Das Herz des Ozeans von Julchen-Beilschmidt (My Heart will go on) ================================================================================ Kapitel 17: Nearer my God to thee --------------------------------- Kapitel 17: Nearer my God to thee Offizier Harold Lowe saß ganz vorne im Boot und hielt eine Lampe nach vorn. Vor ihm war ein Meer aus Leichen, Sonnenliegen, Fässern und allem andern, das möglich war auf der Wasseroberfläche zu treiben. Sie alle waren erfroren und voller Eis im Gesicht. Wie Schaufensterpuppen sahen sie aus, die reglos im Wasser trieben. Bevor sie einen der Leichen noch ein Leid antaten, zogen sie die Ruder ein. Ein weiterer Bootsmann leuchtete mit einer weiteren Taschenlampe in dieses Leichenmeer hinein. Es herrschte gespenstische Stille. Mit einem Ruder wollte Harold Lowe überprüfen, ob noch irgendjemand lebte. Aber sie sahen in leblose Augen. Vorsichtig fuhren sie hindurch und versuchten die Leichen beiseite zu schieben. Lowe rief in die Stille hinein, ob noch jemand lebte. Aber auch hier gab es keine Reaktion. Sie waren zu spät gekommen, zu lange hatten sie gewartet. Junge Frauen mit ihren Babys im Arm, Männer, Kinder, Alte... sie alle waren gestorben. Doch wollte der Offizier nicht aufgeben. Etwas abseits von dem Rettungsboot lag Alaine auf der Tür, neben ihr Valnar. Es war alles um sie herum verstummt. Alaine fühlte noch sacht den Puls ihres Liebsten. Er lebte noch, aber wenn nicht bald Rettung käme, wären sie beide verloren. Sie beide waren von Eisbrocken bedeckt, doch die Kälte fühlten sie nicht mehr. Der Tod war ihnen nun ein willkommener Gast. Um sich wach zu halten, sag sie das Lied, das Valnar ihr vorgesungen hatte, als sie beide am Bug der Lazalatin gestanden hatten und sie sich klar geworden war, das sie diesen Mann über alles liebte. Aber da, plötzlich, in ihrem Augenwinkel sah sie ein grelles Licht die Dunkelheit durchbrechen. War es der sagenumwogene Ende des Tunnels an dem der Tod sie erwartete? Von dort kamen auch Rufe, die sie nicht ganz wahrnehmen konnte. Alaine drehte den Kopf vollends zur Seite und wurde von einem sich bewegenden Lich geblendet. Da erkannte sie, was das war. Ein Boot! Ein Rettunngsboot! Sie drückte Valnars Hand, der schwach seinen Kopf hob. Er war so geschwächt, das er sie nur ansehen konnte. „Valnar... da ist ein Boot... wir... sind gerettet...“ hauchte sie. Der junge Mann blinzelte. Das Boot glitt langsam in einiger Entfernung an ihnen vorbei, ohne Notiz von ihnen zu nehmen. Alaine entschloss sich, den Faden, der so nah war zu ergreifen und ihr Leben und das ihres Liebsten zu retten. Sie küsste ihn. „Ich werde auch dich retten...“ hauchte sie und rollte von der Tür. Nur zwei Meter weiter, aber für sie, die abgekämpft war, trieb der Matrose mit der Trillerpfeiffe. Sie kämpfte sich zu ihm und nahm aus seinen gefrorenen Fingern die Pfeiffe und bließ so kräftig wie möglich hinein. Das Pfeiffen hörten die Männer in dem Boot und suchten mit ihren Taschenlampen die Stelle ab, von der es kam. Und da sahen sie Alaine, die sich an den Liegestuhl klammerte. Sie bließ so lange in die Pfeiffe, bis sie sicher war, das sie sie gefunden hatten. So schnell sie konnten runderten sie zurück zu ihr und holten sie hoch. „D- dort!“ rief sie und zeigte auf die Tür auf der noch immer Valnar lag. „Er- mein... Mann... er... lebt!“ bibberte sie als ihr sofort mehrere Decken umgeschlungen wurden. Kurzerhand holten sie auch Valnar ins Boot, der wirklich auf der Schwelle des Todes war. Sofort hüllten auch sie ihn in warme Decken und Alaine vergoss viele Tränen als sie Valnar endlich wieder bei sich hatte. In dieser Rettungsaktion wurden insgesamt 6 Passagiere gerettet. Valnar und Alaine mitinbegriffen. Doch 1500 Menschen konnten nicht gerettet werden. Die übrigen 700 in den Booten konnten nun nurnoch warten. Auf den Tod, auf das weiterleben, auf eine Absolution, diese wurde aber nie erteilt. Alaine schlief , eingehüllt in den Decken mit Valnar, bis am nächsten Morgen die Sonne kühl und klar aufging. Sie setzte sich vorsichtig auf und sah zu Valnar, der bleich neben ihr sanft seine Brust hob und senkte. Wieder liefen Tränen über ihre Wangen. Sie hatten überlebt. Sie beide. Da ragte auf einmal ein großer Schatten über ihnen auf. Ein Schiff war tatsächlich zurück gekommen und hatte sie durch Leuchtfeuer gefunden. Die ersten Rettungsboote waren bereits leer und die Überlebenden an Bord gebracht, wo ihnen Essen, Trinken, Decken und ein Platz zum Schlafen gegeben wurde. Valnar kam sofort in die Bordklinik, wo er warmgehalten wurde. Alaine wurde es fürs erste erlaubt, bei ihm zu bleiben. Die Schwestern meinten, er würde am Abend wieder entlassen werden. Er war dem Tod schon von der Schippe gesprungen. Erleichert ging Alaine dann an Deck und hing ihren eigenen Gedanken nach. Sie hatte heute viele gesehen, die nach ihren Angehörigen gesucht hatten und viele hatten sie angesehen, aber nun kam jemand, den Alaine nie wieder sehen wollte. Asgar ging auf dem Deck herum und ging ganz nahe an ihr vorbei. Sie hatte ihre Wolldecke über ihre Haare gezogen, um nicht sofort an ihren Haaren erkannt zu werden. Als er ihr den Rücken zuwandte, schaute sie zu ihm. Alaine war sich sicher, das er nach ihr suchte. Sollte er doch denken, sie sei mit untergegangen. Die Rothaarige hatte bereits mit ihm gebrochen, so auch mit ihrer Familie. Es sollte auch das letzte Mal sein, an dem sie ihn sehen würde. Asgar heiratete und bekam sein Vermögen. Doch wenige Jahre später brachte er sich selbst um, als all sein Geld nichts mehr wert war. Nach ein paar Tagen, mitten in der Nacht fuhr das Schiff in den Hafen ein, der kurz vor Klennar war. Sie waren endlich dort angekommen, wo sie hingemusst hatte. Es regnete, doch stand Alaine an Deck. Ihre Hand umfasste die von Valnar, der genesen sollte, wollte es sich aber nicht nehmen, mit ihr in den Hafen einzufahren. So wie Alaine es ihm gesagt hatte. Sie würden gemeinsam von Bord gehen. Ein Matrose kam zu ihnen und fragte nach ihren Namen. „Valnar Dawson.“ sagte er ihm und der Matrose schrieb ihn auf. Dann sah er zu Alaine. „Alaine Dawson.“ antwortete sie ihm. Valnar sah sie überrascht an, doch in ihrem Blick war so viel selbstverständlichkeit, als hätte sie schon immer so geheißen. Der Mann notierte auch ihren Namen und vermerkte, das sie verheiratet seien und ging dann wieder davon. „Aber... du...“ meinte er. „Was? Ich bin Alaine Dawson. Ich war nie eine andere.“ meinte sie ruhig und sah wieder hinaus, auf die entfernten Lichter von Klennar. Valnar drückte ihre Hand. Die Jahre zogen dahin und Valnar zeigte Alaine all das, was sie sich auf der Lazalatin versprochen hatten. Sie lebten ein Leben ohne Sorgen, zwar ohne viel Geld, aber was bedeutete das, wenn man einander hatte? Und doch... ein Geheimnis hatte Alaine vor Valnar. Eines, das sie erst viele, viele Jahre später, als sie mit ihren Enkeln in ihre Heimat nach Asran fuhren, lüften wollte. Alaine führte Valnar an der Hand an das Heck des Schiffes. Sie befanden sich auf hoher See. Es war mitten in der Nacht und der Himmel war so klar wie damals zu jener Nacht. „Alaine... was willst du hier, mitten in der Nacht?“, fragte er. Aber Alaine gab keine Antwort. Sie lächelte nur. „Ich muss etwas zurück geben, das ich einst genommen habe.“ meinte sie und holte aus einer Tasche ihres Kleides eine silberne Kette hervor, an der ein blau funkelnder Diamant hang. Valnar erkannte sie und machte große Augen. „Ist das...“, „Ja... das ist der Diamant, den du damals mit mir gezeichnet hast. Das Ebenbild davon ruht nun seit vielen Jahren auf dem Grund des Meeres. Es wird Zeit, das ich das Original zurückgebe.“, meinte sie und streckte den Arm aus, an der die Kette hing. „Bist du dir sicher? Ich meine... er ist so wertvoll...“, wandt Valnar ein. „Liebster... wir führten ein glückliches Leben. Ich habe mir nie ein anderes gewünscht.“ Und mit diesen Worten ließ sie die Kette fallen und verschwand im schwarz des Meeres. Alaine atmete einmal tief durch. Nun war sie endlich – endgültig - frei. ~Ende~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)