Eistränen von Kimiko_Grey ================================================================================ Kapitel 20: Falsch gedacht -------------------------- Meine Eltern erwarteten mich bereits im Foyer. Ich hüpfte die Treppen herunter, als hätte ich einen Flummi gegessen und fiel meinen Eltern in die Arme. Mein Vater fing mich auf. „Yumi-chan!! Endlich bist du wieder gesund!“ rief er feierlich aus. Ich begrüßte meine Mutter und mein Vater strahlte. „Dreh dich mal um, lass dich ansehen.“ Ich lächelte und drehte mich einmal um meine eigene Achse. „Du meine Güte! Ayako, sieh sie dir an. Ist unsere Tochter nicht eine bezaubernde junge Frau geworden? Viel hübscher als noch vor ein paar Monaten.“ Meine Mutter wischte sich die Freudentränen aus den Augen und nickte stumm. Frau Kawashima war zu uns gekommen, sie lächelte zufrieden. Sie war immer froh, wenn ein Mädchen die Klink gesund und nicht in einem Leichenwagen verließ. „Ich störe Ihre Familienidylle nur ungern“ sagte sie, „aber ich muss noch ein Abschlussgespräch mit ihrer Tochter führen, wenn das erledigt ist möchte ich noch einmal mit ihnen gemeinsam sprechen.“ Ich sah zu ihr, mein Vater nickte. „Gut, dann geh eben Kimiko und wir bringen deine Sachen ins Auto.“ Ich nickte und folgte Frau Kawashima in ihr Büro. Sie bot mir einen Platz an, ich setzte mich auf denselben Stuhl wie damals als wir das Einweisungsgespräch führten. Sie setzte sich mir gegenüber und legte meine Akte vor sich auf den Tisch. „Kimiko. Ich bin sehr, sehr froh, dass du endlich gesund bist. Erinnerst du dich noch an den Tag, als du zu uns gekommen bist?“ .Ich nickte und seufzte. „Ja leider. Es ist nicht so, dass Sie nicht gut für meine Genesung gesorgt hätten, nur~“ Sie unterbrach mich und winkte lächelnd ab. „Nein nein ich verstehe das schon. Ich bin auch immer froh, wenn ich eine Patientin gesund entlassen kann und sie hier nicht wiedersehen muss, wenn sie nicht gerade zu Besuch kommt. Aber kaum eine Patientin, die gesund wird, kommt freiwillig hierher, nur um mich zu besuchen. Viele der Gesichter, die ich wiedersehe, sind leider rückfällig geworden.“ Ich zog die Augenbrauen zusammen. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, wie jemand wieder anorexisch werden könnte und zurück in diese, oder eine andere Klinik gehen müsste. Heute bin ich natürlich klüger, was das Thema angeht. Aber dazu später mehr. „Ich denke nicht, dass ich wieder rückfällig werde.“ Sagte ich lächelnd. Ich war der festen Überzeugung, dass mein Ausfall beim Training und Turnieren, während meinem Aufenthalt hier Aufsehen im Eissportverband erregt hatte, und ich somit vor Haku sicher wäre. Ich wollte um jeden Preis wieder aufs Eis. Naja…um fast jeden. Um ehrlich zu sein, verschwendete ich in dem Moment in dem ich vor Frau Kawashima saß, nur wenige Minuten von meiner absoluten Freiheit entfernt, keinen Gedanken an Haku, die Qualen, die Demütigungen und die Folgen meines Missbrauches. Ich wollte nur raus aber Frau Kawashima musste ja noch das Abschlussgespräch mit mir führen. Sie nahm einen Bogen Papier aus meiner Akte, ich sah, dass sie Protokolle über mein Essverhalten, mein Therapieverhalten und detaillierte Listen über die Änderungen meines Körpergewichtes zusammengetragen hatte. Sie blätterte eine zu dem ersten Blatt der Akte, das ganz unten lag. Das war der Bogen, den ich an meinem ersten Tag hier ausfüllen musste. Ich konnte mich noch genau daran erinnern. An diesen Bogen Papier hatte sie mit einer Büroklammer ein Polaroid angebracht. Sie nahm es ab. „Kimiko,Kimiko, Kimiko ich bin sehr froh über deine Genesung Mädchen.“ Sie reichte mir das Foto. „Erinnerst du dich noch an diese junge Frau?“ Ich nahm das Polaroid und starrte erschrocken auf das magere Wesen mit dem viel zu großen Kopf. „Du lieber Himmel“ stöhnte ich. „Bin das wirklich ich??“ Ich war entsetzt, noch entsetzter als damals, als ich mich selbst das erste Mal auf diesem Foto sah. „Nein“ sagte sie „Das WARST du und ich hoffe, dass du nie wieder so aussiehst.“ Ich schüttelte den Kopf „Nie im Leben“ sagte ich. Sie lächelte. „Behalt das Foto und hol es ab und an heraus. Sieh es dir öfter mal an, glaube mir, dann sehen wir uns nicht mehr wieder – und das meine ich positiv. Nun kommen wir aber zum ernsten Teil dieses Gespräches, dann will ich dich nicht länger aufhalten und dich zu deiner Familie entlassen.“ //Oh oh was kommt nun?// „Wie du sicher weißt, halte ich wöchentlich Rücksprachen mit den Therapeuten, über jedes Mädchen. Auch über dich haben wir gesprochen und mich wundert, dass du mit keinem einzigen Wort explizit erwähnt hast, was der wahre Grund für deine Erkrankung war.“ Ich schluckte. „Ich möchte dich nicht entlassen ohne diesen Grund zu kennen. Ich stehe unter Schweigepflicht und darf niemandem etwas sagen, wenn du es nicht willst. Nur ich befürchte, dass du schnell wieder Rückfällig wirst, wenn du es weiter mit dir herumträgst.“ Einen Moment sah ich sie schweigend an. Innerlich tobte ein Kampf. Ich wusste nicht wie viel ich ihr anvertrauen konnte, denn ich hatte mich nicht mal meiner Familie anvertraut, wobei ich wusste, dass ich auch das irgendwann tun musste. Ich seufzte hörbar, dann begann ich meine Geschichte zu erzählen. „Sie wollen also wissen, warum ich magersüchtig wurde?“ Sie nickte, ich seufzte erneut. „Also gut“ sagte ich ruhig und begann damit meine Geschichte zu erzählen. „Wie Sie wissen bin ich Eiskunstläuferin. Ich wollte…die beste werden und ich dachte, dass ich dies nur mit hartem Training erreichen würde, jedenfalls trichterte mir mein Trainer das ein. Bis zu meinem 12.Lebensjahr, ich gewann meine erste Goldmedaille bei den Herbstmeisterschaften 1996. Ich war so stolz…Und ich wollte weitere gewinnen…Mein Trainer wollte zunächst etwas anderes. Er vergewaltigte mich, raubte mir brutal meine Unschuld als Preis dafür, dass er sich meiner annahm…Und von da an…tat er es immer wieder…Vor zwei Jahren zwang er mich dazu mit den Punktrichtern zu schlafen um den Sieg gesichert zu bekommen….Es war die Hölle…“ Frau Kawashima sah mich mitleidig an. „Deswegen hast du also aufgehört zu essen, es war eine Rebellion gegen das was dir widerfahren ist.“ Ich nickte. „Bitte…ich flehe sie an, meine Familie weiß von nichts!!“ „Natürlich wissen sie nichts, aber was willst du machen? Wieder in dieses Team zurückkehren?“ Ich nickte. „Ja ich denke nicht, dass er es wieder tut“ Frau Kawashima lächelte und sah mich freundlich an. „Ich hoffe es für dich und wünsche dir alles gute.“ Damit stand sie auf und begleitete mich zurück zu meinen Eltern. Ich verneigte mich zum Abschied und ging mit meinen Eltern zum Auto. Ich bereute, dass ich Frau Kawashima die Wahrheit gesagt hatte…. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)