Niemand hört dich von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 17: Vorbei ------------------ Vorbei, vorbei die letzte Frage, und ich weiß, verloren sind die Tage, es ist vorbei, ich finde neue Ziele, wieder frei, ich weiß, es gibt so viele, und die Vergangenheit schweigt. Schwere Regentropfen fallen hinab. Es ist November, kalt. Ich stehe allein hier. Vor ihrem Grab. Sie ist viel zu früh aus dem Leben gegangen. Viel zu früh weg von mir. Ich gehe jeden Sonntag zu ihrem Grab und erzähle ihr, wie die Woche war. Wie es den Kindern geht. Wie es mir geht. Als allein erziehender Vater hat man es nicht leicht, aber Timo ist jetzt schon 16 Jahre. Er hilft. Genauso wie Mirabelle. Sie ist zwar erst 13 Jahre, aber immerhin kann sie viel besser kochen als ich. James ist jetzt 7 und er kommt einigermaßen damit klar. Einigermaßen. Er weint viel und schläft öfters bei Timo oder mir im Bett. Und Lily ist erst ein paar Monate alt. Sie wird dich nie wirklich kennen lernen. Saskia. Es tut mir Leid. Ich konnte dich nicht retten. Es tut mir Leid. Am Liebsten würde ich einen Schuldigen suchen, doch, du selbst bist schuld. Wir haben uns so auf Lily gefreut und dann kam die Nachricht. Krebs. Schnell wachsend. Du hattest die Wahl. Dein Leben oder ihres. Du wähltest ihres. Ich verstehe dich, ich hätte mich auch so entschieden. Wirklich. Doch, ich konnte es nicht entscheiden. Es war deine Entscheidung. Deine, ganz allein. Du weißt, dass ich mich nicht hätte entscheiden können. Selbstlosigkeit. Vielleicht habe ich sie. Doch, nach Timos Tod damals, Zweifel ich dran. Keine Sorge, ich werde die Kinder großziehen, zu anständigen Menschen. Zu wundervollen Menschen. Du würdest sie bestimmt lieben. Timo will Musiker werden. Und zwar richtig. Nicht wie ich, nur Produzent. Ich habe ihm versprochen, sobald er einen Abschluss hat, ihm zu helfen. Wenn er einen guten Abschluss hat, mit dem er noch etwas anderes machen kann. Er lernt. Viel. Mirabelle hat nicht nur dein Talent im kochen geerbt, sondern auch dein Talent zum schreiben. Sie schreibt deine Bücher weiter. Deine Serien. Unter deinem Namen, aber auch sie bastelt an ihrem Erstlingswerk. Mal sehen wann ich es ihr erlaube zu veröffentlichen. Wohl wie bei Timo. Wenn sie einen anständigen Abschluss hat. Lilith und Gabriel kommen oft vorbei., obwohl Linke ihnen ein guter Ersatzvater ist, sind seine Kochkünste immer noch ungenießbar. Und Frank ist nicht immer da um ihm das abzunehmen. Seit Jan und Nambi damals bei dem Autounfall starben, frage ich mich, ob sie wieder Götter sind. Jan meinte ja, dass sie nicht so lange Leben würden. Timo und Lilith ist eine Sache für sich. Die Beiden streiten sich noch immer, sobald sie sich sehen, aber kaum gucken der eine weg, schmeißt der Andere ihm schmachtende Blick zu. Juri hat mal versucht mit ihnen zureden. Sein Erfolg war dass, dass Beide es vehement bestritten haben und Juri seit dem aus dem Weg gehen, weil der es sich jetzt in den Kopf gesetzt hat die Beiden zu verkuppeln. James schreibt lieber. Songtexte und er steht auf Hip Hop. Manchmal frage ich mich ob Timos Seele in ihm wieder geboren wurde, doch wissen, werde ich es wohl nie. James T. Bonk. Ich kann leider nicht anders, Liebste, aber ich vergleiche ihn mit Timo und vielleicht beachte ich ihn etwas mehr, als die Anderen. Er kann nichts dafür. Lily ist hochbegabt. Sie kann schon laufen und fast perfekt sprechen. Ich werde sie fördern, versprochen. Liebste, wenn du mich sehen könntest, du würdest den Kopf schütteln. Ich habe mich verändert. Meine Haare habe ich seit längern nicht kürzer scheiden lassen, nur die Spitzen. Sie sind lang und glatt. Und ja, sie fallen aus, langsam aber sicher. Mein Haar lichtet sich, doch, gerade das mochtest du an mir und deswegen lasse ich es jetzt so, im Gegensatz zu früher. Ich trage am Liebsten den langen schwarzen Ledermantel, den du mir einst geschenkt hast, dazu Springerstiefel und das mit fast 40. Egal. Timo findet das klasse, Mirabelle hat nur beide Augenbrauen hochgezogen. Wie du. Doch, sie kommen damit klar, dass ihr Vater so aussieht. Selbst die Lehrer in den Schulen sagen nichts mehr, wenn ich James so bringe. Ich habe noch immer keine andere Frau angesehen, obwohl ich weiß, dass dein Wunsch es war, dass unsere Kinder eine Mutter haben. Meine Hüterin übernimmt die Aufgabe. Meistens jedenfalls. Außer, wenn sie meint, dass ich mich umbringen will. Keine Sorge Schatz, ich tue es nicht. Das könnte ich nicht, schon allein wegen der Kinder. Und Außerdem: Ich bin nicht so wie Timo. Das soll jetzt nicht heißen, dass seine Entscheidung falsch war, oder gar, das ich ihn deswegen verurteile, doch ich hatte dich, ich war glücklich. Vollständig. Frei. Ja, ich war wirklich frei. Du hast mich zum Fliegen gebracht. Du warst mein Wegweiser in meinem Leben. Wenn mich niemand gehört hat, so hast du es gesehen. Konnte ich nichts sagen, hast du es gespürt. War ich blind, so hast du mich geführt. Keiner merkt es. Die Trauer. Niemand hört mich. Die Verzweiflung. Ich wünschte, du könntest zurück kommen, wie wir beide schon einmal zurück kamen. Ich sterbe an dir. So wir du an mir gestorben wärst. Ich wollte dir nur sagen, wie sehr ich dich liebe. Vielleicht war unsere Beziehung am Anfang, gefährlich und holprig, unser weg voller schwerer Steine und Felsbrocken, doch wir haben sie alle gemeistert. Du war diejenige, die mich nach dem Tod von Timo wieder aufgebaut hast. Du warst mein Fundament, auf dem ich alles aufgebaut habe. Wer weiß, wo ist jetzt stände, wenn ich dich damals dich nicht gesehen hätte, wenn ich damals es nicht riskiert hätte. Wenn, immer wieder dieses Wenn. Damals war es vielleicht, heute ist es wenn. Doch bereuen tue ich nichts. Vielleicht ist es Schicksal, vielleicht muss ich Jan in den Arsch treten dafür. Vielleicht ist es Zufall, oder Bestimmung. Bis zu einem gewissen Grad hält Jan unsere Schicksale in der Hand. Doch wir bestimmen das Meiste. Jeder hält sein eigenes Schicksal in der Hand. Ja, es stimmt. Das tut jeder. Ich auch. Du auch. Wir alle. Und jeder hat ein Talent, was er ausbauen kann. Jan hast es, wenn man Talent verschwendet. Er kann einem nur vorhalten, wie es sein könnte, wenn man dieses Schicksal annimmt. Jeder kann mehrere haben, jedoch immer nur eines annehmen. Ist das erfüllt kann er ein Neues nehmen, doch manche brauchen ein Leben lang. Manche erfüllen es nicht. Manche müssen dazu gezwungen werden. Ich frage mich ja, ob Nambi und Jan als Götter ebenfalls noch Kinder bekommen. Also nach Lilith und Gabriel. Wer weiß? Das nächste nenn sie bestimmt Michael oder Christus. Linke hat anscheinend wirklich was mit Laila am laufen, jedenfalls kommt er jeden Monat, immer wenn Vollmond war, grinsend aus dem Wald zurück. Wer weiß, was der da so alles triebt. Komischerweise war da ja immer Laila verschwunden. Ja ich geb's zu, ich hab's erst Letztens gemerkt und du wusstest es schon immer. Du bist auch eine Frau. Wäre auch komisch wenn nicht, Kleines, nicht war? Ich denke gerne zurück, an unsere Zeit. An die Gute und an die Schlechten. Ja, auch wir hatten Streit, Zickerein und Probleme und dennoch. Auch dafür Liebe ich dich. Dich und unsere Kinder. Manchmal frage ich mich, wie ich das alles schaffen soll, ohne dich, ohne mein Fundament, doch im nächsten Moment denke ich mir, dass ich ja schon ein neues Fundament habe: unsere Kinder. Jedes einzelne von ihnen gibt mir Kraft, auf eine Art, die du nie getan hast. Es nie tun konntest. Deine Art unterscheidet sich von ihrer, aber das Ergebnis ist gleich. Ich habe Kraft um weiter zu Leben, auch wenn man mich öfters dran erinnern muss. Ja ich gestehe, Saskia, ich will zu dir. Mehr als alles Andere. Doch, wie soll ich kommen, wenn mich hier noch so viel fest hält. Ich kann nicht verlangen, dass sie mich loslassen. Ich kann es mir nur wünschen. Doch, keiner wird es je freiwillig tun. Ich weiß wie es ist, das will ich keinem antun. Ich träume immer noch davon. Jedes Mal die selbe Stelle, wo ich Timo loslasse. Nur, dass er nicht, wie damals, lächelnd fällt sondern mich vorwurfsvoll anschaut und ruft. ‚Du bist schuld an meinem Tod!‘ Du hast mich immer in den Arm genommen, und mich getröstet, egal, wie wir vorher auseinander gegangen waren. Egal, wie schlecht es dir ging. Du war immer da. Ich habe versucht immer für dich dazu sein, ich kann guten Gewissens behaupten, dass ich es war. Außerdem, du warst nie wirklich allein. Keiner ist je wirklich allein, es ist immer jemand bei uns. Unsere Hüter. Manchmal verstehe ich nicht ganz, wofür es sie gibt. Dann wiederum ist mir alles klar. Ich Liebe dich, Saskia. „PAPA!!“ Ich drehe mich in die Richtung, aus der der Ruf kam. Mirabelle kommt auf mich zu. Es regnet immer noch und ich bemerkte erst, als ich ihren Schirm sehe, wir nass ich doch bin. Ich muss wie ein tropfender Hund aussehen. Ach ja, einen Hund haben wir auch noch. Ein Weibchen. Mira hat sie dabei. Die Hündin heißt Lucky. Ein Dalmatinerwelpe. Ja, sie lieben 101 Dalmatiner immer noch. „Papa, wo bleibst du? ‚Ich bin nur mal kurz zum Friedhof‘. Hast du ‚schon mal‘ auf die Uhr guckt? Du bist seit über drei Stunden weg! James und Timo essen schon, Lily ist im Bett und du stehst hier immer noch rum?“ Sie steht bei mir und ich nehme sie in den Arm. Sie ist die ähnlich, Saskia. Sehr ähnlich. Sie weint. „Tut mit leid, Mira, tut mir leid.“ Sie schlurzt. „Das tut es dir jedes Mal. Und trotzdem. Du tust es immer und immer und immer wieder!“ Ich lächel liebevoll. „Na komm, meine Kleine, gehen wir nach Hause und schauen ach, ob deine Brüder noch etwas übrig gelassen haben für uns.“ Wir gehen los. Ich schaue noch ein letztes Mal zurück. Wärest du hier, würdest du jetzt den Kopf schütteln und mich vorwurfsvoll ansehen. Ja, ich gebe mir Mühe aber ich schaffe es manchmal nicht. Wärest du hier, wäre es anders. Wenn du hier wärst. Wenn. Ein Schrei. Ein junger Mann, der hektisch vor dem Kreissaal auf und ab ging. „Man! David, jetzt setzt dich endlich, ihr geht’s gut, das ist vollkommen normal.“ „Ich kann aber nicht still sitzen, was ist, wenn der Arzt ihr weh tut, oder ihr etwas passiert.“ Juri blinzelte und brummte ein „Schon da?“ Gab sich mit einem „Seit der letzten Minute nicht“ Zufrieden und schloss wieder die Augen. Linke kam gerade von Klo wieder und setzt sich mit einem „Mensch, David, seit ich weg war bist du ja noch nervöser geworden, wie hast du das nur geschafft.“ Und ignorierte den bösen Blick seiner Freunde. Ein erneuter Schrei. Beinahe wäre David an die Türe gesprungen, hätte Frank ihn nicht festgehalten. „Beruhige dich! Ihr passiert nichts und Timo auch nicht.!“ „Woher wollt ihr alle wissen, das es ein Junge wird?!“, fragte er, worauf hin alle gleichzeitig: „Wir haben es von drei Ärzten bestätigt bekommen!“ entgegen schmissen und David schlussendlich doch kapitulierte und sich von Frank nach draußen begleiten ließ, nach einer weitern Halben Stunde sinnlosen Rumlaufens und Zusammenzuckens. Knappe Drei Stunden später saß er am Bett seiner Frau, welche ihn aus dem Kreissaal rausgeschmissen hatte und ihn nun auslachte, weil ihr Bruder gerade ihr erzählte, wie er sich benommen hatte. David jedoch hielt seinen Sohn im Arm. Timo. Mit kleinen Augen guckte er ihn neugierig an und lachte, als er eine Strähne von seinem Haar zufassen bekam und daran zog. „Guck mal Schatz.“ „Timo, lass das, nicht dem Papa, an den Haaren ziehen.“ „Aber es macht ihm Spaß.“ „Er soll es trotzdem lassen.“ „Aber..“ Sie unterbrach ihn. „Klare Rollenverteilung, du gehst arbeiten und ich erzieh die Kinder!“ „kindER?“ „Ich glaube nicht, dass das unser Einziges bleibt, Schatz.“ Gott sei Dank hatte gerade Juri Timo genommen, den mit ihren Worten, viel David in Ohnmacht, bei der Vorstellung das ganze Theater noch mal oder gar mehrmals durch leben zu müssen.. „Vielleicht hättest du ihm das schonender beibringen sollen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)