Criminal Minds - Das Leben danach von Flitzkatze ================================================================================ Kapitel 13: Kontrollverlust --------------------------- Aus einer Schmerzmittel-Ohnmacht aufzutauchen, soll angeblich so sein, wie aus dem Koma zu erwachen; ganz sanft und ruhig kommen immer mehr Eindrücke dazu, erst Farben, dann Geräusche, vielleicht dann auch Gerüche, bis man ganz da ist und nur noch die Fingerspitzen schlafen. Ganz anders ist es, wenn man aus einer k.o.-Schlag-Ohnmacht aufwacht, da wird man einfach mit voller Wucht zurück ins Leben geworfen; es fängt an mit den Kopfschmerzen und dann kommt der restliche Schmerz von einer Sekunde auf die andere dazu. Als ich damals in Hankells Scheune aufwachte, war ich panisch, verstört und mein Körper floss über vor Adrenalin; heute bekomme ich kaum Luft. Es kommt mir vor, als würde ein schweres Gewicht auf meinem Brustkorb liegen und ich sauge die Luft ein wie ein Ertrinkender, ein Fisch auf dem Trockenen. Erst, als ich wieder einigermaßen bei Atem bin, bemerke ich, wie mein ganzer Körper zittert. Ich rolle mich zu einer Kugel zusammen, um mich aufzuwärmen, aber meine Zähne klappern laut und ich werde so stark durchgeschüttelt, dass ich diese Position kaum halten kann. An meinem Körper klebt kalter Schweiß, durch den ich noch mehr Wärme verliere. Langsam nehme ich meine Umwelt wahr. Meine Hände sind mit einem Kabelbinder verschnürt, wachsweiß und gefühllos – vermutlich schneidet mir das Plastik die Blutzufuhr ab. Ich bewege meine Finger ein wenig und stromschlagartiger Schmerz durchzuckt meine Arme. Kein Vergleich zu dem in meiner gesamten unteren Körperhälfte, aber den versuche ich zu ignorieren. Schließlich weiß ich auch, woher der kommt. Die Wände sind weiß und feucht und Wasser läuft in Rinnsalen daran herab; ich sehe sie im kalten Licht der Neonröhre hinten an der Decke. Ein kleines Fenster, weit oben, zeigt mir, dass es draußen stockdunkel ist. Das heißt, dass ich entweder kurz, oder sehr lange bewusstlos war. Meinen Symptomen nach zu urteilen eher kurz, wobei ich noch nie weiter im Entzug forgeschritten war als jetzt gerade. Ich verschwende jedoch keinen weiteren Gedanken daran, was mich wohl noch erwartet. Wo könnte ich sein? Langsam kommt mir die Botschaft auf meinem Tisch wieder ins Gedächtnis. Die Kette reißt immer am schwächsten Glied. Das wäre dann wohl ich. Die Kette – das Team. Hotch. Agent Hotchner. Der Entführer weiß, dass nur wir ihn Hotch nennen. Er kennt uns. Er war dabei. Erneut überkommt mich eine Welle des Schüttelfrostes. Ich klappere wild mit den Zähnen und beruhige mich dann wieder. In meinem Kopf regiert grauer Nebel. Wie in Trance fasse ich an meine Stirn – sie glüht. Hohes Fieber. Der rasende Schmerz im Kopf bringt mich um den Verstand, ich habe nicht mehr viel Zeit, bis das Erbrechen anfängt. Er adressiert Hotch, geht das Ganze also gegen ihn? Oder doch das gesamte Team? War es der Täter, was könnte er gegen uns haben, will er Aufmerksamkeit, war es... Ford? Rache? Wahrscheinlich. Wo bin ich? Wo? Ich brauche mein Handy. Und ich brauche Gideons Spritze. Durch eine Reihe beinahe akrobatischer Verrenkungen beginne ich die hoffnungslose Suche nach dem Mobiltelefon. In meinen Hosentaschen ist es nicht, genausowenig wie ich irgendwo sonst in dem Kellerraum die aufgezogene Spritze finde. Moment. Kellerraum. Ford hat keinen Keller. Aber anscheinend einen Komplizen – Mir wird so unglaublich übel. Ich muss die Augen schließen und mich konzentrieren, meinen Mageninhalt bei mir behalten, denn hat das Kotzen einmal angefangen, hört es nicht mehr auf. Ich lehne mit der Wange an der Wand, um mir etwas Kühlung zu verschaffen, ich zittere vor Hitze, Schweiß ertränkt die Gänsehaut, ich kann kaum denken – Wer? Wer ist sein Komplize? Ich hieve mich irgendwie zum Fenster und spähe hinaus, nur kurz, bevor meine Beine wieder unter mir nachgeben, was habe ich gesehen? Was habe ich – Ich schließe die Augen und Bilder schießen in meinen Kopf, der Zettel auf meinem Tisch, der Kanülendeckel, Strauss mit ihrem süffisanten Lächeln, das Abendessen, Gideon mit der Zeitung, die weinende Mary, eine bekieste Auffahrt, die Leiche im Container, grüner Rasen, Prentiss mit betroffener Miene, mein Spiegelbild, die Augenringe, ich, oder wir? Ich merke, wie der Körper anfängt zu schluchzen und dann übernimmt Spencer die Kontrolle und beginnt zu jammern: „Warum? Warum immer ich?“ und ich kann ihn nicht davon abhalten, die Auffahrt, wo ist diese Auffahrt, wo ist sie? Die Schmerzen betäuben uns beide, ich wünschte, ich hätte keine Beine, ist es Chicago, oder Quantico, oder eine andere der tausend Städte, die wir dieses Jahr schon bereist haben? Spencer schlägt unseren Kopf gegen die Wand, das hilft nicht, es hilft gar nicht, mir ist so übel, wir können nicht mehr lange, und da ist ein Moment der Klarheit, und in unserem Kopf hallt die Erkenntnis: „Es ist Mary Leicesters Rasen – wir sind unter ihrer Garage.“ Doch bevor wir begreifen, was das bedeutet, muss sich der Körper übergeben und alles, alles, alles wird hinweggespült. Wir sind ja so verloren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)