Nameless Liberty von Chiruki (Press "play" to start the game.) ================================================================================ Prolog: Reboot -------------- Ich weiß noch genau wie ich mich fühlte, als ich das erste mal den Fuß über die Schwelle des Zugs setzte und somit Tokio betrat. Es war ein berauschendes Gefühl. Überall Farben, überall Menschen, ich war sechs und ich wusste, ich wollte dort leben, in dieser Stadt die nie schlief, die einem wirren Traum entsprungen sein mochte, einem Traum den es sich zu träumen lohnte denn seine Farben waren das umwerfendste das ich bis Dato jemals gesehen hatte. Wir besuchten damals die Schwester meiner Mutter, die kürzlich umgezogen war und nun in einer kleinen Einzimmerwohnung in Shinjuku lebte. Während meine Mutter entsetzt war über den wenigen Platz den ihre Schwester hier zur Verfügung hatte, war ihr kleines Reich für mich das gemütlichste, dass ich jemals gesehen hatte. Winzige Schränke, Stauraum an Stellen an denen man ihn nicht vermutet hatte und ein einrollbarer Futon, das alles war in meinen Kinderaugen so abenteuerlich, dass ich schon auf dem Rückweg nach Hause meiner Mutter in den Ohren lag das wir nach Tokio ziehen MUSSTEN, einfach weil Tokio der tollste Ort auf Erden war und dort onehin alles spannender war als auf dem Land, woher wir stammten und wo man Nachts die Grillen husten hören konnte. Nun...so viel sei gesagt, meine Mutter lehnte diesen Vorschlag meinerseits kategorisch ab, die Stadt sei ihr zu laut, zu voll und überhaupt währe es doch auf dem Land viel "netter". Ja..."nett" war es dort bestimmt, aber das war auch alles, zumindest in meinen Augen. Auf dem Land war es nicht schwer aufzufallen, aus der Masse herauszustechen. Es war keine Herausforderung die Blicke auf sich zu ziehen, das lernte ich schnell und es langweilte mich. Ich wollte schon früh hoch hinaus, dorthin wo andere es nie hinschaffen würden und setzte mich gerne von allem und jedem ab, schwamm gegen den Strom, so wie es sich für einen waschechten Teenager mit bester Rebellenmanier nunmal gehörte. Meinen Traum von Tokio verlor ich dabei nicht aus den Augen. Manchmal fuhr ich in den Ferien hin, auch wenn es meiner Mutter ein Dorn im Auge war ihren Sohn so weit weg und noch dazu allein in einer Großstadt zu wissen die ihrer Meinung nach die Seelen der Menschen nur so verschlucken würde, wenn man nicht aufpasste. Jedes mal war es ein Erlebnis den Zug zu verlassen und in das Meer von Menschen einzutauchen. Hier gab es viele wie mich, viele die herausstachen und doch gefiel es mir hier, auch wenn ich nicht der einzige war der mit seinen blondierten Haaren und den punkigen Klamotten die Blicke auf sich zog. In Tokio fühlte ich mich zuhause. Und so blieb es nicht aus, dass ich, sobald ich meine Schule abgeschlossen hatte, nach Tokio fuhr um mein altes Leben hinter mir zu lassen und neu durchzustarten, von vorne anzufangen, an einem Ort der mich wie kein anderer je zuvor anzog. Ich weiß noch wie aufgeregt ich war, als ich, meinen großen Rucksack und den Gitarrenkoffer geschultert im Zug stand und die Station "Ikebukuro" ausgerufen wurde. Meine neue Heimat. Zumindest wenn ich die Wohnung die ich mir ansehen würde denn auch bekäme. Fraglich bei meinem Aussehen und den Vorurteilen die Vermieter angesichts meines Erscheinungsbildes wohl hätten, aber ich wollte es wagen, setzte alles auf diese eine Karte. Sonst würde ich halt eine Nacht im Hotel oder, um Geld zu sparen auf einer Parkbank schlafen. "Du kannst doch nicht einfach so losfahren und denken das du dir einfach ohne Probleme ein ganz neues Leben dort aufbauen kannst! Du bist zu jung für sowas! Mit 18 macht man das nicht, frühestens mit 20, wenn man einen Beruf hat oder eine Ausbildung oder..." Meine Mutter. Ihre Sprüche würde ich wohl nie aus meinem Kopf verbannen können, wie viel ich allerdings auf ihre Mahnungen gab kann man sich ausmalen. Die Wohnung bekam ich übrigens, fast ohne Probleme. Der Bass war das einzige Manko, mein Aussehen währe ja "nicht ganz so schockierend wie das manch anderer Gestalten die man so durch Tokios Straßen ziehen sähe", sagte mir der Makler. Bassverbot nach 21 Uhr und keinen Ton spielen vor 10 Uhr Morgens, das waren die Regeln. Konnte ich gut mit leben, immerhin währe die Mittagszeit damit zum üben OK. Hatte ich erwähnt das ich es nicht mit irgendetwas, sondern mit einer Band zu großem bringen wollte? Nicht? nun, dann wisst ihr es jetzt. Mein Plan sah so aus: Nach Tokio gehen, eine Wohnung finden (beides nach diesem Tag abgehakt) und dann eine Band finden. Mit dieser Band groß rauskommen, ein Star werden, Geld verdienen, Mädels abschleppen, das ganz große Kino halt. Aber so sollte es vorerst nicht kommen. Eine Band fand ich recht bald, allerdings wurde mir auch klar, dass ich die Miete ohne einen Job nicht tragen können würde und somit begann ich in einem Musikgeschäft auszuhelfen. Cd's sortieren, Gitarren polieren. Es hatte irgendwie schon mit Musik zu tun, war aber so gar nicht das, was mein Plan eigentlich vorgesehen hatte. Aber gut. Es war ein Anfang. Und jeder fängt ja mal klein an, selbst jemand wie ich, der für größeres bestimmt war. Das mit der Band war so eine Sache. Das ganze lief eher nebenbei, ich hatte mit dem Job viel zu tun und unter uns herrschten gewisse Differenzen was die Richtung anging, in die wir gehen wollten. Man sollte nicht versuchen einen Heavy Metall Heini, eine Popsängerin und einen rockenden Bassisten, sowie einen dauerbreiten Drummer und einen jazzliebenden Gitarristen in eine Band zu packen. Das ganze zerbrach nach wenigen Monaten und ich stürzte mich noch emsiger in die Arbeit, bekam bald sogar mehr Gehalt und eine Festanstellung. Von meinem Traum war vorerst nicht viel übrig geblieben. Das ganze stand auf "Pause" und irgendwer würde sicher irgendwann wieder auf "Play" drücken, aber für den Moment tat es keiner und somit blieb ich in dem kleinen Laden hängen und arbeitete wie jeder stinknormale andere Kerl. Fast 2 Jahre ging das so. Ich stand jeden Tag auf, ging zur Arbeit, kam abends Heim, spielte bis 21 Uhr auf meinem Bass uns fiel dann völlig geplättet ins Bett, nur um das ganze am Tag darauf zu wiederholen. Am Wochenende sah ich mich nach neuen Bands um, wurde aber nicht fündig. Kompetente Musiker gab es zu dieser Zeit scheinbar kaum oder ich suchte einfach an der falschen Stelle. Irgendwann erledigte sich das ganze glücklicherweise von selbst, denn eines Tages traf ich auf ihn, und mein ganzes Leben veränderte sich von grundauf. Kapitel 1: Setup ---------------- Der Regen klatschte gegen die schmutzigen Scheiben des kleinen Musikgeschäfts. Es war kurz nach 11, das weiß ich noch genau, denn ich war gerade dabei die Neuerscheinungen in die Regale einzusortieren, etwas das ich immer dann tat, wenn eine neue Lieferung reinkam, ergo: Vormittags. Es waren keine Kunden im Laden, überhaupt war heute wegen des Wetters noch nicht viel los gewesen und die meiste Zeit lehnte ich gelangweilt hinter der Theke, blickte aus dem Fenster und beobachtete die Menschen, die draußen unter ihre Schirme geduckt durch die Fluten rannten. Mein Chef hatte mir den Laden Heute überlassen, das tat er oft wenn er irgendetwas zu erledigen hatte. Er vertraute mir und ich hatte ihn noch nie enttäuscht, insofern tat er es gerne und auch wenn es mir dank der Routine nicht wie zu Beginn noch das Gefühl gab wirklich nützlich für ihn zu sein war es eine nette Abwechslung seinen ellenlangen Geschichten über seine neueste Angelrute oder den neu rausgekommenen Fischköder Dreitausendschießmichtod nicht anhören zu müssen. Ich war gerade dabei den leeren Karton in dem sich die neuen CD`s befunden hatten beiseite zu räumen, als die kleine Glocke die oberhalb der Eingangstür montiert war losplärrte und Kundschaft ankündigte. Ein raues Keuchen war zu hören, gefolgt von einem leisen "Scheiße!". Mit hochgezogenen Brauen blickte ich über die Kasse hinweg zum Eingangsbereich und erblickte einen blondierten Schopf, der ungefähr einen Meter über dem Boden hing und auf und ab schwankte. "Gehts...dir gut?" fragte ich, denn der Kerl wirkte als würde er jeden Moment umkippen, so schwer atmete er. Seine Haare tropften und er stützte sich schwer auf seinen Oberschenkeln ab, so als hätte er gerade den New York Marathon hinter sich gebracht. "Passt...schon...danke...!" kam es abgehackt zurück, ehe der blonde den Kopf hob und mir seine knallroten Wangen und das kunstvoll verlaufendste Augenmakeup ganz Tokios präsentierte. "Kein...Schirm...deshalb...gerannt...!" erklärte er zwischen mehreren heftigen Atemzügen, ehe er aufstöhnte und sich gerade machte. Ich schnaubte leise. Also doch kein Kunde sondern nur jemand, der dem Regen entkommen wollte. Mir war es gleich, jede Abwechslung war okey an diesem grauen Vormittag. "Schöne...Instrumente...!" meinte er dann und kam dabei langsam wieder zu Atem. "Wusste gar nicht...das es hier...nen Musikladen gibt." "Du bist blindlinks in die Tür rein?" fragte ich verdutzt. "Hai." kam es nur zurück, wobei er große Augen machte als währe gar nichts dabei. Ich musste unwillkürlich loslachen. "Währe auch zu viel erwartet wenn mal jemand mit Ahnung hier reinkommen würde." stichelte ich grinsend. Keine Kundschaft hieß: man musste sich nicht so streng an irgendwelche Konventionen halten. Und der kleine da bot doch echt ne Steilvorlage für freche Sprüche! Allein das Make-up! Hatte fast was von einem weinenden Clown. "Dein Gesicht geht grade übrigens flöten." "Mein...äh?" Mit einem mal drehte er sich herum und betrachtete die sein Spiegelbild in der Glasscheibe der Eingangstür. "Oh fuck!" Wenigstens fluchen konnte er ordentlich. Das gab Pluspunkte, zumindest in meinen Augen. Mein Chef hätte das anders gesehen, aber da der nicht da war... "Taschentuch?" "Das wär echt nett!" Ich seufzte, dann kramte ich hinter der Kasse und hielt ihm ein Paket hin. Er kam rasch an den Thresen heran und nahm es mir aus der Hand. "Außerdem bin ich jemand mit Ahnung!" meinte er dann, während er sich das schwarze Zeug von den Wangen wischte. "So?", meinte ich zweifelnd und sah ihn fast ein wenig abschätzig an. Irgendwie wirkte er nicht so. Keine auffälligen Klamotten, kein allzu abgedrehtes Styling. Und keine Ahnung das es hier einen Musikladen gab. Sprach alles nicht wirklich für ihn. "Ich bin Sänger." , erwiderte er, wobei er das Taschentuch in eine der Hosentaschen seiner Bluejeans stopfte. "Und ich kenne mich aus was die VK-Szene angeht. Über Jazz oder Klassik kann ich dir nicht viel erzählen, aber darüber weiß ich zumindest bescheid." erklärte er. "Und du?" meinte er dann. "Was qualifiziert dich deiner Meinung nach dazu hier zu arbeiten??" "Na...ich spiele Bass! und ich liebe Rockmusik! Außerdem hatte ich eine Band und..." "Hattest?" "Naja...wir waren...zu verschieden." , wandte ich ein, woraufhin er zu kichern begann. "Was denn?" , hakte ich nach. "Wenn du mit deinen Bandkollegen auch so umgesprungen bist wie du es mit deinen Kunden tust, dann wundert es mich gar nicht." , lachte er frech. Ich grummelte leise und sein Lachen wurde noch lauter. "Aber hey, das trifft sich eigentlich sehr gut, weißt du?" "Wieso?" , murrte ich dumpf. "Meiner Band fehlt ein Bassist. Und dir fehlt eine Band.", grinste er. Und so kam es, dass gerade er den "Play-Knopf" drückte und meinem Leben eine ganz neue Wendung gab... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)