Das Herz des Ozeans von Julchen-Beilschmidt (My Heart will go on) ================================================================================ Kapitel 7: “Sie halten dich gefangen” ------------------------------------- “Sie halten dich gefangen”   Valnars Hand erschien auf den Stahlstreben der Reling, die er gerade empor kletterte. Es war ihm durchaus verboten auf dem Promenadendeck zu sein. Doch kümmerte ihn das wenig. Er wollte Alaine noch einmal sehen und ihr für den Abend danken. In der Nähe war gerade ein Vater der mit seinem Sohn spielte. Ein älterer Herr stand bei dem Vater und sie unterhielten sich. Sie bemerkten den jungen Mann nicht der eben wie aus dem nichts aufgetaucht war. Auf ein paar Sonnenliegen lagen ein Mantel und eine Melone, die wohl achtlos von dem einen Herren hingelegt worden waren. Die Sachen nahm er sich um sich zu verkleiden. Schnell steckte Valnar sein Haar unter die Krempe und ging Alaine nach, die er eben gesehen hatte.   “Mr. Andrews, verzeihen Sie. Ich habe das mal nachgerechnet. Und bei der Kapazität der Rettungsboote, wie Sie es gerade erwähnten. Verzeihen Sie bitte, aber es scheint mir es gibt nicht genügend Platz für alle Passagiere.” sagte sie und wrang ihre Hände ineinander. Er drehte sich zu ihr um und blieb stehen. “Für die Hälfte um genau zu sein. Alaine, ich muss schon sagen, ihnen entgeht nichts. Ich habe sogar diese neuartigen Duggets ein bauen lassen. Sie könnten noch eine Reihe Rettungsboote auf der Innenseite aufnehmen. Aber es gab einige, die glaubten das Deck sei dann zu voll gestellt. Und so wurde ich überstimmt.” Alaines Mutter und Verlobter hatten das Gespräch mit angehört, hielten aber nicht viel davon und gingen weiter. “Alles nur eine Frage von vergeudeten Platz auf diesem unsinkbarem Schiff.” meinte Asgar und klopfte kurz mit seinem Gehstock gegen eines der Boote. “Schlafen Sie beruhigt kleine Alaine, ich habe ihnen ein gutes Schiff gebaut. Stark und solide. Sie ist das einzige Rettungsboot das nötig ist.” Aaron Andrews beschleunigte seine Schritte um zu Aysha und Asgar aufzuschließen. Er wollte ihnen als nächstes das Heck zeigen. Alaine ging langsamer und hatte noch immer ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Die Eisbergwarnung nach dem Gottesdienst hatte sie schwer eingeschüchtert. Sie ging an einem Mann mit Hut vorbei der in die Ferne sah. Der wirbelte herum tippte ihr auf die Schulter und zog sie in den Fitnessraum hinein. Sie erkannte Valnar wieder und ging mit. “Valnar. Es ist einfach unmöglich. Wir dürfen uns nicht mehr sehen.” sie wollte schon wieder herauslaufen, aber er hielt sie zurück und drängte sie gegen die Wand. “Ich muss mit Ihnen reden.” “Nein Valnar. Nein. Valnar... Ich bin verlobt. Ich werde Asgar heiraten. Ich liebe Asgar.” Valnar seufzte. Für ihn klang das nicht gerade sehr überzeugend. “Alaine, Sie sind nicht gerade einfach. Ehrlich gesagt sind Sie sogar ein kleines verwöhntes Mädchen. Aber hinter dieser Fassade steckt das umwerfendste, hinreißendste, wundervollste Mädchen-” er musste sich korrigieren. Nein, ein Mädchen war sie nicht mehr. “- Frau die mir jemals begegnet ist.” Alaine drehte das Gesicht etwas von ihm weg, in der Hoffnung er könnte das rot werden ihrer Wangen nicht sehen. “Valnar… ich.” wieder entzog sie sich ihm und wieder ging er ihr nach. “Lassen Sie mich versuchen das in Worte zu fassen. Ich- ich bin kein Idiot. Ich weiß wie es auf der Welt zugeht. Ich hab läppische zehn Filar in der Tasche und nichts was ich Ihnen bieten könnte und das weiß ich auch. Darüber bin ich mir im Klaren. Aber jetzt gehen Sie mich was an. Wenn Sie springen dann springe ich auch, wissen Sie noch? Ich kann nicht einfach gehen ohne zu wissen dass es ihnen gut geht. Das ist alles was ich will.” Alaine sah ihn lange an bis sie die richtigen Worte finden konnte. Sie wusste nicht, ob sie sich von seinen Worten gerührt fühlen sollte. Valnar war seit langem der erste Mensch, der sich um ihretwegen gern bei ihr aufhielt. Nicht weil sie einen wohlhabenden Namen trug. “Es geht mir gut. Es geht mir gut. Wirklich.” Alaine versuchte sehr, ihre brüchige Stimme und ihre Tränen, die hervorkommen wollten zu verbergen. “Wirklich? Ich glaube nicht. Merken Sie das nicht? Die halten Sie gefangen Alaine. Und Sie werden eingehen wenn Sie da nicht ausbrechen. Vielleicht nicht sofort weil Sie stark sind… aber früher oder später wird das Feuer dass ich so an Ihnen liebe Alaine… Dieses Feuer wird irgendwann verlöschen.” Vorsichtig hob er seine Hand und berührte ihre Wange. Alaine schluckte. Sie durfte sich nicht dem hingeben was ihre Mutter ihr verboten hatte. Sie hatte Asgar. Das durfte sie nicht vergessen. “Es ist nicht ihre Aufgabe mich zu retten Valnar.” sagte sie mit einem Kloß im Hals. “Da haben Sie Recht. Das können nur Sie allein.” Die junge Frau legte ihre bleiche Hand auf seine und drückte sie weg. “Ich muss jetzt gehen. Lassen Sie mich in Ruhe.” presste sie hervor und wand sich heraus. Sie öffnete die Tür und ohne zurück zusehen verließ sie den Raum. Valnar sah ihrer Silhouette durch das verschwommene Glas nach. Er hatte sie verloren, das war jetzt klar.   Zum Kaffee saß Alaine bei ihrer Mutter, der Comtesse und der Ehefrau von Raron Jacob Astors. Alaines Mutter sollte von den Strapazen erzählen, die sie mit den Vorbereitungen von der Hochzeit ihrer Tochter hatte. Alaine wollte in Lavendel heiraten und die Brautjungfern sollten passend angezogen werden. Dann noch die Einladungskarten und so weiter. Die beiden Damen gaben immer wieder bedauernde Laute von sich. Alaine hörte dem Gespräch gar nicht zu. Sie wirkte apathisch. Wie aus Reflex sah sie nach links. Eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter saßen am Tisch nebenan. Die Mutter maßregelte das Kind, sie solle gerade sitzen, sich vornehm benehmen, das seidene Serviettentuch sanft auf ihr perlenbesticktes Kleid legen. Die weißen dünnen Handschuhe ließen sie wie eine Dame besten Standes wirken, dabei war das kleine gerade einmal sieben Jahre alt. Alaines Mund öffnete sich langsam und dachte wieder über die Worte nach die Valnar zu ihr gesagt hatte. “Die halten Sie gefangen.” Dieses kleine Mädchen, mit einem hübschen Hut, Kleid und Handschuhen war ein Spiegel, den Alaine gerade aufgezeigt bekommen hatte. Sie sah sich und ihre Mutter darin. Wie ihre Mutter sie immer wieder korrigiert und maß geregelt hatte, nur weil Alaine es anders wollte. Und da brach der Spiegel entzwei. Sie wollte diesem ganzen nicht mehr zuhören. Es war ihr zuwider. Alaine entschuldigte sich und verließ die vornehme Gesellschaft. Sie wollte endlich denjenigen sehen, der ihr einen Ausweg aus dieser Situation gezeigt hatte.   Einsam stand Valnar am Bug des Schiffes und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Es dämmerte bereits. Er hatte aufgeben müssen. Alaine würde niemals zu ihm kommen, mit ihm leben. Dafür war sie nicht geschaffen. Sie gehörte in die Welt der schillernden Lichter, der Bälle, Jagden, Polospielen oder womit sich Reiche die Zeit vertrieben. Er hätte ihr nichts bieten können, außer vielleicht seine Liebe. Aber was ist schon Liebe im Vergleich zu Geld? Dieser Hokley konnte ihr all dies bieten. Und er würde sie als seine Trophäe herumzeigen.   “Hallo Valnar.” schlagartig drehte er sich herum. Und sah in das Gesicht von Alaine. Sie stand da, lächelnd. Sie merkte selbst dass ihre Stimme leicht zitterte. Angst hatte sei keine, jetzt da sie endlich einen Entschluss gefasst hatte. “Ich hab meine Meinung geändert.” er begann zu lächeln und langsam kam sie auf ihn zu. “Sie sagten hier oben würde ich sie…” Valnar legte den Zeigefinger vor seine Lippen und Alaine schwieg augenblicklich. “Geben Sie mir ihre Hand.” sagte er und ohne zu zögern legte Alaine ihre Hand in seine und sah ihm tief in die Augen. Als sie vor ihm stand wollte er dass sie ihre Augen schloss. Erst wollte sie das nicht, aber nach einer zweiten Aufforderung tat sie es. Dann trat er hinter sie und half ihr auf die unteren Streben der Reling zu steigen. Er hielt sie von hinten fest, falls sie fallen würde. „Vertrauen Sie mir?“ fragte er und Alaine bejahte dies. Dann breitete er ihre Arme aus. “So, jetzt öffnen Sie die Augen.” Was Alaine da sah war für sie unbeschreiblich. Vor ihr war der Sonnenuntergang, der das Meer orange- golden färbte. Sie spürte den Wind an sich vorbei fliegen und nichts anderes als die unendliche Weite des Ozeans. “Ich fliege… Valnar!” ja… sie flog… fort von all dem Trott der sich in ihrem Leben angehäuft hatte. Ihr Herz pochte vor Aufregung bis zum Hals. Valnar umfasste ihre Hände und rieb seine Handflächen an ihren bis sie sich ineinander kreuzten. “Come Josephine… my fine Machine going up she goes… up she goes…” sang Valnar leise und Alaine musste lächeln. Er umspielte ihre Hände mit seinen und führte sie langsam zu ihrem Körper hin. Die junge Frau drehte den Kopf zu ihm und war sich nun vollkommen sicher. Lange sahen sie sich in die Augen und kosteten diesen Moment voller Leidenschaft aus. Und endlich küssten sie sich. Es war ein lange, hinreißender Kuss. Der mehr wert war als Gold, tausendmal schöner als alles was Valnar oder Alaine jemals empfunden hatten. Und doch… …sollte es das letzte Mal sein dass die Lazalatin das Tageslicht sehen sollte. Es würden noch sechs Stunden vergehen bis das Schiff seinem Untergang bevorstehen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)