Ein Kuss für Herrn Tumnus von Jemima ================================================================================ Kapitel 1: O N E - S H O T -------------------------- Ein warmer Sommertag neigte sich dem Ende zu. Während die Sonne sich auf ihren Weg machte, um sich hinter den Horizont schlafen zu legen, war ihr Bruder der Mond schon in der Ferne am Himmelszelt zu erkennen. Mit einer erfrischenden Brise wehte der Wind vom Meer aus auf das Festland. Er brachte den Geruch der See mit sich. Und jene Bewohner Narnias, die nahe genug waren um das Rauschen der Wellen zu hören, erfüllte ein Gefühl von Fernweh wenn sie den Geruch einatmeten. Auf dem Klippen, welche die Brandung schon längst in ihrem Übermut abgeschliffen hatte, erstreckte sich eine üppig gefüllte Wiese. Gräser, Blumen, Sträucher und Kräuter hatten sich in einem harmonischen miteinander arrangiert. Hier oben mischte sich der Geruch mit dem von frischem und manches Mal auch feuchtem Gras. Das Stundenglas leerte sich um die Hälfte wenn man dem Weg vom prächtigen Schloss Narnias bis hierher folgte. Und jeders der Königskinder hatte schon einmal hier die Ruhe gesucht, um eine Entscheidung zu treffen oder für einen kurzen Moment das Gefühl zu haben, von allen Pflichten entbunden zu sein. Zwischen den Gräsern konnte man die junge Königin Lucy beobachten, wie sie auf allen vieren über die Wiese zu rutschen schien. Ihr braunes Haar, das seit ihrer Ankunft in Narnia länger geworden war und ihr nun über die Schultern reichte, hatte sie in einen einfachen Zopf gebunden. Die Ärmel ihres himmelblauen Kleides waren so weit wie es möglich war hochgekrempelt. Doch wo ihre Ärmel sauber blieben, so war der Rest des Kleides überseht mit Gras- und Erdflecken. Während ihrer scheinbaren Suche nach etwas, dass sich zwischen Gänseblümchen und Löwenzahn verbergen mochte, war sie von der Mitte der Wiese immer weiter an den Rand der Klippe gelangt, hinter der ein steiler Abhang hinab in die Wellen führte. „Pass bitte auch Lucy, nicht das du hinunterfällst.“ Das junge Mädchen sah erschrocken auf, als neben dem leisen Säuseln des Windes noch eine andere Stimme erklang. Sie war so in Gedanken vertieft, dass sie nicht einmal bemerkt hatte, dass sie nicht mehr alleine war. Doch nun, da sie die Person erkannte, nahm ein Lächeln den Platz auf ihrem bis eben noch nachdenklichem Gesicht ein. „Herr Tumnus.“ Ihre blau-grauen Augen strahlten dem Faun entgegen, während ihre Hand ein paar Gräser hielten, die sie erst kürzlich aus ihrem Untergrund entfernt hatte. Sie beobachtete wie der Faun auf sie zukam und sich neben sie kniete. Sein Blick war dabei auf die Grashalme gerichtet die sie in der Hand hielt. „Ich nehme an, dass du dies hier nicht essen wolltest?“, fragte er und nahm ihr das Gemisch aus Löwenzahn, Unkraut und Myrre ab. Ein prüfender Blick des Waldwesens schloss aus, dass sie etwas Giftiges in den Händen hielt. Lucy schüttelte den Kopf und schob ihre Unterlippe etwas hervor, um ihrer Antwort ein wenig mehr Nachdruck zu verleihen. „Nein, ich bin doch keine Ziege.“ Sie verschränkte die Arme leicht vor der Brust und blickte zu Tumnus auf, seines Zeichens ein Faun und somit halb Mensch, halb Ziegenbock. Dabei konnte ihr ernstes Mienenspiel nicht davon ablenken, dass ihr Mundwinkel immer wieder zuckte. Doch sie konnte das Lächeln gerade so unterbinden. Empörung zeichnete sich auf dem Gesicht des Faun ab. „Das sollte ich nun persönlich nehmen.“ Lucy kicherte und löste ihre Arme aus ihrer trotzigen Haltung. „Du weißt doch, dass ich nur Spaß mache.“ Ihre kleinen zierlichen Hände griffen nach Tumnus und legten sich auf seine Wangen. „Und was ist wenn nicht?“, erwiderte Tumnus und nahm ihre Händen von seinem Gesicht, um sie in seinen zu halten. Seine Hand konnte die ihre mit Leichtigkeit umschließen. „Aber Tumnus, du weißt doch genau das ich nur einen Spaß mache.“ Mit Entsetzen beobachtete Lucy wie ihre kleine Neckerei in die völlig falsche Richtung glitt. „Wirklich, das musst du mir glauben.“ Der Faun lächelte und gab seine gespielte Empörung auf. Stattdessen nahm er ihre Hände und führte sie zu seinen Lippen, um ihr einen Kuss auf die Hände zu platzieren. „Natürlich.“ Antwortete Tumnus. Er sah sie weiterhin an und noch einmal auf das Büschel Gras, das der Wind schon wieder begonnen hatte auf der Wiese zu verteilen. „Was hast du hier eigentlich gesucht Lucy?“ „Ein vierblättriges Kleeblatt“, antwortete Narnias jüngste Königin und löste ihre Hände aus denen des Faun damit sie mit eben jenen ein solches formen konnte. Tumnus musste schmunzeln während er sie beobachtete. „Da benötigst du aber eine Menge Glück.“, gab er ihr zu bedenken. Auf ihre kindliche Art und Weise lachte das junge Mädchen auf. „Nun sind wir ja zu Zweit, das bedeutet doppeltes Glück!“ Völlig überzeugt von der Annahme das Tumnus ihr helfen würde, wandte sie sich wieder dem Gras vor sich zu. Nun war es an Tumnus aufzulachen: „Na du traust mir ja einiges zu. Vielleicht bringe ich auch Unglück.“, zwinkerte er und machte sich dennoch daran sich um Gras umzusehen. „Das kann gar nicht sein.“ Lucy blickte auf und wartete bis ihr gegenüber sie ansah, bevor sie weitersprach. „Immerhin bist du das größte Glück das mir in Narnia begegnet ist.“ Ihre kindlich naiven Worte wurden von ihrem glücklichen Lachen untermalt. Doch sie verstummte für einen Moment, als sie Tumnus Blick begegnete, der ein wenig schockiert wirkte. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“, wollte sie wissen. „Nein“, antwortete der Faun und wandte sich wieder den Grashalmen zu. „Nein, ich dachte nur gerade ich hatte deinen Bruder dort gesehen in den Kleidern von Susan.“ Sofort wandte das junge Mädchen ihren Blick und war abgelenkt von der vorangegangenen Situation – die Gedanken daran wie Peter oder Ed, an wen auch immer sie gerade denken musste, in Frauenkleidern aussahen, waren viel zu verlockend, als das sie in ihrem Alter widerstehen konnte. Sie wandte sich wieder um und war im Begriff etwas zu sagen, als Tumnus ihr ins Wort fiel. „Na los such weiter, oder soll ich nun die ganze Arbeit machen?“ Sie beide sahen sich an und mussten anschließend lachen, während sie sich beide wieder der Wiese zuwandten. Das silberne Antlitz des Mondes wurde mit voranschreitender Stunde immer deutlicher Sichtbar. Doch weder das Menschenmädchen, noch der Faun achteten darauf, dass es langsam begann zu Dämmern. Das Tageslicht reichte Ihnen eine ganze Weile aus, um das Gras vom Löwenzahn zu unterscheiden, das sich um ihre suchenden Hände schmiegte. Tumnus behielt das Königskind wachsam im Auge, so dass sie sich nicht noch weiter der Klippe nährte. Er hatte Angst, dass sie in einem unachtsamen Moment hinunterfallen könnte. Hinter sich hörten sie schon das Zirpen der Grillen, die mit auf ihre Weise die Nacht begrüßten. Und hätten sie sich umgesehen, hätten sie im Schutz der Bäume schon das Licht einiger Leuchtkäfer entdeckt. Völlig enttäuscht setzte sich Lucy auf, inmitten einiger Gänseblümchen und seufzte. „Vielleicht gibt es hier ja gar keine. Und ich sehe auch nichts mehr. Außerdem hat mich etwas gestochen.“, verkündete sie und wartete auf eine Reaktion des Faun. Dieser blickte ebenfalls auf als er die Bewegung von ihr aus dem Augenwinkel wahrnahm. „Vielleicht kann man nicht einfach bestimmen wann einem das Glück hold ist. Wir können es ja morgen weitersuchen.“, schlug er vor und wollte vorsichtig aufstehen um Lucy ein wenig zu trösten, die traurig aussah. Jedoch kam es nicht mehr dazu, denn im letzten Moment, bevor er seinen Blick gänzlich auf das junge Mädchen richtete, zog etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich. Unscheinbar und verborgen unter den Blättern von Löwenzahn sah er die vier herzförmigen Blätter, mir ihrer typischen Maserung. „Lucy, schau mal.“, Sagte er und griff in die Richtung des Löwenzahns, um die langen Blätter zur Seite zu streichen. „Ich glaube ich habe da etwas gefunden.“ Sofort war die Braunhaarige auf den Beinen und kam mit schnellen Schritten zu ihm hinüber. Statt Enttäuschung und Trauer war nun Erleichterung und Neugier zu erkennen. Ihre Augen glänzten auf eine Art, welche nur bei Kindern vorzufinden war. „Du hast es gefunden.“, jauchzte sie und beugte sich vor um das kleine Pflänzchen zu begutachten. „Es freut mich, dass es dich glücklich macht.“, lächelte Lächelte Tumnus und beobachtete sie einige Momente wortlos und folgte seinen eigenen Gedanken. Völlig Überrascht bemerkte der Faun erst in jenem Moment, als er nach hinten fiel, dass Lucy ihn umarmte. Voller Freude und Übermut hatte sich das junge Mädchen an ihn geworfen und lehnte nun über ihn. „Also hast du mir doch Glück gebracht!“, ließ sie verlauten und schien sich keiner Schuld bewusst zu sein, dass Tumnus gerade sehr unsanft im Gras gelandet war. „Oder vielleicht…“ Doch weiter kam der junge Faun nicht mehr, denn Lucy küsste ihn auf ihre kindliche Art und Weise, die sich keiner Schuld bewusst war. „Danke Tumnus.“, lächelte Lächelte sie dann und beobachtete wie ihr Freund deutlich hörbar ausatmete und in den Himmel sah. „Wollen wir heim gehen? Es wird Dunkel.“, sagte sie und schien das Kleeblatt schon wieder vergessen zu haben. Jedoch ging es Tumnus in diesem Moment nicht anders. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)