Stalking von abgemeldet (Dein Herz gehört mir!) ================================================================================ Kapitel 12: Manchmal, aber nur Manchmal... ------------------------------------------ Es gibt Dinge, die wusste man, verdrängte sie aber. Lange, lange konnte man das, bis sie sich unweigerlich wieder in das Bewusstsein drängten. Durch ein Ereignis, durch eine Situation oder auch durch ein Foto, das einem zeigen kann, wer man wirklich ist. Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, als ich meinen Eltern weggenommen wurde. Die ersten Zeit, an die ich mich erinnern konnte ist die, in der ich bei meinen Adoptiveltern war. Ich erinnerte mich nur Vage an das Kinderheim, in dem ich gewesen war. Lange war es nicht und somit sind die Erinnerungen eher verschwommen und fantasiereich, als Wirklichkeit. Warum ich dort gelandet war und ob ich direkt von meinen Eltern dahin kam, wusste ich nicht. Ich wollte es nie wissen. Nie hatte ich mich für meine Vergangenheit, meine Abstammung, interessiert. Wer mich weggibt, der hat mich nicht verdient, dachte ich immer. Doch, ob dies so gewesen war, hatte ich nie hinterfragt. Meine Mutter redete auch nicht mit mir darüber. Mein Vater ebenso wenig. Sie waren viel mit ihrer Arbeit beschäftigt und ich wuchs praktisch mit ihrem Sohn, meinem Bruder auf, der nur ein bisschen jünger war als ich. Er starb als ich 9 wurde bei einem Unfall. Ich hatte ihn wie einen eigenen Bruder geliebt und wünschte ihn mir zurück. Doch er kam nicht. Er würde nie wieder kommen, aber das begriff ich erst wirklich, viel, viel später. Meinen Eltern tat es noch mehr weh als mir. Ich konnte kein Ersatz für ihn sein. Ich wollte kein Ersatz für ihn sein. Ich war kein Ersatz für ihn. Und doch wusste ich, dass sie mich liebten, meine Adoptiveltern. Ich brauchte nicht zu wissen, wer meine genetischen Eltern waren. Ich hatte Angst davor. Aber dann passierte das, was passieren musste. Mir fielen meine Adoptionspapiere in die Hände. Ich weiß nicht genau, wie lange ich sie angestarrt hatte, aber ich war neugierig geworden. Keine Namen standen dort, nur Kontaktdaten. Ich hatte mich nicht durchringen können eine E-Mail hinzuschreiben, bis ich David kennen gelernt hatte. Nach und nach bekam ich mehr Mut und dann, zwei Tage nach der Disko, schrieb ich hin. Natürlich hatte ich Angst davor, was rauskommen konnte. Aber ich wollte es wissen. David wusste wer seine Eltern waren. Und ich beneidete ihn darum. Der Gitarrist lag auf seinem Bett. Er schlief. Vielleicht träumte er, vielleicht schlief er aber auch traumlos. Vielleicht war es gut, dass er schlief, weil ihm sonst der Schmerz das Herz zerrissen hätte und die Tränen versiegen würden, weil er ausgetrocknet war. Liebeskummer ist etwas, was keiner jemandem wünscht. Was er, wenn er träumen sollte träumte, war nicht von belang. Wichtig war, dass er sich ausruhte, da er, sobald er Zuhause gewesen war, sofort seinen Gefühlen freien Lauf gelassen hatte. Seine Eltern hatten verwundert geguckt und waren besorgt gewesen. Doch er hatte sie nicht an sich rangelassen und abgeblockt. Dann war er weinend in sein Zimmer gegangen und hatte sich auf sein Bett geschmissen. Alle Anstrengungen, alle Ängste waren über ihn herein gebrochen. Er hätte in diesem Moment alles dafür gegeben, dass er niemals existiert hätte. Dann hätte er Myrja niemals getroffen. Die Verrückte hätte Timo niemals bedroht. Linke wäre glücklicher. Alle wären glücklicher. Mit diesen Gedanken, dem Teufelskreis, war er schließlich total erschöpft eingeschlafen. Keinem hatte er bescheid gesagt. Timo hatte schon genug eigene Probleme. Jan wollte er nicht mit reinziehen. Keinen wollte er mit reinziehen. Inzwischen zuckte er beim Telefonklingeln zusammen. Er sah sich auf der Straße um. War er nun paranoid? Oder hatte er einfach Angst, dass etwas Schreckliches passieren könnte. Dennoch wollte er nicht die Polizei einschalten. Obwohl der Spuk dann wohl relativ schnell beendet wäre. Aber etwas hielt ihn davon ab. Und so schlief David auf dem Bett ein. Es ist schon hart, wenn man nicht weiß, wie man Gefühle ausdrücken soll. Man versteht es nicht und will es tun, aber kein Wort kommt über die Lippen und kein Finger krümmt sich um es aufzuschreiben. Es ist hart, wenn man nicht weiß, wie man etwas ausdrücken soll. Man fühlt sich fast ohnmächtig und würde am liebsten alles herausschreiben, weinen und lachen zu gleich. Doch man bleibt stumm und zeigt keine Mienenveränderung. Man ist gefangen in einer Welt, in der man nicht zeigen darf, was man fühlt, weil man sonst schwach ist und nicht mehr gut. Als Timo seinen besten Freund schlafend vorfand, musste er lächeln. So wie David da schlief, sah er entspannt aus, als ob es keine Probleme gäbe. Als ob es keine Verrückte gäbe, die ihm Angst machte. Der Ältere setzte sich aufs Bett. Er stütze die Arme auf die Beine und beobachtete das Gesicht des Schlafenden. Wirklich, so friedlich hatte er ihn lange nicht mehr gesehen. Der Rapper seufzte. Er wusste, dass der Jüngere Angst hatte. Immer wenn das Telefon klingelte, zuckte David kaum merklich zusammen. Immer, wenn jemand plötzlich hinter ihm auftauchte, war da für einen kurzen Moment eine Panik im Gesicht des Gitarristen, die er niemals haben sollte. Es zerrte mehr an den Nerven aller, besonders an Davids, als alle zugeben wollten. Er strich ihm durchs Haar und der Jüngere grummelte etwas und drehte sich auf die andere Seite. Timo lächelte. Dann klingelte Davids Handy. Schnell nahm er es vom Nachttisch und ging dran, ohne zu sehen, wer es war. Es war gang und gäbe, dass sie ab und zu an das Handy des Anderen gingen. „Bei David?“ „Hallo Timo. Ich möchte, dass du David bitte in Ruhe schlafen lässt. Du beschmutzt die schönen Bilder.“ Innerlich stöhnte er auf. Die verrückte. „Bilder?“ Sie schnaubte am anderen Ende der Leitung. „Bleibe heute einfach erstmal zu Hause. Leg sein Handy wieder zu ihm und verschwinde. Ich habe dich schon viel zu lange in seiner Nähe toleriert. Außerdem – was war das in der Disko? Betrügst du so einfach die, die du liebst?“ „Ich..“ Sie unterbrach ihn. „Ich würde an deiner Stelle wirklich aufpassen, Timo. Ich kann dir mehr weh tun, als du glaubst. Und nun geh!“ „Was habe ich dir getan?“ Timo war angesäuert, beherrschte sich aber gerade noch um nicht zu schreien. Zum einen um David nicht zu wecken und zum anderen um ihn nicht zu gefährden. „Du? Nichts – außer dass du die Zeit von David stiehlst, ihm falsche Sachen einredest und erbärmlich bist. Die Liste ist lang. Keinen schönen Tag noch, Wetterfee.“ Ein Tuten ließ ihn erstarren. Aufgelegt. „Wetterfee?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)