Dieser eine Drang von abgemeldet (die Vergangenheit ruht nie) ================================================================================ Kapitel 1: Wie weit willst du gehen? ------------------------------------ Wie weit willst du gehen? Willst du alles, was du je wolltest umsetzten? Willst du jeden immer alles Recht machen? Willst du auf dein Glück verzichten, um es anderen zu geben? Willst du all das Leid auf dieser Erde ertragen? Wie weit willst du gehen? Gelb. Das ist alles, was ich zu meiner aktuellen Situation sagen kann. Sie ist gelb. Alles um mich herum ist gelb. Man sagt, dass rot aggressiv macht. Doch wenn alles um dich herum gelb ist, immer, jeden Tag, dann wirst du irgendwann auch davon aggressiv. Eigentlich ist mein Leben nicht schlecht. Ich kann schlafen solang ich will, es gibt drei Mahlzeiten am Tag und an Wärme fehlt es mir auch nicht. Wenn nur nicht meine innere Kälte da wäre. Innerlich kalt. Ab wann wird man so? Geschieht es einfach, oder muss es zwangsläufig einen Auslöser haben? Sicherlich haltet ihr mich jetzt für verrückt. Fragt euch, was ich denn von euch wolle. Ja vielleicht bin ich verrückt. Alle halten mich für verrückt. Ansonsten wäre ich jetzt mit Sicherheit nicht hier. Hier in meiner gelben Gummizelle, mit meiner schönen weißen Zwangsjacke. Am Anfang fand ich sie unbequem, aber auf Dauer gewöhnt man sich dran. Und sie hält warm. Jedenfalls vor äußeren Einflüssen. Keiner kann einen wärmen, wenn man innerlich erfriert. Ich spreche oft mit Psychologen über meine Kindheit und wie schwer sie doch war. Doch keiner erkennt mein Problem. Ich bin gefühllos. Fühle nichts. Gar nichts. Keine Freude, keine Trauer, keine Liebe, keinen Hass, keinen Schmerz. Nichts außer die Kälte, die mich umgibt. „Ich bin nicht verrückt“. Diesen Satz habe ich schon ganz oft zu meinen Psychologen gesagt. Jedes Mal sah ich den Anflug eines Lächelns auf ihren Gesichtern, als wollten sie sagen: „Sicher, du bist nicht verrückt. Ist klar“. Jedes Mal fühle ich mich mehr und mehr missverstanden. Ich bin nicht verrückt. Auch wenn ihr das jetzt wahrscheinlich glaubt. Alles begann mit einem Ende. Wie so oft. Dieses Ende erzeugte meine innere Kälte. Es betäubte meine Gefühle und Emotionen auf ewig. Dann kam die Hoffnung. Wie so oft in Gestalt eines jungen Mannes. Doch er sollte sich als etwas anderes herausstellen, als er vorgab zu sein. Das erste Mal fühlte ich wieder. Doch aus der anfänglichen Liebe entwickelte sich ein Hass. Ein sehr starker Hass. Er ist Schuld an seinem Untergang. Das einzig negative an meiner jetzigen Situation ist, dass ich nicht vollenden kann, was ich begann. Wie weit willst du gehen? Willst du dir meine Geschichte anhören? Aber sei Gewarnt! Die Menschen sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen. Oft zieht man voreilige Schlüsse und verliert den Blick für das wesentliche. Meine Geschichte ist nichts für Leuten mit schwachen Nerven. Sie ist brutal und blutrünstig. Nicht immer ist Gewalt körperlicher Natur. Meist wird sie seelisch angewendet. Wie weit willst du gehen? Bist du bereit für eine Geschichte voller Schicksale? Diese Geschichte braucht keine typischen Requisiten einer Horrorgeschichte, wie alte Gemäuer und Särge. Es sind die Menschen, die einen in Angst und Schrecken versetzten. Wie weit willst du gehen? Personifikationen sind alltäglich. Doch ich werde auf eine Art verzichten. Ich werde meine Geschichte nicht aus meiner Sicht schildern. Ich werde mich in eine sie verwandeln. Sie. Dritte Person Singular feminin. Wie weit willst du gehen? Bist du bereit für das verstörendste, was du je gelesen hast? Dann tauche mit mir ein in meine Vergangenheit... Kapitel 2: Sängersuche ---------------------- Wo findet man die fähigsten Sänger? Welche mit Talent und nicht irgendwelche von guten Ausbildern hochgepuschten? Man findet sie nicht bei Castings, wie DSDS oder Popstars. Doch auf der Straße mit einem großen Umhängeschild findet man sie auch nicht. Wo aber soll man dann suchen? Glaubt ihr mir, dass man sie auf Friedhöfen findet? Nein? Dann seht selbst: Seufzend lehnte sich David zurück. Seit fünf Stunden schon saß er in diesem stickigen, kleinen Raum fest. Auch seine Bandkollegen sahen nicht gerade begeistert aus. „Sängersuche“ stand groß in ihrem Terminkalender. Frank hatte angekündigt, dass er wieder nach Heidelberg zurück kehren wolle. Dadurch fehlt ihnen nun ein wichtiges Element in der Band. Dieses wichtige Element wollten sie nun ersetzten. Doch anscheinend hatten sie den falschen Weg gewählt. Ein Casting. Er schnaubte innerlich. Er war von Anfang an dagegen gewesen. Talente findet man nicht bei einem Casting. Die wurden entweder überraschender weise entdeckt, oder versuchten auf andere Art auf sich aufmerksam zu machen. Aber zu so etwas kamen nur Idioten, die sich wichtig machen wollen. „Okay danke. Ich denke das reicht“, würgte Timo einen Bewerber ab, der bisher noch nicht einen sauberen Ton gesungen hatte. Timo sah alle einmal an und merkte, dass sie so dachten wie er. Er reichte dem Bewerber einen Zettel, wo groß ein „Abgelehnt“ drauf stand. Enttäuscht ging er und der nächste kam rein. So ging das noch zwei Stunden weiter. Aber kein Talent lies sich blicken. Resigniert packten die sechs Jungs zusammen. „Tja, wie es aussieht, kannst du uns nicht verlassen“, fing Timo an Frank gewandt an zu scherzen. Doch der gewünschte Effekt lies sich nicht einstellen. Zu niedergeschlagen waren sie von dem misslungenem Casting. „Kommt Leute, ich geb einen aus. Das schulde ich euch jetzt“, meinte Frank und sie gingen zu ihren Autos. „Wie soll es denn jetzt mit uns weitergehen?“, fragte David. Schweigen als Antwort. Er seufzte. „Ich denke“, fing Timo an, „ich denke wir müssen sehen, ob wir die fehlende Position einfach intern überbrücken können. Ich meine David und Linke, ihr könnt ja auch singen. Und zur Not rappe ich noch mehr.“ Linke entwich ein Stöhnen. „Oder auch nicht“, räumte Timo sofort ein. Frank seufzte. „Wenn ihr überhaupt keine Lösung findet, könnte ich zur Not noch für ein Album bleiben. Aber das ist wirklich nur eine Notlösung. Eigentlich möchte ich das nämlich nicht“. „Ist schon okay. Wir finden schon eine Lösung“, meinte Timo. Zu oft hatten sie das Thema schon durchgekaut. Zu oft hatten sie versucht Frank zum bleiben zu überreden. Doch er lies sich nicht von seinem Vorhaben anbringen. Schweigend tranken sie weiter. Nach einer Weile ergriff Jan das Wort: „Was habt ihr noch für heute Abend geplant?“ Fragend sah er in die Runde. „Ich wollte noch einmal auf den Friedhof, das Grab meiner Mutter besuchen“, meinte Juri. Zustimmendes Nicken von allen Seiten. Schnell war der Plan für den Abend klar. Sie wollten Juri begleiten und hinterher noch in einen Club gehen. Knarrend öffnete sich das Friedhofstor. Schnell schlüpfte sie hindurch. Sie sah sich um. Der Friedhof schien leer. Es war etwas kühl geworden, doch sie trug trotzdem nur ein schwarzes Kleid. Sie spürte die Kälte nicht. Zu lange schon spürte sie nichts außer ihre innere Kälte. Sie strich sich noch einmal über ihr Kleid und zupfte an den Blumen rum. Schwarze Rosen. Wie jedes Mal. Sie kam nur noch ca. einmal in der Woche hierher. Zu lange war es her, dass sie mit dem tragischen Verlust ihres Vaters zurecht kommen muss. Zu lange war es her, dass ein besoffener ihn nachts von der Straße abgedrängt hatte. Er war nicht mehr rechtzeitig aus dem Auto gekommen. Sie seufzte einmal tief. Mit einem letzten Blick vergewisserte sie sich, dass niemand da war und fing an zu singen, während sie sich auf den Weg zu dem Grab ihres Vaters machte. Du allein, warst mein Beschützer Inhalt meines Lebens. Du warst mir ein Freund Und Vater Jetzt ruf ich vergebens... Am anderen Ende des Friedhofs horchte David auf einmal auf. „Jungs? Hört ihr das?“, fragte er. Alle bis auf Juri spitzen die Ohren. „Was ist das?“, Frank fand als erster seine Sprache wieder. Keiner antwortete. Alle lauschten sie gespannt des leisen Klageliedes. Sie bog um die letzte Ecke. Jetzt musste sie nur noch geradeaus auf das Grab ihres Vaters zugehen. Sie bemerkt nicht die sechs jungen Männer, die bei einem Grab standen und sie fassungslos anstarrten. Langsam steigerte sie sich zum Höhepunkt des Liedes: Wie lang muss ich, weinen um dich? Kann ich mich nie befrein? Könntest du doch wieder bei mir sein, mich verstehn und mich befrein. Nimm was zerahn und gib mir dann Kraft um allein zu sein. Keine Tränen mehr keine Bitterkeit, keine Trauer um längst verlorne Zeit. Hilf mir stark zu sein. Hilf mir stark zu sein! Sie brach vor dem Grab zusammen. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Egal wie viel Zeit verging, sie konnte den Verlust nicht überwinden. Sanft legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Sie zuckte zusammen und lies die schwarzen Rosen achtlos auf das Grab fallen. Hinter ihr stand David und lächelte sie zaghaft an. Ohne nachzudenken lächelte sie zurück. Kapitel 3: Ruhe der Vergangenheit - Part 1 ------------------------------------------ Ich hatte meine Knie angezogen und meine Arme um meine Beine geschlungen. Gebannt starrte ich auf den Fernseher. Zusammen mit meinen Eltern schaute ich das Musical: Das Phantom der Oper. Ich verstand es noch nicht wirklich, immerhin war ich erst zwölf Jahre alt und meine Gedankengänge reichten noch nicht tief genug, um das Bild hinter den Worten zu sehen. Vielleicht war ich noch etwas jung für den Film gewesen. Doch auf der Verpackung stand Freigegeben ab 6 Jahre. Deswegen machten sich meine Eltern auch keine Sorgen, dass ich noch nicht bereit war für den Film. Dann kam die Szene, in der Christine über den Friedhof zum Grab ihres Vaters ging. Eingehüllt in ein langes schwarzes Kleid mit einem schwarzen Umhang zum Schutz vor der Kälte. Traurig sang sie ihr Arie, die so verzweifelt vorgetragen wurde, dass sie mich beinahe zu Tränen rührte. Mein Vater seufzte tief. Ich blickte zu ihm. Auch er war zu Tränen gerührt. Ich stand auf und setzte mich zu ihm. Er nahm mich in den arm und ich verbarg mein Gesicht in seinem Pullover. Er roch gut, jedenfalls so wie ich das damals beurteilen konnte. Sanft strich er mir über den Rücken. Ich weiß nicht mehr durch welche Bemerkung wir auf das Thema gekommen sind, doch irgendwann redeten wir darüber, was ich machen würde, wenn es ihn einmal nicht mehr gäbe. „Dann gehe ich singend über den Friedhof und trauere um dich“, meinte ich mit meinen damals noch leicht kindlichem Leichtsinn. Er lächelte. Die Idee, die Szene aus dem Film nach seinem Tod immer wieder durchzuspielen, war geboren. Obwohl wir immer knapp bei Kasse waren, bekam ich Gesangsunterricht, um die Arie in späteren Zeiten singen zu können. Das die „späteren Zeiten“ nicht mehr so weit entfernt waren, wusste ich damals noch nicht. „Sie wollen sagen, dass ihr Vater ihnen Gesangsunterricht erlaubte, damit sie seinen Tod besingen können?“, fragte mich die Psychologin mit einem Stirnrunzeln. Ich bejahte das Ganze. Doch mit ihrer Zwischenfrage hatte sie mich aus meiner Traumwelt gerissen, in die ich bei meiner Erzählung abgetaucht war. Langsam kehrte die Realität zurück. Das Büro, in dem ich eingehüllt in meine Zwangsjacke saß. Der große alte Schreibtisch, der mich von der alten bieder gekleideten Frau, die der Ansicht war mir helfen zu müssen, trennte. Sie sah mich über den Rand ihrer Brille hinweg an. Ich hasste Leute, die das taten und wäre ihr am liebsten für diese Tatsache an den Hals gesprungen. Doch ich musste mich beherrschen. Ich wollte möglichst bald entlassen werden und das konnte ich nur, wenn mich die Psychologen für psychisch stabil einstuften und in mir keine Gefahr mehr sahen. Ich wollte hier raus und das zu Ende bringen, was ich angefangen hatte. Nur dieser Gedanke, dieser innerliche Drang, der mich zu zerreißen drohte, hielt mich davon ab so einiges zu tun. Er hielt mich aber auch zusammen. „Sie müssen wissen, wir hatten nicht viel Geld, doch mein Vater fand meine Stimme so schön, dass er meinte, sie müsste unbedingt gefördert werden. Deswegen hat er mir den Gesangsunterricht finanziert, auch wenn das hieß, dass wir ganz oft aufs Auto verzichten mussten, oder die Heizung im Winter runter drehen mussten. Er wollte meine Stimme nicht unbenutzt lassen“, erzählte ich weiter. Die Psychologin machte sich ein paar Notizen und fragte dann: „Und ihre Mutter? Was hielt sie davon?“ „Meine Mutter war nicht besonders begeistert davon. Sie hielt es für überflüssig, da ich mit einer gut ausgebildeten Stimme in der Berufswelt doch nicht weiter kam, und ich solle mich lieber um meine Schulnoten kümmern“, erklärte ich. Nicht besonders begeistert war weit untertreiben. Sie hatte getobt deswegen. Es hatte heftige Streits mit meinem Vater gegeben, die in wilden Beschimpfungen endeten. Meine Mutter war immer die jähzornige von beiden gewesen. Ich glaube sie schlug auch meinen Vater das ein um das andere mal. Doch mein Vater schlug nie zurück. Er war immer von sanftem Gemüt gewesen. Immer ruhig und bedacht, was er tat. Der Jähzorn meiner Mutter war am schlimmsten, wenn sie wieder zu viel getrunken hatte. Was leider immer öfter passierte. Die Psychologin kramte in ihren Unterlagen. „Stimmt es, dass ihre Mutter eine ziemlich jähzornige Person ist?“, fragte sie dann. Ich seufzte leise. Konnte sie eigentlich Gedankelesen? Langsam fing ich an zu erzählen und merkte selbst, wie sehr ich meine Mutter dabei in Schutz nahm und ihre Taten beschönigte. Kapitel 4: Beschlossene Sache ----------------------------- Wie lange dauert innere Kälte an? Kann man sie irgendwann überwinden? Oder holt sie ein immer wieder ein? Kann man sie mit bestimmten Mitteln überlisten? „Also habe ich das richtig verstanden? Ihr wollte, dass ich die Ersatzfrau in eurer Band spiele? Für euren Sänger einspringe, weil der Heimweh hat?“, hakte sie nach. Sie war nach einiger Überredenskunst seitens der sechs Jungs in einem kleinen Club gelandet. Es war kein besonderer Club und er zeichnete sich auch durch nichts aus. Es wurde keine besondere Musik gespielt, sondern eher Musik auf Radioniveau. Es waren anständige Getränkepreise nicht allzu überteuert, doch teurer als normal gewesen wäre. Es gab ein paar kleinere Sitzmöglichkeiten, eine kleinere aber durchaus nutzbare Tanzfläche und einen kleinen Tresen, an dem sich ein paar Leute tummelten. Allgemein war nicht viel los, doch so konnte man sich besser unterhalten. Die Musik war auch nicht zu laut und so hatten Panik ihr ihr Anliegen vorgebracht ohne die ganze Zeit schreien zu müssen. Zustimmendes Nicken. Sie dachte nach. Theoretisch gesehen war es die Möglichkeit von zu Hause wegzukommen. Sie hatte ansonsten kaum Zukunftschancen. Lebte allein mit ihrer ständig besoffenen Mutter in einer kleinen heruntergekommenen Wohnung, die nur so vor Dreck triefte. Es war das einzige, was sie sich von der Witwenrente ihrer Mutter und ihrem Kindergeld leisten konnten. „Wie würde das ganze Geldtechnisch aussehen?“, fragte sie nun direkt. Die Jungs sahen sich an. „Nun du würdest natürlich an unseren Einnahmen beteiligt werden“, ergriff Timo das Wort, „wir würden erst größtenteils ins Studio einziehen und ein neues Album produzieren, also vorerst noch nicht so viel Geld haben, aber...“. „Ich bin dabei“, unterbrach sie ihn. Hinterher konnte sie selbst nicht genau sagen, warum sie die Entscheidung gerade in der Sekunde fällte. Doch sie tat es und so wurde das ganze beschlossen. Zusammen tranken sie darauf. Den ganzen restlichen Abend und die halbe Nacht über redeten sie, tranken viel und lachten. Am Ende fühlte sie sich schon fast vollständig dazugehörig. So leicht konnte es gehen. Müde schleppte sie sich nach Hause. Langsam kramte sie ihren Schlüssel aus ihrer Tasche und steckte ihn ins Schloss. Gerade als sie ihn drehen wollte, ging die Tür auf. Sie schreckte leicht zurück. Es war ihre Mutter und sie stank entsetzlich stark nach Alkohol. Langsam betrat sie die Wohnung und stellte ihre Tasche in einer Ecke ab. Sie ging ins Wohnzimmer und sah den Grund für den Geruch. Überall standen fast leere Wodkaflaschen herum. Sie seufzte. „Mum hast du schon wieder getrunken?“, fragte sie, obwohl sie es genau wusste. Ihre Mutter murmelte nur irgendetwas und lies sich mit einer neuen Flasche auf das Sofa fallen. Sie ging in ihr Zimmer. Sie wollte den Grund nicht wissen. Wollte nicht dabei zusehen müssen. Sie könnte ja doch nicht daran ändern. Gleichzeitig saßen sechs Jungs in ihren Autos und fuhren zu sich nach Hause. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Doch in einem Punkt überschnitten sich die Gedanken. Jeder dachte über die Zukunft nach. Wie sollte es genau weitergehen? Ja sie hatten jetzt für Frank einen Ersatz gefunden, aber was würden ihre Fans dazu sagen, dass jetzt eine weibliche Stimme die Teile singt, statt Franks tiefer leicht rauchiger Stimme? Auch Frank dachte an die Zukunft. Wie schnell würde er in Heidelberg eine neue Arbeit finden? Erst mal würde er wieder bei seinen Eltern einziehen, aber das konnte nicht von Dauer sein. Er würde sich bald etwas eigenes suchen. Leise seufzte er. David wieder rum hatte ganz andere Gedanken. Er versuchte aus dem Gesichtsausdruck ihrer neuen Sängerin schlau zu werden. Es hatte etwas melancholisches an sich, zugleich hat sie sehr verletzbar gewirkt und doch so entschlossen. So als hätte sie eine schwere Zeit durchgemacht und jetzt beschlossen ihr Leben zu ändern. Doch es lag noch etwas anderes darin. Etwas, was er nicht so recht zu deuten vermochte. Er grübelte, was es war, doch er kam nicht drauf. Seufzend kam er zu Hause an. Etwas schwerfällig schloss er seine Wohnung auf und betrat sie. Er knipste das Licht an und sah sich um. Seine Katze hatte wieder etwas herumgetrollt und er sah nun ein heilloses Chaos. Seufzend fing er an aufzuräumen. Völlig erschöpft ließen sich alle sechs in ihre Betten fallen. Kapitel 5: Ruhe der Vergangenheit - Part 2 ------------------------------------------ Leise lief das Blut meinen Körper runter. Es sammelte sich in einer Blutlache unter meinem geschundenen Körper. Ich sah, wie Leute auf mich zu gestürzt kamen. Alle wirkten sie sehr hektisch. Sie reifen wild durcheinander, gestikulierten wild, doch keiner kümmerte sich wirklich um mich. Ich kämpfte gegen meine Ohmacht an. Ich wollte erst wissen, ob sich endlich mal jemand um mich kümmerte. Sie sollten einen Krankenwagen rufen und mich nicht nur so doof anglotzen. Sahen sie denn nicht, dass ich ganz dringend Hilfe brauchte? Ich drehte meinen Kopf zur Seite und spukte Blut. Es schmeckte warm und süß. Irgendwie angenehm. Jemand beugte sich über mich. „Was ist passiert?“, hörte ich denjenigen fragen, doch es schien so unendlich weit weg. Ich nahm es kaum wahr. Antworten konnte ich nicht. Nur erneut Blut spuken. Es schien als sein meine ganze Kehle damit gefüllt. Aus der Ferne hörte ich einen durchdringenden Ton. Der Krankenwagen kam. Endlich. Ich schloss erleichtert die Augen. Ich spürte, wie mich mehrere Hände berührten, doch ich nahm nichts genaues war und ich konnte nicht sagen, was sie genau mit mir machten. Ich wehrte mich nicht länger. Ich lies die Bewusstlosigkeit zu. Nahm sie hin. Empfand sie schon fast als Erleichterung. Sie erlöste mich von dem Schmerz. Jedenfalls zeitweise. Wieder saß ich in dem selben langweiligem Büro. Wieder saß ich der Psychologin gegenüber. Hier. In meiner schönen Zwangsjacke. „Sie sagen, dass ihre Mutter sie aus dem Fenster geschubst hatte?“, fragte sie und guckte mich wieder ungläubig über den Rand ihrer Brille hinweg an. Ich nickte. „Es war eine Art Unfall, aber im Endeffekt ja. Wir hatten einen Streit. Sie war wie so oft seit dem Tot meines Vaters total betrunken gewesen. Sie hatte ihre Aggressionen nicht unter Kontrolle. Sie schlug mich mehrmals und als ich mich wehrte fiel ich durch das Fenster. Hinterher behauptete sie es sei meine Schuld gewesen“, erzählte ich. Ich war selbst überrascht, wieso ich so ruhig blieb bei der Erzählung. Normalerweise wurde ich bei der Erinnerung immer ziemlich aggressiv. Doch ich lernte langsam mich zu beherrschen. Das war auch gut so, denn ich wollte ja möglichst schnell hier raus. Mehr wollte ich nicht. Nur noch einmal hier raus und meine Geschichte zu ende bringen. Meinen letzten Drang ausführen. Ich betrachtete den Schreibtisch vor mir, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen. Ich erblickte einen Bilderrahmen. Leider konnte ich das Foto nicht sehen. Ich überlegte, was darauf abgebildet sein konnte. Wahrscheinlich ein Familienportrait. Alle hübsch angezogen sind sie zum Fotografen gegangen und haben versucht den Anblick einer glücklichen Familie festzuhalten. Wie gut ist es ihnen gelungen? Ich konnte es nicht sagen, da ich das Bild nicht sah. Wie viel von so einer Familienidylle war echt und wie viel gespielt? Ich konnte von mir behauptet eine recht anständige Menschenkenntnis zu besitzen. Ich musste Menschen nur etwas genauer beobachten und schon konnte ich recht viel über sie sagen. Nur einmal hat mich diese Kenntnis im Stich gelassen. Ich habe mich komplett in einer Person verschätzt. Diesen Fehler muss ich noch ausbessern. Doch vorerst muss ich mich hier in diesem Büro mit meiner Vergangenheit auseinander setzen. Hier, in diesem trostlosen Büro, in dem nichts den Anschein hat, als gäbe es eine Welt außerhalb dieser Mauern. „Was hat ihre Mutter getan, als sie auf der Straße lagen? Hat sie einen Krankenwagen gerufen?“, wurde ich nun gefragt. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, dafür war sie zu betrunken gewesen. Erst am nächsten Tag hat sie überhaupt begriffen, was passiert ist. Was sie getan hatte“, erklärte ich. Mein Gegenüber nickte. Ich schluckte einmal und redete dann weiter: „Sie kam mich ein paar Tage später im Krankenhaus besuchen. Sie hatte mehrere Geschenke für mich und entschuldigte sich mehr als nur oft. Sie dachte, damit wäre alles wieder in Ordnung. Alles wäre wieder gut. Aber ich konnte ihr nie so ganz verzeihen.“ Wieder bekam ich nur ein Nicken als Antwort. Ich hoffte, dass ich mich weit genug öffnete. Das ich das Vertrauen der Psychologin bekam. Denn das wäre meine Tür nach draußen. Kapitel 6: Erste Studioaufnahmen -------------------------------- Kann man sein Leben innerhalb kürzester Zeit ändern? Kann man es überhaupt ändern? Wird man nicht von Anfang an in ein Leben gedrängt, aus das man nie ausbrechen kann? Gibt es so etwas wie einen Neustart im Leben? „Neustart – ich muss endlich weg von hier, ich muss endlich weg von dir, weil ich halt’s hier nicht mehr aus!“, sang sie in das Mikro, dass vor ihr stand. Sie befand sich in einem schallisolierten Raum. Sie hatte Kopfhörer auf den Ohren, wodurch sie die Instrumente hörte. Sie machten Probeaufnahmen mit alten Liedern, um zu testen, wie gut ihre Stimme dazu passten. David saß außerhalb des kleinen Raumes und lächelte sie an. Dann drehte er ein paar Regulierer etwas hoch. Sie lächelte zurück. Sie hätte nie gedacht, dass arbeiten so viel Spaß machen konnte. Sie gab sich alle Mühe und hinterher waren die Jungs sehr zufrieden mit ihrer Leistung. „Ich denke, dass kann etwas werden“, meinte Timo gut gelaunt, „dann können wir auch demnächst mit dem neuen Album anfangen“. Zufrieden machten sie weiter und arbeiteten den ganzen Tag über. Spät in der Nacht wurde sie wach. Schlaftrunken stand sie auf und bemerkte, dass im Studio noch Licht brannte. Müde tapste sie dahin und fand David vor, der über einigen verstreuten Notenblättern brütete. Er schien sie nicht bemerkt zu haben, denn als sie ihn vorsichtig ansprach zuckte er zusammen. „Hey“, lächelte er sie an. Sie fand, dass es ein ungemein süßes Lächeln war. Sie lächelte zurück, dann besah sie sich die verstreuten Blätter. „Woran arbeitest du da?“ wollte sie wissen. „An einem neuen Klavierstück“, antwortete er. „Du spielst Klavier?“, sie sah ihn überrascht an. „Ja seit meiner frühesten Kindheit“, erklärte er ihr und sie merkte, wie wenig sie doch von den Jungs wusste und wie wenig sie einander kannten. David sah sie fragend an. „Woran denkst du?“, wollte er wissen. Sie sah ihm tief in die Augen, was sich als Fehler erwies, da sie gleich darauf darin versank. Sie sah weg und wurde lief leicht rot an. „Äh, was war deine Frage?“. Sie hatte sie komplett vergessen. Er wiederholte sie und sie antwortete: „ich habe darüber nachgedacht, dass ich euch eigentlich doch sehr wenig kenne.“ Er dachte über diese Worte nach. „Nun, dies lässt sich ändern, findest du nicht?“, wieder sah er ihr direkt in die Augen. In seinen Augen lag so viel Wärme, dass sie wieder komplett durcheinander geriet. „Äh, joa, ich denke schon“, war alles, was sie noch zusammenbekam. Er lächelte, doch in seinem Lächeln lag nichts spöttisches. Ihr war die Situation nicht ganz geheuer. Wieso lies sie sich so durcheinander bringen? Gerade als sie sich wieder zurück ziehen wollte, legte David seine Hand auf ihre. Wärme durchflammte ihren Körper. Ihre innere Kälte wich. Gleichzeitig zuckte sie zusammen und David nahm die Hand wieder weg. Sofort kehrte ihre innere Kälte zurück. Nur die Stelle, wo er sie berührt hatte, brannte weiterhin. Er räusperte sich und wandte sich wieder seinen Noten zu. Sie sah ihm dabei zu, wie er Noten hinschrieb, sie dann aber doch wieder durchstrich, wie er angestrengt nachdachte und dann einen neuen Versuch startete. Sie lächelte dabei. Es war der erste Moment von vielen, die noch folgen sollten in denen sie genauso dasaßen. Er komponierte, sie beobachtete. Spät in der Nacht beschlossen sie sich wenigstens noch ein wenig hinzulegen, da sie noch einen langen Tag vor sich hatten. Sie gingen in den Raum, wo die Matratzen lagen und die anderen bereits schliefen. Sie ging zu ihrer und legte sich hin. David stand noch immer etwas verloren in der Tür. Sie sah ihn an. „Willst du dich nicht hinlegen?“, fragte sie vorsichtig. „Nun ja“, begann er, „dadurch das Frank und du eine Matratze habt, geht das von der Anzahl her nicht so ganz auf“. Sie sah sich um. Tatsächlich gab es keine freie Matratze mehr. „Oh“, sagte sie und überlegt. „Ähm, na ja du könntest dich mit zu mir legen“, sie errötete, „ich meine immerhin nehme ich im Prinzip dir deine Matratze weg“. Er lächelte. „Ich hätte mich jetzt mit zu Timo auf die Matratze gequetscht, aber wenn du mir das schon anbietest“. Langsam ging er zu ihr herüber und legte sich neben sie. Sie konnte seinen Atem leise hören. Als er dann zu ihr unter die Bettdecke kroch, hielt sie den Atem an. Ihre Körper berührten sich leicht und wieder spürte sie diese Wärme, die ihren Körper durchströmte. Von diesem Augenblick an, war sie süchtig nach seinen Berührungen, so klein sie auch waren. Sie brauchte ihn, um endlich aufzuhören zu frieren. Beide schlossen die Augen und schliefen ein. Kapitel 7: Ruhe der Vergangenheit - Part 3 ------------------------------------------ Ich starre meinen Teller an. Mein Magen knurrt. Ich hab Hunger. Gewaltigen Hunger. Ich kann nicht länger wiederstehen. Ich muss etwas essen. Seufzend gebe ich auf und esse. Ich achte weder darauf, dass ich heute einen weißen Tag einlegen wollte. Das heißt, ich wollte nur Sachen essen, die weiß sind. Also konnte ich nicht magersüchtig werden. Dafür fehlt mir einfach die Disziplin. Es war auch nicht so, dass ich das werden wollte um dünner zu werden. Eher um meine Mutter auf mich aufmerksam zu machen. Das gleiche hatte ich schon mit erhöhtem Alkoholkonsum versucht. Aber da sie selbst ständig säuft ist ihr das nicht aufgefallen. Was würde ich als nächstes tun? Drogen nehmen? Ich wusste es noch nicht. Aber die ständige Abwesenheit meiner Mutter schmerzte einfach nur sehr. Sie war entweder arbeiten oder besoffen. Um mich kümmerte sie sich nicht mehr. Ich war ihr egal. Doch ich brauchte ihre Aufmerksamkeit, so wie jedes Kind und auch jeder Jungendlicher die Aufmerksamkeit seiner Eltern brauchte. Nur das mein Vater nun mal nicht mehr lebte. Wieder die gleiche Situation. Ich sitze in meiner Zwangsjacke vor den Schreibtisch. Hinter diesem saß die Psychologin. Ich erzählte aus von meiner Vergangenheit. Sie hörte zu, stellte Fragen und nickte. Dieses Nicken machte mich fast verrückt. Kopf hoch, Kopf runter. Kopf hoch, Kopf runter. Kopf hoch, Kopf runter. Wie ein Roboter. Ich hielt sie inzwischen für einen Roboter. Wie sah ihr Alltag aus? Aufstehen, frühstücken, hierher kommen, Leute wie mir zuhören, ihre Ergebnisse aufschreiben und an ihren Vorgesetzten weiterleiten, zu Mittag essen, Schreibtischarbeit erledigen, nach Hause fahren, ausruhen, zu Abend essen, schlafen gehen. Auf das am nächstes Tag wieder der Wecker klingelt und das ganze wieder von vorne losgeht. So hätte ich nie leben wollen. Und wo werde ich vielleicht auch niemals leben. Nicht, wenn ich mich nicht langsam ein bisschen mehr anstrengte. Ich wollte hier raus. Um jeden Preis. Einfach nur raus. „Also sie haben auf jede erdenkliche Weise versucht ihre Mutter auf sich aufmerksam zu machen?“ Ich nickte. „Haben sie hinterher angefangen Drogen zu nehmen?“ Ich nickte wieder. Dann rang ich mir doch noch eine Antwort ab: „Ja habe ich. Aber meine Mutter hat es nicht realisiert. Und dann habe ich auch schnell wieder aufgehört, bevor ich körperlich abhängig werden konnte“. „Seitdem haben sie nie wieder Drogen genommen?“ Ich nickte. „Ich sah darin keinen Grund. Ich wollte dadurch einfach nur Aufmerksamkeit bekommen“. Und ich hatte sie bekommen. Doch nicht von meiner Mutter. Erst später von ihm. Er hatte meine Einstichlöcher gesehen und sich um mich gesorgt. Er hatte sich im Allgemeinem viel um mich gesorgt. Er war ja so fürsorglich gewesen. Oder war er es immer noch? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass wenn ich hier jemals rauskommen würde, er nicht mehr lange zu leben hatte. Ich würde das zu Ende bringen, was ich angefangen hatte. Ich zwang mir ein Lächeln für die Psychologin ab. Und sie würde mir helfen, dachte ich im Stillen. Sie war meine Fahrkarte nach draußen. Kapitel 8: Doch mehr als leere Worte? ------------------------------------- Woran erkennt man die Ehrlichkeit der Menschen? An ihren Augen? Wohl kaum. Augen sind trügerisch. Augen können einen in den Bann ziehen und dann erkennt man nicht mehr die Wahrheit und die Lüge. Eine Unterscheidung ist nicht mehr möglich. Doch woran erkennt man es dann? Am Mund. Denn der Mund offenbart das Lächeln. Und ein Lächeln, kann man nicht verstellen. Ein Lächeln ist entweder ehrlich oder unehrlich. Es zieht einen nicht in den Bann, es fasziniert einen höchstens. Und dies auch nur dann, wenn es ehrlich ist. Sie saßen wieder zusammen im Studio. Es war spät geworden, doch keiner der beiden verspürte Müdigkeit. Ihr wurde etwas warm und sie schob die Ärmel ihres Sweatshirts hoch. David blickte auf ihre Arme und stutzte. Reflexartig griff er danach. Vorsichtig strich er über ihre Einstichsnarben. Sie waren ihr noch geblieben aus ihrer Heroinzeit. Ihrer Zeit als Junkie. Er sah sie vorwurfsvoll an. Sie entzog sich seinem Griff, obwohl dadurch augenblicklich ihre innere Kälte wieder zurückkam. „Die sind alt“, erklärte sie, „ich hatte mal so ne Phase. Aber jetzt bin ich clean!“ Das stimmte. Sie hatte das H wieder abgesetzt, bevor sie körperlich davon anhängig wurde. Dadurch hat der Entzug funktioniert. Er nahm wieder ihren Arm. Sanft strich er darüber. Sie merkte, wie sich eine kleine Gänsehaut bildete, obwohl sie nicht fror. Er sah sie an und lächelte. Es war ein unbeschreibliches Lächeln. Es lag so viel Wärme und Herzlichkeit darin, dass sie schnell wieder wegsehen musste. Er hob ihr Kinn und sie sah ihm tief in die Augen. Eine Hitzewelle überrollte sie und färbte ihre Wangen knallrot. Sie versank in seinen Augen, hatte weder die Kraft noch die Motivation sich aus seinem blick zu lösen. In diesem Moment spürten beide etwas, was sie noch nie zuvor gespürt hatten. Ein Gefühl so unbeschreiblich schön. Und beide wussten instinktiv, dass sie verliebt in den anderen waren. Doch sie spürte noch etwas anderes. Sie hatte das Gefühl, er würde sie schwach machen und das war etwas, was ihr überhaupt nicht in den Kram passte. Sie wollte nicht schwach sein. Das hatte sie nie gewollt. Normalerweise wenn sie merkte, dass jemand sie schwach machte, griff sie an. Denn Angriff ist und bleibt die beste Verteidigung. Beide wussten nicht wie lange sie so dasaßen und sich einfach nur ansahen. Beide vertieft in ihrer verwirrten Gefühlswelt. Dann setzte sich David in Bewegung. Langsam kam er näher und legte sanft seine Lippen auf die ihrigen. Instinktiv zuckte sie zurück. Dann besann sie sich eines besseren und küsste ihn sanft. Er erwiderte glücklich. Sanft zog er sie zu sich rüber, während sie sich weiter küssten. Es war für beide ein Glücksgefühl der besonderen Art. Beide hatten so etwas noch nie zuvor gefühlt. Es war als wären in ihnen überall kleine Glücksfeuer entfacht. Vorsichtig lösten sie sich voneinander und sahen sich wieder tief in die Augen. Beide lächelten um die Wette. Sanft streichelte er ihr über die Wange und hinterließ ein Glühen auf ihrer Haut, überall dort, wo seine Finger sie streiften. Sie genoss seine Berührungen. Er sah sie an. „Bist du müde?“, fragte er leise. „Ein wenig“, antwortet sie. Er hob sie hoch und trug sie ins Nebenzimmer, wo die anderen bereits friedlich auf ihren Matratzen schliefen. Franky war nun bereits abgereist und deswegen mussten sie keine Matratze mehr teilen. Trotzdem legte David erst sie vorsichtig ab, bevor er zu ihr unter die Decke kletterte. „Stört dich das?“, fragte er leise, um die anderen nicht zu wecken. Sie schüttelte den Kopf unfähig zu sprechen. „Und das?“, fragte er, nachdem er einen Arm sanft um ihre Hüfte gelegt hat. Wieder schüttelte sie den Kopf. Er lächelte und rutschte etwas näher zu ihr. „Ist dir das zu nah“, fragte er erneut, um sicher zu gehen, dass er ihr nicht zu voreilig war. Sie lächelte: „Du bist mir nicht zu nahe, eher zu weit weg“ Auch er lächelte. „Das ist schön“, meinte er. Sie lagen noch eine ganze Weile so da und versuchten einzuschlafen. Schließlich wandte sie sich wieder an David. „Sag mal David?“. Sie bekam ein Brummen zur Antwort. „Schläfst du nachts eigentlich auf deinen Bauch?“ Er richtete sich etwas auf und sah sie an. „Eigentlich nicht, wieso?“ Sie sah ihm wieder tief in die Augen. „Darf ich?“ Er lächelte und legte sich bequem auf den Rücken. Vorsichtig rückte sie zu ihm ran und legte ihren Kopf auf seinen Bauch. Sanft fuhr er ihr durchs Haar. Sie döste bereits als er in ihr Ohr flüsterte: „Ich liebe dich“ Sie lächelte und beide schliefen glücklich ein. Am nächsten Morgen weckte Jan ein ziemlich großer Druck auf seiner Blase. Er stolperte schlaftrunken ins Bad und lies erst mal Wasser ab. Dann ging er auf Zehenspitzen zurück um die anderen nicht zu wecken. Doch bevor er seine Matratze erreichte, blieb sein Blick an etwas hängen. Seine Augen weiteten sich als er das Bild klarer erkannte. Ihre neue Sängerin lag da in den Armen ihres Gitarristen. „Was zum“, begann er etwas zu laut. Juri stöhnte auf und richtete sich auf. „Was soll das Jan? Ich will schlafen, hör auf hier so rumzubrüllen“, grummelte er schlaftrunken. „Tut mir leid“, meinte Jan, „ich war nur etwas überrascht“. „Weswegen denn?“, fragte Juri nun, da er etwas wacher wurde und wieder klarer sah. Er richtete sich vollkommen auf und blickte auf die Matratze neben ihm. „Was zum“, begann er nun auch und auch wie Jan war er etwas zu laut. „Boah Jungs wisst ihr eigentlich wie spät es ist?“, maulte nun Linke, der inzwischen auch wach geworden war. „’tschuldigung“, kam es von den beiden anderen. Doch Linke war nicht so leicht zu besänftigen, wenn es um seinen kostbaren Schlaf ging. Er grummelte und zeterte so lange vor sich hin, bis er allmählich wach war und den Blicken seiner Kollegen folgte. „Was zum“, begann nun auch er und wie seine Vorgänger auch, etwas zu laut. „Wenn noch einer ‚Was zum’ sagt, der kriegt richtig Stress mit mir“, kam es von Timo, der bereits vom ersten Mal wach geworden war, doch jeden Mal wieder einschlief. „Sorry Timo“, kam es aus drei Mündern gleichzeitig. Timo drehte sich wieder auf die Seite und schloss die Augen, entschlossen noch etwas zu schlafen. Doch das leise murmeln der anderen störte ihn dabei. Er bekam nur bruchstückweise mit, was sie murmelten und das, was er hörte machte ihn neugierig. Seufzend richtete er sich auf. „Okay Leute, was ist so wichtig, dass ihr mich vom Schlafen abhaltet?“ Die anderen gingen einen Schritt zur Seite und nun sah auch Timo alles. „Was zum Teufel ist denn da passiert?“, sprach er als erster den Satz zu ende. Die anderen zuckten mit den Schultern. Innerhalb von Sekunden war Timo hellwach und stand neben den anderen drei. Da lag ihre neue Sängerin vor ihnen in den Armen seines besten Freundes. Davids Augenlider zuckten. Er spürte einen Druck auf seinem Bauch und er konnte ihn nicht einordnen. Langsam öffnete er die Augen und sah in die Gesichter von Jan, Juri, Linke und Timo. Er blinzelte, doch die Gesichter blieben. „Was denn los, Jungs?“, fragte er sie schlaftrunken. Die nickten nur zu seinem Bauch und grinsten. David sah an sich runter und erkannte sie schlafend auf seinem Bauch. Die Erinnerungen kam mit einem Schlag zurück. Er lächelte. Sanft strich er ihr durchs Haar. Sie verzog leicht das Gesicht, schlief aber weiter. Das Grinsen der anderen wurde breiter. „Was gibt es denn da zu grinsen?“, fuhr er die anderen an, „noch nie ne Freundin gehabt?“. Er wunderte sich selbst wie selbstsicher er das sagte, wo er doch selbst noch nicht ganz sicher war, wie fest die Beziehung zwischen ihnen war. Er wusste nur, dass er sie liebte und sie auch Gefühle für ihn empfinden musste. „Na dann lassen wir euch beide wohl mal alleine und machen Frühstück“, meinte Juri und zog die anderen aus dem Raum. David hörte, wie sie in einem anderen Zimmer rumwerkelten und irgendwann vernahm er auch das laute Schnaufen ihrer alten Kaffeemaschine. Er blieb liegen und dachte nach. Gedankenverloren strich er ihr immer wieder übers Haar. Sie erwachte langsam lies die Augen jedoch geschlossen. Jemand fuhr ihr durchs Haar. Ein angenehmer Geruch strömte in ihre Nase und sagte ihr, dass es David war, der sie streichelte. Sie lächelte. Sie war so unglaublich glücklich. So glücklich, wie sie nie erwartet hatte zu sein. Sie kuschelte sich enger an ihn. Er merkte das, sagte jedoch nichts. Beide genossen sie einfach nur die Nähe des anderen. Nach einer Weile öffnete sie dann aber doch die Augen und sah ihn an. Er sah sie an und beide lächelten. „Guten Morgen“, murmelte sie. „Morgen“, antwortete er und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Die anderen machen gerade frühstück“, meinte er dann leise und sah sie an, „hast du Hunger?“. „Ein wenig“, meinte sie, „aber ich möchte zuerst noch etwas liegen bleiben“. Er nickte und nahm sie in den Arm. Sie fühlte sich so unglaublich wohl bei ihm. Beide schlossen wieder die Augen. Nach einer Weile erschien Timos Kopf in der Tür. „Hey ihr beiden, das Frühstück ist fertig. Los aufstehen!“, sagte er laut. Er mag zwar Sonnenschein heißen, aber wecken kann er bestimmt nicht, wie ein Sonnenschein. Sanft lösten sich die beiden voneinander und gingen Hand in Hand ins andere Zimmer. Das andere Zimmer war weitestgehend leer. Es gab einen Kühlschrank und einen kleinen Schrank in dem sie ein paar Teller und ähnliches aufgewahrten. Auf ihm türmten sich ein Toaster, eine alte Kaffeemaschine, ein Wasserkocher und eine kleine Elektroherdplatte. Daneben stand noch eine Spüle, aber ansonsten war der Raum leer. Die anderen saßen auf dem Boden und aßen ihr Frühstück. Die beiden ließen sich auch nieder, bekamen beide eine Teller und ein Messer gereicht. Es störte keinen, dass sie in Schlabbersachen da saßen, obwohl eine weibliche Person anwesend war. Sie hatten sich in den letzten Wochen so aneinander gewöhnt, dass es ihnen egal geworden war. David angelte sich ein Toast und bestich es mit Marmelade. „So Leute, was müssen wir heute alles machen?“, fragte er in die Runde. „Ich war gestern mal kreativ und habe ein neuen Song fertig geschrieben“, meinte Timo, „dazu müsstest du dann eine Melodie finden. Außerdem müssen wir ‚Lass mich fallen’ fertig mischen und ‚was würdest du tun’ aufnehmen“. Alle nickten und frühstückten in Ruhe weiter. Es war eine friedliche Atmosphäre. Nach dem Frühstück gingen Jan, Juri, Timo und David los, um sich an die Arbeit zu machen. Linke blieb mit ihr zurück um abzuwaschen. Doch sobald David den Raum verlassen hatte, merkte sie, wie ihr immer kälter wurde. Sie seufzte leise. Sie hatte ihre innere Kälte noch lange nicht besiegt. Sie war immer da, nur schaffte David es ständig sie zurück zudrängen, so dass die dachte, sie wäre vollkommen verschwunden. Sie ließ heißes Wasser einlaufen und versuchte während sie spülte sich an dem Wasser zu wärmen. Linke hatte sich ein Trockentuch geschnappt und trocknete die gespülten Sachen ab. Er grinste. „Na euch beide hat es ja ganz schön erwischt“ Sie sah ihn fragend an. „Na ihr könnt kaum die Finger voneinander lassen, aber das ist am Anfang normal.“ Sie nickte nur und schweigend wuschen und trockneten sie weiter ab. Dann ging sie duschen. Das heiße Wasser tat gut auf ihrer Haut, aber es wärmte sie nicht vollkommen. Sie seufzte, stellte das Wasser aus, trocknete sich ab, zog sich etwas sauberes an und ging ins Studio. Timo und David waren gerade dabei die Raptexte von Was würdest du tun aufzunehmen. Leise schlich sie rein und setzte sich auf einen freien Stuhl. David drehte sich kurz zu ihr um, lächelte, konzentrierte sich dann aber wieder. Sie sah ihm dabei zu, wie er zwischenzeitlich ein paar Knöpfe drückte und ein paar Schalter hochdrehte. Nach einer viertel Stunde kam Timo aus dem Aufnahmeraum raus, meinte „kurze Pause“ und ging etwas zu trinken holen. Sie sah David an und er öffnete die Arme. Sie lächelte und kam auf ihn zu. Er zog sie auf seinen Schoß und nahm sie fest in den Arm. Augenblicklich war ihre innere Kälte verschwunden und wich einer angenehmen Wärme. Sie drückte sich an ihn und schnurrte zufrieden. Er lächelte. „Hab ich etwa eine Katze hier?“ Sie grinste und sah ihn an. Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht bevor er sanft seine Lippen auf die ihrigen legte. Sie lächelte glücklich in den Kuss hinein. Es war wie gestern Abend ein wunderschönes Erlebnis und beide konnten nicht genug davon bekommen. Sanft stupste David mit seiner Zunge an, ganz vorsichtig, als wolle er sich gehen, dass er ihr nicht zu weit ginge. Bereitwillig öffnete sie leicht ihren Mund. Es war wie ein kleiner Stromschlag als sich ihre Lippen berührten. Sie lösten sich erst wieder voneinander als Timo zurückkam. Der grinste nur und ließ einen Spruch ab, den David geschickt kommentierte. Alle drei lachten. Dann war sie dran mit aufnehmen. Sie ging in den Aufnahmeraum, setzte sich Kopfhörer auf und stellte das Mikro auf ihre Höhe ein. Durch die Scheibe sah sie David und lächelte. Doch in dem Augenblick in dem sie realisierte, dass eine Scheibe zwischen ihnen beiden war, kehrte die Kälte zurück. Sie seufzte. Würde sie jemals gegen ihre innere Kälte ankommen? Kapitel 9: Ruhe der Vergangenheit - Part 4 ------------------------------------------ „Das Denken in Freund und Feind, in Ursache und Wirkung setzt sich spiralförmig immer weiter fort. DENKEN SCHAFFT REALITÄT“, sagte mein Politiklehrer mit Nachdruck. Ich seufzte. Er hielt wieder eine seiner endlos Vorträge, denen keiner folgen konnte, denen keiner bereit war zu folgen. Auch ich nicht. Meine Gedanken schweiften schnell ab. Ich schreckte hoch als mein Lehrer mit der Faust auf den Tisch schlug, um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen. „Interpretationsmuster verleiten einen Dinge zu tun oder zu unterlassen. Eine typische Denkweise heißt DISKURS“. Er schrieb das Wort groß an die Tafel. „DISKURS ist eine typische Denkweise, die in die Realität umgesetzt wird“, fuhr er fort. Ich schaltet wieder ab. Was hatte das mit unserem Thema Afghanistan zu tun? Wir wollten die Ursachen für den Terrorismus klären und nicht Denkweisen analysieren. Das kann ich in Deutsch machen, da brauche ich keinen Politik-Leistungskurs für. Tick. Tack. Tick. Tack. Ich starrte auf die Uhr. Meine Psychologin hatte eine neue Armbanduhr, welche extrem laut tickte. Ich starrte sie fasziniert an. Ich hatte Zeit schon immer faszinierend gefunden. Es gab so viel und doch so wenig. Jahre, Monate, Wochen, Tage, Stunden, Minuten, Sekunden... Wir hätten so viel Zeit miteinander verbringen können. Doch er hat alles kaputt gemacht. Jetzt musste er dafür büßen. Jetzt verbrachte ich meine Zeit hier, in diesem blitzblank geputztem Zimmer und erzählte meine Lebensgeschichte. Wieso ich ausgerechnet von meinem Politik-Unterricht in der gymnasialen Oberstufe berichtete, war mir selbst schleierhaft. Doch als ich anfing zu erzählen, bemerkte ich so ein Blitzen in den Augen meiner Psychologin. Genau dieses Blitzen veranlasste mich dazu, weiterzureden. „Ihnen wurden also im Politik-Unterricht Denkweisen beigebracht?“ Sie sah mich skeptisch an. Ich nickte. „Mein Lehrer war ein großer Fan von Vorträgen. Er hielt stündlich solche Reden. Und wenn ihm etwas am Herzen lag, dann hat er mit aller Macht versucht uns von seiner Meinung zu überzeugen“. Sie sah mich komisch an. Ich versuchte aus ihrem Blick schlau zu werden. Dann nickte sie. Doch es war nicht das übliche Nicken. Nicht das motorische Kopf hoch, Kopf runter. Es war ein anderes nicken. Und dann verstand ich, was mich dazu gebracht hatte, weiterzureden. Sie vertraute mir langsam. Sie glaubte, dass ich mich verändert hatte, dass ich Einsicht zeigte. Ich lachte lautlos in mich hinein. Wie naiv sie doch war. Wie naiv sie alle waren. Als würde sich jemand wie ich ändern. Doch ich sagte nichts. Schließlich war es das worauf ich zählte. Ihre Naivität. Sie würde mich hier raus bringen. Und ihrem Blick zu folge schon sehr bald. Kapitel 10: Lass mich nie allein -------------------------------- Das Leben verläuft nach keinem Schema. Man weiß nie, was als nächstes passiert. Es kann kommen, wie man es erwartet, es kann aber auch ganz anders kommen. Keine Wahrsagerin der Welt kann die Zukunft voraus sagen. Niemand kann das. Man muss das Leben leben, um zu wissen, was als nächstes kommt. Zwei Monate vergingen in denen sie ihr Album fertig aufnahmen. Alltag schien sich eingeschlichen zu haben. Schlafen, essen, aufnehmen, essen, komponieren, schlafen. Doch für sie und David waren es die schönsten zwei Monate, die sie sich vorstellen konnten. Sie waren glücklich wie nie zuvor. Die anderen nervte es zwar von Zeit zu Zeit, dass die beiden nicht die Finger voneinander lassen konnten, aber sie freuten sich auch, dass die beiden glücklich waren. David fuhr zu höchst Leistungen auf und komponierte ein Lied nach dem anderem. Alles war gut. Eines Abends saßen die bei David zu Hause auf der Couch. David hatte seinen Laptop auf dem Couchtisch stehen und schnitt die letzten Stück zusammen. Sie lag auf seinem Schoß und döste. Gedankenverloren strich er ihr durchs Haar, während er ununterbrochen Sachen hintereinander klickte. „Und wie klingt das?“, fragte er und spielte eine Version ab. Sie hörte zu und überlegte. „Da passt etwas noch nicht so ganz, aber ich kann es noch nicht so genau definieren“, meinte sie. David spielte es erneut ab. Zusammen bastelten sie weiter daran rum, bis sie beide zufrieden waren. „So und als nächstes müssen wir noch“, fing er an, stockte dann aber. Sie richtete sie auf und sah ihn an: „Was ist denn los?“ Er sah sie an. „Wir... sind... fertig...“ „Was?“, sie sah ihn verständnislos an. „Wir sind fertig!“, rief er und sprang auf. Sie sprang auch auf und fiel ihm in die Arme. So sprangen sie wie wild durch die Wohnung. Atemlos hörten sie nach einer Weile wieder auf. Sie sahen sich an. Sanft streichelte er ihre Wange. Er zog sie zu sich und küsste sie sanft. Sie erwiderte ebenso sanft. Langsam wurden seine Küssen fordernder. Sie löste sich von ihm und sah ihn an. Ohne Worte kamen sie überein. Er grinste. Dann packte er sie und warf sie sich über die Schulter. Sie quiekte auf, dann bekam sie einen Lachanfall. Er stimmte fröhlich ein. Er schleppte sie in sein Schlafzimmer, wo sie wieder anfingen sich zu küssen. Sie lies sich auf sein Bett fallen und zog ihn über sich. Gegenseitig erkundeten sie die Körper des jeweils anderen. Nach und nach fielen ihre Sachen an den Seiten herunter bis sie sich gegenseitig ausgezogen hatten. Sie küssten sich und erkundeten weiter ihre Körper. Ihre Küsse wurden immer fordernder bis sie ihre Beine öffnete und er vorsichtig in sie eindrang. Beide stöhnten auf und fingen an sich im gleichen Rhythmus zu bewegen. Es war für beide ein unbeschreibliches Erlebnis, dass keiner von beiden je wieder vergessen würde. Sie bewegten sich schneller und stöhnten lauter. Nach ein paar Minuten war jedoch alles wieder vorbei und David ließ sich erschöpft aber glücklich neben sie fallen. Beide atmeten schwer. Sie kuschelte sich an ihn und seufzte zufrieden. Sanft strich er ihr über den Rücken. Sie genoss seine gleichmäßigen Bewegungen. Dann sah sie ihn an. Er lächelte. „Ich liebe dich“, flüsterte er. Ihr Lächeln wurde größer, sie strahlte förmlich. „Ich liebe dich auch“, flüsterte sie zurück. Er lächelte mit ihr um die Wette. „Aber David“. Ihr Gesichtsausdruck war ernster geworden. Er sah sie fragend an. „Lass mich nie allein, hörst du, nie!“ Sein Lächeln kehrte zurück. „Ich denke das wird kein Problem sein“, sagte er und küsst sie. Sie erwiderte und lächelte auch wieder: „Ich nehm das jetzt als Versprechen!“, drohte sie grinsend. Er grinste auch: „Mach doch“ „Mach ich auch“, meinte sie und streckte ihm die Zunge raus. Er grinste nur und zog sie näher zu sich. Sie grinste und drückte sich an ihn. Eng umschlungen schliefen sie schließlich ein. Am nächsten Morgen weckte das Telefon die beiden. „Hmmm...“, murmelte David schlaftrunken in den Hörer. Es war Timo, der über den neuesten Stand informiert werden wollte. „Boah Timo hast du ne Ahnung wie spät es ist?“, fragte David genervt und blickte auf die Leuchtanzeige seines Weckers. 8:15. Er grummelte und wimmelte Timo schnell ab in dem er ihn das nötigste mit teilte. Er legte auf und legte den Hörer auf seinen Nachttisch ab. Etwas neben ihm rührte sich. Sie war vom Telefonklingeln auch wach geworden und kuschelte sich nun wieder an ihn. Er lächelte und strich ihr über den Rücken. „Morgen“, sagte er leise. „Morgen“, murmelte sie schlaftrunken, „wer war das?“. „Nur Timo, der wollte wissen wie weit wir gestern noch gekommen sind“. „Achso“, murmelte sie und schloss wieder die Augen. So lagen sie noch eine ganze Weile bis sich David erbarmte und Frühstück machte. Seufzend lies sie ihn gehen und stellte sich drauf ein, dass sie gleich wieder frieren würde. Er ging, doch nichts geschah. Ihre innere Kälte kehrte nicht zurück. Sie war überrascht. Damit hätte sie nicht gerechnet. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass er es tatsächlich geschafft hat ihre innere Kälte zu überwinden? Sie stand auf und zog sich etwas über. Dann ging sie in die Küche, wo David bereits eifrig rumwerkelte. Auch er hatte sich eine Boxershort angezogen. Sie beobachtete ihn und lächelte. „Na gefällt dir was du siehst“, grinste David sie an. Sie grinste auch und nickte: „ja sogar sehr“. Er kam auf sie zu und nahm sie in den Arm. Sie drückte sich leicht an ihn und seufzte zufrieden. So konnte es immer sein. Kapitel 11: Ruhe der Vergangenheit - Part 5 ------------------------------------------- „Guckt mal, da ist sie!“ „Boah hässlich!“ „Wie kann man nur so rumlaufen?“ „Das sie sich so aus dem Haus wagt“ Die Zickengruppe ging an mir vorbei und wie üblich lästerten sie lautstark über mich. Die hatten echt nichts besseres zu tun. Nur leider schmerzte es jeden Mal tief in mir drinnen. Alle sagten ich soll mir nichts aus ihnen machen, nur wenn das so leicht wäre. Wieso können die mich nicht einfach in Ruhe lassen? Was habe ich denen denn getan? Wieso hacken sie die ganze Zeit auf mir herum? Wieso ich? Es klingelt und ich begebe mich zu meinem Kursraum. Davor warten bereits die Jungs aus meinem Kurs. Na toll, auch die noch. Das waren richtig miese Mobber und natürlich war ich ihr Lieblingsopfer. Wer auch sonst. In drängelte mich an ihnen vorbei, um in den Kursraum zu gelangen. Sobald ich den ersten berührte, sprangen sie zur Seite, nach dem Motto: Fass mich bloß nicht an, das ist ja eklig! Seufzend lies ich mich auf meinem Stuhl nieder und holte meinen MP3-Player aus meiner Tasche, stöpselte mir die Kopfhörer ein und begann mich zuzudrönen. can't you see me falling, an endless fall can't you hear me calling, a never ending call can't you see me bleeding, i'm loosing control can't you see me dying, i'm dying alone Leider kam viel zu schnell mein Lehrer und ich musste meine Musik wieder ausmachen. Dadurch musste ich aber auch die lautstarken Gespräche meiner Kursteilhaber mit anhören, die sich nicht einmal die Mühe machten ihre Stimmen zu senken, wenn sie über mich herzogen. Ich sank in mir zusammen. Womit hatte ich das verdient? Wieder saß ich hinter dem Schreibtisch bei dem mir jede Fleck bekannt vorkam. Ich hatte sogar meinen Lieblingsfleck. Es war ein schwarzer, runder Brandfleck. Auf den starrte ich besonders gern, wenn ich von meiner Vergangenheit erzählte. Ich stellte mir vor der Fleck erzähle meine Geschichte und nicht ich. Dann war es viel leichter zu erzählen. „Was genau haben sie gehört, wenn ihre Mitschüler sie wieder gemobbt haben?“, fragte meine Psychologin mich. Ich überlegte. „Ich glaube an dem Tag von dem ich erzählt habe, habe ich Dying alone von Blutengel gehört. Aber im Prinzip konnte das alles mögliche sein.“ Sie nickte und machte eine Notiz in ihren Unterlagen. Dann holte sie einen Gegenstand aus einer ihrer Schubladen und reichte ihn mir. Ich betrachtet ihn. Es war ein Spiegel. „Ich möchte das du in den Spiegel siehst und mir sagst, was du siehst“. Ich tat wie geheißen und schaute in den Spiegel. Das was ich sah, schockte mich schon ein bisschen. „Das bin ich nicht“, schrie ich. Meine Psychologin schmunzelte nur über meine Reaktion. Ich sah erneut in den Spiegel. Nein das war ich nicht. Nicht ich selbst. Das war das, was sie aus mir gemacht haben. Das was sie wollen, was ich bin. Sie. Die Menschen. Alle mit denen ich jemals zu tun gehabt hatte. Sie waren Schuld an meiner Situation. Und sie würden Schuld sein an ihrer Situation. Ich musste hier raus. Ich sah sie an. Meine Psychologin. Und ich erkannte, was sie mit mir vorhatte. Sie wollte testen, wie ich auf mich selbst reagierte und ob ich meinen Selbsthass unter Kontrolle hatte. Vorsicht war hier angebracht. Ich musste sie überzeugen zu glauben, ich sei wieder gesund. Daher darf sie nichts von meinen eigentlichen Gedanken mitkriegen. Ich sah sie an und fing an zu erzählen, was ich sah. Doch ich sagte nicht, warum ich das so sah. Kapitel 12: Was hast du getan? ------------------------------ Viel Zeit verging. Panik war wieder erfolgreich mit ihrem neuen Album. Die Fans akzeptierten sie und ihre Stimme und es gab viele Konzerte. David und sie waren weiter glücklich und es gab nur selten Stress untereinander. Doch wie so oft, war es nur die Ruhe vor dem Sturm. Es sollte sich alles gewaltig ändern. I, I've been waiting for someone like you But now you are slipping away What have you done now? Sie wippte mit dem Kopf mit und sang leise den Text mit. Da zog ihr jemand die Kopfhörer aus dem Ohr. Sie öffnete die Augen und sah in die schönen, blauen Augen Davids. Sie lächelte. Er sah sie ernst an. „Bei der Lautstärke machst du dir irgendwann noch mal dein Gehör kaputt“. Sie seufzte. „Das ist Metal, dass muss man laut hören, ansonsten macht das keinen Sinn.“ „Trotzdem, ich finde das nicht gut. Irgendwann bist du taub“ „Dann kann ich ja deine Stimme gar nicht mehr hören“, meinte sie entsetzt, „na das kann ich ja nicht riskieren“. Sie grinste. Auch er musste schon leicht grinsen. „Pass einfach auf und mach es demnächst etwas leiser, okay?“, fragte er. Sie nickte und beugte sich zu ihm, um ihn zu küssen. Zärtlich erwiderte er den Kuss. Doch dann kam Timo dazwischen: „So Leute wir sind dran! Jetzt ist Schluss mit knutschen. Los, wir müssen zur Bühne!“ Beide hätten ihm am liebsten eine gescheuert, doch hielten sich zurück. Er musste aber auch jeden Moment kaputt machen. Sie standen auf und gingen hinter die Bühne. Sie bekam ihr Mikro in die Hand gedrückt und David hängte sich seine Gitarre um. Alle sechs waren sie etwas aufgeregt, aber das war normal. Dann war es soweit. David küsste sie noch einmal kurz und ging dann mit Juri, Jan und Linke auf die Bühne. Sie wartet mit Timo auf ihren Einsatz, der nicht lange auf sich warten lies. Nach der Show waren alle total erschöpft, aber auch richtig glücklich. Zufrieden ließen sie sich Backstage in die Sessel fallen. „Leute wir waren richtig gut“, lobte Timo alle. Alle nickten zustimmend und einigten sich schnell darauf noch ein Bier trinken zu gehen. Die Bar war weitestgehend leer, was den sechs sehr gelegen kam. Sie brauchten jetzt keinen großen Rummel. Sie bestellten und setzten sich an einen Tisch. Sie neckten sich, lachten und alberten herum. Nach dem dritten Bier machte sich jedoch ihre Blase bemerkbar. „Ich muss mal kurz für kleine Mädchen“, entschuldigte sie sich und stand auf. „Na das mit dem klein stimmt ja“, grinste Jan. Sie streckte ihm Zunge raus und ging. Dabei hörte sie noch, wie David fragte: „und das mit dem Mädchen nicht oder wie?“. „Na das kannst du besser beurteilen als ich“, kam es von Jan zurück. Dann schloss sich die Toilettentür hinter ihr. Sie grinste und war noch etwas in Gedanken, da stieß sie mit einer Frau zusammen. „’tschuldigung“, kam es von beiden gleichzeitig. Sie sah die Frau noch kurz an und realisierte, dass sie ungefähr im gleichen Alter sein mussten. Dann ging sie in eine Kabine und verrichtete ihr Geschäft. Als sie wieder die Bar betrat, merkte sie, dass es merklich voller geworden war. Sie sah sich um und entdeckte Juri, der noch immer an ihren Tisch saß. Jedoch allein. Sie ging zu ihm. „Wo sind denn die anderen?“, fragte sie ihn. Wortlos deutet er auf eine Tanzfläche, die sie vorher gar nicht realisiert hatte. Sie sah hin und versuchte David auszumachen. Irgendwas lief hier überhaupt nicht richtig. Dann erkannte sie ihn. Mit einer anderen im Arm. Es war die gleiche Frau, mit der sie vorher zusammengestoßen war. Sie schnappte hörbar nach Luft. Sie wollte sofort auf ihn zu stürmen. Da packte Juri sie am Arm. „Bedenke es waren heute seine ersten Bier in seinem Leben, er weiß nicht, was er tut!“ Es war ihr egal. Sie wollte dahin und eine Szene machen. Doch da spürte sie wie ihr merklich kälter wurde. Ihre innere Kälte kehrte zurück. Das warf sie so sehr aus der Bahn, dass sie nicht mehr konnte. Sie machte sich los und rannte raus. Tränen liefen ihr über das Gesicht. Eine Ecke weiter brach sie zusammen. Wie konnte er ihr das Antun? Und sie hatte wirklich Gefühle für ihn gehabt. Und er? Betrog sie nach Strich und Faden. Sie krümmte sich zusammen und zog ihre Beine an. Sie wusste nicht wie lange sie so dalag, doch irgendwann spürte sie zwei Arme, die sie umfassten. David. Sie ließ es geschehen. Sie hatte keine Kraft, um sich zu wehren. Er nahm sie in den Arm und wiegte sie sanft hin und her. Sie beruhigte sich langsam wieder, doch die Tränen wollten nicht aufhören zu fließen. Leise stimmte er ein. „Es tut mir so leid“, begann er, „ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich wollte das nicht. Ich wollte dir nie wehtun. Das musst du mir glauben“. Sie glaubte es tatsächlich. Sie verzieh ihm. Er war der erste Mensch in ihrem Leben, dem sie verziehen konnte. Zusammen fuhren sie wieder nach Hause, bzw. sie ließen sich fahren, da beide etwas getrunken hatten. Doch etwas ganz entscheidendes hatte sich geändert. David vermochte es nicht mehr ihre innere Kälte verschwinden zu lassen. Ihr fiel der Text von dem Lied, welches sie vorhin noch gehört hatte wieder ein. „What have you done“, murmelte sie leise. Was hast du getan? Kapitel 13: Ruhe der Vergangenheit - Part 6 ------------------------------------------- Wasser rieselt meinen Körper herunter, vermischt sich mit dem Schaum und läuft in den Abfluss. Ich sehe an meinem Körper herunter. Ein geschundener Körper. Gezeichnet vom Leben. Da fällt mir ein altes Sprichwort ein: Narben am Körper sind ein Zeichen, dass man gelebt hat. Narben an der Seele ein Zeichen, dass man geliebt hat. Ja, ich hatte gelebt, ich hatte Narben an meinem Körper. Manche von mir selbst verursacht, wie meine Heroineinspritznarben, andere von meinem Mitmenschen verursacht, wie die Narben von meinem Sturz aus dem Fenster. Und ja ich hatte geliebt. In meinem ganzen Leben hatte ich zwei Menschen geliebt. Meinen Vater, der mir viel zu früh genommen wurde und David. David, mein David. Wie viel Schmerz hatte er mir zugefügt. Doch das würde er alles zurück bekommen. Stück für Stück. Ich stellte das Wasser aus und trocknete mich ab. Dabei wurde ich ganz genau von der Anstaltaufsicht beobachtet. Ich konnte froh sein, den Luxus zu haben mich selbst duschen zu dürfen. Ich nahm meine Sachen und zog mich an. Dann wurde ich wieder in meine Zwangsjacke gezwängt und in meine Zelle geführt. Hinter mir schloss sich die schwere Eisentür. Ich legte mich auf den Boden meiner Zelle und dachte wieder an David. Wie wir uns kennengelernt hatten. Dabei kam mir ein ganz neuer Gedanke. Ein Gedanke, an den ich vorher noch nie gedacht hatte. Wer war denn Schuld an allem? Wegen wem, habe ich David kennengelernt? Wegen wem wurde ich angagiert und bin in die Band gekommen? Eine Person hatte genauso viel Schuld wie David, wenn nicht sogar noch mehr. Er war die Ursache für alles. Ohne ihn wäre das alles nicht passiert. Ich grinste. Ja, auch er würde bestraft werden müssen. Und ich wusste auch schon wie. Ich würde hier rauskommen. Dann würde ich ihn auf schmerzhafteste Weise umbringen. Ganz langsam, damit er möglichst viel leidet. So viel, wie ich schon die ganze Zeit leidete. Erst dann würde ich David aufsuchen und ihn büßen lassen. Ja so würde ich es machen. Kapitel 14: Ich hasse dich! --------------------------- Keine Liebe hält für immer. Und meistens endet eine Beziehung mit viel Schmerz für mindestens einen der beiden Partner. Doch wieso ist das so? Ist dann nicht ein Leben ohne Liebe viel angenehmer und leichter? Wieso machen wir immer wieder den selben Fehler? Langsam öffnete sie die Augen. Sie blickte in zwei blaue Augen. Es war ein wunderschönes Blau. Sie lächelte. David hatte sie mal wieder beim Schlafen beobachtet. Das tat er gerne. Sie schlief einfach länger als er und er wollte nicht ohne sie aufstehen. „Morgen“, murmelte sie. „Morgen“, lächelte er und küsst ihre Nasenspitze. Sie kuschelte sich an ihn. „Wie spät ist es?“ „Fast 12 Uhr“. Er grinste. „Wieso hast du mich nicht geweckt? Das ist viel zu spät“, murmelte sie, noch immer schlaftrunken. Er grinste immer noch. Sanft streichelte er ihr über den Rücken. Sie schnurrte zufrieden. Wie aufs Stichwort sprang Lina aufs Bett und schnurrte. „Oh nein, Lina runter hier“, rief David doch sie meinte nur: „Lass sie nur“. Also durfte sich Lina auf ihr zusammenrollen, während sie selbst mit David kuschelte. Sie langen noch lange so da, doch irgendwann quälten sie sich dann doch aus dem Bett. Sie zogen sich etwas über und gingen in die Küche, um das Frühstück zuzubereiten. David ging vor und sie wollte ihm gerade folgen, als sie etwas klingeln hörte. Sie lauschte. Es war ein Handy. Dann erkannte sie den Klingelton. Es war Davids Handy. Sie suchte in den Taschen seiner Hose und fand es schließlich. Sie wollte es ihm bringen, da fiel ihr Blick auf die Anzeige. Auf der Anzeige stand: Mandy ruft an. Klirr. Das Handy fiel ihr aus der Hand und zerschellte am Boden. Sie zitterte. Die Erinnerung von gestern kam zurück. Doch diesmal stimmte es sie nicht traurig, sondern wütend. Es war eine riesengroße Wut. Und sie richtete sich gegen eine Person. David. Sie rannte in die Küche, wo er bereits Brötchen aufgebackt hatte. „Du bist so ein Arsch!“, schrie sie ihn an. Erschrocken drehte er sich um. „Was meinst du?“, fragte er. „Gestern hintergehst du mich mit einer Fremden, heute ruft deine Affäre an! Was ist morgen? Finde ich deine selbstgedrehten Pornos?“, schrie sie noch lauter. „Meine Affäre? Was meinst du?“. Er sah sie verwirrt an, was sie nur noch wütender machte. „Jetzt tu nicht so scheinheilig! Mandy hat gerade angerufen! Auf deine Handynummer. Wie lange wolltest du mich noch betrügen?“ Sie tobte regelrecht. „Aber Mandy ist meine Cousine“, versuchte David sie zu beruhigen. „Ja das würde ich jetzt auch behaupten!“. Während sie das sagte, griff sie nach dem Messerblock und zog ein scharfes Messer raus. Sie hielt es wie eine Waffe vor sich her. „Oh Gott, leg das Messer weg! Das ganze ist ein Missverständnis!“ „Ja genau ein Missverständnis!“ Sie ging ein paar Schritte auf ihn zu. Das Messer hielt sie wie einen Dolch vor sich. Er wich zurück, hob abwehrend die Hände. „Jetzt lass uns doch vernünftig darüber reden!“. Er verzweifelte. Sie spürte die Schwäche, die er zeigte. Sie machte sie noch stärker. Der Wahnsinn war in ihr erwacht. Es war ein versteckter Wahnsinn. Jahrelang war er gut versteckt gewesen. Doch jetzt kam er hervor. Sie ging noch ein paar Schritte auf ihn zu. Dann schwang sie das Messer und stach zu. Er wich aus, doch sie streifte seinen Arm. Er schrie auf. Ein langer, tiefer Schnitt verlief seinen Arm entlang. „Du bist doch verrückt, brachte er gerade noch hervor. Dann stach sie wieder zu. Er wich diesmal erfolgreich aus und trat nach ihr. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts. Sie knallte mit dem Kopf gegen die Küchenschränke und zig sich eine Platzwunde zu. „Ich hasse dich!“, brachte sie hervor, dann wurde alles um sie herum schwarz. Gedankenverloren starrte David dem Krankenwagen hinterher. Sein Arm war genäht worden und die Polizei hatte seine Zeugenaussage aufgenommen. Und jetzt sah er wie seine große Liebe in einem Krankenwagen wegfuhr, um erst ihre Platzwunde versorgen zu lassen und hinterher auf direkten Weg in eine geschlossene Anstalt. Er konnt immer noch nicht fassen, was passiert ist. Wie konnte er sich so in einer Person getäuscht haben. Er hatte sie aufrichtig geliebt. Ja, er hatte gestern einen Fehler gemacht, aber sie hatten das geklärt. Wie konnte das nur passieren? Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Er drehte sich um. Es war Timo. Er nahm den jüngeren in den Arm. „Es tut mir so leid für dich“, flüsterte er. Zusammen gingen sie zu Timo nach Hause, da Davids Wohnung immer noch Tatort war. Kapitel 15: Ruhe der Vergangenheit - Part 7 ------------------------------------------- Der Mond schien hell auf die Gräber. Langsam strich ich zwischen ihnen umher. Ich liebste es, wenn ich mich alleine auf einem Friedhof befand. Die Ruhe der Gräber, diese Grabesstille, war einfach beruhigend und lies mich meine Sorgen vergessen. Doch dann hörte ich Schritt hinter mir. Ich stutzte und blieb stehen. Wer war denn abgesehen von mir um diese Zeit noch auf dem Friedhof? Ich drehte mich langsam um und starrte in zwei vor Wahnsinn triefende Augen. Ich schrie auf und machte einen Satz rückwärts. Dabei stolperte ich über ein Grab und fiel gegen einen Grabstein. Der Mann kam näher sein Messer erhoben. Das konnte nicht war sein. Seit Wochen stand es in den Zeitungen, dass ein Serienkiller entwischt war und nun stand er mir direkt gegenüber. Wie hatte ich nur so leichtsinnig sein können? Wieso hab ich nicht auf die Warnungen gehört? Ich hatte mich auf dem Friedhof immer so geborgen und sicher gefühlt, dass ich nie auf den Gedanken gekommen wäre, ihm hier zu begegnen. Das Messer blitze im Mondlicht. Ich sprang auf und rannte. Rannte als würde es um mein Leben gehen, was es ja auch durchaus tat. Zum Glück war ich einigermaßen durchtrainiert, sodass ich ihm entkam und schließlich keuchend zu Hause ankam. Mit zitternden Händen schloss ich die Tür auf und betrat unsere Wohnung. Hinter mir schloss ich die Tür sorgfältig und schloss wieder ab. Ich kontrollierte noch dreimal, ob wirklich alle Türen und Fenster richtig geschlossen waren. Erst dann ging ich in mein Zimmer, wo ich nur noch mir meine Bettdecke über den Kopf ziehen wollte. Doch ich kam über meinen Spiegel nicht hinaus, denn etwas was ich sah lies mich stocken. Ich ging näher auf mein Spiegelbild zu und betrachtete mich. Etwas war anders als vorher. Und dann erkannte ich was es war. Es war der wahnsinnige Ausdruck in meinen Augen. Ich hatte mich in einer Ecke meiner Zelle zusammengerollt wie ein Embryo. Wenn ich noch fähig gewesen wäre zu weinen hätte ich das jetzt vielleicht getan. Doch diese Gabe war mir genommen worden. Wie so vieles im Leben. Wie gerne würde ich wieder weinen können. Einfach den Schmerz rauslassen. Es hatte sich in letzter viel Schmerz in mir angesammelt. Ich hatte meine komplette Vergangenheit wieder durchlebt. Die Sache mit dem Serienmörder hatte ich bisher niemanden erzählt. Und so würde es auch bleiben. Ich überlegte. War das die Stelle in meinem Leben an der ich wahnsinnig geworden war? Oder war das viel früher passiert? Hatte alles, was mir passiert war im Prinzip nur darauf hin gearbeitet? War es Schicksal? Ich dachte noch lange darüber nach, bis die Tür meiner Zelle aufging und eine barsche Stimme mitkommen befahl. Ich stand auf und folgte der Person in einen weitestgehend leeren Raum. In ihm befand sich lediglich ein Schrank. Vor ihm stand meine Psychologin und lächelte mich aufmunternd an. „Nun es ist so weit“, meinte sie mit ruhiger und klarer Stimme. Ich sah sie verwirrt an. Was war soweit? „Ich bin der festen Überzeugung, dass du geheilt bist und wieder unter Menschen leben kannst“, lächelte sie. Ich sah sie mit großen Augen an. Sollte das etwas heißen? „Hier in dem Schrank sind deine Sachen und alles, was du sonst noch so brauchst um wieder unter Menschen leben zu können. Ich wünsche dir viel Spaß in deinem neuen Leben. Auf das wir uns nie wiedersehen“ Mit diesen Worten ging sie. Ich sah ihr noch eine Weile hinterher. Ich konnte es nicht fassen. Ich war frei! Kapitel 16: Ein Gefühl von Freiheit ----------------------------------- Ein Gefühl von Freiheit Langsam verlies ich das Gebäude. Die Sonne stand hoch am Himmel. Ich hob meine Hand und schirmte meine Augen vor der plötzlichen Helligkeit ab. 9 Monate war ich in diesem Bau gefangen. 9 Monate ohne Tageslicht. Vorsichtig ging ich ein Schritt nach vorne. Die Sonne wärmte meine blasse Haut. Ich genoss es. Wie lange hatte ich das nicht mehr gespürt gehabt? Ich ging noch einen Schritt nach vorne. Ein Gefühl überkam mich. Ein ganz neues und vorher nicht gekanntes. Ein Gefühl von Freiheit. Die Freiheit alles zu tun, was man möchte, lernt man erst dann zu schätzen, wenn man es lange nicht nutzen konnte. Ich lies meine Tasche von meiner Schulter gleiten und öffnete sie. Ich sah hinein. Alles, was man brauchte um vorläufig zu überleben. Ich hatte ein kleines Grundguthaben, den Schlüssel zu der Wohnung meiner Mutter, mein altes Handy und eine Packung Taschentücher. Was für eine Ironie, dass man nach einer Entlassung aus einer psychiatrischen Anstalt eine Packung Taschentücher mitbekam. Ich überlegte. Sollte ich zu meiner Mutter fahren? Diesen Gedanken schloss ich schnell und konsequent aus. Nein ich hatte wichtigeres zu tun. Ich sah an mir herunter. Ein grauenvoller Anblick. Ich ging los auf direktestem Wege in die nächste Boutique. Dort kleidete ich mich erst mal komplett neu ein. Eine stylische schwarze Röhrenjeans und dazu ein lilanes Top mit großzügigem Ausschnitt und ein kleines schwarzes Jäckchen. Ich ging ein paar Straßen weiter noch in einen Schuhladen und kaufte mir schwarze lackhighheels. Ich betrachtete mich in einem Spiegel und war schon etwas zufriedener mit mir. Ich betrat die nächst gelegene Drogerie und bediente mich großzügig an den Testern. Nachdem ich jedoch die strengen Blicke einer Angestellten bemerkte, beschloss ich mir doch alles zu kaufen. Wieder betrachtet ich mich im Spiegel. David würde Augen machen, wenn er das sah. Er würde sowieso Augen machen, wenn er mich sah. Wenn er realisieren würde, dass ich frei ist. Ich grinste bei dem Gedanken. Ich sah auf meine Armbanduhr, die ich während meines Aufenthaltes schmerzlichst vermisst hatte. Irgendwann verlor man dort das Zeitgefühl. Ich ging Richtung Bahnhof. Immer wieder fielen mir die bewundernden Blicke der Männer die mir unterwegs begegneten auf. Ich grinste vor mich hin. Ich hatte nun eine super Figur, nachdem ich vorher schon noch meine Fettreserven hatte. Die Kost in der Anstalt war auch nicht gerade eine Delikatesse gewesen. Zügig ging ich weiter. Wenn die Männer wüssten, was ich mit Angehörigen ihres Geschlechtes vorhatte, würde ihnen das grinsen schnell vergehen. Ich kam am Bahnhof an, gönnte mir noch eine Zeitschrift und eine heiße Schokolade to go, kaufte mir ein Ticket nach Heidelberg und stieg in den Zug er, der wie durch eine glückliche Fügung bereits auf mich wartete. Drinnen setzte ich mich auf einen freien Platz, platzierte meine Tasche auf dem Sitz neben mir, stellte meinen dampfenden Becher auf dem Mülleimer ab und schlug die erste Seite der Zeitschrift auf. Es folgt ein langweiliger Bericht über Inspiration, den ich mehr überflog als las. Ich griff nach meinem Becher und trank einen Schluck. Das warme Getränk rann meinen Rachen hinunter und wärmte mich ein wenig. Genießerisch schloss ich die Augen. Ich hatte heiße Schokoladen schon immer geliebt und nach einer so langen Zeit der Entbehrung schmeckte es einfach köstlich. Rasch trank ich noch einen Schluck und lies den Geschmack nachhallen. Ich blätterte weiter, während sich der Zug langsam in Bewegung setzte. Bei einer Seite stockte ich. Es war ein Bericht über Panik. Sie hatten sich getrennt und nur noch David und Timo machten weiter. Schon komisch, dachte ich, was in einem Jahr so alles passieren kann. Ich las den Artikel sorgfältiger. Ein paar Seiten weiter war noch ein Artikel. Diesmal über Frank. Ich grinste. Er bestätigte mir, dass er sich zur Zeit in Heidelberg befand. Also war ich auf dem richtigen Weg. Der Zug ratterte und schnaufte, ich blätterte in meiner Zeitschrift und trank meinen Kakao. Stunden später verlies ich den Zug und betrat den Heidelberger Hauptbahnhof. Ich sah mich um. Ein Bahnhof wie jeder andere. Nichts besonders. Ich ging Richtung Ausgang entsorgte meinen Becher und verstaute meine Zeitschrift in meiner Tasche. Vor dem Bahnhofsgebäude sah ich mich suchend um. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Frank sich jetzt genau befand. Doch wie es der Zufall so wollte stolzierte vor mir eine junge Frau entlang. Ich grinste. Es war Franks Schwester. Sie trug eine große Reisetasche bei sich. Mein Grinsen wurde immer breiter als ich sah, wie ihr als sie nach ihrem Handy kramte ihre Brieftasche herunterfiel. Ich ging zu ihr und hob sie ihr freundlich auf und bekam es geschickter Weise einen Blick auf ihren Ausweis zu werfen und mir ihre Adresse zu merken. Sie bedankte sich höflich und ging weiter. Es war gut zu wissen, dass sie mich nicht kannte, da ich sie selbst nur von Fotos her kannte. Ich sah ihr eine Weile nach und suchte dann einen Stadtplan auf und informierte mich, wo Frank wohnte und wie ich dahin kam. Ich grinste und malte mir in Gedanken aus, was ich alles mit ihm anstellen würde. Ich suchte die nächste Bushaltestelle und stieg in den richtigen ein. Es würde auf jeden Fall sehr schmerzvoll werden. Kapitel 17: Selbst Schuld! -------------------------- Mist wieso hatte ich nicht bedacht, dass Frank und seine Schwester gar nicht zusammen wohnen? Wahrscheinlich war es mir entfallen, da Frank immer so ein Familienmensch war. Ich stand an einer Bushaltestelle irgendwo in Heidelberg und wusste nicht weiter. Mein Plan schien gescheitert. Doch so schnell wollte ich nicht aufgeben. Ich würde ihn finden, koste es was es wolle! Nachdenklich schlenderte ich durch die Innenstadt Heidelbergs. Ich hatte nicht groß darauf geachtet, wo ich hinfahren bin und letztendlich bin ich hier gelandet. Klack, klack, klack. Ich hörte die Geräusche, die meine Schuhe auf dem Boden verursachten. Seufzend sah ich auf. Mein Gesichtsausdruck wandelte sich innerhalb von Sekunden von leicht deprimiert über total überrascht zu freudiger Erwartung. So viel Glück konnte man doch nicht haben. Wer befand sich denn da gerade auf einer Shoppingtour? Breit grinsend folgte ich Frank, der nichts ahnend die Shoppingmeile entlang schlenderte und hier und da stehen blieb oder letztendlich sogar einen Laden betrat. Ich blieb auf Abstand und betrat keinen der Läden. Ich verhielt mich unauffällig und schaffte es tatsächlich, dass er mich nicht bemerkte. Nach Stunden so kam es mir vor, verlies Frank die Hauptstraße und bog in eine kleine Seitenstraße ab. Ich folgte ihm und erkannte meine Chance. Ich war diese Straße vorher schon entlanggegangen und wusste, dass an ihrem Ende ein verlassenes Fabrikgebäude sich befand und diese Straße kaum jemand betrat. Mein Plan war nun ausgefeilt. Ich schlich mich an Frank heran. Doch meine Schuhe verrieten mich. Er drehte sich um und ich sah wie seine Augen sich überrascht weiteten. „Na hallo mit dir hab ich hier ja gar nicht gerechnet“, meinte er lächeln. „Wie geht es dir denn so? Was macht die Band? Man hat nach deinem Ausstieg ja nicht mehr viel gehört“. Ich lies ihn weiterreden. Die Informationen, die er mir gab waren nützlich für mich. Ich musste mir ein allzu lauerndes Grinsen verkneifen. Wie leichtgläubig er doch war. Ich war also ausgestiegen? Anscheinend wusste er nicht, wieso ich nicht mehr in der Band war, weil ich nicht konnte, weil ich eingesperrt war, weil man mir meine Freiheit geraubt hatte. Und er war der Schlüsselpunkt. Wegen ihm war das alles passiert. Ich sah seinen Rosenkranz, den er als Kette um den Hals trug und wusste auf einmal genau, wie ich ihn töten würde. Auf eine besonders schmerzhafte Art. Ich konnte mein Grinsen nicht länger zurückhalten. „Was ist denn daran so lustig?“, er lächelte mich immer noch an. Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu. Erst jetzt bemerkte er meinen Blick. Ich konnte den Wahnsinn, der daraus sprühte nicht mehr zurückhalten. Frank wich einen Schritt zurück. Er sah mich verwirrt an, dann schien er seine Lage zu erkennen und lief. Mit wenigen Sätzen hatte ich ihn eingeholt und hinterrücks niedergeschlagen. Ein früher Selbstverteidigungskurs hatte doch etwas gutes an sich. Ich sah mich um, doch die Straße war noch immer menschenleer. Keiner hatte mich gesehen. Ich schleppte Franks reglosen Körper in das verlassene Fabrikgebäude. Auf dem Weg dorthin verfluchte ich das eine um das andere Mal sein Gewicht, welches mir das ganze erschwerte. Wieder einmal hatte ich Glück, den mich sah keiner und Frank war lange genug bewusstlos, dass ich in Ruhe alle Sachen zusammensuchen konnte. Mit genugtun sah ich, wie er mit schmerzverzerrtem Gesicht aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte. Langsam realisierte er, was ihm widerfahren war. Er schrie auf. Ich grinste. So musste das sein. „Was hast du getan?“, schrie er. Ich lachte auf. „Na das siehst du doch“, meinte ich noch immer laut lachend. Ich hatte aus zwei Holzpfeiler ein Kreuz gebastelt, dieses an die wand gelehnt und Frank an seinen Handgelenken an das Kreuz genagelt. An den Gelenken wohlgemerkt, und nicht wie in der Bibel beschrieben an den Handflächen. Denn dann wäre es sehr wahrscheinlich, dass seine Haut sein Gewicht nicht halten würde und letztendlich reißen würde. Es würde zwar auch ziemlich wehtun, aber ich wollte ihn hier ja langsam sterben lassen und nicht nur quälen. Ich fand es ergab ein sehr schönes Bild, wie er da so hing und vor Schmerzen schrie. Unter seinem Geschreie hörte ich eine an mich gewandte Frage klar heraus: „Warum?!“ Ich wurde mit einem Mal sehr ernst. „Du bist selbst Schuld an deiner Situation mein lieber Frank. Du hast mein Leben zerstört. Findest du nicht auch, dass da dieses bisschen Leid nur gerecht ist?“ Er sah mich fassungslos an. Ich erkannte, dass er keine Ahnung hatte, wovon ich sprach und das ärgerte mich. „Du bist Schuld daran, dass ich David kennengelernt habe“, sagte ich mir ruhiger, ernster Stimme. Er schien immer noch nicht zu wissen, worauf ich hinaus will. Also erzählte ich ihm von David und mir und Davids schmerzlichem Verrat. Ich hatte ja Zeit. Frank biss sich auf die Zunge, um nicht andauern dazwischen zu schreien, wofür ich ihm sehr dankbar war. „David hat damit sein Schicksal besiegelt. Aber weißt du, ich hätte David nie kennengelernt, wenn du die Band nicht verlassen hättest. Du warst der Auslöser für alles. Du bist der Grund, warum ich so sehr gelitten habe. Nun spürst du meine Schmerzen, nun kannst du verstehen, wie ich mich gefühlt habe. Wie ich mich immer noch fühle“. Frank fing wieder an zu schreien: „Du bist doch wahnsinnig! Eine verrückte! Wer ist auf die Idee gekommen, dich wieder frei zu lassen?“ Ich grinste nur breit. Ja ich war wahnsinnig, das hatte ich selbst vor längerer Zeit eingesehen. Und es war durchaus verrückt mich wieder frei zu lassen. Aber ich wollte es so und ich hatte es geschafft. Ich war stolz eine Schauspielerin zu ein. Frank fing an um Hilfe zu schreien, was mich nur wieder zum lachen brachte. Sollte er doch. Doch dann erinnerte ich mich wieder an meine eigentliche Absicht und stand auf. „So mein lieber ich werde mich nun von dir verabschieden. Ich wünsche dir einen qualvollen Tod“, mit diesen Worten ging ich. Klack, klack, klack. Das Geräusch des Triumpfes. Kapitel 18: Du hast dich nicht verändert ---------------------------------------- Gewissen. Was ist ein Gewissen? Hat jeder Mensch ein Gewissen oder gibt es da Ausnahmen? Wann schaltet sich das Gewissen ein? Und ab wann spürt man Reue? Ich ging von der Fabrikhalle schnurstracks zum Bahnhof. Ich kaufte mir einen Kakao to go und zwei Laugenbrötchen für die Fahrt. Dann kaufte ich eine Fahrkarte von Heidelberg nach Hamburg. Damit war ein Großteil meines Bargeldes, was ich bei meiner Entlassung erhalten hatte, aufgebraucht. Doch das störte mich nicht weiter. Ich ging auf den Bahnsteig und wartete auf den Zug. Ich sah mich um. Überall Menschen. Menschen und ihre Probleme. Menschen und ihr Egoismus. Wie sich mich alle anwiderten. Wenn sie wüssten, was ich gerade getan hatte, was ich noch tun würde, dann wäre ihre heile Welt zerbrochen. Sie denken es geht ihnen so schlecht und nehmen nichts von ihrer Umgebung richtig war. Elendes Gesindel. Aber ich konnte sie nicht alle umbringen. Ich musste mich auf die wichtigsten Personen beschränken. Einen konnte ich von meiner Liste streichen. Er müsste zwar noch leben, aber das war nur noch eine Frage der Zeit. Fröhlich trank ich einen Schluck meines Kakaos. Der Zug fuhr in den Bahnhof ein und hielt. Ich stieg ein und suchte mir einen Platz. Ich hatte jetzt genug Zeit, um mich erst mal richtig auszuruhen. Ich trank meinen Kakao und aß meine Laugenbrötchen, ehe ich meine Augen schloss und bis Hamburg durchschlief. Ich wurde zwischenzeitlich nur einmal vom Schaffner geweckt, zeigte meine Fahrkarte vor und schlief weiter. In Hamburg stieg ich aus, entledigte mich meines Kakaobechers und machte mich auf den Weg zu Davids Wohnung. Ich hoffte bei ihm nicht so ein Problem zu haben, ihn zu finden, wie bei Frank, da ich nicht glaubte erneut so viel Glück zu haben. David wohnte tatsächlich noch in der selben Erdgeschosswohnung, in der er auch vorher schon lebte. Ich ging die Straße entlang und freute mich über diese Tatsache. Es war ein wunderschöner Tag. Die Sonne schien, die Blumen blühten. Alles schien perfekt. Ich kam vor seiner Tür an und zögerte. Sollte ich einfach so klingeln? Bevor ich genauer darüber nachgedachte hatte, war meine Hand schon nach vorne geschellt und hatte den Klingelknopf gedrückt. Mir stockte der Atem und ich lauschte. Nach einer Weile hörte ich Schritte, dann wurde die Tür geöffnet und David stand vor mir. Er hatte sich nicht verändert. Er sah immer noch umwerfend aus, mit seinen schulterlangen schwarzen Haaren und seinen blauen Augen. Seine Augen weiteten als er mich sah. Mit einiger Genugtun erkannte ich Angst in ihnen. Ich versuchte unverbindlich zu lächeln. „Hey“, meinte ich. „Hey“, antwortete er vorsichtig. Ich schluckte. Die Situation war mir leicht unangenehm. „Ja also, ich wurde entlassen. Ich bin gekommen, um mich für damals zu entschuldigen“ Oh man klang das dumm, doch mir fiel einfach keine bessere Formulierung ein. Er sah mich immer noch argwöhnisch an. „Keine Sorge ich bin nicht mehr gefährlich. Ich möchte einfach nur mit dir reden“. Eine eiskalte Lüge. Doch sie ging mir erstaunlich leicht und überzeugend von den Lippen. David zögerte noch immer, doch am Ende stimmte er zu mit mir Essen zu gehen. Ich merkte, dass er mich nicht allein mit zu sich in seine Wohnung nehmen wollte, sondern einen Schauplatz voller Menschen vorzog. Am Ende landeten wir in einem chinesischen Restaurant. Voller Erwartung betrachtet ich die Speisekarte. Ich hatte so lange kein richtiges Mittagessen mehr. Ich legte mir die Lippen allein beim Gedanken an das köstlich zu bereitete essen. David bemerkte das. „Gab wohl nicht allzu gutes Essen, da wo du herkommst“, meinte er vorsichtig. Er vermied es eindeutig Wörter wie Klapse oder psychiatrische Anstalt zu benutzen. Ich schüttelte den Kopf. Wir bestellten und sahen uns dann lange an. Erst schwiegen wir. Dann als hätte er seit langer Zeit alles in sich hineingefressen, fing er an zu reden. Wie leid ihm das Missverständnis von damals täte, wie erschrocken er über meine Reaktion gewesen sei. Dann war ich dran mit entschuldigen. Und ob man es glaubte oder nicht, ich tat es aus vollem Herzen. Kapitel 19: So leichtgläubig ---------------------------- Wir hatten lange geredet, dabei gegessen und getrunken. Nun standen wir vor seiner Tür und sahen uns schweigend an. „Nun ähm“, fing David an, „wolltest du noch mit reinkommen?“ Ich lächelte. „Gerne“. Er schloss die Tür auf und lies mich herein. Ich zog meine High heels aus und stellte sie zu seinen Schuhen. Ich fand es gab ein schönes Bild. So hätte es immer sein sollen. Wieder durchdrang mich eine besitzergreifende Wut, doch ich drängte sie zurück. Ich durfte mich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Wir gingen ins Wohnzimmer. Wie vertraut mir doch alles war. Es hatte sich nichts verändert. Ich erschrak als mich etwas am Bein berührte. Lina strich um meine Beine. Ich ging in die Knie und kraulte sie. Sie lies es zu und schnurrte zufrieden. Ich richtete mich wieder auf. David stand direkt vor mir und sah mir direkt in die Augen. Diese Augen. Sie hatten mich schon immer fasziniert. Sie waren mir selbst in der Psychiatrie am deutlichsten in Erinnerung geblieben. Es war wieder diese Magie in dem Moment. Diese Magie, die ich lange Zeit nicht mehr verspürt hatte. Unbewusst kamen wir uns näher. Sanft legte er seine Lippen auf die meinen und küsste mich sanft. Irgendetwas lief hier ganz und gar nicht richtig. Ich war hier, um ihn zu bestrafen und jetzt? Doch dann schoss mir ein neuer Gedanke durch den Kopf. Sollte er sich doch sicher fühlen, sollte er weiterhin denken, dass mit mir alles in Ordnung sei. Sanft erwiderte ich den Kuss. Es war okay. Eine Nacht konnte ich das ganze aufschieben. Es kam wie es kommen musste. Angestaute Emotionen bei uns beiden. Das Gefühl der Entbehrung, die Sehnsucht, alles führt dazu, dass wir schließlich in seinem Bett landeten. Begierig zog er mir erst mein Top und als nächstes meine Hose aus. Seine Hände waren überall. Sie bedeckten jede Stelle meines Körpers. Ich zog ihm sein Shirt aus und zog scharf die Luft ein beim Anblick seines nackten Oberkörpers. Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn sah, doch jedes Mal nahm er mir die Luft weg. Mit leicht zitternden Händen öffnete ich seine Hose und zog sie ihm aus. Es dauerte nicht lange bis sich unsere Körper vereinten. Eng aneinander gekuschelten lagen wir da. Sanft streichelte er über meinen Rücken. Ich schloss die Augen. Es war einfach zu perfekt. So hätte es immer sein sollen. Ich wollte jede Nacht in seinen Armen einschlafen. Jeden Morgen neben ihm aufwachen. Die Wahrheit wurde mir schlagartig bewusst. Ich liebte David noch immer. Ich konnte ihn nicht umbringen. Ich wollte mein Leben mit ihm verbringen. Eine Träne lief mir über mein Gesicht. „Hey Süße was ist denn los?“ David sah mich an. Ich schüttelte nur den Kopf. Ich konnte nichts sagen. Ich konnte es nicht. Ich konnte es einfach nicht. Ich konnte ihm nicht wehtun. Mir wurde noch etwas anderes bewusst. Ich hatte Frank zu Unrecht umgebracht. Ich wollte mit David zusammen sein. Ich liebte David. Und er hatte uns theoretisch zusammengebracht. Durch ihn kam ich in die Band und daher lernte ich David kennen. Ich schluchzte laut und immer mehr Tränen liefen mir übers Gesicht. Das hatte ich doch alles nicht gewollt. David hatte mich fest in den Arm genommen und wiegte mich sanft hin und her. „Lass es raus, lass es einfach raus“, murmelte er. Er war überfordert mit mir. Doch er gab sich Mühe. Dies führte wieder zu einer neuen Sinnflut aus Tränen. Das einzig tröstliche war, dass er bei mir war. Das ich hier in seinen Armen lag. Irgendwann konnte ich keine Träne mehr weinen. Ich war innerlich leer. Noch später schlief ich ein. Kapitel 20: Ruhe der Vergangenheit - Part 8 ------------------------------------------- Er lachte hohl auf. „Du glaubst ich hätte dich geliebt?“ Er lachte lauter. „oh man du bist echt naiv. Ich habe dich nicht geliebt. Das habe ich nie getan. Aber du warst eine gute Bettgefährtin, dass muss man dir schon lassen“. Ich schluchzte. Tränen liefen mir übers Gesicht. Ich wollte das alles nicht hören. Wollte das er aufhört. Warum konnte er nicht einfach ruhig sein? Ich hatte es gewusst. Ich hatte es von Anfang an gewusst. Er sah einfach zu gut aus, um mich lieben zu können. Es war von Anfang an einfach zu unrealistisch. Er der gutaussehende bei allen beliebte Junge und ich das graue Mäuslein, dass allgemein als Opfer galt. Ich sah, wie seine Kumpels etwas abseits standen und breit grinsend zu uns rüberblickten. Ich hatte keine Kraft mehr. Fühlte mich leer und ausgenutzt. Ich wollte nur noch weg von hier. Doch ich konnte mich nicht rühren. Immer tiefer Schnitten seine Worte wie Messer in mein bereits sehr vernarbtes Herz. Wie hatte ich nur so dumm sein können und ihn vertrauen? Wieso hatte ich auf mein Herz und nicht auf meinen Verstand gehört? Wieso hatte ich meine Zweifel nur auf meine Minderwertigkeitskomplexe geschoben? Wo sie doch so richtig waren. Sein Lachen hallte mir in den Ohren. Ich hielt sie mir zu, doch es half nichts. Ich schreckte hoch. Ich atmete schwer. Ich sah mich um. David lag neben mir, friedlich schlafend. Ich strich mir einmal über mein Gesicht. Dann stand ich auf und ging ins Badezimmer. Leise, um David nicht zu wecken. Im Badezimmer lies ich mir kaltes Wasser über das Gesicht laufen. Das beruhigte mich etwas, doch lies mich nicht vergessen. Ich stand noch ein paar Minuten vor dem Spiegel und betrachtete mich. Ich sah schlimm aus. Meine Augen waren vom vielen Weinen gestern verquollen. Ich ging in die Küche und setzte Wasser auf. Dann begab ich mich auf die Suche nach Tee. David hatte umgeräumt. Diese Tatsache wurde mir schmerzlich bewusst. Er hatte seine Küche umgeräumt. Ohne mich. Ohne das ich ihm dabei helfen konnte. Das ich ihm wertvolle Ratschläge geben konnte. Doch was hatte ich erwartet? Das er aufhören würde zu leben? Letztendlich fand ich den Tee und nahm mir einen Teebeutel und eine Tasse und goss das inzwischen aufgekochte Wasser darüber. Ich setzte mich mit meiner dampfenden Tasse an den Küchentisch und zog die Beine an. Ich dachte an meinen Traum. Wenn es doch nur ein normaler Traum gewesen wäre. Doch es ging um Dinge, die ich vergessen hatte. Nein, nicht vergessen. Verdrängt! Maurice. Er war Schuld. Er hatte mich damals nur benutzt gehabt. Er war der Grund für einige tiefe Narben in meinem Herzen. Doch anstatt der zu erwartenden Wut, stieg wieder nur tiefe Traurigkeit in mir hoch. Ich konnte nicht mehr weinen. Meine Tränen hatte ich alle geweint. Doch vielleicht wäre es einfacher gewesen, wenn ich hätte weinen können. Doch es ging nicht. Zusammen gekauert saß ich noch immer auf dem Stuhl in der Küche als David erwachte. Mein Tee stand unangerührt und inzwischen kalt neben mir. Er sagte nichts, nahm mich einfach nur in den Arm und hielt mich fest. Ich war ihm sehr dankbar dafür. Er spürte intuitiv, dass ich jetzt nicht reden wollte, sondern Trost brauchte. David. Er war so anders als Maurice damals. Viel zärtlicher. Er sah mich nicht nur als Ding an. Als Mittel zum Zweck. Und doch hatte ich ihn nicht verdient. Ich hatte niemanden verdient. Als ich mich wieder beruhigt hatte, legten wir uns wieder hin. Wenigstens ein bisschen Schlaf wollten wir uns noch gönnen. David nahm mich wieder fest in den Arm. Ich kuschelte mich an ihn. Seine Nähe war tröstlich und sein Griff vermittelte mir, egal was kam er war für mich da. Mit diesem Wissen schlief ich wieder ein. Kapitel 21: Neustart! Oder doch nicht? -------------------------------------- Ein stürmisches Klingeln riss uns am späten Vormittag entgültig aus dem Schlaf. Ich sah David an. Er sah mich mit dem gleichen verwirrten Blick an, demnach wusste er auch nicht, wer dort an der Tür war. „Wer kann denn das sein?“, fragte ich trotzdem. Er zuckte mit den Schultern. Seufzend schlug ich die Decke beiseite und stand auf. Schnell zog ich mir etwas über, denn derjenige, der an der Tür war, klingelte schon wieder Sturm. „Ja, ja ich komm ja schon“, murmelte ich und ging zur Tür. Ich öffnete sie und stand vor Timo. „David, dass musst du...“, fing er an, doch dann realisierte er, wer vor ihm stand. „Du!“, sagte er mit einem innerhalb von Sekunden von aufgewühlt zu wütend wechselndem Gesichtsausdruck. Ich sah ihn fragend an, wusste erst nicht, was dieser Wandel zu bedeuten hatte. Da stieß er mich auch schon hinein. Ich taumelte und fiel gegen die Wand. „Du! Was machst du hier? Vergreifst du dich schon wieder an David? Hast du nicht schon genug Unheil angerichtet?“, schrie er. Für einen Moment war ich entsetzt. Konnte er das mit Frank wissen? Nein, woher denn beruhigte ich mich. Ich wollte mir meinen schmerzenden Hinterkopf reiben, da sah ich aus den Augenwinkeln, wie Timo erneut auf mich losgehen wollte. Instinktiv nahm ich eine Schutzhaltung an und igelte mich ein. Doch in diesem Augenblick schritt David ein, der sich wohl nach Timos Geschrei und dem Lärm, den wir veranstaltet hatten, doch aus dem Bett bewegt hatte. „Timo!“, rief er und hielt ihn fest. Timo sah etwas verwirrt aus. „David ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte er. „Ja natürlich wieso auch nicht?“ „Weil dich diese Psychopathin schon wieder angegriffen hat“, meinte Timo immer noch verwirrt, warum David ihn davon abhielt auf mich einzuschlagen. „Sie hat mich nicht angegriffen, sie hat sich entschuldigt. Ihr geht es wieder gut, also beruhige dich bloß!“. Timo beruhigte sich tatsächlich ein bisschen. Zumindest so viel, dass David ihn wieder loslassen konnte und zu mir ging. „Alles okay?“, fragte er sanft und half mir auf. Ich nickte schwach. Dann fühlte ich doch meinen schmerzenden Hinterkopf. Zumindest blutete er nicht. „Ich glaub ich brauch ein Kühlkissen“, seufzte ich. David stützte mich und wir gingen ins Wohnzimmer. Er half mir, mich auf die Couch zu setzen und ging, um ein Kühlkissen zu holen, nicht ohne Timo noch einen warnenden Blick zu zuwerfen, der uns gefolgt war. Immer noch misstrauisch setzte er sich mir gegenüber. „Also du bist also entlassen worden“, fragte er ganz sachlich. Ich nickte, doch dadurch dröhnt mein Kopf nur noch mehr. Also entschied ich mich zu antworten: „Ja bin ich“. Er nickte. „Warum?“, fragte er dann. Ich überlegte kurz. Was sollte ich jetzt sagen? Das ich sie alle mit Hilfe meiner Schauspielkünste auf meine Seite gezogen hatte? Nein das war undenkbar. „Na ja ich hab damals einen Fehler gemacht. Ich hatte mich nicht unter Kontrolle. Aber jetzt habe ich das gelernt. Jetzt passiert so was nicht mehr“, versuchte ich zu erklären. Und Timo schien mir, zumindest teilweise zu glauben. Ich fasste es nicht. Sie waren doch alle mehr als leichtgläubig. Sie wollten die Schlechtigkeit der Menschen nicht sehen. Selbst wenn sie ihnen direkt gegenübersitzt. David kam zurück. Er gab mir das Kühlkissen und setzte sich neben mich. Ich hielt es auf meine schmerzende Stelle und zuckte zusammen. Es tat immer noch weh. Timo schien das ganze jetzt doch etwas peinlich. „Hey, ähm, tut mir leid, dass ich einfach so auf dich los gegangen bin. Ich hatte nur Angst um David“, entschuldigte er sich. „Ist ja auch verständlich“. Ich versuchte zu lächeln, doch es gelang mir eher weniger. „Ich meine, so wie ich mich das letzte Mal verhalten habe“. Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. „Sag mal Timo, was ist der eigentliche Grund für deinen Besuch? Ich meine es schien ja ganz schön dringend, so wie du uns vorhin aus dem Schlaf geklingelt hast“, mischte sich jetzt David ein. Er legte einen Arm um mich und ich kuschelte mich etwas an ihn. Timo schien etwas verwirrt von dieser Geste, fasste sich aber dann gleich wieder. „Frank wird vermisst“, meinte er dann. Ich sah David an, dass er ziemlich geschockt war. „Wie vermisst?“, fragte er dann. „Er ist seit zwei Tagen nicht nach Hause gekommen. Seine Freundin hat vorhin bei mir angerufen. Sie hat gehofft, dass er vielleicht bei einem von uns wäre“. David drückte mich automatisch enger an sich. Fast als könnte ich auch auf einmal verschwinden. „Aber wo könnte er denn sein? Ich meine Frank haut doch nicht einfach so ab, oder?“, fragte David. Timo zuckte mit den Schultern. „Ganz ehrlich? Ich bezweifle, dass er abgehauen ist“. Ich sah David an, dass er erst nicht wusste, was Timo meinte. Doch dann kam die Erkenntnis: „Du meinst, doch nicht, dass er? Nein, doch nicht Frank! Ich meine, er ist doch ein großer, ziemlich kräftiger Mann. Wer sollte denn?“. Timo zuckte wieder mit den Schultern. „Ich weiß nicht wer. Ganz ehrlich nicht.“ Doch ich bemerkte eindeutig, dass er mir wieder einen prüfenden Blick zuwarf. Also tat ich so, dass mich das ganze auch ziemlich erschütterte. Immerhin kannte ich Frank ja doch ein wenig. Das schien ihn zu überzeugen. David war noch immer ganz entsetzt. Ich legte mein Kühlakku zur Seite und nahm ihn in den Arm. Mein Schädel brummte zwar immer noch ziemlich stark, aber das war meine Chance, um David wenigstens ein bisschen von gestern Nacht wiederzugeben. Die beiden debattierten noch eine ganze Weile hin und her. Doch sie kamen einfach zu keinem Schluss, was mich sehr beruhigte. Letztendlich ging Timo wieder. Wir begleiteten ihn noch bis zur Tür. Er umarmte David zum Abschied und sah dann mich an. „Und noch mal Sorry wegen dem Angriff vorhin“. Ich nickte. „Schon okay, ich bin nicht nachtragend“, meinte ich und schaffte sogar ein kleines Lächeln. Er schien etwas mit sich zu ringen, doch dann nahm er mich auch in den Arm. Ich war erst etwas überrascht, doch dann lächelte ich und strich ihm etwas über den Rücken. „Ich hab dich vermisst, kleines“, flüsterte er in mein Ohr. Mein Lächeln wurde festern und sicherer. „Du hast mir auch gefehlt“, flüsterte ich zurück. Jetzt lächelte er auch. Dann löste er sich wieder von mir und ging. Ich schloss die Tür hinter ihm und merkte dann, wie mich zwei Arme von hinten umfassten. Ich lächelte und strich über die Arme. David schaukelte mich sanft hin und her. Dann drehte ich mich um und sah ihn an. „Weißt du, was ich heute noch gar nicht bekommen habe?“, fragte ich lächelnd. Er sah mich fragend an. „Du hast mir heute noch keinen Guten-Morgen-Kuss gegeben“. Er grinste. Dann beugte er sich zu mir runter. Sanft legte er seine Lippen auf meine und küsste mich sanft. „Guten Morgen“, lächelte er dann. „Morgen“, lächelte ich zurück. Wieder zog er mich in seine Arme. Ich drückte mich leicht an ihn. Dann gingen wir in die Küche, wo er ein Frühstück für mich zauberte. Wir aßen schweigend. Ich spürte, dass die Sache mit Frank ihn immer noch ziemlich nah ging und hatte wieder diese Schuldgefühle. Doch ich konnte nichts rückgängig machen. Also beschloss ich wenigstens unsere Zukunft sicherer zu gestalten. „Willst du das wirklich tun?“, fragte mich David. Ich nickte. Mein Entschluss stand fest. „Pass auf dich auf“, meinte er und küsst mich noch mal sanft. Ich erwiderte den Kuss. Ich konnte einfach nicht genug von seinen Küssen und Umarmungen bekommen. „Natürlich pass ich auf mich auf“, lächelte ich, „kennst mich doch“. Er murmelte etwas, wie ‚das ist ja das schlimme’, doch ich ging nicht näher drauf ein. Dann ging ich los. Mein Ziel die Bundesagentur für Arbeit. Ich wollte mir einen Arbeitsplatz suchen. Denn wieder ins Showbusiness wollte ich nicht einsteigen. Hochmotiviert kam ich an. Und bekam eine bittere Enttäuschung. Seufzend lies ich mich vorm Amt auf eine Bank sinken. Kein Schulabschluss und einen Aufenthalt in der Klapse. Ja ein wunderbarere Lebenslauf. Ich wusste selbst, dass ich eigentlich keine Chance hatte. Doch es noch einmal gesagt zu bekommen, war hart. Ich überlegte wie es jetzt weitergehen sollte. Ich wollte einen Neuanfang starten. Mit meinem alten Leben abschließen. Doch schon der erste Schritt, den ich unternahm wurde so vernichtend geschlagen. Ich bemerkte auf der anderen Straßenseite ein kleines Café. Es sah sehr einladen aus. Ich beschloss dort weiter nachzudenken. Ich überquerte die Straße und spähte hinein. Dann bemerkte ich den Namen. ‚Das Lesbencafé’. Ich seufzte. Nein, da wollte ich nun doch nicht rein. Doch dann bemerkte ich ein mir wohlbekanntes Gesicht. Natalie. Eine der Tussen, die mich in der Schule immer gemobbt hatten. Ich überlegte. Neustart? Oder vorher mit meiner Vergangenheit abschließen? Kapitel 22: Ein bisschen bi schadet nie --------------------------------------- Menschen verändern sich. Und Menschen vergessen. Doch die Vergangenheit ruht nie! Nach kurzem Zögern betrat ich das Café. Ich wusste selbst nicht genau, was ich hier tat, doch etwas zog mich hinein. Ich sah mich kurz um und bemerkte, dass alle Tische besetzt waren. Ich bemerkte ein paar Blicke und fühlte mich doch etwas unwohl. Ich ging zu der Ecke, wo Natalie saß. Ich setzte ein unbefangenes Lächeln auf und sprach sie an. „Hey, dürfte ich mich zu Ihnen setzen? Es ist ja alles voll hier“. Sie lächelte und bot mir sofort einen Platz an. Sie schien sich überhaupt nicht an mich zu erinnern. Ich bestellte mir einen Kakao und sah sie dann an. Sie bemerkte meinen Blick und wurde leicht rot. Ich hatte sie innerhalb einer Minute durchschaut. Sie war lesbisch, kam damit soweit ganz gut klar, fühlte sich aber einsam und suchte Nähe. Dabei war es ihr ganz egal, wann und wie viel. Hauptsache die Einsamkeit verschwand für eine kurze Zeit. Ich musste ein Grinsen unterdrücken. Perfekt. Ich wollte zwar nichts von Frauen und ich liebte David über alles. Aber bekanntlich schadet ein bisschen bi ja nie. Ich bekam meinen Kakao und lächelte sie wieder an. „Und wie heißt du?“, fragte ich ganz unbefangen. „Natalie“, antwortete sie, „aber du kannst mich ruhig Nata nennen“. Ich musste mir erneut ein Lächeln verkneifen. Ich lag mit meiner Einschätzung ihres Wesens richtig. Wer hätte das gedacht? Die Tusse, ja fast die Schlampe, die fast den halben männlichen Anteil der Schule gevögelt hatte, war lesbisch und einsam. Das war einfach zu komisch. Ich zwang mich erneut ein Lächeln aufzusetzen und trank einen Schluck meines Kakaos. Dann drückte ich meine Beine etwas gegen ihre. Sie zuckte erst leicht zusammen, dann lächelte sie selig und erwiderte den Druck. Eine Stunde später verließen wir zusammen das Café. Sie sah mich etwas unsicher an, dann schien sie sich überwunden zu haben und fragte: „Zu mir oder zu dir?“. „Zu dir“, antwortete ich sofort. Bei mir wartete immer noch David auf mich. Ich beschloss ihn kurz eine SMS zu schreiben, damit er sich keine Sorgen machte. Während wir zu Natalie gingen, tippte ich: Hey, ich hab noch eine alte bekannte getroffen. Bin noch mit ihr etwas unterwegs. Nur damit du Bescheid weißt. Ich liebe dich über alles! :*** Kurze Zeit später kamen wir bei ihr an. Sie kramte nach ihrem Schlüssel und ich sah, dass David geantwortet hatte. Alles klar. Hab Spaß! Ich liebe dich noch viel mehr! :* Natalie schloss auf und ich betrat ihre Wohnung. „Keine Sorge meine Mutter ist nicht da“, versicherte sie mir schnell. Ich lächelte. „Gut“, meinte ich dann. Doch aus einem anderen Grund als sie dachte. Wir gingen in ihr Zimmer und ich bemerkte, dass sie immer unsicherer wurde. Ich nahm sie von hinten in den Arm. „Ganz ruhig“, hauchte ich ihr ins Ohr und wunderte mich gleichzeitig, wie ich so ruhig bleiben konnte. Sie drehte sich zu mir um und küsste mich. Es war schon ein komisches Gefühl von einem anderen Mädchen geküsst zu werden. Doch nicht so unangenehm, wie ich gedacht hätte. Doch es löste in mir nichts aus. Kein Gefühl, keine Regung, nichts. Doch ich war Schauspielerin. Ich konnte alles verkörpern. Langsam wurden ihre Küsse immer fordernder. Ich erwiderte und fuhr dann mit meinen Händen unter ihr Top. Ich wollte es hinter mich bringen. Ich war überrascht, wie weit ich ging. Wir lagen nackt auf ihrem Bett und erkundeten den Körper des jeweils anderen. Ich wusste nicht genau, was als nächstes kommen würde. Doch dann wanderte ihre Hand immer weiter runter zu meiner Schamgegend. Da erwachte wieder etwas in mir. Es wurde mir eindeutig zu intim. Nur David hatte das Recht so was mit mir zu machen. Aus dem Augenwinkel sah ich auf ihrem Nachttisch ein Nagelpflegeset liegen. In Sekundenschnell hatte ich mir die Nagelpfeile und die Schere geschnappt und begann auf Natalie einzustechen. Sie schrie auf, schlug um sich und versuchte sich in Sicherheit zu bringen. Doch ich war in einer Art Trance. Stand vollständig unter Adrenalin. Wie eine Irre stieß ich immer wieder auf sie ein. Schon nach kurzer Zeit hörte sie auf sich zu wehren. Ich stieß noch weiter auf sie ein. Blut rann ihr über den gesamten Körper. Ich spürte wie ihr Puls immer schwächer wurde. Ich sah ihr tief in die Augen und meinte: „Die Vergangenheit ruht nie!“ Ich sah wie sich ihre Pupillen weiteten. Sie hatte sich endlich an mich erinnert. Ich setzte die Schere an ihre Kehle und schnitt ihr langsam die Halsschlagader auf. Blut spritze mir nur so entgegen. Ein Blutschwall, der nicht zu stoppen war. Ich stand auf und wusch mir das Blut ab. Dann zog ich mir meine Sachen wieder an, die erstaunlicherweise nichts abbekommen hatten. Ich entfernte alle Spuren, die auf mich hätten deuten können. Dann ging ich. Klack, klack, klack. Mit dem Geräusch des Triumphes. Kapitel 23: Baden mit Era ------------------------- Etwas erschöpft kam ich zu Hause an. Ich nannte Davids Wohnung mein Zuhause, weil ich mich dort genau so fühlte. David erwartete mich bereits. „Und hast du Spaß gehabt?“, fragte er mich lächelnd. Ich sah ihn erst etwas geschockt an. Was meinte er damit? Doch dann fiel mir ein, dass ich ihm geschrieben hatte, dass ich mit einer alten Bekannten unterwegs war. Ich lächelte. „Ja ich hatte... Spaß“, meinte ich und zog meine Schuhe aus. David beobachtete mich dabei, dann meinte er: „Ich habe eine Überraschung für dich“. Ich sah ihn an. Es war nur ein Satz, den er gesagt hatte, aber ich war richtig neugierig geworden. „Eine Überraschung? Für mich?“. Er nickte und lächelte auf diese einzigartige Davidart. Er stellt sich hinter mich und hielt mir die Augen zu. Dann führte er mich in einen Raum. Ich spürte den Boden unter meinen nackten Füßen und registrierte, dass es das Badezimmer war. David schloss die Tür hinter uns. Dann nahm er seine Hand weg und ich sah die Überraschung. Er hatte Badewasser in die Wanne einlaufen lassen und Rosenblätter darauf verteilt. Doch das ganze ging noch weiter. Er hatte im gesamten Raum Rosenblätter verteilt. Auf dem Fußboden, in der Fensterbank, im Waschbecken, auf dem Toilettendeckel, einfach überall. Außerdem standen überall kleine Teelichter. Ich ging einen Schritt vor und ein paar Flammen flackerten durch den Luftzug. Ich drehte mich zu David um. Ich brachte keinen Ton heraus, so seht hatte mich das alles überwältigt. David schien trotzdem zu verstehen, was ich ihm sagen wollte. Er lächelte. Dann bückte er sich und stellt die Stereoanlage, die er dort platziert hatte an. Ich lauschte und was überrascht als ich die sanften Töne von Era hörte. Woher wusste David wie gerne ich dieses Musikprojekt hörte? Looking for something Something new Something good Something fast Something exciting Er ging zu mir und küsste mich sanft. Ich erwiderte. Es war einfach unfassbar. Ein wahrgewordener Traum. Looking for something Something warm Something real something strong Something exciting Langsam zog er mir mein Oberteil aus. Seine Hände lösten auf meiner Haut eine Gänsehaut aus. Es war etwas ganz anderes als vorhin. Es war wunderschön. Looking for something I wanna cherish something I wanna feel Something warm Something real Something exciting Ich zog ihm auch sein Oberteil aus. Wie immer beim Anblick seines Oberkörpers zog ich die Luft ein. Das Lied wechselte. Gratias agimus Agimus tibi Propter magnam gloriam Propter gloriam tuam Domine Deus, Rex coelestis Oh Domine Deus! Pater omnipotens Ich erkannte den Anfang von Don’t go away. Ich lächelte. ‚Ja’ dachte ich mir ‚don’t go away David’. Don't go away, don't go away Forever and ever we'll go on Don't go away, don't go away There's no other place where you belong Don't go away Wir küssten uns weiter. Ich zog ihn enger zu mir. Ich konnte nicht genug von seiner Nähe bekommen. Geschickt öffnete er meinen BH. Dann machte er sich an meiner Hose zu schaffen. Oh Domine Deus! Pater omnipotens Oh Domine Deus! Pater omnipotens Er zog sie mir aus. Dann streifte er mir meinen Slip ab. Don't go away, don't go away Forever and ever we'll go on Don't go away, don't go away There's no other place where you belong Don't go away, don't go away I've given to you, babe, all my love Don't go away, don't go away Forever and ever we'll go on Jetzt öffnete ich seine Hose und zog sie ihm mitsamt seiner Boxershort aus. Ich sah ihn an und wir verfielen wieder in einen langen Kuss. Dann wechselte wieder das Lied. Eine Kinderstimme meldete sich. Mom's sick, she say she can’t get up. My little brother is getting hungry. I must go to the village and ask for some food. Would you help me? -Sure Connie, I'll help you. -I always feel good when you're with me. -You're my friend, Connie. -Are you always gonna be there when I grow up, are you? -Cross my heart. David hob mich hoch und trug mich zur Wanne. Langsam und vorsichtig lies er mich in das Warme Wasser runter. Don't you forget about me, don't you forget about me. We were soft and young, in a world of innocence. Don't you forget about me, don't you forget all of our dreams. Now you've gone away, only emptiness remains Dann folgte er mir. Langsam lies er sich hinein gleiten. Ich kuschelte mich an ihn und er legte einen Arm um mich. -I always feel good when you're with me. -You're my friend, Connie. -Are you always gonna be there when I grow up, are you? Ich fühlt mich wohl und geborgen. Es war einfach perfekt alles. So könnte das Leben immer sein. Don't you forget about me, don't you forget about me. We were soft and young, in a world of innocence. Don't you forget about me, don't you forget all of our dreams. Now you've gone away, only emptiness remains. Don't you forget about me, don't you forget about me. Ich liebte dieses Lied. Es war einfach nur wunderschön. Tränen stiegen mir ins Gesicht. David sah mich an. „Hey“, sanft strich er über meine Wange, „was ist los?“. Ich sah ihn an. „Es ist nur alles so wunderschön“, meinte ich. Er lächelte und küsste meine Nasenspitze. Sanft streichelte er über meine Seite. Ich schloss die Augen und vergas alles andere. In diesem Moment gab es nur David, mich und die leise Musik von Era. Don't you forget about me, don't you forget about me. We were soft and young, in a world of innocence. Don't you forget about me, don't you forget all of our dreams. Now you've gone away, only emptiness remains. Don't you forget about me! We were soft and young, in a world of innocence… Kapitel 24: Streiten ist menschlich ----------------------------------- Leise prasselte der Regen auf mich nieder. Es war ein Sommerregen und somit relativ warm. Trotzdem zitterte ich am ganzen Körper. Tränen rannen mir über die Wange. Heiß und salzig und vermischten sich mit dem Regen. Ich war bereits bis auf die Haut durchnässt. Doch ich spürte nichts. Nur einen bohrenden Schmerz tief in mir. Eine alte und doch sehr tiefe Wunde war wieder aufgeplatzt. Ich hatte sie das letzte Mal gespürt, als ich David damals mit der anderen Frau beim Tanzen erwischt hatte. Ich griff an die Stelle an der mein Herz schmerzhaft pochte. Ich rang um Luft. Das schlimmste am weinen ist das Gefühl zu ersticken. Und genau das befürchtete ich gerade. Doch was wäre daran so schlimm? Einfach aufhören zu atmen und hier liegen bleiben. Hier, wo alles begann. Nie wieder spüren, nie wieder fühlen. Ich lies mich auf die Knie fallen. Der Boden unter mir war vom Regen bereits zu Matsch geworden. Meine Hose würde hinterher ruiniert sein, doch das war mir egal. Ich war lange nicht mehr hier gewesen. Das letzte Mal als ich David kennen lernte. Hier beim Grab meines Vaters. Es war ungepflegt. Bestimmt war in meiner Abwesenheit niemand hier gewesen, um das Unkraut zu entfernen und neue Blumen einzupflanzen. Ich legte mich hin. Der Boden rutschte unter meinem Gewicht weg und ich hatte für einen kurzen Moment das Gefühl als würde mich der Boden in sich aufnehmen wollen. Als würde sich ein Loch unter mir auftun und der Schlamm um mich herum würde sich über mich spülen und mich einhüllen. Wie ein Embryo im Mutterleib umhüllt vom schützendem Fruchtwasser. Dort war man sicher und geschützt. Dort gab es keine Fehler und Missachtungen. Keine Streits und Beleidigungen. Keinen Krieg und Tod. Keinen Mord und Totschlag. Nur den Schutz des Fruchtwassers. Ich zog meine Beine an und rollte mich zusammen wie ein Embryo. Ich wollte auch beschützt werden. Keine Sorgen mehr haben. Und ich wollte nicht mehr fühlen. Nie wieder Schmerzen erleiden. Doch natürlich konnte mir diesen Wunsch niemand erfüllen. Ich schluchzte nur noch heftiger. Wie zu jeder Zeit in meinem Leben gab es immer einen Song der mir zu meiner Situation einfiel. Und ausgerechnet jetzt fiel mir Save me von Remy Zero ein. Ich hielt mir die Ohren zu. Ich wollte es nicht hören, doch die Melodie hatte sich bereits in meinem Kopf festgesetzt. Somebody save me! Let your warms hand break right through Somebody save me! I don’t care how you do It just stay, stay. Come on, I’ve been waiting for you… Ich schrie auf, um den Song aus meinem Kopf zu bekommen. Doch das einzige, was ich damit bewirkte, war das sich schnelle Schritte näherten. Ich überlegte, ob ich mir wünschte es sei David. Doch ich hätte es wohl nicht ertragen, dass er mich wieder in so einem Zustand vorfindet. Was mussten wir uns auch streiten. Das war doch überflüssig gewesen. Aber wie es so war. Wir hatten unterschiedliche Meinungen und weil keiner nachgeben wollten, hatten wir sie uns am Ende in ziemlich beleidigendem Ton an den Kopf geschrieen. Ich sah auf. Die faszinierenden Augen, die ich sah, kamen mir sehr bekannt vor. Ich wusste augenblicklich, wen ich vor mir hatte. Schöne blaue Augen und schwarze Haare. Maurice. Kapitel 25: Who wants to live forever? -------------------------------------- Ich war unfähig zu sprechen. Das konnte einfach nicht wahr sein. Nach all der langen Zeit, nach all den vergangenen Jahren begegnete ich ihm nun hier. Auf dem Friedhof vor dem Grab meines Vaters. Doch dann fiel mir noch zwei Sachen auf, die merkwürdig waren. Erstens, ich begegnete ihm hier, wo ich auch David das erste mal getroffen hatte. Zwar war die Situation diesmal noch extremer, aber im Kern die gleiche. Zweitens, ich hatte gerade noch einen seh hartnäckigen Ohrwurm von dem Titelsong der Serie Smallville gehabt. Und jetzt stand mir Maurice gegenüber, der schon immer große Ähnlichkeiten mit Tom Welling, der in der Serie den Clark Kent spielte, hatte. Das war einfach zu viel. Was hätte ich auch sagen sollen. Meine Position sprach eindeutig für sich. Vorsichtig schob Maurice seine Arme unter meinen Körper und hob mich hoch als wäre ich eine Puppe. Ich wusste, dass er nicht Clark Kent, der angehende Superman, war, doch für ein paar Augenblicke fühlte ich mich so. Er trug mich bis zu sich nach Hause. Ich hatte vergessen gehabt, dass er nicht weit vom Friedhof entfernt wohnte. Er war noch nicht ausgezogen, und auch sein Zimmer hatte sich nicht verändert als er mich vorsichtig dort runterließ und mich auf den Boden sinken ließ. Er schien etwas ratlos zu sein, was er als nächstes mit mir tun sollte. Ich hatte bis jetzt immer noch nichts gesagt gehabt. Ich war immer noch von der Situation überfordert. Maurice redete weiter leise auf mich ein. Seine Stimme wirkte beruhigend auf mich. Er erklärte mir, dass er mir gerne die Klamotten wechseln wolle, doch mich gleichzeitig nicht anfassen wolle. Ich nickt nur, um zu zeigen, dass ich ihn verstanden hatte. Ich war ja über und über mit Schlamm beschmiert. Deswegen hatte er mich wahrscheinlich auch auf dem Boden abgesetzt, um nicht ein anderes Möbelstück zu beschmutzen. Irgendwann schien ihm egal geworden zu sein, wie ich mich bei all dem fühle. Er hatte mich ins Badezimmer getragen und bis auf die Unterwäsche ausgezogen. Dann hatte er mich unter die warme Dusche gestellt und den Schlamm von mir runtergeschruppt. Ich hatte es zugelassen. Es war mir egal. Aber die Dusche tat gut. Sie war warm. Trotzdem würde ich mich wohl erkältet haben. Meine Gliedmaßen tauten wieder auf und ich konnte mich, nachdem Maurice das Wasser ausgestellt hatte und losging um Handtücher zu holen, eigenständig auf den Wannenrand setzen. Er kam wieder und fing an mich systematisch abzutrocknen. Danach gab er mir ein paar seiner Sache, die ich mir langsam anzog. Sie waren alle samt zu groß, aber dafür umso bequemer. Ich zog den Geruch in mir auf. Den Geruch, der mir doch schon so bekannt war. Und mit dem Geruch kamen die Erinnerungen an alles, was damals passiert war. An alles, was er mir angetan hatte. Und mit der Erinnerung kam die Wut. Wut darüber wie normal er mit allem weitergelebt hatte. Ich stand auf und ging in die Küche. Ich wusste noch genau, wo sie sich befand. Maurice folgte mir und setzte dann Wasser auf, um einen Tee zu kochen. Dabei drehte er mir den Rücken zu. Ich nahm mir ein der großen Küchenmesser und ging leise auf ihn zu. Er drehte sich: „Möchtest du Zuc...“ Doch weiter kam er nicht, denn ich hatte ihm bereits das Küchenmesser in seine Brust gerammt. Ich war wie von Sinnen und stieß immer wieder zu. Er lag auf dem Boden blut spross nur so aus seinen Wunden. Ich spürte wie sein Puls immer schwächer wurde und beugte mich zu ihm hinunter. In diesem Moment fiel mein Haar zur Seite und gab ihm den Blick auf mein Muttermal am Hals frei. Seine Augen weiteten sich entsetzt, als er mich erkannte. „Die Vergangenheit ruht nie“, flüsterte ich ihm zu. Dann richtete ich mich auf. Ich hörte wie Maurice seine letzten Atemzüge röchelte, dann starb er. Ich find an meine Spuren zu beseitigen. Im Badezimmer stieß ich auf meine Sachen. Ich sah sie mir an. Dann beschloss ich sie so zu zerstören, dass sie niemand mehr als Beweise nutzen könnte. Ich richtete sie zu einem Haufen, sprühte sie reichlich mit Deo ein und zündete sie dann an. Dann nahm ich mir meine Schuhe und machte sie sauber, bevor ich sie anzog. Ich konnte von Glück sagen, dass seine Eltern nicht da waren und auch nicht zwischendurch reingeplatzt waren. Ich ging. Klack, klack, klack. Mit dem Geräusch des Triumpfes. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)