Warum hört dich keiner... von Giluli (außer mir? »Neues in Gilulis Laberecke *hust*<<) ================================================================================ Kapitel 12: Weil das Beste das Schlechteste ist ----------------------------------------------- Kapitel 12: Weil das Beste das Schlechteste ist Ein frustriertes Seufzen kam über meine Lippen und ich starrte böse in die Augen meines Spiegelbildes. Ebenso böse guckte dieses zurück und zog nun zusätzlich noch einen Schmollmund. Fiesling! Gut. Ich würde aufgeben. Haare stylen war bei mir eben nicht! Da versuchte man sich doch tatsächlich einmal wirklich herzurichten, um einer bestimmten Person zu gefallen, und dann klappte es nicht! Ich kämmte mir finster den Kleister aus dem Haar, mit dem ich nun sage und schreibe eine ganze Stunde lang versucht hatte so etwas wie eine Frisur zu basteln, und wuschelte mir einmal kräftig mit der Hand hindurch. Wieder schaute ich in den Spiegel. Reizend. Ich sah aus wie ein Wischmop. Meine Haare waren zu lang geworden. Vielleicht sollte ich zum Friseur gehen. Obwohl. Länger wäre doch auch mal nicht schlecht. So quasi als kleine Typveränderung. Das würde zumindest Flo gefallen. Der hatte mir schließlich den brillanten Vorschlag gemacht, ich könnte mich doch ein bisschen meinem Freund angleichen, weil wir ja optisch überhaupt nicht zusammenpassten; störte wohl das ästhetische Auge des werten Herrn. Mir fiel jedoch auf, dass ich seinem Vorschlag unbewusst folgte. Gruselig. Naja. Zum Glück brauchte ich mir da keine Sorgen zu machen. Mein Vater würde es mir ohnehin verbieten mich mit Haaren in der Öffentlichkeit sehen zu lassen, die länger als allerhöchstens zehn Zenitmeter waren. Und ich brauchte mich ja auch nicht extra noch auffällig zu verhalten, wo ich doch sowieso versuchen musste mein kleines großes Geheimnis, sprich Fynn, zu bewahren. Ich hörte plötzlich mein Handy klingeln und zuckte leicht zusammen. Ein Blick auf das Display genügte und ein kleiner Teil der Kokons in meinem Bauch öffnete sich, um eine ganze Schar von Schmetterlingen losflattern zu lassen. »Hey,« nahm ich gut gelaunt ab, in froher Erwartung gleich meine Lieblingsstimme hören zu dürfen. »Wolltest du nicht um acht Uhr da sein?« sagte Fynn ruhig. »Öhm...Ja,« antwortete ich perplex und warf einen irritierten Blick auf die Uhr, woraufhin ich einen panischen Schrei ausstieß. »Wahh! Wieso steht da es ist schon 20:18 Uhr?« Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Wieso verschlief ich immer die Zeit? Fynn kicherte leise. »Weiß ich nicht. Aber du solltest dich beeilen. Xiu nörgelt schon rum,« fügte er murmelnd hinzu. »Ach die soll die Klappe halten,« plapperte ich aufgeregt und versuchte meinen Geldbeutel und den Autoschlüssel irgendwie mit einer Hand in die Hosentasche zu stopfen. »Ich bin gleich da! Ciao!« Ich stopfte das Handy noch hinterher, schnappte meinen Pullover und stürmte die Treppen hinunter, zur Tür hinaus. Wie immer regnete es. Gottseidank war meine Frisur ohnehin schon so im Arsch, sodass ich keinen Grund hatte mich darüber noch großartig zu beschweren und so spurtete ich durch den Garten zu der Garage, um mein Auto zu holen. Zehn Minuten und zwei Beinahe-Unfälle später parkte ich dann direkt vor dem Kino der Stadt und betrat viel zu spät die Eingangshalle, wo mich schon ein übertrieben gut aussehender Fynn, ein grinsender Flo und eine, vor lauter Wut schon rot angelaufene, Xiu erwarteten. »Ey ich hab so die Schnauze voll davon immer auf dich warten zu müssen!« maulte die Vietnamesin augenblicklich los, sodass sich bereits die gesamte Besucherschaft nach ihr umdrehte. »Stell dich nicht so an. War doch nur eine halbe Stunde,« winkte ich ab und lächelte sie unschuldig an. »Der Film hat schon angefangen!« »Dann gehen wir halt in die nächste Vorstellung.« »Wir haben schon Karten für die jetzt!« »Dann gucken wir nur den halben Film.« »Du regst mich auf!« fuhr sie mich an und machte sich auf den Weg zu einer der Kassen, um unsere Karten vielleicht doch noch umzutauschen. Ich seufzte und rieb mir verlegen den Kopf. »Sie ist nur wütend, weil du ihren Pärchenabend vermasselt hast,« sagte Flo bekräftigend nickend und grinste mich belustigt an. Ich verzog das Gesicht und blickte zu der Vietnamesin, die nun begonnen hatte heftig gestikulierend den Kassierer zu überreden (oder eher zu bedrohen?!) ihre Karten zurückzunehmen. »Warum sind Weiber eigentlich immer so furchtbar kitschig? Pärchenabend? Was soll denn das?« »Heul nicht rum! Solche Probleme kennst du gar nicht!« schnauzte Flo und zog eine Augenbraue nach oben. »Ähm, ich war ja wohl länger mit Xiu zusammen, als du! Glaub mir! Ich kenne ihre Macken.« Ich lachte überlegen, doch der Braunhaarige schüttelte nur den Kopf und zog Fynn am Arm zu sich her, um ihn mir entgegen zuschubsen. »Ja, aber jetzt nicht mehr,« sagte er bekräftigend und musterte meinen Freund und mich von oben bis unten. Er hob die Augenbrauen, als hätte er soeben eine Erleuchtung gehabt, und schnalzte mit der Zunge. »Mann! Hätte mir doch auch mal auffallen können, dass es so viele Vorteile hat schwul zu sein!« Ich schüttelte ungläubig den Kopf und verengte die Augen. »Du bist so ein Arsch!« »Nein wirklich!« Er zog eine leidige Miene und hob seine Hand, um mit den Fingern aufzuzählen. »Man muss nicht ständig den Romantiker raushängen lassen; man muss nicht zwei mal die Woche Shoppen gehen; man muss auch nicht jeden Donnerstag Abend zu zweit >Germany´s Next Topmodel< angucken!« »Seit wann hast du ein Problem mit >Germany´s Next Topmodels<. Ich war so eine Tunte. »Ist was?« fragte Fynn und riss mich aus meinen Träumereien. Ich schüttelte leicht den Kopf und lächelte. »Was soll sein?« »Du starrst mich an!« Er verschränkte die Arme vor der Brust und hob eine Augenbraue. »Tu ich doch immer,« sagte ich schmunzelnd und auch er grinste. »Ach, und das ist dir nicht peinlich.« »Doch schon.« Ich hob kurz die Schultern. »Aber was soll ich machen? Ich kanns nicht kontrollieren.« »Gibt’s noch mehr Sachen, die du nicht kontrollieren kannst?« fragte er und sein Grinsen wurde immer breiter. Er kam einen Schritt näher, sodass er direkt vor mir stand und zu mir aufblicken musste. Ich grinste ebenfalls, da ich genau wusste, worauf er hinaus wollte, hatte allerdings nicht vor seinen heimtückischen Verführungskünsten zu verfallen. »Keine Ahnung, worauf du hinauswillst,« murmelte ich leise und er musste noch etwas näher kommen, damit er meine Worte überhaupt verstehen konnte. Schwach spürte ich seinen warmen Atem auf meiner Haut, der sich in der eisigen Winterluft wie Zigarettenrauch mit meinem eigenen vermischte. »So dumm kamst du mir bis jetzt gar nicht vor.« Er kicherte leicht und begann mit seinen Finger an den Kapuzenbändeln meiner Winterjacke rumzuspielen. »Komisch. Eigentlich komm ich mir nämlich grundsätzlich immer dumm vor, wenn ich bei dir bin,« flüsterte ich und biss mir verlegen auf die Unterlippe. Er legte den Kopf etwas schief und zog die Augenbrauen zusammen. »Das hört sich aber nicht gut an.« »Naja. Das liegt daran, dass du auch nicht gut für mich bist.« Er zog beleidigt einen Schmollmund und ich lächelte zufrieden. »Aber wie gesagt; ich kanns nicht kontrollieren. Ich brauch dich eben irgendwie.« Eher unbewusst hob ich eine Hand, um ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu entfernen, wobei meine Finger sanft auf seiner Wange liegen blieben und über die von der Kälte gerötete Haut strichen. Ich hätte in diesem Moment unendlich viel Lust gehabt ihn einfach zu küssen, schaffte es allerdings wieder mal nicht meinen Kopf auszuschalten, welcher es mir weiterhin verbat mich in der Öffentlichkeit in solchen Situationen sehen zu lassen. Gerade wollte ich mich wieder von ihm wegdrehen und meinen beiden Freunden zuwenden, als ich plötzlich eine Hand auf meinem Hinterkopf spürte, die mich, ohne, dass ich mich hätte dagegen wehren können, Fynn entgegen drückte, sodass sich unsere Lippen ganz automatisch trafen. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass es nicht Fynn war, der mich da an sich zog, sondern ein dritter, der uns beide gegeneinander drückte. Ehe ich allerdings überhaupt dazu kam Flo anzubrüllen, was er sich dabei eigentlich dachte, hatte ich mich wieder mal in einem tiefen innigen Kuss mit Fynn verloren und einfach alles vergessen. Es dauerte nicht lang, da bewegten sich unsere Lippen gegeneinander, als wären sie ein und die selbe Form und ich kam nicht drum rum in unseren Kuss hineinzulächeln, da es einfach ein so unglaublich befreiendes Gefühl war dieses erste Mal meine volle Zuneigung für Fynn mit der ganzen Welt zu teilen. Dennoch war es eine eher unangenehme Vorahnung, die mich überkam, als ich mich von meinem Freund löste. Erschrocken über mich selbst schubste ich Fynn erst mal völlig perplex von mir und sah mich panisch um, ob es nicht irgendjemand gesehen hatte. Dann traf mein Blick den Flos, der nicht weit von uns entfernt stand und mich nicht mal grinsend, sondern eher selbstzufrieden anstarrte. »Bist du eigentlich bescheuert?« fuhr ich ihn wütend an und packte ihn völlig überhastet am Kragen. »Nein. Du? « stichelte er zurück und verschränkte die Arme. »Wars jetzt so schlimm, oder was?« »Darum geht’s doch gar nicht!« motzte ich weiterhin aufgebracht, doch er schüttelte gleich den Kopf. »Alter, du bist so was von nervig mit deiner Geheimnistuerei. Denkst du dabei eigentlich auch mal andere und nicht nur an dich? Zum Beispiel an Fynn?« »Ob ich an...?« begann ich stutzig und blickte kurz zu dem Schwarzhaarigen, der verwirrt die Augenbrauen gehoben hatte und immer abwechselnd von Flo zu mir sah. »Ich hab doch gar nichts...« plapperte er irgendwas, doch Flo unterbrach auch ihn. »Und du lass dir bloß nicht immer alles gefallen, was der mit dir macht!« »Willst du ihn jetzt gegen mich aufhetzen oder was?« giftete ich genervt, doch er gab nur ein kurzes Lachen von sich. »Mann, Leo. Ich will nur, dass du dich nicht ständig aufführst als wärst du der Nabel der Welt! Du kannst nicht immer so mit den Menschen umgehen wie es dir grad passt!« »Sagst ausgerechnet du, der hier die Leute dazu zwingt sich zu küssen.« Ich verengte die Augen und sah ihn böse an. »Ja und? Wars jetzt so schlimm? Siehst du hier irgendwen, den es kümmert, was du mit wem tust?« Ich wich einen Moment seinem Blick aus und sah mich unbewusst nach den wenigen Leuten um, die um diese Zeit noch auf der Straße waren. Überraschenderweise schien es tatsächlich keinen großartig zu interessieren, was Fynn und ich gerade getan hatten. Oder sie hatten es einfach nicht gesehen (was natürlich meine Annahme war). »Und mein Vater?« murmelte ich besserwisserisch. »Glaubst du allen Ernstes dein Vater steht irgendwo hier rum und spioniert dir nach?« Ich ließ diese Frage unbeantwortet und zuckte nur mit den Schultern. Der Braunhaarige grinste aufmunternd und klopfte mir leicht gegen den Arm. »Jetzt sei einfach mal ein bisschen lockerer! Das ist ja fast schon paranoid wie du dich aufführst.« Ich ließ allmählich von ihm ab und er wandte sich lässig seiner Freundin zu, die nachdenklich die Arme vor der Brust verschränkt hatte und mich musterte. An diesem Abend sagte ich nichts mehr zu diesem Thema. Vielmehr diskutierte ich die Sache in meinem Inneren mit mir selbst aus. Wahrscheinlich übertrieb ich es tatsächlich. Warum sollte auch ausgerechnet genau zu diesem Zeitpunkt irgendjemand genau vor diesem Kino gestanden und uns beobachtet haben? War wirklich etwas unwahrscheinlich. Und so viele Leute kannten mich nun auch wieder nicht, dass ich gleich so eine Panik schieben musste. Vielleicht war es besser wirklich etwas lockerer damit umzugehen. Auch für Fynn. Der sagte zwar, dass es ihn nicht störte, aber das konnte ja auch genau das Gegenteil heißen. Er war ja ein Experte darin sich Masken aufzusetzen, damit andere auch ja nicht hinter seine wahren Gefühle kommen konnten. Ich sollte es nicht provozieren. Am nächsten Morgen hatte ich den Vorfall vom Vorabend beinahe schon wieder vergessen. Ich entschloss zur Abwechslung mal wieder an einem gemeinsamen Frühstück meiner Familie teilzunehmen, da Sonntag ohnehin der einzige Tag war, an dem alle vier Mitglieder anwesend waren. Schaden konnte es ja nicht! So würde ich mich zumindest auf den neuesten Stand über die High Society von Stadt und Umgebung bringen, wovon meine Mutter doch so gerne zu berichten pflegte. Gemütlich schlenderte ich also um Punkt 10 Uhr die Treppen hinunter, natürlich ungerichtet und in Boxershorts, und trat in das wie gewohnt sehr stille Esszimmer, dessen kaltes bedachtes Schweigen lediglich vom sachten Klirren des Bestecks und dem leisen Hüsteln meiner Mutter unterbrochen wurde. Marco und meine Eltern saßen bereits am Esstisch und gaben sich wortlos ihrer Mahlzeit hin. Doch irgendetwas war komisch. Es fiel mir gleich auf, als ich nur einen Schritt in den Raum getan hatte. Mit einem mehr als finsteren Blick beäugte mich mein Vater, während ich mich auf den Weg zu meinem Platz machte. Nicht, dass er mich sonst mit einem strahlenden Lächeln empfangen hätte, doch diesmal war mir sofort klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Erst als ich mich gesetzt und ein leises »Morgen« von mir gegeben hatte, wandte er seinen Blick langsam wieder ab und nahm einige Schlucke seines Kaffees. Die einzige die meine Begrüßung zumindest erwiderte war meine Mutter. Sie strahlte mich mit einem seligen Lächeln an und schien die Hoffnung zu hegen, dass wenigstens ich irgendeiner ihrer belanglosen Geschichten gedachte zu lauschen. Ich tat ihr diesen Gefallen ausnahmsweise und lächelte sie ebenfalls an. Wenigstens wäre es dann nicht mehr so unheimlich still. »Wie war dein Tag gestern?« fragte ich scheinheilig und ihr Strahlen wurde noch heftiger. »Oh es war nichts besonderes,« antwortete sie sofort. (Als ob...) »Aber ich habe mich gestern Nachmittag mit Verona zum Kaffee getroffen und du wirst nicht glauben, was die erzählt hat!« Und dann gings los. In den anschließenden zehn Minuten erfuhr ich ungefähr drei mal so viel über eine mir unbekannte Liese, als diese wahrscheinlich selbst über sich wusste und wurde dabei von einem so heftigen Wortschwall getroffen, dass ich für kurze Zeit sogar das schlechte Gefühl bezüglich meines Vaters verlor. Von Cup B zu D hatte Liese sich ihre Brüste vergrößern und ihr Face liften lassen. Und das unglaublichste daran: Sie stritt das alles auch noch ab! Wahnsinn! Das Leben meiner Mutter war so unheimlich...bewegend. Als sie endlich fertig mit ihren Erzählungen war und mir auch noch die letzte ihrer insgesamt fünf rhetorischen »Kannst-du-dir-das-vorstellen?«-Fragen entgegengeworfen hatte, schenkte ich ihr zum Abschluss ein gespielt empörtes Kopfschütteln und ging davon aus, dass es das damit dann auch mit der Konversation an diesem Morgen gewesen war. Doch ich irrte mich. Da meine Mutter heute wohl einen besonders kommunikativen Tag erwischt zu haben schien, wandte sie sich mir nur wenige Momente später wieder zu. »Und wie war dein Tag, Schatz?« fragte sie interessiert und biss einmal in ihr Brötchen. Ich überlegte, da ich ohnehin nicht vorhatte so viel von mir zu erzählen, und zuckte ein paar mal mit den Achseln. »Ach weißt du? Genauso wie bei dir. Nichts besonderes eigentlich. Ich hab den Tag über gelernt, weil ich nächste Woche noch eine wichtige Klausur in Geschichte schreibe. Und Abends war ich dann noch im Kino,« erzählte ich entspannt und bemerkte dabei nicht wie der aufmerksame Blick meines Vaters sich beinahe durch mich hindurchbohrte. »Oh, schön,« kommentierte meine Mutter lächelnd. »In welchem Film wart ihr denn? War er gut?« Ich hob einen Moment die Augenbrauen und grinste dann leicht. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr wie der Film hieß. Irgendso eine Kitsch-Komödie. War jetzt nicht so der Burner. Kann ich nicht empfehlen.« Sie kicherte leicht. Hatte ich erwähnt, dass ich Smalltalk hasste? »Mit wem warst du denn im Kino?« durchbrach plötzlich die grimmige Stimme meine Vaters die Unterhaltung. Erst jetzt fiel mir auf, dass sein Blick bereits seit geraumer Zeit wieder auf mir ruhte. Ich schwieg kurz etwas perplex, versuchte mir meine Unruhe aber nicht anmerken zu lassen. »Ach, nur mit Xiu und Flo,« sagte ich, als wäre es eher beiläufig und versuchte mein Lächeln möglichst unverzwungen wirken zu lassen. »Wie immer halt.« Er nickte kurz verstehend und ich wandte meinen Blick schnell von ihm ab. Wieder war da diese fast schon schneidende Stille. Ich fühlte, dass ich immer noch beobachtet wurde. Nur um irgendetwas zu tun, trank ich in einem Zug meinen Tee leer und bat dann meine Mutter mir die Kanne mit dem Kaffee zu reichen. »Und wer war der dritte Junge?« Für den Bruchteil einer Sekunde hielt ich in meiner Bewegung inne, als ich meinen Vater diese Worte sprechen hörte. Ich spürte wie sich mein Magen von einem Moment auf den anderen aufs heftigste zusammenzog und mein Herz so stark zu pochen begann, dass ich es bereits in meinen Ohren wiederhallen hörte. Fast schon verwirrt hob ich meinen Blick und musterte den mir gegenüber sitzenden Mann mit zusammengezogenen Augenbrauen. »W-was?« war alles was ich in diesem Moment herausbrachte, da sich bereits die schrecklichste aller Vorahnungen in mir breit machte. Mit einen Mal prustete Marco neben mir lauthals los, als hätte ich gerade einen Witz erzählt. Mein Vater sah ihn böse an und machte mit seiner Hand eine kurze Geste, die ihn zum Schweigen bringen sollte. »Sei ruhig, Marco!« Dann wandte er sich wieder mir zu und legte seinen Kopf etwas schief, als könnte er mich dadurch besser einschätzen. »Wie ich gehört habe soll da ja noch ein dritter bei dir gewesen sein,« erklärte er sachlich. Wieder Stille; diesmal eine gespannte, erwartungsvolle. Fast schon ungeduldig fieberte sie meiner Antwort entgegen. Ich blickte kurz in die Runde, während meine Hände sich unter dem Tisch krampfhaft zu Fäusten ballten. Meine Mutter schien nicht zu wissen worum es ging und sah einige Male verwirrt von mir zu meinem Vater. Dieser hielt seinen Blick unbeirrt auf mich gerichtet. »I-ich,« begann ich mit heiserer Stimme und wusste nicht so wirklich, was ich sagen sollte. »A-ach so. Der Junge. Ähm, ja das war... also ähm...das war... niemand besonderes eigentlich.« Ein letztes Mal versuchte ich mich zu einem gleichgültigen Lächeln zu zwingen, welches allerdings sofort verstarb, als mein Vater missbilligend seine linke Augenbraue hob. »Ach ja?« antwortete er kühl. »Für niemand besonderes sollst du dich ja aber ziemlich gut mit ihm verstanden haben, oder etwa nicht?« Jetzt konnte Marco nicht mehr an sich halten. Mit lautstarkem Gelächter unterbrach er abrupt die Stille und hob sich hastig den Arm vor den Mund, um die Lautstärke zumindest ein wenig zu dämpfen. Vergnügt nuschelte er irgendetwas Unverständliches wie »Ey, ich brech weg vor Lachen!« in seine Handinnenfläche und wischte sich eine Träne aus dem Auge. Diesmal schwieg mein Vater. Geringschätzig musterte er meinen Bruder und wandte sich dann wieder mir zu. Ich allerdings hielt meinen Blick beinahe apathisch auf meinen Bruder gerichtet und brachte keinen Ton heraus, während sich mir in meinem Kopf nach und nach die Klarheit ergab, dass mein Theaterspiel keinen Sinn hatte. Mein Vater wusste es! Und Marco allen Anschein nach auch! Und als ich meinen Bruder nur noch ein wenig länger beobachtete, kam mir eine noch viel bestürzendere Ahnung. Marco hatte es Vater erzählt! Für einen kurzen Moment übernahm meine aufkommende Wut die Kontrolle über die Ehrfurcht vor meinem Vater und ich blickte ihn entgeistert an. »Lässt du mich jetzt etwa schon ausspionieren?« fuhr ich ihn fassungslos an und zeigte auf meinen Bruder. »Und dann auch noch von dem?« »Hey, Alter! Ich schwörs,« sagte Marco grinsend und hob wie zur Verteidigung seine Hände in die Luft. » Das war purer Zufall, dass ich gestern Abend mit meinen Kumpels am Kino vorbeigekommen bin. Wie hätte ich denn ahnen können, dass du da gerade mit deinem Freund in der Gegend rumschwuchtelst?« »Klar! Und dann rennst du natürlich gleich zu dem und verrätst es!« brüllte ich und bemerkte wie ich vor lauter Zorn zu Zittern begann. Unbewusst war ich auf die Beine gesprungen und baute mich vor Marco auf. »Dann ist es also wahr, was er sagt?« raunte mein Vater und ich erstarrte erneut in meiner Bewegung. Vollkommen durcheinander ließ ich mich wieder auf meinen Stuhl nieder und schüttelte ein paar mal den Kopf. »Nei....Nein! Natürlich nicht!« murmelte ich undeutlich und verzog angestrengt das Gesicht. Nervös begann ich an meinen Nägeln zu kauen. »Es ist doch nur...Es ist ein...Missverständnis.« »Ach ein Missverständnis,« wiederholte mein Vater und erhob nun zum ersten mal die Stimme. »Nun, würdest du mir dann freundlicherweise erklären, was man daran bitte so sehr missverstehen kann, wenn du diesen Jungen vor allen Leuten mitten in der Stadt vollkommen ungeniert auf den Mund küsst?!« Diese Worte hallten noch einige Male in meinem Kopf wider. Nicht, weil das Brüllen meines Vaters so laut gewesen war, sondern weil ich es mir selbst in meiner Fantasie schon so oft in dieser Form vorgestellt hatte. Ich wagte es nicht meinem Vater in die Augen zu sehen. Stattdessen hielt ich den Blick starr auf meine Fingernägel gerichtet, von denen einer mittlerweile vor lauter Aufregung eingerissen zu bluten begonnen hatte. Mein Kopf bewegte sich immer noch ganz langsam von links nach rechts und wieder zurück. Ein schwaches Kopfschütteln, von dem ich jedoch kaum erwartete, dass es jetzt noch irgendeinen Effekt erbringen würde. »Das ist nicht wahr,« versuchte ich es leise noch einmal. »Das...Das war nicht so.« »So? Dann bin ich mal gespannt wie du mir dieses kleine >Missverständnis< erklären willst!« »Es war doch nicht...,« begann ich und hörte selbst wie meine Stimme dabei einen fast schon flehenden Ton annahm. »Es war doch nichts Schlimmes...« » Und ich sage, dass es eben doch etwas Schlimmes war!« herrschte er mich augenblicklich wieder an. »Stell dir nur mal vor! Dich hätte weiß Gott wer sehen können! Ich habe meinen Sohn nicht zu jemandem erzogen, der sich solchen Perversionen hingibt!« Ein kurzes schnaubendes Lachen entkam meiner Kehle und ich sah ihn verständnislos an. »Es ist doch keine Perversion, wenn ich ihn mag!« »Aber ich verbiete es dir!« »Du kannst mir nicht vorschreiben wie ich fühlen soll!« »ICH DULDE ES NICHT!« fuhr er mir abermals über den Mund und ich bemerkte wie die Zornader, an seiner Schläfe bereits deutlich zu pulsieren begann. Konsterniert wich ich zurück und senkte erneut meinen Blick. Unentschlossen schweiften meine Augen über den morgendlichen Esstisch, als würde ich erwarten dort irgendeine Antwort zu finden. Enttäuscht musste ich allerdings feststellen, dass zwischen Brotkorb und Butter weder die erhoffte Lösung, noch eine Gute Fee zu entdecken war, die mir meinen größten Wunsch erfüllt und somit alle meine Probleme einfach weggezaubert hätte. Stattdessen wurde mir bewusst, dass ich mir in den letzten zwei Wochen nie Gedanken um einen Plan B für eine solche Situation gemacht hatte. Denn die Wahrheit war, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wusste nur, was geschehen würde, wenn ich nicht genau das tat, was mein Vater von mir verlangte. Aber das zu tun würde bedeuten, dass ich das aufgab, was mir das Wichtigste war. Und dazu war ich einfach nicht bereit. »Du kannst mir nicht verbieten ihn zu sehen,« sagte ich tonlos. Ein überlegener Blick traf mich und er schüttelte nur abweisend den Kopf. »Ich kann noch viel mehr, wenn ich es für nötig halte,« murrte er und seine Stimme schien dabei wieder ganz ruhig. »Also halte dich fern von ihm! Oder es wird Konsequenzen haben.« Ich musterte ihn kurz nachdenklich und kräuselte rebellisch die Lippen. »Das ist mir egal!« Ein selbstgefälliger Ausdruck schlich sich nur für einen Moment auf sein Gesicht, als ob er genau diese Reaktion erwartet hätte. Er hob leicht die Augenbrauen und lehnte sich gelassen auf seinem Stuhl zurück. »Dann werden wir sehen, ob dein kleiner Freund und seine Familie das genauso sehen.« Ich verengte verwirrt meine Augen, nur um sie kurz darauf vor Entsetzen wieder zu weiten. Ein kalter Schauer kroch unweigerlich über meinen Rücken, als mir klar wurde, was die Worte meines Vaters bedeuteten. »Du...Du kannst ihnen nicht drohen,« murmelte ich, und versuchte mir das vielleicht sogar selbst einzureden. »Dazu bist du nicht in der Lage!« Er grunzte amüsiert und schüttelte den Kopf. »Du hast ja keine Ahnung, zu was ich alles in der Lage bin, Leon. Ein Anruf und dieser Junge und seine Familie sitzen auf der Straße. Willst du das?« Ich antwortete nicht. Jedes weitere Wort wäre wohl des einen zu viel gewesen. Stattdessen senkte ich grimmig meinen Blick und biss die Zähne so heftig aufeinander, dass ich es in meinen Ohren bereits Kirschen hörte. Mein Vater schien mein Schweigen als Resignation aufzufassen und begann immer wieder anerkennend zu nicken. Zufrieden strich er sich mit der Hand die Haare zurecht, die aufgrund seines Wutausbruchs ein wenig aus der Form geraten waren. »Dann ist ja gut,« knurrte er und aus seinen Worten war ganz deutlich die Drohung herauszuhören. »Ich werde nämlich nicht zulassen, dass du meine Karriere gefährdest, verstehst du? Also brich den Kontakt ab, bevor noch Schlimmeres passiert!« Ich spürte wie meine Augen, trotz des aufsässigen Blickes, beinahe glühten. Unweigerlich stiegen mir die Tränen auf. Ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen, sprang ich von meinem Stuhl auf und stürmte wutentbrannt aus dem Raum. Ich hörte noch wie meine Mutter versuchte irgendetwas zu sagen. Mein Vater hielt sie jedoch zurück. Was hätte es auch geändert? Als ich mein Zimmer erreichte, bemühte ich mich zunächst einmal, mit völlig zittrigen Händen, das Schloss zu verriegeln. Keiner sollte auch nur die Möglichkeit haben mich in diesem Zustand zu sehen. Vollkommen überfordert sah ich mich dann einen Moment in dem großen Raum um und bemerkte wie mein Atem immer schwerer wurde, als wäre ich gerade dabei den Everest höchstselbst zu besteigen. Ich hielt kurz die Luft an und lehnte mich dann kraftlos an die Zimmertür zurück, ehe ich nach nur wenigen Sekunden vollends auf meine Knie sank. Wieder und wieder spielte sich vor meinem geistigen Auge die sich eben ereignete Szenerie ab. Im ersten Moment gelang es meinen Gedanken kaum all diese Bilder und Worte richtig zu verarbeiten. Nur ein Satz schallte unaufhörlich durch die Gänge und Windungen meines Gehirns und ließ mich beinahe wahnsinnig werden. Brich den Kontakt ab! Immer wieder. Brich den Kontakt ab! Ich kniff einige Male heftig die Augen zusammen und hielt mir die Ohren zu, als ob ich so die Stimme meines Vaters endlich zum Schweigen hätte bringen können. Stattdessen hatte ich jedoch das Gefühl, dass es nur noch schlimmer wurde. Minuten lang saß ich wie betäubt an der Tür gelehnt und starrte regungslos auf irgendeinen Punkt am Boden. Erst nach und nach füllte sich die Leere in meinem Kopf mit den unterschiedlichsten Eindrücken und Empfindungen, die von meiner ohnmächtigen Wut gegen meinen Vater bis hin zu einer tiefen hoffnungslosen Traurigkeit reichten. Nur eines blieb dabei seltsamerweise vollkommen aus; und das war Scham. Es war mir in diesem Moment absolut egal, was mein Vater von mir dachte. Oder mein Bruder oder meinetwegen auch meine Mutter. Nicht einmal die Tatsache, dass ein paar Freunde von Marco gesehen hatten, wie ich Fynn geküsst hatte, machte mir wirklich etwas aus. Weil sie alle keine Ahnung davon hatten, wie ich mich wirklich fühlte und weil auch keiner von ihnen auch nur ansatzweise nachvollziehen konnte, was in mir vorging. Und diese Erkenntnis war es, die es letztendlich schaffte ein Gefühl in mir hervorzurufen, das ich mein ganzes Leben lang noch nie in dieser Intensität verspürt hatte. Einsamkeit. Ich war ohne jeden Zweifel restlos allein mit dieser Situation. Diesmal würde mir keiner helfen können eine Lösung für dieses Problem zu finden. Keine Xiu, die mir in ihrer sachlichen Logik einen schlauen Rat geben konnte. Und auch kein Flo, der mit seiner lockerleichten Art meinen Vater einfach um den Finger gewickelt und alles ungeschehen gemacht hätte. Sie waren machtlos. Und ich war es auch. Was konnte ich auch gegen meinen Vater ausrichten? Er hatte Recht. Ich hatte keine Ahnung zu was er alles in der Lage war. Ich wusste nur, dass seine Drohungen nicht vollkommen rückhaltlos waren. Er hatte viele Bekannte und Freunde, die in den nötigen Positionen waren jenen, denen mein Vater schaden wollte, auch genau das anzutun. Er hatte oft genug von solchen Unterfangen erzählt. Und Fynns Familie wäre da keine Ausnahme. Er würde sie einfach auf die Straße setzen lassen und dafür sorgen, dass sie keinen Fuß mehr in dieser Stadt fassen würden. Aber irgendetwas musste ich doch tun! Ich erschrak, als mir auffiel, mit welcher Sachlichkeit ich dieses Problem versuchte zu erörtern. Das Verrückte war, dass ich aus irgendeinem Grund tatsächlich noch die Hoffnung hegte, ich könnte meine Situation noch irgendwie ins Positive ändern. Doch wenn ich ehrlich war, war es doch eigentlich vollkommen zwecklos irgendjemanden die Schuld für meine Lage in die Schuhe zu schieben. Würde es auch irgendwie helfen? Egal wie ich es drehte und wendete, letztendlich war es Fynn, der dabei auf der Strecke blieb. Was hatte es für einen Sinn gegen die Forderungen meines Vater anzukämpfen, wenn ich doch ohnehin genau wusste, dass diese Schlacht für mich vollkommen aussichtslos war? Ich wollte Fynn unter gar keinen Umständen schaden. Und wenn das bedeutete, dass ich dabei meine eigenen Gefühle und Sehnsüchte hinten anstellen musste, dann sollte es so sein! Ich würde Fynn niemals wegen meiner eigenen Selbstsucht in Gefahr bringen. Selbst, wenn das bedeutete, dass ich Fynn nie wieder sehen würde. Als ich zu dieser Erkenntnis kam, war es schon fast Abend. Den ganzen Tag war ich wie ein Gefangener in meinem Zimmer gesessen und hatte versucht jede Möglichkeit, die sich mir auftat irgendwie abzuwägen. Betrübt stellte ich jetzt fest, dass sich dabei die beste Lösung gleichzeitig auch als die schlechteste herausstellte. Fynn zu verlassen war der einzige Weg, um ihn zu beschützen. Mit einem Mal begann mein Herz heftig zu klopfen und dieses unangenehme Gefühl der Aussichtslosigkeit beklemmte mich so sehr, dass es mir schwer fiel noch einigermaßen ruhig zu atmen. Gab es etwas schlimmeres auf dieser Welt, als von dem Menschen verlassen zu werden, den man am meisten liebte? Ich wollte mir gar nicht ausmalen wie sehr ich Fynn damit wehtun würde. Ich wusste im ersten Moment nicht einmal wie ich ihn davon überzeugen sollte sich von mir zu trennen. Nur um seinetwillen alles aufzugeben würde er nicht akzeptieren. Er würde höchstwahrscheinlich das Risiko eingehen wollen. Doch er hatte ja keine Ahnung! Vielleicht war es auch einfach das beste, wenn ich ihm die Wahrheit verschwieg. Wenn er die richtigen Gründe nicht kannte, dann würde er wenigstens auch nicht versuchen gegen sie anzukämpfen. Irgendwie hätte uns doch auch von Anfang an klar sein müssen, dass es keine Zukunft hatte. Wenn ich ihm einfach sagte, dass es nur ein belangloser Spass war, dass es keine Bedeutung für mich hatte, vielleicht wäre er dann nicht traurig, sondern einfach nur wütend. Irgendwie war es doch einfacher etwas zu verarbeiten, wenn man wütend war. Oder nicht? Ich dachte nicht lange über diesen Gedanken nach. Irgendwie ergab er sich mir sofort als logisch. Es war bereits dunkel in meinem Zimmer, doch ich machte das Licht nicht an, als ich langsam zu meinem Telefon ging. Noch einige Momente mehr brauchte es, ehe ich es endlich schaffte Fynns Handynummer einzutippen. Ich hatte sie eigentlich im Telefonbuch gespeichert, doch irgendwie brauchte ich mindestens noch mal 10 Minuten bis ich es schaffte die richtige Taste zu betätigen und der Hörer an meinem Ohr unheilschwanger zu tuten begann. »Irgendwie hab ich gewusst, dass du heute noch anrufst,« ertönte Fynns Stimme gut gelaunt, ohne auch nur eine Begrüßung vorauszuschicken. Sofort verkrampfte sich mein Magen wieder und ich schaffte es im ersten Moment nicht auch nur einen Ton von mir zu geben. »Ja, ich...« begann ich zaghaft, brauchte aber nochmals kurz, um mich endgültig zu fangen. »Muss halt sein.« Auch Fynn schwieg für einen Moment, als würde er spüren, dass etwas nicht stimmte. »Ist alles in Ordnung?« fragte er verwirrt und ich biss mir heftig auf die Unterlippe. Ich wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte und holte einmal tief Luft. »Ich muss...Ich mein...wir müssen... Wir müssen reden.« Erst nachdem ich den Satz ausgesprochen hatte, bemerkte ich wie schrecklich er sich anhörte. Große Offenbarungen fingen doch immer mit diesem Satz an. In den meisten Fällen leider nur die schlechten. Fynn schien das zu wissen und antwortete nicht. »Können wir uns treffen,« sprach ich vorsichtig weiter und ich hörte wie er am anderen Ende der Leitung schluckte. »Ich bin daheim,« murmelte er tonlos. »Dann bin ich in 20 Minuten da.« Ohne ein weiteres Wort legte ich auf und blickte noch einen Augenblick in die Dunkelheit meines Zimmers. Dann packte ich schnell meine Tasche mit dem allernötigsten und machte mich auf den Weg zu meinem Auto. Die Fahrt zu Fynn erschien mir unendlich. Ich hoffte es würde im letzten Moment noch irgendein Wunder geschehen, das mich vor dem Bevorstehenden bewahrte, doch es passierte nichts. Die Stadt hatte sich über die letzte Nacht in eine wahre Wintertraumlandschaft verwandelt und auch jetzt schneite es wieder. Ich wollte jedoch partout die Schönheit dieses Abends nicht erkennen. Der Schnee machte mich viel eher aggressiv, obwohl er wohl am aller wenigsten für meine Situation konnte. Als ich in Fynns Straße einbog, erkannte ich ihn bereits aus weiter Ferne vor seinem Haus stehen. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht eine Jacke über zu ziehen, dabei hatte es bestimmt einige Grad unter Null. Mir fiel auf, dass ich meine eigene auch vergessen hatte. Ich hielt direkt vor ihm und wartete noch einige Momente, um noch einmal tief Luft zu holen. Mein Nacken brannte fürchterlich, als würde jemand flüssige Lava über ihn gießen. Ich schloss kurz die Augen, dann nahm ich mich beisammen und stieg aus dem Auto. »Hallo,« sagte ich mit gedämpfter Stimme und ging um den Wagen herum. »Hi,« sagte auch er, jedoch so leise, dass man es kaum hören könnte. Wir standen uns einige Momente schweigend gegenüber und ich presste unruhig meine Lippen aufeinander. »Sollen wir...reingehen?« fragte Fynn zurückhaltend, sah mir dabei jedoch nicht in die Augen. Seine Wangen waren leicht gerötet und er hatte seine Hände krampfhaft zu Fäusten geballt. Er stand wohl schon einige Zeit draußen in der Kälte. »Nein, das... ist okay so,« murmelte ich und schüttelte leicht den Kopf. Er nickte, als müsste er mir zustimmen, und seufzte kaum hörbar. »Also,« begann er vorsichtig, nachdem wir uns erneut minutenlang lang angeschwiegen hatten. »Worüber...wolltest du reden?« Ich versuchte mir die Worte, die ich mir zurecht gelegt hatte, irgendwie ins Gedächtnis zu rufen, stellte dann aber fest, dass es einfach nichts Auswendiggelerntes gab, das diese Situation irgendwie besser oder für Fynn erträglicher gemacht hätte. Es gelang mir letztendlich meine Fassung wiederzuerlangen und sah ihm direkt in die Augen. »Ich hab nachgedacht,« sagte ich mit fester Stimme und ich spürte wie jede Regung mein Gesicht verließ. »Über uns...und....das alles eben.« Er erwiderte meinen Blick ausdrucksleer und nickte verstehend. »Und?« sagte er tonlos. »Ich habe gemerkt, dass...ich eben doch irgendwie nicht ganz glücklich mit der Situation bin,« sprach ich ruhig und ich war überrascht wie gelassen meine Stimme dabei klang. Meine Unsicherheit war mir kaum anzumerken. »Ich hab gedacht, dass es wirklich das ist, was ich will, aber...irgendwie ist das mit uns beiden...eben doch...nichts für mich.« »...nichts für dich,« wiederholte Fynn meine Worte, als ergäben sie für ihn keinen Sinn. Ich wartete einen Augenblick und redete dann erst weiter. »Weißt du, ich hab eben einfach gemerkt, dass hinter all dem ein...viel zu großes Risiko steckt und ich...ich glaube...es ist für mich einfach...zu groß.« In diesem Moment unterbrach die Verbindung, die bis jetzt noch zwischen unseren Blicken bestanden hatte und Fynn senkte leicht seinen Kopf. Ich sah im Laternenlicht wie er immer wieder versuchte seine Lippen zu irgendwelchen Worten zu formen, doch kein Ton verließ seine Kehle. Normalerweise hätte er in solchen Situationen wohl einfach seine Maske aufgesetzt, um seine wahren Gefühle zu verstecken. Ich spürte jedoch wie es mich innerlich beinahe zerfraß zu erkennen wie sich auf den feinen Zügen seines Gesichts nach und nach eine tiefe verständnislose Verzweiflung abbildete, wie ich sie seit unserer ersten Begegnung damals in der Gasse nicht mehr gesehen hatte. Alles in mir schrie danach meine falschen Behauptungen sofort zu widerrufen, ihn in den Arm zu nehmen und zu sagen, dass alles in Ordnung war. Doch das wäre wohl eine noch viel größere Lüge gewesen, als jene, die ich ihm jetzt auftischte. Nichts war in Ordnung. Und es würde auch nichts wieder in Ordnung sein, wenn wir beide nicht endlich von einander losließen. Also blieb mein Gesichtsausdruck hart und meine Worte bestimmt. »War doch irgendwie von Anfang an klar, dass das nichts wird, oder nicht?« sprach ich weiter und ich bemerkte wie er bei den Worten leicht zusammenzuckte. »Ich meine...ist doch irgendwie eine ziemlich absurde Sache. Wir können ja eh nicht für immer zusammenbleiben. Irgendwann wird es sowieso vorbei sein, also warum nicht jetzt?« Er hob kurz seine Augenbrauen, hielt seinen Blick jedoch starr auf den Boden gerichtet. »Wenn du das so siehst.« Ich antwortete nicht. Was hätte ich auch sagen sollen? Wieder standen wir lange Zeit einfach nur schweigend da und dachten nach. Ich spürte bereits wie die Kälte der Winternacht allmählich an meiner nackten Haut zu beißen begann, doch mein Körper war vor Anspannung so steif, dass ich nicht einmal mehr zittern konnte. Irgendwann hob Fynn seinen Blick dann doch wieder und sah mir direkt in die Augen. Nervös kaute er auf seinem Lippenpiercing herum, wie er es immer tat, wenn er nicht wusste, was er sagen sollte. »Dann...wars das jetzt also?« stellte er sachlich fest, verlor jedoch gegen Ende des Satzes seine Stimme. Seine Lippen bebten, doch wusste ich nicht ob wegen der Kälte oder wegen seiner eigenen Betroffenheit. Ich nickte nur langsam und biss fest die Zähne aufeinander. Die Entschlossenheit in meinem Blick versuchte ich beizubehalten. »Ja, das wars wohl,« stimmte ich ihm flüsternd zu und er presste verstehend die Lippen aufeinander. Er schien keine weiteren Erklärungen zu erwarten. Ich hätte ihm auch keine geben können. Schließlich verstand ich es genauso wenig wie er selbst. Langsam drehte ich mich weg und ging zurück zu meinem Auto. Ich spürte noch wie sein hilfloser Blick mir folgte, traute mich jedoch nicht ihn noch einmal anzusehen. Zu sehr befürchtete ich, ich würde meine Standhaftigkeit endgültig verlieren, wenn seine Augen mich nur zu sehr darum baten. Als ich gerade einsteigen wollte, hielt ich noch einmal inne und überlegte kurz. Ich hatte das Gefühl, ich müsste noch irgendetwas sagen, doch fiel mir einfach nichts auf dieser Welt ein, dass ihn irgendwie vertrösten hätte können. Also ließ ich es sein, stieg in den Wagen und startete den Motor. Das letzte, was ich von Fynn sah war seine immer kleiner werdendere Silhouette im Rückspiegel. Bis zum Schluss schien er die Hoffung nicht aufzugeben, dass ich meine Meinung doch noch ändern und zu ihm zurückkehren würde. Doch ich tat es nicht. Mein Herz zersprang förmlich, als Fynns trauriger Blick wieder und wieder vor meinem geistigen Auge auftauchte. Bei der Vorstellung ihn nie mehr im Arm halten und küssen zu können wurde mir unweigerlich übel und ich versuchte krampfhaft den Schmerz und auch die Tränen wieder herunterzuschlucken. In diesem Moment fand ich die Antwort auf die Frage, die ich mir am Mittag noch gestellt hatte. Es gibt nur eines, das noch schlimmer ist, als von jenem Menschen verlassen zu werden, den man am meisten liebt, und zwar selbst derjenige zu sein, der den Geliebten verlässt. --------------------------------------------------------------------------------- *losflenn* Oh Gott! Kein Wunder, dass ich es so lange nicht über mich gebracht habe dieses Kapitel zu schreiben! *schnief* Das war ja schrecklich! Mein armer Fynniiiiii T^T Ich konnte es ja fast nicht in Worte fassen. Q__Q° Ich schaffs auch einfach nicht dieses unenedlich traurige Lied von Silbermond aus dem Kopf zu bekommen, welches mich zu diesem Kapitel inspiriert hat Q_Q Ich finde auch dass kein Lied zu Leos und Fynns Trennung besser passt, als Symphonie. Ich könnt halt grad einfach auch mit aller Regelmäßigkeit losheulen *also losheul* Ich entschuldige mich hiermit mal wieder, dass ich für des Kapitel so lange gebraucht hab u,û Aber bei dieser Tragik verging mir immer so schnell die Motivation.... nee Spass O,o Wenn man halt mal ein Kreatief hat, dann hat man es O,o ich hoff, dass ich die letzten 2 Kapitel schneller fertig krieg :) Kann ja auch nur besser werden...also so plot-technisch gesehn :'D Und ich hoffe auch, dass mir ncoh nciht alle Leser abgesprungen sind u_û kann ja gut sein, dass man nach so langer Zeit vergessen wird...Würde ich euch nciht verübeln xD naja =D den anderen danke ich fürs immer-noch-lesen und hoff euch hat es nciht zu sehr das Herz zerbrochen, was ich Fynn angetan hab. Kussi und Bussi euer Gilui ~~♥♥♥♥~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)