Mein Tischnachbar ist ein Idiot! von Skeru_Seven ================================================================================ Kapitel 30: ------------ „Der Sternenhimmel ist doch voll romantisch, oder? Sag ja!“ „Find ich jetzt eigentlich weniger. Außerdem ist der Boden unbequem.“ „Super, wegen dir hab ich das überhaupt gemacht, weil ich dachte, du stehst auf so eklig romantischen Schrott. Na toll.“ „Denken ist nicht wissen. Und ich habe mich schon gewundert, dass du seit Neustem solche Sachen toll findest. Das könnte dein Image ruinieren.“ Falls es dort überhaupt noch etwas zu ruinieren gab. „Klappe, das ist es sowieso, hätte keinen Unterschied gemacht.“ Also doch, war wirklich klar gewesen. „Aber jetzt hab ich mich umsonst auf diese arschnasse Wiese gelegt und so getan, als wäre es interessant, Sterne zu stalken.“ Ein typisches Gespräch zweier Idioten, auch bekannt als Johannes und Tobi. Was bei anderen Paaren klang, als steckten sie in einer metertiefen Beziehungskiste, gehörte bei ihnen zum alltäglichen Umgangston. Johannes störte das nicht; im Gegenteil, was sollte er mit einem Typen, der sich wie ein halbes – oder im schlimmsten Fall wie ein ganzes – Mädchen benahm? Außer, ihn nicht ernst nehmen? Lieber einen bösen Tobi statt einen unheimlichen Tobi, der alten Frauen über die Straße half und kleine Kinder in den Kindergarten brachte. Mit einem Seufzen streckte Johannes den Arm aus und hielt seinem weiterhin laut nörgelnden Freund konsequent den Mund zu. Bei diesem mit noch mehr unfreundlichen Worten gefüllten Vortrag ging sogar der letzte unsichtbare Rest Kitsch flöten, wenn er überhaupt existierte. Die Wahrscheinlichkeit konnte unterm Teppich Fallschirm springen. „So, bevor du noch mehr rumjammerst“, erklärte Johannes sachlich, „man kann sich auch ganz normal den Himmel angucken. Das werden wir auch überleben.“ „Der Himmel ist aber dumm, da passiert nichts. Und die Sterne sind auch zum Einschlafen, kein normaler Mensch schaut die sich freiwillig länger als drei Minuten an.“ „Schade, dass du nicht normal bist, sonst könnten wir jetzt nach Hause gehen und dort weiter für den unheimlich beeindruckenden Geschitest lernen.“ Die perfekte Beschäftigung für einen angenehmen Freitagabend im Frühling, allein auf einer Wiese ohne nervende Leute, die ihnen auf den Wecker gehen konnten. „Dann bleiben wir doch lieber hier.“ Mit dem Thema 'Schule' stand Tobi immer noch auf Kriegsfuß und man konnte ihn damit quer durch die Stadt jagen; das änderte sich sicher in den nächsten Jahren nicht. Plötzlich hochkonzentriert durch diese vielversprechende Aussicht – oder eher Drohung - starrte er auf die hellen Lichtpünktchen über ihren Köpfen und tat so, als entdeckte er ganz unglaubliche, bis jetzt noch nicht gefundene, Sternenbilder. Allerdings zweifelte Johannes, ob sein Freund mehr als den Orion und den großen Wagen kannte und auch fand, er selbst wusste in diesem Gebiet ebenfalls nicht besonders viel. „Tobi, lass es, ich weiß, dass du nicht auf einmal dein Talent beim Sterne zusammensammeln bemerkt hast.“ Die Sache mit dem Testlernen war sowieso reiner Unsinn gewesen, wieso sollte er sich an so einem gemütlichen Wochenende so etwas antun? Es gab circa tausend Beschäftigungen, denen er sich lieber widmete, vielleicht sogar Sex mit Tobi... wenn er oben liegen durfte. „Ach ja, was du nicht alles weißt, Frau Besserwisserin.“ Frech stieß Tobi ihm einen Ellbogen in die Seite. „Und natürlich hast du voll die Begabung da drin, stimmts?“ „Hab ich nie behauptet!“ Was alles in eine kleine, arme Aussage hineininterpretiert wurde! Schlimmer als in einer Deutscharbeit, in der es dafür wenigstens noch eine Belohnung gab. „Aber dass du auf einen Schlag die Sterne interessant findest, nachdem ich mit Üben gedroht habe, ist schon ein wenig auffällig, findest du nicht auch?“ „Nö“, meinte Tobi selbstsicher und rückte ein wenig auf Johannes zu. „Willst du dich jetzt wirklich darüber streiten, hm? Hast du nichts Besseres zu tun? Überleg mal ganz scharf.“ „Doch, ich könnte mein Zimmer aufräumen, die Nachbarskatze zum Mond schießen, mein CD Regal entrümpeln, die Schule pink und neongrün anpinseln, willst du noch mehr Details?“ Natürlich wusste er, worauf sein Freund anspielte, aber es machte ihm wie immer Spaß, ihn ein bisschen zu ärgern und den Streber raushängen zu lassen, vor allem, weil Tobi es ihm manchmal tatsächlich abnahm, dass er das alles bei nächster Gelegenheit tat. Falls er gerade in Stimmung dazu war. „Das glaubt dir nicht einmal meine Schwester.“ Heute hatte er den Trick durchschaut, nicht tragisch. „Und die glaubt sogar, der Mond wäre fünfeckig, wenn du es lange genug sagst.“ Inzwischen befand sich Tobi keine drei Zentimeter mehr von Johannes entfernt und hielt ihn fest, damit er ihm nicht entwischte, falls er keine Lust auf nächtliche Tätigkeiten verspürte. „Du willst aber nicht schon wieder mit mir schlafen, oder?“ Obwohl er eigentlich nicht ganz abgeneigt war, fiel es doch auf, dass Tobi viel öfter wollte als Johannes es als normal empfand. Hoffentlich war er nicht irgendwie süchtig danach geworden, das wäre eher schlecht. Besonders viel Zeit dafür hatten sie nämlich nicht, gewisse Familienangehörige ließen sie kaum in Ruhe. „Lieber nicht.“ Wie nett. „Nein, nicht, weil du schlecht da drin bis oder so, davon hab ich keine Ahnung, aber das letzte Mal hat genauso weh getan wie vorher, das war echt scheiße.“ „Gut zu wissen.“ Schön, dass er das auch mal erfuhr, Tobi hatte nämlich kein Ton darüber verloren und Johannes war automatisch davon ausgegangen, es sei angenehmer gewesen. Tja, fail. „Mann, ich kann ja nicht bei jedem mal rumheulen, das ist peinlich“, brummte Tobi vor sich hin, „außerdem schafft es jeder, warum also wir nicht? Das frustriert dich doch sicher auch.“ „Nein, eigentlich nicht.“ Es gab auch andere Dinge als das kleine Wort mit drei Buchstaben. „Von mir aus müssen wir es nicht mehr machen, wenn es dir unangenehm ist.“ „Sagst du jetzt, später regst du dich bestimmt wieder auf, dass ich mich total anstelle.“ Aus irgendeinem Grund stachelte das Thema Tobis Diskussionsverhalten an. Angekratzter Stolz? „Komm, niemand verzichtet freiwillig darauf, auch du, heiliger Johannes, nicht.“ „Ach Junge, wenn du mir nicht glaubst, kann ich auch nichts dafür.“ Was für ein Terror wegen so einer Nichtigkeit. Wenn er sagte, ihm mache es nichts aus, dann meinte er das auch so. Punkt! Er war mit Tobi zusammen, weil er ihn mochte, nicht weil er pausenlos mit ihm ins Bett steigen wollte. Dafür hätte er sich auch diesen billigen Javier angeln können, der machte es bestimmt mit jedem. Oder diese Plastikmädchen aus der Parallelklasse. „Gut, dann glaub ich dir halt. Aber wehe, du entscheidest dich in einer Woche wieder um, das kannst du schön vergessen.“ Natürlich winkte Tobi dabei mit dem halben Gartenzaun, dass sonst sein Ego verletzt wäre und er nach langer Zeit wieder gewalttechnisch aktiv werden müsste. „Nein, werde ich schon nicht... Schatz.“ Wer die Ironie nicht verstand, der durfte sie sich in den Kleiderschrank hängen. „Mit wem redest du? Ich heiße so nicht“, konterte Tobi, „gehst du fremd?“ „Ja, klar, mit einem Berg Münzen und Goldschmuck. Fühlt sich absolut toll an und kann man überall mit hinnehmen.“ Entweder hatten sie ohne etwas zu bemerken Alkohol getrunken und erzählten deshalb so einen Müll oder sie mutierten zu Mädchen. Die machten das ja den ganzen lieben langen Tag lang, wenn man sie nicht davon abhielt. „Nur muss man beim Küssen immer gut zielen, weil man sonst falsch trifft.“ „Ein Crashkurs für eine Beziehung mit Glitzerzeug, juhu.“ Mit einer etwas groben Bewegung zerrte Tobi Johannes zu sich und legte den Kopf auf dessen Schulter. „Los, bring mir was darüber bei, ist doch echt lebenswichtig.“ Das waren die richtigen, von Geschichte nichts wissen wollen, aber bei so einem Blödsinn hörten sie gerne zu. „Okay, also, den Goldschatz trägst du am besten den ganzen Tag in deinem Geldbeutel mit dir rum, sonst ist er vielleicht sauer, außerdem solltest du... aua! Hallo, geht’s dir noch ganz gut?“ Sein Geschrei wurde von Tobi nur mit einem bösen Lachen beantwortet. „Bist du jetzt zum Vampir übergegangen?“ Verärgert über dieses Kindergartenverhalten rieb sich Johannes über seinen Oberarm, in den Tobi ihn einfach so aus Spaß gebissen hatte. Tickte der noch ganz richtig oder gehörte er mal zusammen mit Javier zum Psychologen geschickt? Sah er aus wie einer dieser beliebten Schokomuffins? „Nein, es ist lustig, wenn du dich über sinnlose Sachen aufregst.“ Zählte das noch als Kompliment oder schon als Beleidigung? Auf alle Fälle konnte er spätestens jetzt das Niveau vom Boden aufkratzen und zum Tierarzt bringen. „Danke. Noch etwas, was ich wissen sollte?“ „Moment...“ Ausnahmsweise dachte Tobi nach, um ihn gleich noch mehr solche Dinge an den Kopf zu werfen, allerdings schien er keine zu finden. Was für ein Glück. „Nichts, was mit dir zusammenhängt, aber so wie ich dich kenne, hast du es noch nicht mitbekommen.“ „Was denn? Meine Mutter ist der Weihnachtsmann oder was?“ „Nein, aber du kennst doch noch Basti und Javier?“ „Ja, natürlich, dein Ex und der Gestörte, den du auf der Party abgeschleppt hast.“ Wie konnte man sich an diese beiden nicht erinnern? „Genau. Und so wie es gestern ausgesehen hat, haben die was am Laufen.“ Stolz über seine eigene Art des Allgemeinwissens zwickte Tobi in die ramponierte Schulter seines Gegenübers. „Sie sind also zusammen?“ Dieser schlechte Geschmack auf beiden Seiten schockierte Johannes beinahe. Aber dumm und dumm, passte doch irgendwie gut. Nein, damit meinte er nicht sich und Tobi! „Ich tippe eher auf Fickbeziehung, Javier ist nicht so der Typ für längeres Zusammensein, da sind ihm seine komischen Geister lieber. Aber das ist ja nicht unser Problem.“ Gelassen zuckte Tobi mit den Schultern und widmete seine Aufmerksamkeit wieder wichtigeren Dingen im Leben, zwar nicht wieder Johannes‘ Schulter, aber einem anderen Teil von ihm. Zu seiner Freude gab es trotz der kleinen Meinungsverschiedenheit vorhin nun keinen Protest gegen seine Lieblingstätigkeit. Wenn man sonst nichts zu tun hatte, fand man das doch nicht so nervig, wie man es sich manchmal einredete. „Kann man bei uns eigentlich von der Liebe auf den ersten Schlag sprechen?“, fragt Johannes etwa eine halbe Stunde später, als er wieder einmal zum aktiv sein genötigt worden war und Tobi mit einer netten Massage zufriedenstellte. „Zu fast jedem Anlass gibt es diesen blöden Spruch, also warum nicht auch bei uns?“ „Wenn du meinst, dass ich dich mit dem Physikteil geschlagen habe, weil ich dich so geil fand, ist das deine Sache. Ich finde das mehr als idiotisch.“ Glücklich über das angenehme Gefühl auf seinem Rücken schloss Tobi die Augen und begann ziemlich leise den Refrain von irgendeinem Trällerliedchen zu summen. „Muss das jetzt sein, du zerstörst die nicht vorhandene romantische Atmosphäre“, hielt ihm Johannes vor und hörte einfach auf mit seiner Zwangsbeschäftigung. „Du hast echt Talent bei so was.“ „Na also, doch noch ein Talent heute gefunden“, freute sich Tobi, nachdem er aus reiner Freundlichkeit seine musikalische Beigabe abgebrochen hatte. „Kannst eine Runde stolz auf mich sein.“ „Werde ich bei Gelegenheit tun.“ Die Intelligenz hatte sich wohl schon längst nach Atlantis abgesetzt und feierte dort mit der Zivilisation eine schöne Strandparty. Wieso lud keiner sie dazu ein? Johannes fühlte sich ausgeschlossen. „Was machst du eigentlich in den Ferien?“ Die begannen auch schon in nicht allzu langer Zeit. „Ach, kein Plan, irgendwas halt. Chillen, nichts tun und schlafen. Klingt doch gut.“ „Ja, extrem abwechslungsreich, pass auf, dass du dich nicht überanstrengst.“ „Werde ich nicht, meine Eltern haben schon gedroht, mit uns für ein paar Tage Zelten zu gehen.“ Die Begeisterung war fast spürbar. „Es wird fürchterlich: Überall Insekten, die Sarah mit sich herumtragen wird bis an ihr Lebensende, keinen eigenen Platz für sich und kein Fernsehen. Super, oder?“ „Echt tragisch, ich werde Tanja fragen, ob sie dich für einen Euro bemitleidet.“ Familienurlaube gehörten aber auch verboten, danach brauchte man nämlich zwei weiteren Wochen Erholung von ihnen. Etwas unpraktisch bei nur zwei Wochen Ferien. „Dann gib ihr lieber zwei, damit sie es auch noch für dich tut.“ Haifisch auf zwölf Uhr! „Wieso? Ich blieb schön zu Hause und mach mir ein paar entspannende Tage ohne dich in unserem Garten.“ Dafür musste man nicht bemitleidet werden, außer es regnete ohne Unterbrechung. „Denkst du! Ich hab schon alles geplant, wie ich dich mitnehmen werde, meine Eltern haben sicher nichts dagegen. Und Sarah auch nicht, dann bist du hier nicht so allein.“ Was für... wunderbare Aussichten, da konnte man glatt neidisch auf ihn werden. Hatte es denn auch ausnahmsweise Vorteile, endlich einen Freund zu haben? Und wenn ja, wo waren sie versteckt? Leise seufzte Johannes vor sich hin, die nächsten Wochen und Monate mit Tobi würden sehr lustig werden, da war er sich sicher. Schrecklich sicher. ___________________________ So, offiziell ist das das Ende von Tobi und Johannes. Ich bedanke mich bei allen, die es gelesen, favorisiert und kommentiert haben. Danke, ohne euch wäre es sicher schon nach einigen Wochen für immer in einer Ecke verschwunden. :] Aber inoffiziell werden noch ein paar Extrakapitel folgen, allerdings nicht mehr so regelmäßig und auch nicht nur mit Tobi und Jo, sondern auch mit anderen vorkommenden Personen. Viele Grüße an euch alle, Kavi ^^ Hosted by Animexx e.V. 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