Passed Memory von bl_and_ld (Puzzleshipping) ================================================================================ Kapitel 3: Rückblick eins – Der Tod als Neuanfang ------------------------------------------------- Ich verwende hier im Rückblick einen anderen Namen für Yugi, weil es für mich irgendwie logisch ist, dass er in Ägypten keinen japanischen Namen haben kann. Hany = Yugis Name in Ägypten = „Der Glückliche“ Nefertari = eine Novizin im Tempel der Hathor = „schöne Schöpfung“ Atemu = Yamis Name als Pharao (keine Bedeutung gefunden) Kapitel 3: Rückblick eins – Der Tod als Neuanfang Sie hatten ihn einfach so vor die Pforten des Tempels gelegt. Der fast leblose Körper des Jungen sollte eine Warnung an all die sein, die die Allmacht und die Göttlichkeit des Pharaos anzweifelten oder eigentlich die der Visiere und Minister. Diese angeblichen Berater, die zwar nicht an der Spitze der Machtpyramide standen, aber in ganz Ägypten aus dem Hintergrund die Fäden zogen. Natürlich war diese Warnung auch an alle gerichtet, die diesen angeblichen Aufständischen, Rebellen, Intriganten und Landesverrätern in jedweder Art Hilfe zukommen ließen. So wie es die Diener der Liebesgöttin Hathor in diesem Tempel taten. Sie versorgten Verwundete und pflegten Kranke, die aus der Sklaverei geflohen waren. Sie versorgten die Hungernden und nahmen heimatlose Kinder auf, die ohne ihre Zuwendung wahrscheinlich als Sklaven nach Kreta verschifft worden wären oder beim Kalksteinabbau als Arbeiter eingesetzt worden wären. Diese Unterstützung der einfachen Bevölkerung wurde von denen, die von ihrem Unglück profitierten natürlich nicht gut befunden. Eine Unruhe ging durch die Bevölkerung. Die Gemüter der einfachen Leute waren aufgeheizte und es fehlte nicht viel und sie würden eine Rebellion beginnen. Hoffnung war hierbei die größte Gefahr, für die, die an der Macht waren, denn sie gab den Menschen Kraft und einen unbändigen Willen. Daher musste nun jeder vernichtet werden, der dem einfachen Volk Hoffnung gab. Dieser halbtote Junge, der auf den Namen Hany hörte war trotz seiner Jugend die größte Gefahr für die herrschaftlichen Berater. Sein Vater war ebenfalls einer der Berater des Pharao und er war einer derjenigen, der nach Veränderung strebte. Er war es, der bereits einige Gesetzesänderungen vorangetrieben hatte, die dem ägyptischen Volk zu Gute kamen. Hany war eine Gefahr, da er, als der Geliebte des Pharao, einen großen Einfluss auf eben diesen hatte und ihn so für die Ideen seines Vaters empfänglich machte. Dabei manipulierte dieser Junge den Pharao nicht, wie es seine Berater taten. Er war deswegen eine große Gefahr für diese machtbesessenen, kriechenden Kreaturen, weil er an die Prinzipien und Ideale seines Vaters glaubte und nichts weiter tat, als dem Pharao eine Perspektive bot. Er ermöglichte dem Herrscher eine andere Sicht auf die Dinge und erweiterte dessen Horizont. Hany tat nichts weiter als er selbst zu sein und dem Pharao zu ermöglichen, sich weiterzuentwickeln. Ein Herrscher, der nachdachte und seine eigenen Entscheidungen traf, ein Herrscher, der sich nicht mehr von seinen Ministern und Ratgebern beeinflussen ließ, dass war es, was diejenigen, die den Jungen töteten am meisten fürchteten. Nefertari war eine Tempeldienerin im Hause der Hathor. Bei der Zeremonie, bei der ihr der neue Name als Novizin gegeben wurde*, erhielt sie ein großes Geschenk. Die Götter, nicht nur die, denen sie diente, sondern alle, offenbarten sich ihr. Sie verbanden ihre Emotionen und Gedanken mit denen der jungen Frau. Dadurch ermöglichten sie ihr auch einige der göttlichen Fähigkeiten zu verwenden. Wie zum Beispiel den Blick durch die Zeit, über den die Göttin Isis verfügte. Nefertari hatte diese Szene schon so oft gesehen und so oft gehofft, dass diese Vision nicht eintreffen würde. Doch nun war es doch passiert. Sie spürte den Zorn der Götter in sich. Einfach so eine Leiche vor einen Ort abzulegen, der dazu gedacht war sie anzubeten war ein großer Frevel. Es war eine der größten Beleidigungen, die man den Göttern entgegenbringen konnte. Welcher Idiot würde es schon wagen eine Leiche vor den Tempel eines Gottes zu legen. Die junge Frau konnte vor allem den Zorn von Osiris, dem Todesgott und seiner Frau Isis, der Göttin der Wiedergeburt, spüren. Die Botschaft dieser Tat war klar und deutlich und genau die war es, die die größte Beleidigung darstellte. Durch die Ermordung eines Menschen verwehrte man ihm das Recht auf eine Wiedergeburt und dadurch, dass man ihm die Ehren einer richtigen Bestattungszeremonie versagte, nahm man dem armen Jungen sogar die Möglichkeit auf das Nachleben im Kreise seiner Ahnen. Die Warnung lautete also: „Bekämpft uns und auch euch wird das Nachleben im Jenseits und die Wiedergeburt verwehrt!“ Mit diesem klaren Zeichen wollten diese feigen Maden, die um ihre Macht fürchteten, alle, die sich ihnen entgegenstellen das Fürchten lehren. Dies erzürnte Osiris und Isis am meisten, denn diese arroganten Menschen verwehrten ihren Gegnern eine Gnade, die zu verwehren nur in dem Ermessensentscheid dieser beiden Götter fiel. Doch Nefertari fühlte außer dem Zorn auch noch die bittere Enttäuschung, die Isis und Hathor empfanden und sie konnte auch gut verstehen warum. Auch die Götter hatten sehr gehofft, dass die Vision von dem sterbenden Hany nicht eintreffen würde und doch war es nun passiert. Die Novizin ging zu dem am Boden liegenden Körper. Sie kniete sich hin und legte den Kopf des Jungen auf ihren Schoß. Hany atmete schwer. Seine großen, violetten Augen waren weit geöffnet, doch die Tempeldienerin wusste dass er sie nicht mehr sehen konnte. Sein Geist war bereits weit entfernt von seinem Körper und dennoch kämpfte er um jeden Atemzug und klammerte sich an sein verbliebenes Leben. Nicht weil er sich vor dem Tod fürchtete, sondern weil er sich weigerte diese Welt zu verlassen, ohne sich von seinem geliebten Pharao zu verabschieden. Sanft strich Nefertari dem Jungen die Haare aus der Stirn. Viel konnte sie nicht mehr für ihn machen. Sie wusste, dass Isis gerne darüber hinwegsehen würde, dass er gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde und Hany dennoch die Möglichkeit auf eine Wiedergeburt geben würde. Osiris würde ihm auch nicht verwehren eine Weile im Jenseits bei seinem Verwandten zu verweilen. Sie musste nur dafür sorgen, dass der Junge heute noch mit allen Ehren und der vollständigen Zeremonie bestattet wurde. Nefertari wusste, dass die anderen Diener der Hathor den Jungen wie einen Pharao beisetzen würden, denn er war etwas Besonderes und hatte das Wohlwollen der Götter auf seiner Seite. Alles was sie nun für ihn tun konnte, war ihm den Schmerz zu nehmen und ihm Hoffnung zu geben. „Keine Angst kleiner Mensch“, flüsterte sie. Mit dieser anrede wollte Nefertari ihm zeigen, dass die Götter bei ihm waren. „Er wird bald hier sein kleiner Mensch. Dein Geliebter wird bald hier eintreffen, doch du wirst es nicht mehr miterleben.“ Nefertari hielt kurz inne. Ihre eigene Trauer um den Jungen und die der Götter überwältigten sie. Wieder fragte sich die Tempeldienerin, wie blind und vermessen manche Menschen sein konnten. Dieser Junge, der sterbend vor ihr lag, war ein Geschenk der Götter an den Pharao gewesen. Dieser Junge war das Licht des Pharaos. Sein zweites Ich. Er war der Seelenverwandte des jungen Herrschers. Hany war es, der ihm dabei helfen sollte, seine Geschicke zum Wohl des Volkes zu lenken. Die Kinder Ägyptens hatten viel zu leiden unter der Herrschaft des vorherigen Pharaos, der sich viel zu oft hatte von den Machenschaften seiner korrupten Berater beeinflussen lassen. Hathor und Isis hatten sich zusammen getan, um diesen Jungen zu dem Sohn des damaligen Herrschers zu bringen. Beiden Göttinnen war viel daran gelegen, dass der jetzige Machthaber glücklich war. Isis sorgte sich um ihn, da der junge Pharao ein Nachfahre in der Blutlinie ihres Sohnes Horus* war. Hathor hingegen war viel daran gelegen, dass das was zusammengehörte auch zusammen kam. Die Götter hatten so gehofft, dass der Sohn des früheren Herrschers zum Wohle des Landes und des Volkes regieren würde, wenn sie nur die Leere in seinem Herzen füllen könnten. Deswegen schickten sie ihm diesen Jungen, der ihn bedingungslos, innig und um seiner selbst willen lieben sollte. Hany erfüllte seine Aufgabe auch wirklich gut. Der Vater des Jungen gehörte auch zu dem Geschenk, welches de Götter dem Pharao schickten. Er sollte dem ‚ach – so – mächtigen‘ Herrscher den ersten Schritt in die richtige Richtung zeigen und ihn weiter auf diesem Weg führen. Doch was passierte? Der Pharao erkannte dieses Geschenk nicht als solches an. Er war zu einfältig und noch ein halbes Kind. Kaum erzählten ihm seine Berater, dass seine Allmacht angezweifelt oder bedroht wurde, schon unterschrieb er das Todesurteil für die Liebe seines Lebens. Er hatte sich die Proklamation, die er unterschrieb nicht einmal durchgelesen. Alles worauf er geachtet hatte waren die Worte seiner Ratgeber, die ihn sagten, dass Aufständische und Rebellen seinen Tod wünschten und planten. Alles, was er tun musste um diese Ungläubigen aufzuhalten wäre diese Verfügung zu unterzeichnen, die es seinen Soldaten und Bevollmächtigten gestattete, diese Menschen mit aller Macht zu bestrafen. Dieser einfältige Junge hatte noch nicht einmal die Liste der angeblichen Aufständischen durchgesehen, sonst wäre ihm sicher früher aufgefallen, dass der Vater seines Geliebten darauf an oberster Stelle stand. Den Tod von Hany würde man dem großen Pharao natürlich als Kollateralschaden erklären. Nefertari hatte nicht gelogen, als sie Hany sagte, sein Liebster sei unterwegs zu ihm. Nun da es zu spät war, hatte der Herrscher Ägyptens seinen Fehler endlich bemerkt. Gerade in der Sekunde, in der das Schwert eines Soldaten die Brust des Jungen durchbohrte, sah er den Namen des Vaters von Hany auf der Papyrusrolle, die er unterzeichnet hatte. Voller Furcht und Reue galoppierte er auf seinem schnellsten Pferd zum Haus seines Geliebten, doch egal wie sehr er das arme Tier antrieb, er schaffte es nicht rechtzeitig dort zu sein. Leider war es zu spät, um das Blutbad zu verhindern. Alles was er nun hatte, war die Hoffnung, dass Hany noch lebte und den unrealistischen Wunsch, dass er ihm diesen Verrat verzeihen würde. Einer der Soldaten, die den fast toten Körper des Jungen vor den Pforten des Tempels abgelegt hatten, berichtete dem großen Herrscher gerade in dieser Sekunde, wohin sie den Körper gebracht hatten. Nefertari wusste genau, dass er nicht mehr rechtzeitig zum Tempel gelangen würde um sich von Hany zu verabschieden, ganz egal wie sehr er seinem Pferd die Sporen gab. „Dir und ihm wird eine zweite Chance gegeben. Eure Liebe kann in eurem nächsten Leben wieder aufblühen“, tröstete sie den Sterbenden. Das glückliche Lächeln von Hany zerriss der Novizin fast das Herz. Wie sehr diese Worte den Jungen glücklich machen… Die Vorstellung, dass sich der Kleine so sehr darüber freute, mit einem Mann wieder vereint zu werden, der ihre Liebe verraten hatte, tat Nefertari unendlich weh. Sie hoffte inständig, dass der Junge nie erfahren würde, warum, er hatte sterben müssen. Doch für ihr Mitgefühl war keine Zeit. Sie musste Hany erklären, was passieren würde, nachdem er diese Welt verlassen hatte. Sie musste ihm erklären wie die Magie funktionieren würde. „Hör zu kleiner Mensch, denn das, was ich dir jetzt sage ist wichtig für dich. Die Götter haben dich auserkoren. Du bist in ihren Augen etwas Besonderes. Du bist Liebe, Wärme und Licht für den, für den du bestimmt bist. Sie gewähren dir die Gnade der Wiedergeburt und eine Chance deine Liebe wieder zu finden.“ Sie strich ihm die Strähnen aus der Stirn. „Die Magie, die sie anwenden werden, wird einen Preis verlangen. Von dir und von deinem Geliebten. Doch du wirst es sein, der das größte Pfand geben muss. Deinem geliebten Pharao wird der Zauber sein Gedächtnis nehmen. Er wird vergessen wer er war und wer du bist. Er wird eure Liebe vergessen. Du bist derjenige, der stark sein muss. Du bist der, der den größten Preis zahlen musst. Dir wird deine Erinnerung gelassen. Es wird deine Aufgabe sein, den Pharao an eure Liebe zu erinnern. Glaub mir kleiner Mensch, es ist schwerer als du es dir vorstellst. Der Preis den du zu zahlen hast wiegt schwerer, denn du wirst mit dem Wissen weiterleben müssen, was du hattest und was du vielleicht nie mehr haben wirst, wenn du versagst.“ Nefertari erwähnte nicht, dass er es war, der für ihre Liebe kämpfen musste, weil er die reinere Seele hatte. Sie wollte Hany so kurz vor seinem Tod nicht das Bild zerstören, das er von seinem Geliebten hatte. Allerdingst wusste die Tempeldienerin, dass die Magie ihn diesen hohen Preis zahlen ließ, weil seine Liebe und sein Herz so selbstlos waren. Beides gehörte diesem einfältigen Herrscher, der in Nefertaris Augen nichts davon verdient hatte. Hany nahm all seine Kraft zusammen und flüsterte mit seinem letzten Atemzug: „Ich bin bereit diesen Preis zu zahlen.“ Seine Augen schlossen sich nach diesen gehauchten Worten. Seine Brust sank hinab, als der letzte Funke Leben aus ihm wich. Mit einem erschütterten Aufschluchzen winkte Nefertari die beiden Diener herbei, die sich bereits genähert hatten um den Leichnam für die Bestattungszeremonie abzuholen. Alle die in diesem Tempel lebten und arbeiteten warteten schon seit Tagen auf diesen Moment. Sie kannten die Vision der jungen Novizin und sie wussten, was die Götter von ihnen verlangten. Während sie den Leichnam in den Tempel brachten wischte sich die junge Frau die Tränen weg. Bald würde der Pharao eintreffen und sie wollte ihm nicht so gegenübertreten. Er sollte nicht glauben, sie oder die Götter würden ihm Mitgefühl entgegenbringen. ********** Wie hatte er nur so dumm sein können? Warum hatte er sich diese Proklamation nicht genau durchgelesen. Wie sehr hatte er gehofft, sein Liebster würde ihm verzeihen können, dass er den Mord an dessen Vater befohlen hatte. Er hatte sich den ganzen Weg zum Haus seines Beraters gewünscht Hany würde ihm vergeben. Er hatte dafür gebetet, dass sein Liebster verstehen würde, dass es ein schreckliches, nicht wieder gut zu machendes Versehen war, das seinen Vater das Leben gekostet hatte. Als der Pharao jedoch bei dem Haus ankam und das Chaos und das Blut davor sah, wurde ihm erst die Tragweite seines unüberlegten Handelns bewusst. Als er zwei seiner Soldaten davon sprechen hörte, dass man die Leiche des Sohnes als Warnung zu einem Tempel bringen wollte, blieb dem jungen Herrscher für einen winzigen Moment das Herz stehen. Das konnte nicht sein! Hany konnte nicht tot sein. So grausam konnte das Schicksal gar nicht sein. „Welcher Tempel?“, hörte er eine Stimme fragen und erkannte erst als sich die beiden Soldaten sich vor ihm verbeugten, dass es seine eigene war. „Pharao!“, hörte er beide Männer gleichzeitig rufen. Sie waren überrascht ihn hier zu sehen. Genauso wie die anderen, die durch den Ausruf auf ihn aufmerksam wurden und auf die Knie fielen. „Welcher Tempel!“, forderte er zornig seine Antwort. Ihm war die Ehrerbietung seiner Soldaten egal. Er wollte nur Sicherheit haben. Er wollte wissen, ob er wirklich einen so hohen Preis für seine Dummheit bezahlte. „No…Nordöstlich von hier oh großer Pharao. Der Tempel der Hathor“, antwortete ihm einer der Männer. Noch bevor das letzte Wort verklungen war, gab er seinem Pferd die Sporen. Es kümmerte ihn wenig, was diese Männer nun machen würden. Bestrafen konnte er sie auch noch später. Die Wut brodelte in dem Herrscher. Er würdediese Männer so hart bestrafen, wie es für ihn nur möglich war. Er würde dafür sorgen, dass sie ein so schmerzhaftes Leben führen würden, dass sie sich nach dem Tod sehnen würden. Es war ein fester Entschluss. Doch unter all der Wut hörte er eine kleine, leise Stimme, die ihm die Wahrheit sagte. Dass er es war, der dafür verantwortlich war, dass die große Liebe seines Lebens starb. Das er, egal wie sehr auch verleugnen wollte, der Verursacher seines Unglücks war. Diese Stimme gab ihm auch die bittere Gewissheit, dass er nie vor seiner Schuld fliehen konnte. Egal wen auch immer er für Hanys Tod verantwortlich machen würde, er immer wissen würde, dass er der eigentliche Schuldige war. Die Hoffnung auf Verständnis und Vergebung wich dem tiefen Wunsch, dass sein Liebster noch am Leben war. Sollte Hany ihn ruhig hassen und verachten. Es war ihm egal. Der Junge sollte nur am Leben sein. ********** Zwei Soldaten hatten ihm den Weg zum Tempel genau beschrieben. Er wusste nicht genau wie lange er unterwegs war, doch es war für ihn zu lange. Kaum stieg er vor dem Tempel von seinem Pferd, empfingen ihn zwei Tempeldiener. Sie brachten den verzweifelten Mann nicht zu der Hohepriesterin des Tempels, sondern zu einer Novizin. Einer Frau, die sich noch in ihrer Ausbildung zur Hohepriesterin befand. Ob sie dieses Amtes wirklich würdig war, würden die Götter später entscheiden. Diese Frau sah den Pharao voller Verachtung an. Einen Augenblick lang kam dem jungen Herrscher der Gedanke, dass er sie daran erinnern sollte, ihn mit dem nötigen Respekt zu behandeln, doch dieser Gedanke verschwand, noch ehe er wirklich erfasst wurde. „Ich habe euch schon erwartet oh mächtiger Pharao Atemu. Ihr kommt, weil ihr in Sorge um euren Geliebten seid?“, fragte sie ihn. Ihr Ton war hart und zeugte nicht von der Ehrerbietung ihrer Worte. Es war nicht miss zu verstehen, dass sie ihn nicht wirklich mochte. „Ich muss euch leider mitteilen mein Pharao, dass Hany bereits gestorben ist. Die Priester bereiten seine zeremonielle Bestattung vor.“ Der Pharao fiel kraftlos auf die Knie. Sein schlimmster Albtraum war eingetreten. Er hatte ihn selbst verschuldet. Ohne auf seinen Status und sein Auftreten vor anderen zu achten, ließ er seinen Tränen freien Lauf. Noch nie im Leben hatte er sich so schwach und so machtlos gefühlt. Der Rinnsal seiner Tränen wollte nicht Enden. So viel Trauer hatte er nicht einmal nach dem Tod seines Vaters gezeigt. Die Stimme der Novizin ließ ihn wieder aufhorchen. Sie waren nun allein in dem riesigen Gebetsraum, in den ihn die beiden Diener geführt hatten. „Bei der Zeremonie meiner Namensgebung, als ich zur Novizin erwählt wurde, da erfuhr ich meine Bestimmung“, erklärte sie ihm ruhig. Die Härte und Kälte war aus ihrer Stimme gewichen, doch sie klang immer noch sehr distanziert. „Die Götter sprachen zu mir. Sie ließen mich die Dinge sehen und fühlen, die sie sahen und fühlten. Das tun sie bis heute. Sie haben eine Botschaft an euch.“ Die Novizin hielt kurz inne. Sie wollte sicher sein, dass sie die komplette Aufmerksamkeit des Herrschers hatte. „Die Götter hatten eine Aufgabe für euch oh Pharao. Sie hatten eine Bestimmung für euch. Dieser Junge, dessen Tod ihr heute verschuldet habt, war ihr Geschenk an euch. Er sollte die Leere in eurem Herzen füllen. Er sollte euch den richtigen Weg zeigen. Die Götter wollten, dass ihr mein Pharao der größte Herrscher Ägyptens werdet. Nicht groß durch euren Besitz oder eure Kriegsführung, sondern durch die Taten, die ihr zum Wohle eures Volkes vollbracht habt. Ihr habt versagt. Ihr habt weder euer Geschenk noch eure Aufgabe und dadurch eure Bestimmung erkannt. Nun werdet ihr mit den Konsequenzen leben müssen. Ihr werdet schon bald nach eurem Ableben vergessen werden und euer Name wird im Sand der Zeit untergehen. Ihr dürft die Götter allerdings nicht missverstehen. Der Tod des Jungen sollte niemals eine Strafe für euch sein. Es ist mehr eine Lektion – eine harte Lektion – darüber, was eure Entscheidungen für Folgen haben.“ Sie trat zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich weiß Pharao, euer Wunsch ist es Hany noch einmal zu sehen und ich werde ihn euch erfüllen. Ihr könnt euch von ihm für dieses Leben verabschieden.“ Auch wenn er die vorherigen Worte nicht wirklich verstanden hatte, so ließ ihn der letzte Satz aufhorchen. „Was heißt ‚für dieses Leben‘“, wollte er wissen. „Nun die Götter erweisen sich als gnädig. Sie erweisen Hany einen Gefallen. Nicht euch. Eurem Geliebten. Daran müsst ihr euch zurückerinnern. Es ist ein sehr mächtiger Zauber, der in dieser Form noch nie angewendet wurde. Er verlangt von euch beiden einen gewissen Pfand. Einen Preis für den Aufwand. Einen Beweis dafür, dass eure Liebe wirklich so groß ist. Euer Geliebter war sofort bereit seinen Beitrag zum Gelingen des Zaubers zu leisten. Er war bereit seinen Preis zu zahlen, um euch in seinem nächsten Leben wiederzusehen. Wie steht es mit euch oh Pharao?“, fragte die junge Frau herausfordernd. „Alles. Ich gebe alles was die Götter verlangen, wenn ich ihn nur noch einmal wiedersehen kann“, antwortete der junge Mann ohne zu zögern. „Gut, mein Pharao, wirklich gut. Sobald ihr euer jetziges Leben hinter euch lasst – sobald ihr sterbt – wird die Magie ihre Kraft entfalten. Sie wird euch eure Erinnerung nehmen. Ihr werdet in ein neues Leben geboren werden, ohne das Wissen, das dieses jemals existiert hat. Ihr werdet euch an Hany nicht erinnern können. Ihr werdet nicht einmal wissen, dass ihr jemanden habt, der auf euch wartet. Doch auch wenn ihr euren Liebsten nicht mehr kennen werdet, so wird euer Herz euch immer drängen. Euer Leben und eure Seele werden unvollständig sein, bist ihr ihn gefunden habt...aber ihr müsst auch verstehen, was ihr gefunden habt, bevor ihr es vielleicht wieder verliert. Es wird eure Aufgabe sein ihn zu finden. Ihr werdet euer Leben lang auf der Suche sein, obwohl ihr nicht wissen werdet, wonach ihr sucht. Ihr müsst lernen auf euer Herz zu hören und euren Gefühlen zu vertrauen.“ Nefertari sah in die Augen des Pharao, um zu erkennen, ob er sie wirklich verstand. Er nickte und sie wusste, dass auch er bereit war seinen Soll zu erfüllen. Mit einer Bewegung ihrer Hand, gab sie dem Herrscher Ägyptens zu verstehen, dass er ihr folgen sollte. ********** Es war bereits Nacht und ein wundervoller Sichelmond stand am Himmel. Nefertari blickte zu ihm hoch. Sie sah den grenzenlosen Himmel und dachte an die Lügen, die die Menschen sich selbst erzählten, um sich besser zu fühlen. Sie hatte den Pharao beobachtet, wie er sich von seinem Liebsten verabschiedet hatte. Er hatte Stunden vor dem Sarkophag gekniet, in dem Hany aufgebahrt wurde. Atemu hatte um Verzeihung gebeten und geschworen, dass er es nicht zulassen würde, dass in ihrem nächsten Leben etwas zwischen ihnen stand. Der Pharao musste von zwei Dienern fast schon gezwungen werden, den Raum der Bestattung zu verlassen. Nefertari hatte ihn zum Abschied flüstern hören ‚Glaub ihr kein Wort! Ganz egal wie stark diese Magie ist, ich könnte dich nie vergessen.‘ Leider wusste die junge Frau, dass Atemu sich hier selbst belogen hatte. Er wollte sich selbst gerne einreden, dass er so stark war und wenigstens etwas von seiner Erinnerung retten könnte, doch dem war nicht so. Er war nicht selbstlos genug. Er würde vergessen und alles worauf er hoffen konnte war, dass sein Herz laut genug schreien würde, dass ihm etwas in seinem Leben fehlte. Sie betete für Hany, dass dieses einfältige Kind lernen würde auf sein Herz zu hören. Es war ihre Fürsorge dem Jungen gegenüber, die sie eine letzte Botschaft an den Toten schicken ließ. „Hany, du weißt die Götter haben dich allein für den Pharao erschaffen. Du erwärmst sein Herz und ergänzt ihn. Ihr seid perfekt zusammen. Doch merke dir mein Lieber, manchmal ist ‚perfekt‘ einfach nicht genug. Manchmal lohnt sich nicht jeder Schmerz für die Perfektion.“ Diese Worte hatte Nefertari dem Leichnam ins Ohr geflüstert, als der Pharao gegangen war. Sie hoffte sehr, der Geist des Jungen hatte sie gehört. Sie wollte nicht, dass Hany in seinem nächsten Leben genauso enttäuscht wurde, wie in diesem. Den Schmerz wollte sie ihm gern ersparen. Was Atemu anging…nun, die Götter zeigten ihr, dass sein Ende bald kommen würde. Die Berater, die nun um ihr Leben fürchteten, da sie den Zorn ihres Herrschers auf sich gezogen hatten, hatten bereits einen Auftragsmörder angeheuert,um ihn aus dem Weg zu räumen. Sie dachten sein Cousin Seth, der als nächster in der Thronfolge stand, würde leichter zu beeinflussen sein. Nefertari musste lächeln, als ihr der Blick in die Zukunft zeigte, dass er es sein würde, der ihren Untergang besiegeln würde. Der Pharao würde bald sterben, dass wusste die Novizin und er würde den Tod willkommen heißen, denn er würde ihn von dem Schmerz befreien, dass sein Leben nun für ihn brachte. Mit viel Glück würden beide Liebenden einen Neuanfang im Tod finden. tbc… *************************************************************************** *Wenn jemand, männlich oder weiblich, im alten Ägypten in den Dienst eines Gottes oder einer Göttin kam, gab es eine Zeremonie, bei der dieser Person ein neuer Name gegeben wurde, denn ein neuer Name hieß ein neues Leben. Diese Zeremonie wurde nur bei denen durchgeführt, die für etwas Großes bestimmt waren. *Laut Legende war Horus der erste Pharao Ägyptens. Alle seine Nachfolger stammen aus seiner Blutlinie und sind seine Vertretung auf der Erde. Horus ist Isis Sohn. *Wer Interesse. Außerhalb meiner kurzen Erklärungen, an den erwähnten Göttern hat: Osiris = „Der erste der Westlichen (der Toten), Herr von Abydos“. Gott des Jenseits. (http://de.wikipedia.org/wiki/Osiris) Isis = Neben anderen Zuschreibungen ein Vorbild aller Mütter und Schutzherrin der Kinder, Mutter des Horus und Schwester wie auch Gemahlin des Osiris. Beschützerin der Kanope des Amset. (http://de.wikipedia.org/wiki/Isis_%28%C3%84gyptische_Mythologie%29) Hathor = „Haus des Horus“. Göttin des Westens, der Liebe, des Friedens, der Schönheit, des Tanzes, der Kunst und der Musik. (http://de.wikipedia.org/wiki/Hathor_%28%C3%84gyptische_Mythologie%29) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)