Vertrauen und Verrat von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 16: Vergangenheit ------------------------- Als ich geendet hatte, hob ich meinen Blick und sah zu Kian. Er hatte seine Augen weit aufgerissen und starrte mich fassungslos an. Aber mir ging es auch nicht besser. Meine Hand, in der ich noch immer den Brie seines Vaters hielt, zitterte merklich und ich fühlte mich mehr als nur unwohl in meiner momentanen Situation. Der Inhalt des Briefes war definitiv nicht für mich bestimmt gewesen. Ich hätte eigentlich nicht einmal davon erfahren dürfen und doch hatte ich das. Sicher bereute Kian jetzt, mich gebeten zu haben, das Schriftstück vorzulesen. Erst jetzt bemerkte ich, dass noch ein weiterer Zettel in der Truhe lag. Vorsichtig nahm ich ihn heraus und reichte ihn Kian, doch dieser schüttelte nur seinen Kopf. „Lies vor!“ Ich nickte und tat, was er verlangte: „Ich habe dir den Verlobungsring deiner Mutter beigelegt. Er funktioniert auf die selbe Weise wie das Familienerbe. Irgendwie hatte ich das Gefühl, du würdest sie brauchen.“ Kian nickte schwach und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht, mir war gar nicht aufgefallen, dass er geweint hatte. Dann nahm er sowohl den Zettel als auch den Brief entgegen und steckte sie gemeinsam mit den Ring in die Hosentasche. „Ich glaube das alles einfach nicht.“, murmelte er, „Das kann nicht war sein. Das darf es einfach nicht!“ Das war mir auch durch den Kopf gegangen. Auch ich wollte es nicht wahrhaben. Zwar traute ich meinem Vater eine Menge zu, aber dass er zu einem Mord fähig sei? Ich wollte das nicht glauben. Das durfte nicht wahr sein! Er konnte doch nicht einfach andere Leute umbringen. Hatte er denn gar kein Gewissen? „Kian…“, murmelte ich, „Wenn du willst, gehe ich nachsehen. Wenn d es stimmt, was dein Vater geschrieben hat, dann muss es mein Vater irgendwo in seinen Akten vermerkt haben. Den Schlüssel habe ich noch. Also wäre es kein Problem unbemerkt hineinzukommen.“ Mein bester Freund sah mich dankbar an. „Das würdest du tun?“ Ich nickte. „Außerdem will ich es auch wissen. Wenn ich mich nicht zu blöd anstelle, müsste es ihm nicht auffallen, wenn einer seiner Ordner für ein paar Tage verschwindet. Er hatte noch nie Ordnung in seinem Arbeitszimmer und ich glaube nicht, dass sich das innerhalb des letzten Jahres geändert hat. Das würde mich sehr wundern.“ „Danke…“, nuschelte Kian. Dann schaute er wieder in Richtung Haustür, wo Dean und Alice immer noch geschockt vor verschlossener Tür standen. Maria White war verschwunden. Anscheinend hatte sie uns ausgesperrt, aber das interessierte mich gerade herzlich wenig. Olivia kam gerade auf uns zugelaufen. Auch sie sah sehr angeschlagen aus. „W- wenn es wahr ist und Großvater deinen Vater wirklich umgebracht hat, dann-“, setzte sie an, „Dann müssen wir handeln. Wir können ihn nicht länger an der Macht lassen.“ Kian seufzte. „Ich weiß… Aber das ist so viel auf einmal. Lass mir bitte noch etwas Zeit.“ Olivia nickte. „An deiner Stelle wäre ich sicher auch fertig. Aber was machen wir jetzt mit den beiden?“, sie deutete auf Dean und Alice, „Jetzt, wo sie von unserer Existenz wissen, können wir sie nicht einfach wieder gehen lassen.“ „Du wirst ihnen nichts tun!“, zischte Kian, „Jeder, der auch nur daran denkt, ihnen etwas anzutun, bekommt es mit mir zu tun!“ Eingeschüchtert wich Olivia zurück, dann nickte sie. „Wie du meinst. Aber es wäre vielleicht besser, noch einmal mit den beiden zu reden. Sie stehen immer noch wie versteinert da…“ Langsam stand Kian auf und lief noch langsamer auf meinen Klassenkamerad und dessen kleine Schwester zu. „Dean? Alice?“, flüsterte er. Im nächsten Augenblick hatte mein blondhaariger Freund seine Schwester gepackt und hinter seinen Rücken gezogen. „Du wirst Alice nichts tun!“ Kian blieb sofort stehen. „Keine Angst. Ich werde euch nichts tun. Versprochen.“ Dean wich einen Schritt zurück. „Lügner! Ich glaube dir kein Wort! Ich habe es vorhin mehr als nur deutlich gesehen! Du bis kein Mensch! Verschwinde!“ Ich zuckte zusammen. Es war unfair von Dean, Kian so zu behandeln. Aber ich hatte das auch, weshalb ich nicht das Recht hatte, Dean einfach meine Meinung an den Kopf zu werfen. In mir sträubte sich alles. Ich wollte nicht, dass mein bester Freund so behandelt wurde. Kian sollte nicht noch einmal das gleich durchmachen müssen, wie bei mir. Ich zwang mich, wieder aufzustehen. Es klappte auch, so mehr oder weniger. Zwar setzte das Schwindelgefühl kurzfristig wieder ein und der Schmerz in meiner linken Schulter verdoppelte sich, aber ich konnte stehen. Geschafft. Vorsichtig lief ich auf meinen besten Freund zu, Deans und Alice die ganze Zeit über aufmerksam beobachtend, damit ich nichts verpasste. Kaum hatte ich mein Ziel erreicht und stand direkt neben Kian, lehnte ich mich erschöpft gegen ihn, woraufhin mein bester Freund mich sofort stützte. Eine andere Möglichkeit fiel mir im Moment nicht ein, damit ich zeigen konnte, dass Kian absolut harmlos war und keinen verletzen würde. Dean starrte mich fassungslos an. „Alec! Bist du verrückt? Geh sofort von diesem Monster weg! Er bringt dich um!“ Schwach schüttelte ich meinen Kopf. „Nenn ihn nicht so! Kian ist kein Monster. Er ist nicht so. Er wird keinen von uns auch nur verletzen und das weißt du auch!“ Langsam schien mein Klassenkamerad sich wieder zu beruhigen, auch wenn er noch Abstand zu Kian hielt, wurde sein Gesichtsausdruck schon um einiges freundlicher. Er sah mich immer noch fassungslos an, dann schaute er wieder zu Kian und wechselte den blick noch ein paar Mal, bis er endlich seufzte und einige Schritte auf uns zugelaufen kam. „Jetzt verstehe ich auch, was du heute in der Schule gemeint hast, Alec. Das ist also das ‚Familiengeheimnis’, was du versehentlich herausgefunden hast. Endlich ergibt alles Sinn, warum Kian Alice einen Korb verpasst hat, obwohl er offensichtlich auch in sie verknallt ist…“ Mein bester Freund starrte zu Boden. „Es ging nicht anders. Ich wollte nicht, dass sie in die Sache mit hineingerät. Sie wäre sofort zur Zielscheibe der anderen, besonders meines Großvaters, geworden. Aber das hat sich jetzt wohl erübrigt. Es tut mir leid. Hätte ich besser aufgepasst, wärt ihr gar nicht erst in diese Situation geraten.“ Dean kam noch einen Schritt näher und stand jetzt direkt vor mir und meinem besten Freund, dann sah er mich an, immer noch merklich verängstigt, aber schon wieder viel gefasster als noch vor wenigen Minuten. „Und Kian ist auch ganz sicher nicht gefährlich?“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Er wird euch nichts tun. Ihr braucht keine Angst vor ihm zu haben. Außerdem: Wie viele Gelegenheiten hatte Kian schon in den letzten Tagen, euch umzubringen. Und er hat keine einzige genutzt.“ Dean hatte den größten Teil des Schocks bereits überwunden, zumindest sah es danach aus, denn er grinste wieder und schaute Kian beleidigt an. „Und, gibt es noch irgendwelche Geheimnise, von denen ich lieber nicht erfahren sollte oder war es das jetzt?“ Kian seufzte. „Es gibt keine weiteren Geheimnisse, aber jetzt wo ihr es wisst, solltet ihr besser die ganze Geschichte erfahren.“ Er sah in meine Richtung. „Das gilt auch für dich Alec.“ Dann warf Kian einen Blick auf meine verletzte Schulter. „Aber vorher sollten wir vielleicht erst einmal deine Verletzungen versorgen.“ Ich schnitt eine Grimasse. „Warum nur ich? Du bist auch verletzt!“ Zuerst schaute mich Kian verwundert an, dann wechselte sein Gesichtsausdruck in einen leicht irritierten, bis es mir zu viel wurde und ich auf die rötlich gefärbten Stellen seines Hemdes zeigte, woraufhin Kian mich entschuldigend anschaute. „Tut mir leid. Ich hab dein Hemd ruiniert. Ich bring das wieder in Ordnung, versprochen.“ „Lass es lieber.“, kommentierte ich das monoton, „Sonst ist nicht nur das Hemd hinüber, sondern auch meine ganze Wohnung…“ Dean lachte, während Kian mir einen beleidigten Blick zuwarf. „Gut, dann lasse ich es eben!“ „Schon besser!“ Ich grinste und verzog kurz darauf das Gesicht vor Schmerz, da ich völlig vergessen hatte, dass ich meine Schulter besser nicht beanspruchen sollte. Alice, die sich die ganze Zeit über schüchtern im Hintergrund gehalten hatte, lief langsam und schüchtern auf Kian zu, bevor sie direkt vor ihm stehen blieb. Man sah ihr ihre Angst sofort an, aber trotzdem blickte sie meinem besten Freund direkt in die Augen. „W- was bist du?“ Mit dieser Frage schien Kian nicht gerechnet zu haben, genauso wenig wie ich und Dean. Er starrte sie erst einige Sekunden perplex an, bevor er ihr dann irgendwann antwortete. „Zur Hälfte Mannaro, zur anderen Hälfte Mensch.“ Dean stutzte. „Mannaro… Da habe ich doch schon einmal irgendwo gehört…“ Ich nickte. „Vermutlich von Ryan.“ „Kann sein…“, murmelte mein blondhaariger Klassenkamerad leise, aber dennoch gut verständlich. Dann stutze er erneut. „Ryan weiß davon?“ „Nein.“, antwortete ich, „Aber sein Vater und meiner forschen auf diesem Gebiet. Sie wollen die Existenz der Mannaro beweisen.“ „Wissen sie von Kian?“, fragte Alice vorsichtig, während wir uns auf den Weg machten, zurück in die Stadt. Die Wölfe, auch der schwarze mit der Narbe, waren inzwischen verschwunden und es hatte nicht den Anschein, als ließe und Maria White noch einmal in ihr Haus, damit unsere Wunden versorgt werden konnten. Ich schüttelte meinen Kopf. „Nein. Ich habe ihnen nichts gesagt. Wüssten sie es, würden sie ihn als Forschungsobjekt benutzen. Den Rest kannst du dir sicher denken. Und ich will das nicht. Ich will nicht, dass sie irgendwelche blöden Tests an Kian durchführen und ihn in einen Käfig sperren. Er ist nicht irgendein Tier! Er ist mein bester Freund.“ Den letzten Satz flüsterte ich nur, so dass ich mir nicht sicher war, ob Dean und Alice ihn gehört hatten. Dean griff sich an den Kopf. „Die Sache ist ziemlich kompliziert, weißt du? Und ich möchte ehrlich gesagt nicht wissen, wie dein Vater reagiert, wenn er es herausfindet…“ „Ich auch nicht…“, murmelte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte, „Er würde nur wieder auf mich losgehen. Ich weiß nicht, ob ich ihm ein zweites Mal entkommen könnte…“ Dean nickte verstehend, während Kian und Olivia, die sich inzwischen zu uns gestellt hatte, mich geschockt anstarrten. „Was hast du gerade gesagt?“, fuhr mich mein bester Freund an, „Dein Vater ist auf dich losgegangen? Warum erfahre ich das erst jetzt?!“ „Weil es nicht wichtig ist.“, versuchte ich zu erklären, „Es ist passiert und lässt sich nicht mehr ändern. Außerdem ist nicht passiert.“ Ich spielte die Sache herunter. „Nicht, außer dass du völlig panisch zu Ryan gerannt bis und dort um Ein Uhr nachts so lange geklingelt hast, bis dir jemand geöffnet hat! Wenn ich mich richtig erinnere, warst du danach eine ganze Woche lang nicht mehr in der Schule!“ „Ja und?“, entgegnete ich gereizt, „Ich musste mir immerhin eine Mietwohnung suchen und meine ganzen Sachen dorthin transportieren! Das geht nun mal nicht so schnell!“ „So war das also…“, murmelte Kian und ich hörte seiner Stimme an, dass es ihn verletzte, dass ich ihm nicht von Anfang an alles erzählt hatte, weshalb ich mir vornahm, es in Zukunft immer zu tun. Auch über die Sache mit Olivia würde ich mit ihm sprechen. Inzwischen hatte wie meine Mietwohnung erreicht. Ich gab Dean den Schlüssel, da es sich doch als sehr schwierig herausstellte, die Tür mit nur einer Hand aufzuschließen. Kaum hatten wir die Wohnung betreten, schob mich Kian auch schon zur Couch, auf welche ich mich dann widerwillig setzte, während Alice nach meinem Erste Hilfe Set suchte. Nach einigen Minuten hatte sie es auch gefunden. Dean kniete sich neben mich. „Zieh dein Oberteil aus, sonst kann ich mich nicht um deine Verletzung kümmern.“, verlange er und ich tat, was er sagte. Alice kümmerte sich inzwischen um Kian, besser gesagt sie versuchte es, denn jedes Mal, wenn sie Kian zu nahe kam, wich er zurück. Das ging so lange, bis er nach einigen Minuten an der Wand ankam. Mein bester Freund verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und ließ die restliche Behandlung widerstandslos über sich ergehen. Dean lachte. „Wenn man Kian und Alice so beobachtet, glaubt man fast, sie sei der Wolf und nicht umgekehrt!“, scherzte er und brachte mich damit zum Lachen, denn obwohl ich es nur ungern zugab: Er hatte Recht. Momentan war Kian derjenige, der versuchte, auszureißen, was ihm aber wegen der Mauer nicht mehr möglich war. Jetzt stand er, gegen diese gelehnt, und sah Alice aufmerksam zu, beobachtete was sie tat. Olivia sah den beiden zu und lachte ab und zu, was Kian mit einem beleidigten Blick quittierte, aber er sagte nichts dagegen. Ich grinste. „Und? Hast du immer noch Angst vor Kian?“ „Ein bisschen.“, murmelte Dean, „Aber es ist schon besser geworden und ich glaube, wenn ich mich an die neuen Umstände gewöhnt habe, wird es mich nicht mehr stören.“ Ich nickte. „Das ist schön zu hören. Ich hatte schon befürchtet, ich müsste mich zwischen dir und ihm entscheiden. Aber ihr scheint nach wie vor gut miteinander auszukommen.“ Dann wurde mein Gesichtsausdruck ernst. „Aber jetzt, wo ihr bescheid wisst, müsst ihr euch auch an gewisse Regeln halten. Was heißt müssen? Eigentlich ist es keine Pflicht, aber ich würde es euch raten. Ansonsten werdet ihr sofort zur Zielscheibe von Kians Familie und sie werden euch schnellstmöglich aus dem Weg räumen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)