Passed Memory von bl_and_ld (Puzzleshipping) ================================================================================ Kapitel 7: Seeungeheuerhaar, ägyptische Pharaonen und andere kulinarische Grausamkeiten --------------------------------------------------------------------------------------- #"blablabla"# ist mal wieder Ägyptisch ********************************************************************************* Kapitel 7: Seeungeheuerhaar, ägyptische Pharaonen und andere kulinarische Grausamkeiten „Also Yugi, du weißt sicherlich warum wir diese Konferenz einberufen haben?“, fragt Yami mich mit ernster Stimme. „Um ehrlich zu sein, nicht so richtig“, antworte ich wahrheitsgemäß. Egal was es ist, es kann nicht so wichtig sein, denn seine Gedanken scheinen ganz wo anders zu sein. Mann, mein Puls rast wie wild. Zum ersten Mal seit ich ihn hier in der Schule herumgeführt habe, sind wir allein. Es versetzt mir einen Stich mitten ins Herz, dass ich für ihn anscheinend so unwichtig bin, dass er nicht einmal bei einer persönlichen Unterredung seine komplette Aufmerksamkeit auf mich fokussieren kann. „Deine Noten sind stark in den Keller gefallen, Yugi.“ Ups. Ich fühle mich irgendwie ertappt und irgendwie auch schuldig. Es kann zwar gar nicht sein, aber sein Blick durchbohrt mich, als wollte Yami sagen: „Ich weiß das es Absicht war.“ „Aber ich bleibe doch nicht sitzen.“ Es ist eine Feststellung meinerseits, keine Frage, denn ich weiß ja auch so, dass mein Notendurchschnitt zu gut ist, als dass ich mir den durch drei schlechte Noten so sehr verbaut hätte. Oh Mann, es ist so schwer, mich auf dieses Gespräch zu konzentrieren, wenn er so nah ist. Yami riecht nach Seife und…auch wenn es verrückt ist…nach Holz. Es ist ein anheimelnder Duft, der mich geborgen fühlen lässt. Ich könnte den ganzen Tag damit verbringen, einfach nur stillschweigend bei ihm zu sein. Einfach nur, seine Nähe zu genießen. Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt, als Erinnerungsbruchstücke sich in mein Bewusstsein drängen. Bilder von verstohlenen Blicken und verstohlenen Lächeln flackern vor meinem inneren Auge auf. Heimliche Berührungen. Zart, fast wie ein Windhauch. Die Vorfreude auf den späteren Abend, wenn wir endlich unter uns sein konnten und ich meinen Pharao ganz für mich alleine hatte und natürlich all die Dinge, die dann folgten… „Kann es sein, dass du Probleme Zuhause hast?“ Ich hebe ruckartig meinen Kopf. So schnell, dass mein Nacken knirscht. Zum einen hat mich seine Frage überrascht, zum anderen ist sie einfach nur lächerlich. Ich hoffe, dass mein Blick ihm sagt, wie absurd diese Frage ist. Ich muss bei der Vorstellung lachen, dass Yami an so etwas denkt. Dann fällt mir ein, dass Yami ja ganz neu als Referendar an unserer Schule ist. Er hatte noch gar nicht die Möglichkeit gehabt meinen Großvater kennen zu lernen. Keiner, der das hat, würde davon ausgehen, dass ich Probleme Zuhause habe. Da Yami immer noch auf eine Antwort wartet, gebe ich sie ihm. „Nein, habe ich nicht!“ „Was ist dann der Grund?“ Wieso kann Yami nicht einfach locker lassen? Es fällt mir schon jetzt schwer mich zu konzentrieren. Alles was ich will ist hier zu verschwinden, sonst tue ich noch etwas sehr Dummes und springe ihn an…oder gestehe ihm gleich meine Liebe. Ich blicke auf meine Schuhe, um mich etwas von meinen viel zu bildlichen, viel zu realistischen Erinnerungen abzulenken. Die Aktion nützt nicht viel, denn Yami lockert gerade seine Krawatte und öffnet die ersten beiden Knöpfe seines Hemdes, während er aufsteht und langsam an das Fenster hinter ihm tritt, als ich wieder hochschaue. Es ist zwar nicht viel Haut, die freigelegt wurde, aber es reicht aus, um einen Mund trocken werden zu lassen. So schnell wie möglich senke ich wieder meinen Blick. „Gar nicht gut. Das hier ist gar nicht gut“, wiederhole ich im Stillen panisch immer wieder. „Nein Yugi, schau jetzt nicht hin“, ermahne ich mich selbst gedanklich. „Genau, deine Schuhe sind viel interessanter als Yami mit offenem Hemd…oder ganz ohne Hemd…mit nichts weiter als einem Lendenschurz um die Hüfte…oh ja, das wäre schön…Gott verdammt, NEIN! Falsche Richtung! Ganz böse Gedanken! Ganz, ganz böse! Reiß dich am Riemen, noch ist es nicht so weit…“ Oh Gott, ich habe doch nicht angefangen zu sabbern? Panisch schaue ich auf. Huch. Yami hat mich ja was gefragt…aber was noch mal? Ah…ach ja, was der Grund für meine schlechten Noten sei. Richtig. Langsam sollte ich ihm vielleicht antworten. Nur gut, dass er mich nicht angesehen hat. Anscheinend sind die Unterlagen vor ihm auf den Tisch sehr spannend. Also, was wäre denn logisch, wenn man bei einer Arbeit versagt? „Es gibt keinen. Ich hatte mich geirrt und die falsche ägyptische Epoche gelernt.“ Noch während ich es ausspreche, merke ich wie lahm diese Ausrede klingt. Aber hey, jeder macht mal Fehler! Warum sollte ich also nicht mal das Falsche gelernt haben? Yami ist seine Skepsis anzusehen. Er hat eine Augenbraue hochgezogen und die Arme vor der Brust verschränkt. Ich würde mir vielleicht auch Sorgen deswegen machen, wenn ich nicht absolut gefesselt davon wäre, wie sexy diese Geste ist. „Was mich wundert ist Folgendes“, sagt er, während er mich mit seinem Blick festnagelt. Das hatte ich jetzt nicht erwartet. Bis auf das eine Mal ganz zu Anfang dieses Gesprächs, hat Yami jeden Blickkontakt vermieden. Er hat mich jetzt damit überrumpelt. „Du hattest bereits schon die Richtigen angekreuzt. Warum wurden sie wieder geändert?“, fragt er mich fordernd. Seine Tonlage ist eine stille Warnung nicht zu lügen. Doch ich kann nicht anders. „Ich…war mir nicht sicher?“ Verdammt, nicht mal in meinen eigenen Ohren klang das glaubwürdig. Die Quittung für diese Lüge bekomme ich sofort. „Das glaube ich dir nicht.“ Yamis Stimme ist ziemlich harsch. Anscheinend pisst es ihn ganz schön an, dass ich ausgerechnet jetzt anfange zu versagen. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich jetzt schon zehn Mal umgekippt. Oh Mann, irgendwie läuft gar nichts, wie ich es mir vorgestellt habe. So viel zu meinem genialen Plan, um nicht mehr der Lehrerliebling zu sein. Kann es denn noch schlimmer kommen? Ich springe vom Stuhl, auf den ich mich zu Beginn unseres Gesprächs gesetzt habe, als er die Bombe platzen lässt. „Ich habe deine Eltern angerufen.“ „Sie haben was?“, frage ich voller Panik. „Deine Eltern angerufen.“ Mann, Yami sagt das so seelenruhig und fast schon beiläufig…Hat er denn keine Vorstellung davon, dass er für mich die Apokalypse eingeleitete hat? Ich stelle mich aufrecht hin und frage ihn mit aller Vehemenz zu der ich fähig bin: „Warum haben sie das getan?“ „Weil ich mir Sorgen mache, Yugi“, ist seine ernst gemeinte Antwort. Ja klar, er sich Sorgen machen. Würde er das tatsächlich tun, hätte er sich danach erkundigt, wer meine Eltern überhaupt sind. Als Kind zweier passionierter Historiker, die gleichzeitig Geschichtsprofessoren sind, hat man es nicht besonders leicht. Klar muss man in allen Fächern gut sein und sich Mühe geben, aber was man auf gar keinen Fall tun darf, unter gar keinen Umständen, ist in Geschichte zu versagen. Nicht ein einziges Mal…und ich hatte das jetzt schon drei Mal getan. Bei meinem Großvater wäre das kein Problem. Er hätte sich die Noten angesehen und gelächelt, weil er ja weiß, was ich damit bezweckt habe. Meine Eltern hätten nie etwas davon erfahren, aber jetzt… Yami redet einfach weiter, aber ich höre ihm nicht mehr zu. Oh Mann, warum muss er mich auch so ins Unglück stürzen? Das Schlimme ist, dass er nicht einmal weiß, was er angerichtet hat. Ich kann ihn noch nicht einmal ansehen, ohne meine Enttäuschung und meine Verzweiflung zu zeigen. Ich sehe, dass ihn mein Blick irritiert, aber wie würde er reagieren, wenn ihm vielleicht Sommerschule bei den eigenen Eltern drohte? Im langweiligen Griechenland. Yami musste so was bestimmt noch nicht mitmachen. Es gibt nichts Schlimmeres, als Professoren, die gleichzeitig deine Eltern sind, die sich Sorgen um deine Zukunft und deine Noten machen. Das letzte Mal, als ich eine drei in dem Fach nach Hause gebracht habe, da musste ich den halben Sommer alles was es zu den Spartanern, den Athenern und deren ständige Rivalität gab auswendig lernen. Da war ich fünfzehn, Nur gut, dass mein Großvater mich dann den Rest des Sommers zu sich genommen hatte. Er hatte meinen Eltern versichert, dass er mir weiter alles wissenswerte zu den Thema näher bringen würde. Das Einzige, was in diesen drei Wochen bei meinem Opa im Entferntesten mit den Griechen zu tun hatte, war als wir uns gemeinsam ‚Meine Frau, die Spartaner und ich’ im Kino angesehen hatten. Ich kann mich nicht daran erinnern meinen Großvater jemals so heftig lachen gehört zu haben. Ehe ich mich versehe, ist dieses ‚ach – so – wichtige’ Gespräch vorbei. Gut, dass Yami noch mal wiederholt, dass ich mich drei Mal die Woche in der achten Stunde Nachhilfe von ihm bekommen werde. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass es darum ging. Eigentlich würde ich jetzt ja vor Freude Purzelbäume schlagen, denn Nachhilfe bei ihm, heiß dass ich wieder eine Chance habe ihm etwas über sein früheres Leben und unsere Liebe zu erzählen, aber irgendwie kann ich mich nicht so Recht darauf freuen, wenn ich an das Donnerwetter denke, was mich Zuhause erwartet, wenn meine Eltern wieder anrufen. ********** Ich sitze hier bei meiner Nachhilfestunde mit Yami. Er hat mir mal wieder so einen blöden Fragebogen zum Ausfüllen gegeben. Ähnlich wie die letzte Arbeit. Ich müsste eigentlich wegen zwei Dingen glücklich sein. Erstens darüber, dass er mein persönlicher Nachhilfelehrer ist und ich jetzt, wo wir ganz unter uns sind seine gesamte Aufmerksamkeit habe und zweitens darüber, dass ich viel zu früh in Panik geraten bin. Die Apokalypse stand mir nicht bevor. Noch nicht zumindest. Vielleicht würde er ja beim nächsten Mal wirklich meine Eltern anrufen und dann wäre ich dann echt fällig. Das ist auch der Grund dafür, dass ich den Fragebogen diesmal richtig ausfülle. Es hat ja eh keinen Sinn mich dumm zu stellen. Ich bin wahrscheinlich der erste Mensch auf Erden, der dabei versagt zu versagen… Allerdings hatte Yami mit seiner Behauptung ich sei ‚Lehrers Liebling’ gar nicht mal so Unrecht. Ich habe zwar keine Ahnung, ob er selbst etwas davon weiß, aber als ich mir beim Direktor den Schein für die Nachhilfe - ähnlich wie der rosa Zettel den man bekommt, wenn man zum Nachsitzen muss…scheinbar ist es für den Direktor und die anderen Lehrer ein und dasselbe - geholt habe, hat er sich doch tatsächlich dafür entschuldigt, dass er dieser Maßnahme überhaupt zugestimmt hatte. Seine genauen Worte waren glaube ich: „Es tut mir wirklich Leid Yugi. Ich weiß ja, dass es nur Ausrutscher waren. So etwas kann jedem Schüler mal passieren und es waren ja auch keine bedeutenden Zensuren. Nur kleine Tests. Herr Athem ist halt neu. Er ist ja noch kein richtiger Lehrer und er ist etwas zu…übereifrig bei machen Angelegenheiten.“ Meine Güte, bei der schleimigen Rede, wurde mir schlecht. War ich denn echt so ein Streber, dass die Lehrer auch gerne darüber hinwegsahen, wenn ich mal versagte? Was wäre, wenn es ein echter Hilferuf von mir gewesen wäre? Hätte das jeder einfach so abgetan? Ich habe mir dann nur schnell den Schein geschnappt und bin mit einem gekünstelten Lächeln und einem Nicken aus dem Büro verschwunden. Ganz ehrlich gesagt, hatte ich durch die Ansprache des Direktors eine neue Seite an Yami entdeckt, die ich lieben konnte: Er war engagiert und setzte sich für seine Schüler ein! Trotz des neu gewonnenen Respekts vor ihm, war ich verdammt sauer auf den Herren Referendar. An dem Tag, an dem er mir gesagt hatte, er hätte meine Eltern angerufen, bin ich wie ein Besessener nach Hause gerannt. Ich habe die Tür zu der Wohnung meines Opas so heftig aufgerissen, dass sie eine Delle in die Wand dahinter gemacht hat. Es tat mir zwar Leid, das ich seine Wohnung etwas demoliert habe, aber ich hatte andere Sorgen. „Ma…ma und Pap…pa…ha…haben sie schon angerufen?“, stotterte ich völlig aus der Puste. „Nein, warum sollten sie auch?“, fragte mein Großvater stirnrunzelnd zurück. „Meine No…Noten. Ya…Yami hat gesagt, er hä…hätte sie angerufen“, meinte ich. „Na da hat dein Herr Referendar gelogen mein Junge“, antworte mir mein Opa grinsend. Ich sah ihn verwirrt an. Das muss wohl zu komisch gewesen sein, denn er lachte laut auf. „Yugi, ruhig Blut. Er hat nur mich angerufen und ich habe deinem geliebten Yami nur gesagt, deine Eltern wären bei Ausgrabungen in Griechenland. Er wollte zwar die Nummer haben, aber sie haben uns ja die Telefonnummern der Hotels in denen sie wohnen nicht gegeben. Das Einzige was ich habe, ist die Nummer des Sattelitentelefons, aber das dürfen wir beide ja nur im Notfall anrufen…und ein Notfall ist für mich, wenn du eine Organtransplantation brachst oder im Koma liegst oder im Gefängnis sitzen würdest…nicht wenn du ein oder zwei oder auch drei schlechte Noten geschrieben hast.“ Habe ich schon erwähnt, dass ich meinen Großvater liebe? Das tue ich wirklich. Er hat doch tatsächlich zu Yami gemeint: „Er ist in einer schwierigen Phase und sehnt sich nur nach einer gewissen Führung.“ Das hat er ihm Wort wörtlich so gesagt, als dieser ihm erzählt hatte, wo meine Probleme in dem Tests lagen. Ich habe doch gewusst, dass er es verstehen würde! Opa hat nur gemeint, dass es vielleicht der falsche Weg war, um mich bei ihm sympathischer zu machen. Wie gesagt, ich liebe meinen Großvater…und ich bin stinksauer auf Yami. Dieser Mistkerl hat mich belogen und mich umsonst durch die Hölle und zurück geschickt! Der hat doch nicht einmal eine Ahnung davon, was für eine Panik ich gehabt habe! Das ist auch der Grund, warum ich in der letzten Reihe des Klassenzimmers sitze. Stocksteif, als hätte man meine Uniform mit zu viel Stärke behandelt. Ich versuche die Tests immer so schnell wie möglich zu schreiben, damit ich wieder verschwinden kann. Yami scheint sich aber einen Spaß daraus zu machen diese Fragebögen so langsam wie möglich zu kontrollieren. #“Ach Yugi, ich weiß langsam wirklich nicht mehr, wie ich dir helfen kann.“# Ich schrecke aus meinen Gedanken, als ich seine Stimme etwas flüstern höre. Die Akustik ist in diesem Zimmer besonders gut. Es klingt so vertraut was er sagt und ich begreife etwa eine Sekunde später, dass Yami wieder auf Ägyptisch gesprochen hat. Mein Kopf übersetzt die Worte fast automatisch. Ihre Bedeutung lässt mein Herz wieder rasen. Er will mir nur helfen? Alles, was er getan hat, war nur der Versuch mir zu helfen? Nun, auch wenn er mit seiner Hilfe total ins Klo gegriffen hat, so war es doch eine nette Geste. Vielleicht habe ich ja auch überreagiert…Yami kennt ja meine Eltern gar nicht. Ich glaube würde er das tun, würde er nicht einmal im Traum daran denken sie anzurufen…ganz egal wie schlimm es um meine Noten bestellt wäre. Huch, ich war mal wieder so in Gedanken, dass ich nicht mitbekommen habe, wie er auf mich zugekommen ist. In seiner Hand hat er eine Lunchbox, die er mir mit einen einfachen „Hier“ entgegen schiebt, nachdem er sich breitbeinig auf einen Stuhl mir gegenüber gesetzt hat. Seine Hände verschränkt er auf der Rückenlehne und schaut mich abwartend an. Was erwartet er denn von mir? Meine Güte, er hat ja sogar perfekte Hände! Niemand den ich bisher kennen gelernt habe, hatte so schöne, schlanke Hände mit so feingliedrigen Fingern. Fast wie die einer Madonnenstatue. „Iss was.“ Er biete mir was von seinem Essen an? Ist das sein Ernst? Zögernd greife ich nach der Box und öffne sie. Der Geruch alleine lässt meinen Magen in Hungerstreik treten, aber der Anblick ist noch um einiges unappetitlicher. Es ist matschig, grün – gräulich und ich kann mir nicht helfen, aber egal was es ist, es erinnert mich an eine der griechischen Mythen, die meine Mutter mir früher erzählt hatte. Es war die Legende von einem Seeungeheuer. Irgendwie sieht das Zeug in der Lunchbox so aus, wie ich mir früher den Haarschopf des Ungetüms vorgestellt habe. Igitt, Seeungeheuerhaar! Wer will das denn essen? „Was ist das?“, frage ich skeptisch. „Rosenkohl im Wirsingmantel“, antwortet Yami, als wäre diese abartige Kombination tatsächlich essbar. Ich schlucke, weil ich das Gefühl habe, sonst kommt mir alles hoch. Ich mache den Deckel der Box wieder zu. Irgendwie erinnert mich diese Geste an die Büchse der Pandora, aus der alles Unglück und Übel auf die Menschheit losgelassen wurde. Dieser Rosenkohl im Wirsingmantel, kommt dieser Beschreibung ziemlich nah. Angewidert schiebe ich das Zeug zu Yami zurück. Soll er es doch essen, wenn er es verbrochen hat! „Nein danke“, meine ich fest. Um nichts in der Welt würde ich das da essen. „War das ein ~Nein Danke, ich habe keinen Hunger~ oder ein ~Nein Danke, dieses Zeug ist widerlich~“, fragt er unverschämt wie er ist zurück. Obwohl es nur ganz fein ist, kann ich doch eine Spur Enttäuschung in seiner Stimme erkennen. „Eher das Zweite.“ „Dir ist schon klar, das selbst ~dieses Zeug~ mir Arbeit bereitet hatte? Oder ist es doch vielleicht so was wie ~Nein Danke, von so einem wie dir nehme ich nichts an~?“ „Nun werden Sie nicht albern, Herr Athem“, obwohl meine Antwort leicht hin gesagt wurde und ich lächle, spüre ich dieses nervende Stechen in meiner Brust. Na toll, jetzt hat er mich! Ich habe ein schlechtes Gewissen und auch noch Mitleid mit ihm. Kochen ist wirklich nicht jedermanns Sache und seine anscheinend überhaupt nicht, aber auch wenn es nichts geworden ist, hat er sich doch die Mühe gemacht. Ich greife nach der Box und nehme die Essstäbchen aus ihrer Halterung. Ich habe eigentlich keine Lust diese Büchse der Pandora wieder zu öffnen, denn sie wird all ihr Unheil über mich bringen, aber was tut man nicht für die Liebe. Ich stochere etwas lustlos in der grünen Masse herum. „Hallo Seeungeheuerhaar! Schön dich wiederzusehen…“, denke ich mir. „Komm schon Yugi, er hatte diese Dinger selbst gemacht“, redete ich mir gut zu. Yami bot mir seine Lunchbox an! Mit etwas Fantasie könnte ich mir einbilden er hätte diese Lunchbox nur für mich zubereitet. Hier in Japan war es eine Geste zwischen zwei Liebenden, wenn ein Mädchen einem Jungen eine Lunchbox zubereitete, oder andersherum. Warum sollte ich mich da anstellen, als wäre ich ein kleines Kind? Nichts schmeckte so schlimm, dass man es nicht essen konnte…man musste nur den Ekel überwinden. „Komm schon Yugi, es schmeckt bestimmt besser als es riecht…oder aussieht“, machte ich mir Mut. Ich griff die Stäbchen fester. Ich schaute mir dieses grüne Etwas, das ich herausgefischt hatte, weil es nicht zu zermatscht aussah genau an, schluckte, schob es mir in den Mund und biss zu. „Korrektur zum ins Gehirn meißeln: es riech besser als es schmeckt! Das Aussehen ist...na ja...eine Sache für sich“, dachte ich mir kaute aber weiter. Dieser bittere, schale Geschmack war so widerlich. Ich konnte den Rosenkohl aber nicht einfach so wieder ausspucken, schließlich hatte Yami ihn zubereitet. „Bloß nicht auf die Zunge kommen lassen, sonst hast du den ganzen Geschmack im Mund“, sagte ich mir im Stillen, während ich kaute und die Masse herunterschluckte. Sofort setzte ein Hustenreiz ein. Mein Körper versuchte sofort dieses ekelhafte Zeug abzustoßen. Yami klopfte mir helfend auf den Rücken, als ich zu würgen anfing. Zum Glück konnte ich den Würgreiz stoppen, bevor es zu spät war. „Lecker“, log ich mit einem gequälten Lächeln. Meine Augen tränten etwas, weil ich mich zusammenreißen musste, dass mir dieser Rosenkohl nicht wieder – und diesmal mit samt meinem Frühstück – hochkam. Ich glaube ich log nicht sehr überzeugend. „Meine Güte, wenn es dir nicht schmeckt, musst du es doch nicht essen!“, meinte Yami. Es ist echt süß, wie besorgt er um mich ist, aber ich kann das doch nicht einfach so auf mir sitzen lassen. Irgendwie habe ich das Gefühl ihn beleidigt zu haben, denn schließlich war auch dieses…dieses…na nennen wir es mal ‚Essen’, aufwendig in der Zubereitung. Doch gerade als ich noch einmal mit den Essstäbchen in die Box greifen will, reißt Yami mir die Lunchbox aus der Hand und klappt den Deckel zu. „Willst du dich umbringen?!“ Ich lächle etwas gequält, denn zum einen fürchte ich, das mir dieser Rosenkohl im Wirsingmantel wieder hochkommt und zum anderen finde ich diese Aussage echt witzig, auch wenn mir die Kraft fehlt, um richtig zu lachen. Er weiß also, dass er nicht kochen kann! Sollte ich mich jetzt beleidigt fühlen, weil er mir dieses Zeug trotzdem angeboten hat? Scheinbar ist es ihm auch etwas peinlich, denn Yami wechselt meiner Meinung nach viel zu schnell das Thema. „Du hast mir heute bewiesen, dass du es doch kannst. Ich glaube, du brauchst mich gar nicht, sondern nur einen kräftigen Tritt im Allerwertesten.“ Oh, das hätte er nicht sagen sollen. Wieder diese bösen Gedanken. Ganz, ganz böse Ideen, die mein Gehirn mit unanständigen Bildern fluten. Ich reiße die Augen weit, als mir auffällt, dass er mich immer noch anschaut. Dieser Blick ist so intensiv, dass ich fürchte er könnte meine Gedanken lesen. Oh Mann, wäre das peinlich. Ich lasse meinen Blick im Raum schweifen. Bloß nicht in diese roten Katzenaugen schauen, sonst vergesse ich mich wirklich noch. Wer hätte gedacht, dass Selbstbeherrschung so eine Qual sein kann? Yami ist mir jetzt so nah. Er hat meinen Hefter und meine Federmappe aus dem Weg geschoben, um seine Ellbogen auf dem Tisch abzustützen und seinen Kopf auf seinen gefalteten Händen abzulegen, um mir so noch besser in die Augen zu sehen. „Wie lange willst du noch den Dummen spielen?“ Häh? Was ist denn das für eine Frage? Ach ja, ich hatte ja schon völlig vergessen, dass ich aus einem bestimmten Grund hier bin. Ich schaue verlegen auf meine Finger. Es ist so peinlich, dass Yami mich von Anfang an durchschaut hat. Er weiß ja, dass ich die Arbeiten mit Absicht vermasselt habe. Ich hätte ihm wohl etwas mehr zutrauen sollen. „Wir machen ein Deal“, sagt er plötzlich. Ich verstehe nicht ganz…was er meint. Verwirrt sehe ich ihn an. Oh, oh! Dieses Grinsen bedeutet nichts Gutes, dass weiß ich noch aus meinem früheren Leben. Mein Instinkt sagt mir schnell den nächsten Ausgang zu suchen und zu laufen, so schnell und so weit mich meine Beine tragen können. Doch ich weiß ja, dass Yami mir nur helfen will. Ganz egal zu welchen Mitteln er greifen wird – und ich weiß schon jetzt, dass sie mir nicht gefallen werden – er will mir nur helfen. Irgendwie rührt mich das und ich habe das Bedürfnis ihn zu umarmen. Doch dieser Wunsch ist einfach nur dumm, kindisch und naiv. Ich muss mir ins Gedächtnis rufen, dass Yami ein Referendar ist. „Ein Deal?“, fragt mein dummes, naives Ich. Wenigstens schaffe ich es ihn skeptisch anzusehen, als ich diese Frage stelle. „Es ist in Ordnung, wenn du mir deine Gründe nicht nennen möchtest, ich bin ja auch nur ein Lehrer.“ Nur ein Lehrer? Das ist doch nicht sein ernst, oder? Für mich ist er sehr viel mehr. Ich will ihn so gerne sagen, dass er mehr als ein Lehrer ist. Er ist einfach ein guter Mensch und wie gerne ich ihm alles erzählen würde was mich bedrückt, aber das kann ich nicht machen, also halte ich lieber meinen Mund. „Wie ich angekündigt hatte, werde ich jede Woche einen Test schreiben“, erklärt Yami mir. Ich nicke. Das habe ich auch gewusst. „Bei jedem Test wo du einen Fehler hast, werde ich dir Rosenkohl im Wirsingmantel mitbringen.“ Okay, das ist eine wirklich gute Motivation, um wieder hundert Prozent beim nächsten Test zu schreiben. Ich merke schon jetzt wie mir wieder schlecht wird. Vorsichtig schiele ich zu der Lunchbox und schmatze etwas, um den Kohlgeschmack loszuwerden, der sich sofort wieder in meinem Mund breit macht. „Das Grenzt ja schon fast an Erpressung“, empöre ich mich. Soll das eine neue Erziehungsmethode sein? Seit wann greifen Lehrer zu solchen Mitteln? „Das ist Erpressung“, gibt Yami unverschämt breit grinsend zu. „Und für jeden Test, wo du keinen Fehler hast, darfst du mir einmal hier in der Nachhilfe zu dem regulärem Thema Fragen stellen, die nur kurz angeschnitten werden.“ Na das ist doch wirklich mal ein Angebot! Ich bin hell auf begeistert. Das ist doch wieder eine Chance für mich…auch wenn ich noch nicht wirklich weiß wie ich sie nutzen soll. Außerdem heißt es, dass ich noch mehr Zeit mit ihm verbringen kann. Meine Laune bessert sich schlagartig. „Gebongt?“, fragt Yami mich, als ich nicht sofort antworte. „Gebongt!“, antworte ich. Wer, der sich wirklich für Geschichte interessiert, würde so ein Angebot schon ausschlagen? ********** Zwei Wochen später finde ich mich zu unserer letzten Nachhilfe Stunde ein. Nicht weil ich keinen Bock mehr habe oder Yami keine Zeit mehr hat – ich frage mich eh schon, wie er es schafft, seine drei Klassen, all die Vorbereitung und dann noch meine Nachhilfe unter einen Hut zu bringen – sondern weil wir nur noch zwei Tage Schule haben. Den ganzen August und Anfang September haben wir jetzt frei. Gott sei Dank. Ich habe zwar nichts gegen die Schule, aber ohne Klimaanlage ist es bei knapp achtunddreißig Grad Celsius in unseren Klassenräumen kaum auszuhalten. Obwohl ich aus meinen Ferienreisen nach Ägypten weitaus höhere Temperaturen gewohnt bin, ist es in der Schule etwas anderes. Schlimmer. Liegt vielleicht an der Kombination von Hitze und Langeweile. Zu jeder Nachhilfestunde bin ich immer pünktlich erschienen. Ich glaube aber wirklich, dass Yami sich etwas an mir rächen will, für den Stress, den ich ihn bereitet habe. Wie ich darauf komme? Na hauptsächlich weil er mir immer etwas aus seiner Lunchbox anbietet. Ja, ich weiß, dass es eigentlich eine freundliche Geste sein soll, aber mal abgesehen davon, dass es mich immer an meine Erfahrung mit dem Rosenkohl im Wirsingmantel erinnert, sind seine anderen Kreationen auch nicht gerade als genießbar…nicht einmal als wirklich essbar…zu bezeichnen. Langsam beginne ich mich echt zu fragen, ob er einfach nur nicht kochen kann oder mich mit Absicht quält. Die Vorstellung, dass Yami von solchen Eigenkreationen lebt, wie Kürbisomelette – sieht genau so aus, wie es kling…oranger Matsch, mit Eiweiß dazwischen – oder Bambussprossen mit Sellerie und Räucheraal, lässt mich Mitleid mit ihm haben. Da es unsere letzte gemeinsame Nachhilfestunde ist, habe ich heute mal eine Lunchbox mit meinem selbst gemachten Essen mitgebracht. Ich hoffe mal normale Kost schmeckt ihm auch genau so, wie seine eigenen abartigen Kreationen. Ich habe meine Chancen ihm etwas von seiner Vergangenheit näher zu bringen so gut genutzt, wie ich konnte. Mein Großvater hat mich auf die Idee gebracht. Er hat mir vorgeschlagen, ich könnte Yami ja über die Blutlinie der Pharaonen ausfragen. Bis zu den Aufzeichnungen, über den ersten Herrscher des Nils. Dazwischen gibt es viele offene Lücken, denn nicht jeder Pharao ist bisher entdeckt worden. Es gibt ganze Jahrzehnte, die keinem bisher bekannten Herrscher zugeordnet werden können. Ich habe es rückwärts laufen lassen, weil ich wusste, dass er ab Echnaton nur einige Pharaonen aufzählen konnte, die bekannt waren…dann kam Seth und danach gab es eine Lücke in der Geschichte. Diese Lücke in den historischen Aufzeichnungen wurde gerade von Arthur und seinem Ausgrabungsteam erforscht. Ich, als der Enkel seines besten Freundes, kriege dadurch immer so etwas wie Insider – Informationen. Mein Opa hat mir den Vorschlag gemacht einen Vortrag über die neuesten Entdeckungen zu halten. Joey hat mich bei diesem Vorhaben unterstützt, denn ich wollte den Vortrag in der letzten Geschichtsstunde halten. Eigentlich waren alle meine Mitschüler von der Idee begeistert, dass ich einen Vortrag halte, denn das heißt: Kein richtiger Unterricht. Meine Lunchbox soll so etwas wie ein Bestechungsmittel sein, damit Yami meinem Vorschlag zustimmt. Vorsichtig betrete ich den Klassenraum. Yami hockt bereits ganz lässig auf einen Stuhl, neben dem Platz, an dem ich für gewöhnlich sitze. Mein Magen dreht sich um, als ich sehe, dass er seine Lunchbox in den Händen hält. Er schaufelt etwas in sich hinein, das aussieht wie verbrannter Grünkohl oder Algen. Büäh!!! Schon wieder so eine kulinarische Grausamkeit. Hoffentlich bietet er mir nichts davon an. „Ah! Hallo Yugi, da bist du ja endlich. Ich dachte schon, du tauchst heute gar nicht auf und ich bin um sonst noch so lange hier geblieben“, begrüßt er mich. Yami hält mir seine Box entgegen und ich schüttle angewidert den Kopf. Er zuckt nur mit den Schultern und grinst. Ich wusste es! Ich wusste, dass da eine sadistische Strafe dahinter steckte. Doch noch bevor ich etwas sagen kann, stellt er mir schon die nächst Frage. „Und? Was willst du heute erfahren? Über welch Pharaonen soll ich dir heute Auskunft geben?“ Kommt es mir nur so vor, oder ist er heute doch sehr enthusiastisch? Yami scheint sich richtig darauf zu freuen, mir etwas Neues näher zu bringen. Es könnte aber auch nur Wunschdenken sein. Ich sollte nicht immer so viel in einzelne Gesten reininterpretieren. „Ähm…eigentlich Herr Athem…“, beginne ich zögernd. Verdammt ist das schwer! Schließlich weiß ich ja nicht, ob er meinen Vorschlag annimmt. „Also eigentlich würde ich gerne mit ihnen etwas besprechen“, schaffe ich es endlich auszusprechen. Ich habe sofort die komplette Aufmerksamkeit des Referendars. Er sieht mich neugierig an. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass er immer noch darauf wartet dass ich ihm erzähle, warum ich die Tests in den Sand gesetzt habe, aber ich es ihm nicht sagen. Jetzt nicht. Wahrscheinlich noch nicht einmal, wenn ich es je schaffe ihn dazu zu bringen sich zu erinnern. Im Nachhinein betrachtet finde ich, dass es eine absolute Schnapsidee war, die nichts gebracht hat. Es ist mir echt peinlich, dass ich es überhaupt gemacht habe. „Schieß los Yugi“, fordert Yami mich auf, als ich nicht weiterrede. Mann oh Mann, das wird ja immer peinlicher! Erst von etwas anfangen und dann nicht weiterreden. Ich hoffe mal, Yami hält mich nicht für komplett bekloppt. „Ähm…ach ja…ich wollte eigentlich am Freitag gerne einen Vortrag in Geschichte halten. Wir sind ja gerade im Nachhilfeunterricht an einer geschichtlichen Lücke angelangt…und na ja…ich habe etwas recherchiert und es gibt ein Team von Archäologen, das gerade eine Entdeckung gemacht hat. Es soll sich um das Grabmal und den Königspalast des Vorgängers von Seth I. handeln. Da wir doch eh keine Arbeiten mehr schreiben, dachte ich mir, dass wäre mal eine Abwechslung.“ Ich schaue Yami in die Augen, vorher habe ich verlegen einen Punkt über seinem Kopf angeschaut. Habe ich etwas verpasst? Wieso runzelt er denn so die Stirn? „Ähm…ja, es passiert ja nicht jeden Tag, dass eine Lücke in der Historie geschlossen wird“, füge ich schnell hinzu, als er weiter schweigt. „Ich…ich habe Ihnen auch etwas mitgebracht Herr Athem.“ Ich halte ihm meine schwarze Lunchbox entgegen. Verwirrt nimmt er sie an und öffnet sie. Ich muss schmunzeln, als ich seinen fragenden Blick auffange. „Nach dem Sie so nett waren, mit mir Ihr Essen zu teilen und mich an Ihren kulinarischen Gra…Kreationen teilhaben zu lassen, dachte ich mir, ich erwidere mal den Gefallen. Ist alles selbstgemacht“, meine ich breit grinsend. Ich sehe zu, wie er vorsichtig nach den Stäbchen greift und geschickt damit ein Stück Omelette herausholt. Ich habe es extra zu einer Rolle geformt. Würstchen in Krakenform und Reisbällchen liegen noch darin und als was Leichtes für Zwischendurch habe ich auch noch Gurkensandwiches dazu getan. Ist zwar ungewöhnlich zu einem japanischen Gericht, aber seit meinen Frühlingsferien vor etwa fünf Jahren, als ich mit meinen Eltern in Großbritannien war, habe ich eine Schwäche für die und mache sie zu jeder Gelegenheit. Es ist so zu sagen meine Spezialität. Yami nimmt einen Bissen und scheint überrascht, dass es tatsächlich schmeckt. Tja, meine Rache für den Rosenkohl im Wirsingmantel wird viel subtiler und abschreckender sein, als ihm auch schlechtes Essen vorzusetzen. Nur leider muss ich mich damit gedulden, bis Yami sich an mich erinnert und mit mir zusammenkommt. Ich reibe mir gedanklich schon die Hände. „Hast du denn schon was vorbereitet Yugi? Eine Art Grundgerüst für den Vortrag, oder eine Gliederung? Einen Stichpunktzettel?“, reißt mich mein Gegenüber aus den Gedanken. „Ah…häh? Ach ja, einen Moment.“ Ich schnappe mir meine Schultasche und krame darin etwas herum. Nach einer Minute habe ich gefunden, was ich gesucht habe. „Hier“, sage ich und reiche ihm einen weißen Schnellhefter. „Da ist alles drin. Inhaltsverzeichnis oder Gliederung, Einleitung, Hauptteil, Schluss, einige Zusatzinformationen, die interessant sein könnten und die Quellenangabe.“ „Ja, da schaust du Yami“, denke ich mir. Ich bereite mich immer gut auf so etwas vor. So ein Schnellhefter existiert zu jedem Vortrag, den ich jemals – und ich meine jemals – gehalten habe. Wie schon erwähnt. Professoreneltern. Das hinterlässt Spuren. „Stört es dich, wenn ich es mal mitnehme und Zuhause drüberfliege? Ich meine…ob deine Informationen der Wahrheit entsprechen und deine Quellen richtig und vollständig sind? Du bekommst es auch morgen wieder.“ Ich nicke nur. Klar kann er sich das Ganze mal durchlesen. Ich halte ja den ganzen Vortrag nur für ihn. Vielleicht…vielleicht erinnert er sich ja morgen schon an etwas…oder ist zumindest neugierig um mir ein Paar Fragen zu diesen bisher unbekannten Pharao zu stellen. „Na, wenn du nichts weiter wissen willst, dann können wir ja beide jetzt Feierabend machen“, meint Yami und ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, eine Spur Enttäuschung aus seiner Stimme herauszuhören. „Ich gebe dir dann Morgen Bescheid, ob du den Vortrag halten kannst, oder nicht“, meint er noch zum Abschied und winkt mir zu, während ich zur Tür gehe. Ich nicke nur wieder. Bevor ich die Tür schließe, höre ich ihn wieder auf Ägyptisch reden. Es ist nur ein Wort, aber die Enttäuschung, die darin liegt, lässt mein Herz höher schlagen. #“Schade…“# ********** „…und so hofft das Team um Arthur Hawkins demnächst weitere Einblicke in das Leben dieses Pharaos zu bekommen, der auf den klangvollen Namen Atemu hörte. Besonders interessant für die Archäologen ist natürlich der Grund für seinen Tod und warum sein Grabmal in seinem ehemaligen Palast liegt. Das ganze Gebäude scheint zu seinem Mausoleum umfunktioniert worden zu sein. Die Frage, die sich dem Team nun stellt, ist ob dieser Maßnahme wegen fehlenden Geldern vorgenommen wurde oder ob es ein Zeichen der größten Ehrerbietung war, diesen Pharao an dem Ort zu bestatten, an dem er gelebt hatte.“ Ich lege meine Zettel zur Seite und schaue in die Klasse. Ich bin ehrlich überrascht, dass es tatsächlich Leute gab, die mir interessiert zugehört haben. Eigentlich fast alle…bis auf Tea und ihre zwei Freundinnen, die ich bis vorne hin habe flüstern, lästern und kichern gehört. Zum Glück hat Yami sie nach etwa zwanzig Minuten ständiger Unterbrechungen, mit einem wirklich Angst einflößenden Blick, zur Ordnung gerufen. Mann, bin ich froh, dass ich ihn nie so sauer gemacht habe. Ich war so froh diesen Vortrag halten zu dürfen, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann. Okay, Yami hat mir einen echt seltsamen Blick zugeworfen, als er mir den Schnellhefter zurückgegeben hat, ich kann aber nicht sagen, ob das positiv oder negativ war. Bevor er nämlich etwas sagen konnte – was er wollte – kam Herr Taori hinzu und quasselte irgendetwas von wegen ‚Besprechung wegen dem Unterrichtsstoff‘. „Nur so als kleine Zusatzinformation: Arthur Hawkins und sein Team werden in diesem Sommer Hilfe von Sogoroku Muto, den berühmten, aber pensionierten Archäologen bekommen.“ Ich sehe wie Joey mich angrinst. Obwohl ich den gleichen Nachnamen habe, ist noch keiner meiner Mitschüler – außer Joey – darauf gekommen, dass der berühmte Archäologe mein Großvater ist. Wahrscheinlich ist es für die meisten einfach geistig nicht fassbar, dass jemand von ihnen mit einer Art Berühmtheit verwandt ist. Mein Großvater hat sich schließlich einen Namen in der Welt der Archäologie gemacht. Als ich abwartend zu Yami schaue, weil ich seine Meinung hören will, sehe ich, wie er für ein Moment überrascht – ja fast ungläubig – die Augen aufreißt. Ich räuspere ich kurz um ihm zu signalisieren, dass ich fertig bin. Yami schaut mich an und scheint im ersten Moment gar nicht zu verstehen. Ich kann ihm den Augenblick ansehen, in dem es bei ihm ‚KLICK‘ macht. „Ah…ähm ja“, meint er verlegen, „gut gemacht Yugi. Sehr schöner Vortrag. Sehr informativ. Setz dich wieder.“ Ich gehe zu meinem Platz und packe den Schnellhefter und meine anderen Unterlagen in meine Tasche. Gerade in der Sekunde, als ich fertig bin, klingelt es. Yami schaut in seine Unterlagen und während alle anderen sich fertig machen um den Raum zu verlassen und in die heißersehnten Ferien aufzubrechen, schockt er alle mit einem Satz. „Gut Leute, das war es für heute, aber für nächste Woche lernt ihr bitte die Seiten achtundfünfzig bis dreiundsechzig.“ Protestierendes Gemurmel und ungläubige ‚Was?‘ – Rufe sind zu hören. Es ist Joey, der entsetzt meint: „Habe ich was verpasst? Ab jetzt haben wir doch Ferien?“ Yami schaut ganz schockiert drein…irgendwie, erinnert er mich an einen begossenen Puddel, als er entschuldigend murmelt: „Ferien…ach ja…das habe ich total vergessen. Ah…ähm…genießt eure Ferien.“ Das ist ja nicht zu fassen! Und da gibt er mir das Gefühl ein Streber zu sein. Dabei ist Yami gar nicht besser. Als ich den Raum verlasse, sehe ich ihn noch ein letztes Mal an. Ich muss mir diesen Anblick gut ins Gedächtnis brennen, schließlich sehe ich ihn sechs Wochen lang nicht. Auch wenn ich jede Nacht von ihm und unserer vergangenen Liebe träume und das Gefühl habe, jede Kleinigkeit an ihm zu kennen, so ist Yami in Natura doch anders…besser…als meine Erinnerung. tbc... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)