sich auf den Weg zum Schloss. *°*°*°* Nur eine halbe Stunde, nachdem Terry mit Frau Kunz, der Abgesandten der Schule, gesprochen hatte, sass er bei ihr im Auto, einen hastig gepackten Koffer neben sich und befand sich auf dem Weg zur Akademie der magischen Ausbildung. Er hatte darauf bestanden, sofort mitzukommen, anstatt erst zu Beginn des neuen Quartals und Frau Kunz, eine Mittdreissigerin mit langen, blonden Haaren hatte freudig zugestimmt, bedeutete das doch, dass sie ihn nicht würde Ende Woche abholen müssen. „Warum wolltest du jetzt schon mitkommen? Du hast dich nicht mal von deinem Vater verabschiedet.“, fragte die Frau Terry, nachdem sie fast eine halbe Stunde schweigend gefahren waren. „Es ist ihm doch eh egal, ob ich da bin oder nicht. Ich hab ihm einen Brief geschrieben und das muss reichen.“ „Mag er dich nicht?“ „Naja“, antwortete der Junge schulterzuckend, „ich erinnere ihn an Mutters Tod, deshalb will er mich lieber nicht so häufig sehen.“ Nach einer Weile fügte er, obwohl nicht gerne zu viel über sich preisgab, hinzu: „Sie starb bei meiner Geburt und mein Vater denkt nun irgendwie, ich sei schuld, auch wenn er mir das natürlich nie so sagen würde. Aber er liebt mich auch nicht. Vielleicht ist er sogar froh, wenn ich weg bin.“ Eine ganze Zeit später, in der Terry nur traurig vor sich hingestarrt hatte, begann er seinerseits, Fragen zu stellen. „Sie haben gesagt, jetzt seien Ferien… stimmen denn die Ferien der Akademie nicht mit denen der normalen Schulen überein?“ „Nein“, antwortete Frau Kunz, froh, dass der Junge das peinliche Schweigen gebrochen hatte, „bei uns ist es so, dass wir Ferien nach jedem Quartal haben, aber nur dann. Jeweils drei Wochen, im Sommer sogar vier. Das heisst, dass du eine Woche mehr Ferien hast als bisher.“ Sie lächelte ihm zu, als könnte ihn die Aussicht auf zusätzliche Freizeit aufheitern. Bisher hatte er sich nie viel aus Ferien gemacht, bedeuteten sie doch nur, dass er seinen Vater noch häufiger sehen musste als sonst schon. „Wie viele Schüler gibt es?“ „Total um die 700, aber im Moment sind nur etwa 50 dort. Ab dem Samstag werden aber mehr Schüler eintreffen. Du hast also noch zwei ruhige Tage“, antwortete sie lachend, es war offensichtlich, dass die blonde Frau eine Frohnatur war, die sich über alles Mögliche freuen konnte. Ohne selber zu lachen, starrte er wieder aus dem Fenster und schwieg, bis er irgendwann bemerkte, dass die Dörfer spärlicher wurden. Bald darauf sah einen Wald, der von einem Zaun umgeben zu sein schien. „Ist das hier die Schule?“, fragte er misstrauisch. „Ja, aber keine Angst, du kannst jederzeit rein und raus, wie du willst. Der Zaun ist nur dazu da, dass niemand ohne magische Fähigkeiten hier rein kommt. Aussenstehen wird gesagt, das sei eine Schule für hochbegabte Kinder reicher Eltern, deshalb besteht fast niemand darauf, reinzukommen. Und wenn sich doch mal jemand nicht abwimmeln lässt, können wir immer noch sein Gedächtnis verändern. Selbstverständlich wollen wir das nicht allzu häufig tun, wie du dir sicher denken kannst.“ „Führt der Wald rund um die Schule rum?“ „Fast, auf der Seite, die uns fast gegenüber ist, befindet sich ein Steilhang, den du vorhin bestimmt gesehen hast.“ Während sie das sagte, fuhr sie zum Tor, wo ein älterer Mann kurz ins Auto schaute, die Frau offensichtlich erkannt, und sie durchliess. „Der Wald ist selbstverständlich künstlich entstanden, er ist überall ziemlich genau 100 Meter breit. Das ist nicht sehr viel, aber es reicht, um neugierige Blicke fernzuhalten. Ausserdem schützt er uns vor dem Wind, der hier in der Gegend häufig sehr stark ist.“ Frau Kunz redete noch weiter über die geologischen und klimatischen Sonderheiten dieser Region, aber Terry hörte nicht mehr zu, sobald sie aus dem Wald kamen. Der Anblick war einfach faszinierend. Auf der Länge von etwa einem halben Kilometer erstreckten sich Felder mit allem Möglichen, vieles davon reifer, als es zu der Jahreszeit eigentlich sein sollte. Dies war aber nicht das, was ihn so sehr faszinierte: Es war das Schloss. Er hatte es nämlich schon einmal gesehen, in seinem Geschichtsbuch. Er war fasziniert von Architektur, und deshalb erkannte er es sofort als das Schloss eines Grafen aus dem Mittelalter. Allerdings hatte es geheissen, das Schloss sei vor etwa 400 Jahren geschliffen worden und es existierten nur noch einige Steinreste und viele Zeichnungen. Und nun stand das Schloss vor ihm. Er fragte die Frau danach, die etwas verärgert war, dass er einfach so ihren Vortrag unterbrach, gab ihm aber trotzdem sofort Antwort, erfreut, mit ihrem Wissen brillieren zu können: „Das ist das originale Schloss, die Steine haben wir etwa 30 Kilometer von hier aufgestellt, weil es aufgefallen wäre, wenn ein Schloss einfach so verschwinden würde. Das war natürlich schon vor ein paar Jahrhunderten, es war also nicht so schwer, die Geschichtsschreibung zu verändern.“ Terry starrte noch immer auf das Schloss und er war absolut fasziniert von dem Schloss, das im roten Licht des Sonnenuntergangs und vor der schwarzen Wand der Bäume grossartig aussah. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)