Tarot von Chimi-mimi (Das Rad des Schicksals) ================================================================================ Kapitel 1: - X - ---------------- „Das darf doch nicht wahr sein, nicht schon wieder.“ Unruhig an der Lippe knabbernd sah Jenna auf die Karte in ihrer Hand. „Kenneth, komm her!“ Nach einigem Gepolter steckte ein junger Mann seinen verwuschelten braunen Haarschopf zur Tür herein und sah sie durch seine fast schon blinden Brillengläser an. „Was gibt’s?“ „Sieh nur! Die Karte ist schon wieder da.“ Ihre Stimme klang schrill und unnatürlich, als sie ihm ihr Fundstück zeigte. „Dabei hatte ich sie doch weggeschmissen, immer und immer wieder.“ Der junge Mann schob mit dem Fuß einen der vielen Umzugskartons, die in der gesamten Wohnung verteilt waren, zur Seite und kam an ihre Seite. „Faszinierend“, murmelte er leise vor sich hin, nahm die Karte und drehte sie um. „Es ist tatsächlich die Selbe, die ich heut Morgen weggeschmissen habe, siehst du?“ Er deutete auf ein kleines Kugelschreiberkreuz an der unteren, rechten Ecke. „Du hast sie markiert?“ Ungläubig sah Jenna von ihm zu der Karte und wieder zurück. „Ich fasse es nicht. Dieses Ding macht mir seit gestern Morgen das Leben schwer, taucht andauernd wieder auf und du, du hast nichts Besseres zu tun, als zu schauen, ob es die gleiche Karte ist. Ich will das Teil endlich loswerden!“ „Dadurch habe ich immerhin rausgefunden, dass es kein Streich war.“ Noch einmal begutachtete Kenneth die Karte und drehte sich dann zu einem Umzugskarton um. „Hier muss doch irgendwo…“ Nachdem er den Inhalt durchsucht hatte, zog er einen Laptop und einen Internetsurfstick hervor, suchte sich einen der wenigen leeren Flecke in der Wohnung und schaltete seinen PC an. „Was hast du jetzt schon wieder vor?“ Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete die Schwarzhaarige ihren Freund. „Mich interessiert, was die Karte bedeutet“, antwortete dieser knapp und geistig schon abwesend. „Aha… Warum?“ „Es muss ja einen Grund haben, dass sie immer wieder auftaucht, oder? Und ein Anfang dafür ist die Deutung zu googeln.“ „Ich habe eine bessere Idee: Dieses Mal zerschneide ich sie nicht nur in zwei Teile, sondern zerfetze sie, verbrenne sie und vergrabe sie anschließend irgendwo.“ Entschlossen stapfte Jenna zu ihm rüber und wollte nach der Karte greifen, doch Kenneth war schneller. „Erst darf ich mehr über sie raus finden, dann kannst du damit machen, was du willst.“ „Wenn es sein muss.“ „Ja, das muss es.“ Kenneth ignorierte seine schmollende Freundin, die sich zu einem der Kartons verzogen hatte und diesen unter diversen Flüchen auspackte. „Hey, ich hab was!“ „Was?“ Neugierig, wie sie war, sah Jenna ihm über die Schulter. „Also, deine Karte…“ „Es ist nicht meine Karte, es könnte genau so gut deine sein“, unterbrach sie ihn. „Nein, definitiv nicht, denn immerhin findest du sie dauernd, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Also, die Karte heißt auf alle Fälle ‚Rad des Schicksal’.“ „Wow, super. Und weiter?“ „Ein drehendes Rad, ein zufriedener Dämon, Engel mit Büchern… Ah, da steht es ja. Es ist eine sehr negative Karte.“ „Na klasse. Wunderbar. Negativ. Und warum taucht sie hier auf? Steht das da auch?“ Jenna stemmte die Hände in die Hüfte und las angestrengt auf dem Bildschirm mit. „Was soll das? Niemand kann seinem Schicksal entfliehen? Niemand ist wunschlos glücklich, klar, das hätte ich auch ohne die Karte gewusst.“ „Hm, man soll das Glück in sich selbst suchen und nicht draußen in der Welt.“ „Kann ich sie jetzt zerreißen, verbrennen, vergraben?“ „Wenn du darauf bestehst…“ Kenneth zuckte mit den Schultern, den Blick immer noch starr auf die Deutung gerichtet. „Jenna?“ Die Schwarzhaarige, die schon im Begriff war die Karte zu zerreißen, hielt inne. „Was ist?“ „Bist du glücklich?“, fragte der Brünette leise und ohne sie anzusehen. „Natürlich bin ich glücklich. Warum fragst du das? Etwa wegen der Karte?“ „Dann bist du also froh, dass wir zusammen gezogen sind? Auch wenn… deine Eltern nicht so begeistert sind?“ Er ignorierte ihre Gegenfrage gekonnt. „Nicht so begeistert? Du spinnst doch, sie hassen dich und würden mich enterben, wenn ich nicht ihr einziges Kind wäre.“ „Ich weiß.“ „Natürlich macht es mich wütend.“ Aufgebracht tigerte sie hin und her. „Immerhin liebe ich dich, verdammt noch mal und ich kann nicht verstehen, warum sie nicht akzeptieren können, dass ich mit dir glücklich bin. Und was ist mit dir? Sie hassen dich, mich würde das wahnsinnig machen.“ „Ich bin glücklich. Das klingt jetzt vielleicht kitschig, aber ich brauche nicht deine Eltern, ich brauche dich.“ „Du hast recht…“ „Habe ich?“ Erstaunt sah Kenneth sie an. „Das war kitschig.“ „Ich hab dich ja gewarnt, oder?“ Schweigend stand Jenna da und sah auf die Karte in ihrer Hand. „Du lebst also praktisch nach dem ach so weisen Ratschlag dieses Dings, richtig?“ „Hm, im Prinzip schon. Ich versuch es positiv zu sehen, ich kann nicht alles haben und du bist eindeutig sexier als dein Vater.“ Grinsend pirschte Kenneth sich an sie heran und schlang seine Arme um sie. „Danke für dieses… Kompliment?“ Sie entzog sich seiner Umarmung, drehte und sah ihm, soweit es bei seinen doch ziemlich verdreckten Brillengläsern ging, in die Augen. „Sei bitte ehrlich zu mir. Hast du mir diese Karte untergejubelt?“ „Ich soll ehrlich sein? Dann kann ich dir nur sagen, dass ich es nicht war.“ „Willst du mir damit sagen, dass dieses blöde Teil wirklich nicht von dir stammt, sondern immer wieder von allein aufgetaucht ist?“ Entsetzt starrte sie auf die Karte in ihrer Hand. „Das ist ja gruselig.“ „Auf alle Fälle ist es magisch, oder?“ Kenneth nahm ihr die Karte sanft aus der Hand. „Und weißt du was? Ich finde, wir sollten sie aufbewahren.“ „Nein, auf keinen Fall.“ „Warum nicht?“ „Sie ist unheimlich und… vielleicht bringt sie auch Pech.“ „Wie kommst du denn darauf?“ „Na ja, wir streiten uns ja schon deswegen.“ „Ich bin glücklich, trotz aller Probleme, die wir haben und daran erinnert mich diese Karte.“ „Ich bin auch glücklich, aber ohne dieses Ding bin ich noch glücklicher.“ „Es ist nur eine Karte. Jenna, ich bitte dich darum.“ „Ich…“ „Sieh es als ein Symbol. Wir können auch ohne die Zustimmung deiner Eltern glücklich sein, oder etwa nicht? Und diese Karte hier ist das Zeichen dafür, unser Zeichen dafür.“ Bittend sah Kenneth sie an. „Also gut. Dann häng sie halt auf!“ „Danke, mein Schatz.“ Sanft lächelnd beugte er sich zu ihr runter und gab ihr einen Kuss. „Ich liebe dich.“ „Ich doch auch.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)