Man braucht nur 15 Minuten, um alles zu verlieren von Sakura-Osaka (Der schlimmste Tag meines Lebens) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Man braucht nur 15 Minuten, um alles zu verlieren Ich bin hier in meinem Zimmer und sitze auf dem Bett. Wieder höre ich das Streitgespräch meiner Eltern mit an. Ihre lauten Stimmen dringen durch die Wände meines Zimmers. Ich habe mich zusammengekauert und versuche das alles nicht zu hören. Mein Körper wippt langsam wie in Trance vor und meine Hände pressen sich krampfhaft auf meine Ohren. Laut summe ich ein Lied vor mich her, denn ich kann den Streit einfach nicht mehr hören. Ich ertrage es einfach nicht mehr, immer ist es dasselbe. Der verdammte Streit fing vor drei Jahren an, als meine Mutter meinen kleinen Bruder durch eine Totgeburt verlor. Seit dem leidet sie, auch heute noch, an starken Depressionen. Diese ganze Situation lastet noch immer schwer auf unserer Familie. Vor allem mein Vater leidet unter den Stimmungsschwankungen meiner Mutter. Nach einiger Zeit, hielt er es nicht mehr aus und flüchtete sich in mehrere Affären. Wir sahen ihn dadurch nur noch selten, doch dachten wir uns nichts dabei. Meine Mama, weil sie nur mit sich beschäftigt war und ich, weil ich noch zu jung war. Ich habe meinem Vater geglaubt, als dieser zu mir sagte: Kleines ich muss zurzeit leider viel arbeiten. Auch wollte ich ihm glauben, denn ich verstand damals die ganze Situation nicht. Warum war meine Mama nur so komisch, wo war mein kleines Brüderchen und wieso musste Papa so viel arbeiten? Doch traute ich mich aus Angst nicht, diese Fragen laut zu stellen, denn ich dachte, wenn ich etwas verkehrt mache, dann verschwinde ich auch wie mein kleiner Bruder. Als mein Vater den Druck, den meine Mutter durch ihre Depressionen auf ihn ausübte, nicht mehr standhalten konnte, fingen sie an sich zu streiten und ließen ihre Launen aneinander aus. Am Anfang haben meine Eltern sich nicht vor meinen Augen gestritten, doch je mehr Zeit verging und umso älter ich wurde, war ihnen auch dies egal. Immer öfter bekam ich das Gestreite meiner Eltern mit und konnte einfach nicht verstehen, warum sie dies taten. Doch die Streitereien wurden immer schlimmer. Am Anfang haben sie sich angeschrieen, doch nach einiger Zeit, ich glaube, es war so vor einem Jahr, wurden sie sich gegenüber handgreiflich. Zuerst waren es nur Einrichtungsgegenstände wie Vasen, Teller, Tassen, die irgendwo an der Wand oder am Boden zu Bruch gegangen sind. Jedoch bald reichte es ihnen nicht mehr aus und sie verletzten sich gegenseitig nicht nur verbal, sondern auch körperlich. Ich hatte noch immer Angst, sie zu fragen, sie anzuflehen damit aufzuhören, denn ich wollte nicht auch noch meine Eltern verlieren! Also schwieg ich. Ich habe Abwehrmechanismen entwickelt, indem ich die Streits verdränge und mich in meine Fantasiewelt zurückziehe. In dieser Welt lebt mein Bruder noch, meine Eltern lieben sich und streiten sich nicht. Ja, in meiner eigenen Welt, gibt es kein Leid und wir leben alle glücklich zusammen. Dort wird meine Mutter nicht von meinem Vater betrogen und mein Vater leidet nicht an den Depressionen meiner Mutter. Ich verschließe meine Augen vor der Wahrheit und flüchte mich in meine Tagträume, denn ich habe Angst, Fragen zu stellen oder gar mich jemandem anzuvertrauen. Ich liebe meine Eltern doch und will nicht von ihnen weg! Zwei laute Schüsse unterbrechen mein Summen und ich werde aus meiner Trance gerissen. Desorientiert sehe ich mich blinzelnd in meinem Zimmer um. Es ist plötzlich so still und mein Blick fällt zu meiner Digitaluhr, die auf meinem Nachttisch steht. Diese zeigt mir an, dass erst 15 Minuten vergangen sind, als meine Eltern angefangen haben sich zu streiten. Unsicher blicke ich zu meiner Zimmertür und runzle meine Stirn, denn ich weiß, dass ihre Streits meist über eine Stunde andauern. Zögerlich und mit einem komischen Gefühl im Bauch stehe ich von meinem Bett auf und gehe auf meine Zimmertür zu. Meine rechte Hand lege ich zitternd auf die Türklinke und wie in Zeitlupe öffne ich die Tür. Mit einer schrecklichen Vorahnung und wackligen Beinen gehe ich ins Wohnzimmer. Erschrocken bleibe ich stehen und bringe keinen einzigen Ton heraus. Was ich jetzt sehe, kann ich noch gar nicht begreifen. Blut, überall ist Blut, auf dem Boden und an den Wänden. Meine Eltern liegen blutüberströmt auf dem Boden und bewegen sich nicht mehr. Ich frage mich, was passiert ist und schaue mit weit aufgerissenen Augen auf den Revolver in der Hand meiner Mutter. Ich bemerke nicht mal, wie stark ich zu zittern anfange und mir die Tränen über mein blasses Gesicht laufen. Ich kann es einfach nicht begreifen. Wieso konnte das nur passieren? In diesen 15 Minuten bekam meine eh schon kaputte Welt noch einen Knacks. Erst nach ein paar Minuten wird mir klar, was dieser letzte Streit meiner Eltern, der 15 Minuten angedauert hat, für große Auswirkungen auf mein Leben und meine Gefühlswelt haben wird. Haltlos falle ich auf den Boden und starre immer nur auf die Leichen meiner Eltern. Ich nehme nichts mehr um mich herum wahr. So höre ich auch nicht das Klingeln und laute Klopfen an der Wohnungstür. Als die Tür dann aufgebrochen wird und die Polizisten mit gezogenen Waffen die Wohnung stürmen, sitze ich noch immer apathisch auf dem Fußboden und weine. Das einzige woran ich nun denke ist, dass ich das Ganze nicht gewollt habe. Ich wollte doch nicht, dass meine Eltern sterben und so aufhören zu streiten. Ist es meine Schuld, warum sie nun tot sind? Schließlich habe ich mir doch gewünscht, dass sie endlich aufhören zu streiten und sich gegenseitig zu verletzen! So in meinen Gefühls- und Gedankenchaos gefangen bemerke ich nicht, wie mich ein Sanitäter aus der Wohnung trägt. Menschen, die ich nicht kenne, reden auf mich ein, wollen wissen was hier passiert ist, doch ich kann ihnen einfach nicht antworten. Noch immer zittere ich am ganzen Körper wie Espenlaub und lasse es zu, dass man mir etwas spritzt, das sich später als Beruhigungsmittel herausstellt. Langsam bemerke ich, wie meine Augen immer schwerer, meine Gedanken weniger und sinnloser werden. Wenig später bin ich in einem traumlosen Schlaf gefangen. Blinzelnd und etwas vernebelt wache ich aus meinem Schlaf auf. Verwirrt sehe ich mich um und erkenne nach einigen Sekunden, dass ich in einem weißen und sterilen Krankenhauszimmer bin. Plötzlich kommen die Bilder von gestern Abend wieder hoch und ich kralle mich Halt suchend in der Bettdecke fest. Zitternd und stoßweise atmend starre ich auf einen imaginären Punkt und heiße Tränen rollen meine Wangen hinunter. Doch kein Laut verließ meine Lippen und so saß ich Stunden auf diesem fremden Bett in einer unbekannten Umgebung. Nach einigen Stunden geht die Tür auf und ein älterer Mann geht auf mich zu mit einer Akte in der Hand. Der Mann mit dem weißen Kittel und dem Stethoskop um den Hals sagt etwas zu mir, doch die Worte dringen einfach nicht zu mir durch. Der Fremde legt die Akte auf dem Nachttisch ab und seufzt leise. Nach wenigen Minuten gibt er es auf, mit mir zu reden und fängt an, mich zu untersuchen. Nun auch erkenne ich, dass dieser Mann ein Arzt ist und die Zettel, die er auf dem Nachttisch abgelegt hat, meine Krankenakte ist. Ich lasse die Untersuchung noch immer stumm weinend über mich ergehen. Als der Arzt endlich fertig ist mit seinen Tests und Untersuchungen, sagt dieser noch etwas zu mir und verlässt dann den Raum. Nun bin ich wieder alleine und starre aus dem Fenster. Es regnet und helle Blitze durchschneiden den dunklen Himmel. Der Wind fegt durch die Bäume, reißt dabei Blätter mit sich und das Getöse des Windes wird von lautem Donnergrollen durchbrochen. Etliche Minuten später stehe ich mit wackligen Beinen auf und sehe meine Kleidung von gestern sauber zusammengefaltet auf einem Stuhl liegen. Mit kleinen Schritten gehe ich zu meinen Sachen und ziehe sie mir an. Als dies geschafft ist, laufe ich zur Tür und öffne diese. Mehrere Leute laufen hektisch an mir vorbei und nehmen dabei keine Notiz von mir. Wie von selbst setzen sich meine Beine in Bewegung und ich irre ziellos durch die Flure des Krankenhauses. Nur langsam nehme ich meine Umwelt wieder richtig wahr und sehe mich nun um. Vor mir breitet sich ein großer Warteraum aus, der mit Patienten und deren Angehörige gefüllt ist, immer wieder wird jemand aufgerufen, der den Warteraum daraufhin verlässt. Ich betrete den Raum und steuere auf einen freien Stuhl zu und komme dabei an einem Tisch vorbei, auf dem lauter Zeitungen liegen. Eine Zeitung springt mir gleich ins Auge und ich nehme sie mit. Wieder setze ich mich in Bewegung, bleibe vor dem freien Stuhl stehen und setze mich hin. Als ich die Zeitung aufschlage, fällt mir sofort ein Artikel mit einem Bild ins Auge und meine Augen weiten sich vor Schreck, da ich unsere Wohnung auf diesem Bild erkenne. Ich fange an, den Artikel zu lesen: War die Krankheit schuld am Mord? Es geschah am 3.5.1999, als man am Abend Frau und Herr Schmitt tot in ihrer Wohnung auffand. Von Nachbarn haben wir erfahren, dass sich das Ehepaar sehr oft gestritten hatte und es auch immer wieder zu Handgreiflichkeiten gekommen war. Auch an diesem verhängnisvollen Abend hatte sich das Ehepaar lautstark gestritten, bis man zwei Schüsse durch das Haus hallen hören konnte. Leider war es nicht bei einem Ehestreit geblieben. Frau Schmitt erschoss ihren Ehemann und danach sich selbst. Warum sie dies getan hat ist uns noch unbekannt. Doch können wir aus sicherer Quelle sagen, dass Frau Schmitt an Depressionen gelitten hat. War es diese Krankheit, die Frau Schmitt zur Mörderin werden ließ. Das Ehepaar hinterlässt eine 11-jährige Tochter, die zurzeit unter Schock steht, da sie ihre Eltern tot aufgefunden hat. Sie liegt derzeitig im Krankenhaus und wird dort medizinisch versorgt und betreut. von J.C. Mit jedem Wort, was ich lese, zittern meine Hände immer stärker. Als ich am Schluss dieses Artikels angekommen bin, fällt mir die Zeitung aus der Hand und segelt langsam zu Boden. Das einzige, woran ich jetzt nur noch denke, sind Fragen wie: Wieso konnte dies passieren? Warum hat meine Mutter dies getan? War mein Wunsch daran schuld, dass all dies passieren musste? Hatte ich nicht das Recht auf eine glückliche Familie? Auf eine heile Welt? Nun weiß ich, was alles in innerhalb von 15 Minuten passieren kann. In 15 Minuten ist mein ganzes Leben aus den Fugen geraten und in sich zusammen gebrochen. Nur 15 Minuten hat es gedauert, um mich Vollwaise werden zulassen, nun bin ich ganz allein auf dieser kalten und großen Welt. Meine ganze Familie, die ich noch besaß, wurde innerhalb von 15 Minuten ausgelöscht. Einsam!!! Genau dies bin ich jetzt, dass was ich nie sein wollte, allein!!! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)