Der Weg in den Westen von KateFromHighburyPark (Auf dem Oregon Trail) ================================================================================ Kapitel 4: 26. April - 15. Mai 1866 ----------------------------------- 26. April, hundert Meilen westwärts Wir haben die Hundert-Meilen Marke geknackt. Ich habe heute Abend nicht die Zeit und die Lust viel zu schreiben, denn es war ein harter Tag und ich bin sehr müde. Den halben Tag waren wir damit beschäftigt mithilfe von Mr. Myers eine kaputte Strebe unseres Wagenrads auszubessern und dann mussten wir die Ochsen antreiben, damit wir schnell wieder Anschluss an den Treck finden. Denn zwei einzelne Planwagen sind ungeschützt und ein leichtes Opfer. Aber wir haben den Treck spät abends, als das Lager aufgeschlagen wurde wieder eingeholt. Die Ochsen haben geschnauft wie Ackergäule und James, Bill und ich waren auch nicht viel besser dran. Wir waren Mr. Myers und seiner Frau sehr dankbar, dass sie uns geholfen haben. Und ich durfte dieses Mal sogar James’ Pferd reiten, obwohl ich zuhause das Pony höchstens einmal die Woche, und dazu nicht besonders gut, geritten bin. 2. Mai, ungefähr hundertneunzig Meilen von Independence Die Prärie liegt vor uns und der Himmel über mir scheint kein Ende zu nehmen. Ebenso wenig wie die endlose Weite der Prärie. Das Gras wogt frisch und grün und ein frischer Wind pfeift mir um die Ohren. Die Sonne brennt mir aufs Gesicht und ich steige über die Kisten hinter dem Bock hinweg und suche zwischen den vielen Decken und Fellen meinen Hut. Rosie fährt heute bei Frances und ihrer Familie auf dem Wagen mit und James und ich sind allein. Bill reitet wieder und ich habe ihn seit dem Morgen nicht mehr gesehen. Gestern haben wir das Pferd hinten angebunden und mitlaufen lassen, aber das hat ihm anscheinend nicht gefallen, denn es hat ständig am Strick gezerrt, sodass sein Hals am Abend ganz aufgescheuert war. James nennt das Pferd seit neuestem George, nach George B. McClellan, dem Befehlshaber der Armee, unter dem er am Antietam gekämpft hat. James erzählt mir nun doch von seinen Kriegserlebnissen. Und wie er in der Schlacht verwundet wurde, danach heimgeschickt wurde zum erholen, nachdem er aus einem der vielen Feldlazarette entlassen wurde. Er zeigt mir auch die Narben, die ich noch nicht gesehen habe. Er erzählt, dass er damals beinahe sein Bein verloren hat, und nur durch die Hilfe einer heilkundigen alten Frau überlebt hat, die ihn gesund gepflegt hat. Die Ärzte wollten das Bein einfach abschneiden. Mich durchfährt es eiskalt und ich ziehe meinen Hut ein wenig weiter in die Stirn, damit er mein entsetztes Gesicht nicht sehen muss. Die Narbe an der Wange stammt von einem Bajonett, sagt er. Ich merke, wie er mich von der Seite her forschend ansieht und ich hebe langsam den Blick. Seine blauen Augen scheinen so weit wie der Himmel über uns und seine blonden Strähnen hängen ihm in die Augen. Sein etwas zu breiter Mund lächelt nicht und irgendetwas Seltsames liegt in seinem Blick. Ich öffne den Mund um etwas zu sagen, entscheide mich aber anders und schließe ihn wieder. Den Blick kann ich aber nicht abwenden. Dann hören wir plötzlich von hinten Geschrei und zucken zusammen. James übergibt mir die Zügel und springt vom Bock um nachzusehen. Irgendwie ist mir gar nicht recht, dass er jetzt einfach so geht. Als er kurze Zeit später zurückkommt schaut er bekümmert drein und erzählt, dass ganz hinten auf dem letzten Wagen ein alter Mann gestorben ist und die Tochter es gerade eben erst entdeckt hätte. Der alte Mann habe schon über siebzig Lebensjahre gezählt, sagt James, und sei zudem krank gewesen. Ich nicke langsam. Abends als das Lager aufgeschlagen wird begräbt man den alten Mann am Wegesrand und stellt ein Kreuz auf. Alle nehmen an der kleinen Messe teil. Und ich habe vorher gar nicht gewusst, dass wir auch einen Priester mit im Treck hatten. Die Tochter des Mannes sagt, es sei wohl besser so gewesen, auch wenn ihr Vater gern einmal den grünen weiten Westen gesehen hätte. 6. Mai, zweihunderteinundvierzig Meilen Bill reitet gerade an uns heran und ich traue meinen Augen kaum, als ich sehe was er da mitbringt. Oder besser gesagt, wen er da mitbringt. Es ist eine Kuh. Ich sehe James verwundert an, der sogleich zu grinsen beginnt. Die Kuh schaut mich etwas traurig aus ihren großen braunen Augen an. Es ist ein hübsches Tier mit rotbraunem Fell und schön geschwungenen Hörnern und ihr Euter ist dick gefüllt. Ich frage Bill, wo er das Tier her hat. Er sagt, er habe es auf einer nahegelegenen Farm gekauft, mehr sagt er nicht, sondern drückt mir den Strick in die Hand und schwingt sich pfeifend wieder auf George und zieht von dannen. Nun stehe ich da, mit der Kuh an der Hand und schaue Bill nach. James fragt, ob ich da Wurzeln schlagen will. Also binde ich die Kuh hinten an den Prairie Schooner und schwinge mich wieder auf den Bock. James findet die Idee von Bill sehr gut, haben doch nun die kleinen Kinder frische Milch. Ich muss ihm zustimmen, denn kleine Kinder gibt es auf dem Treck genug. Hat doch schon Frances zwei, ich habe Rosie. Auf mindestens zwölf der insgesamt achtzehn Wagen fahren Kinder mit, und oft nicht nur eins oder zwei. Eine Familie hat gleich fünf dabei, wobei der ältestes Sohn bereits achtzehn ist und das jüngste Kind fünf Jahre. Auf einem Wagen fährt eine junge Frau ganz allein, die nicht viel älter als ich sein kann. Sie hat ein kleines Kind dabei, von höchstens einem Jahr. Am Abend als wir das Lager wieder aufschlagen tritt sie auf mich zu und stellt sich mir vor, Georgia Harris ist ihr Name, dann fragt sie mich, ob ich etwas Milch für ihr Baby hätte. Ich kann natürlich nicht nein sagen, und sie bietet mir im Tausch ihre Hilfe mit Rosie an. Lächelnd nicke ich, sage aber nur wenn es wirklich nötig wäre, sie habe doch sicher genug mit ihrem Kleinen zu tun. Als sie mit einer Schüssel Milch zurück zu ihrem Wagen geht schaue ich ihr nach und denke, was für eine mutige Frau sie ist. Ganz allein und mit Kind auf einen Treck zu gehen. Ohne Mann und ohne irgendwelche Verwandten. James kommt später zu mir ans Feuer, gerade als das Fleisch zweier Wildkaninchen im Bohneneintopf durch ist. Kurz darauf kommt auch Bill. Wir essen schweigend und ich kann nicht anders als mich selbst zu meinem gut gewürzten Eintopf zu beglückwünschen. Ich frage James und Bill ob es ihnen schmeckt und bekomme die ratlose Antwort, warum es denn nicht schmecken soll? Ich lächle und esse weiter. Es ist so warm draußen, dass wir noch lange draußen sitzen und das Lagerfeuer brennt langsam herunter, bis nur noch die Glut ihr rotes Licht auf unsere Gesichter wirft. Doch dann zieht ein kühler Wind auf und James geht zum Wagen und holt ein paar Decken, von denen er mir eine über die Schultern legt. Ich danke ihm leise und lächle ihn an. Er lässt sich neben mir nieder und ich meine die Wärme seines Körpers bis durch die Decke hindurch zu spüren. 14. Mai 1866, Fort Kearney, Nebraska Territory. Dreihundertfünfzig Meilen von Independence Wir haben Fort Kearney erreicht und das Lager aufgeschlagen. Der Treckführer Smith hat vor hier zwei Tage zu bleiben, damit Mensch und Tier sich eine kurze Erholung gönnen können. Hauptsächlich natürlich die Tiere, die Pferde, Ochsen und Rinder. Rechterhand schimmert der Platte River in der grellen Sonne blau und grün. Am Rand stehen ein paar Bäume, die uns Frauen Schatten spenden, als wir mit unseren Wäschekörben an den Fluß hinuntergehen, um endlich einmal unsere von der Prärie staubige Kleidung waschen zu können. Ich habe Bills und James’ Hosen und Hemden eingesammelt, um sie zu waschen, Rosies viele Windeln natürlich auch und meine Kleider und Unterröcke. Ich knie zwischen Georgia Harris und Frances am Ufer und wir seifen die Wäsche kräftig ein und spülen sie mit dem frischen kühlen Wasser des Platte nach. Dann legen wir alles wieder in die Weidenkörbe und tragen alles zurück zu den Wagen. Wir spannen Wäscheleinen zwischen den Planwagen und hängen alles darauf. Schauen, dass auch alles mit Holzklammern festgemacht ist, damit es im Wind nicht davonfliegt. Zwar geht gerade kein Wind, aber hier in der Ebene weiß man nie. Frances sagt, im Fort gäbe es ein paar kleinere Geschäfte, da dies eine der Versorgungsstationen am Rande der großen Trails ist. Ich, Georgia und Frances beschließen einen kleinen Spaziergang zu machen. Die Kinder bringen wir bei Mrs. Myers unter, die sie zwar nicht wirklich versteht, sich aber gern darum kümmert, wie ihr Mann sagt. Georgia hat einen Brief dabei, den sie gerne abschicken würde. Gestern Abend hatte ich einen wüsten Streit mit einer dicken alten Matrone namens Elvira Bartlett, bei dem es auch um Georgia ging. Zuerst kam sie zu mir und fragte, was ich mir dabei denken würde allein mit einem jungen Mann in einem Planwagen zu nächtigen. Unverheiratet noch dazu. Darauf habe ich ihr gesagt, dass Bill sich schon darum kümmern würde, wenn es ihm nicht gefallen würde, dass ich mit James in dem Wagen schlafe. Damit nicht zufrieden wies sie mit dem Finger auf Georgia und sagte, dass es kein Wunder sei wenn die Frauen auf dumme Gedanken kämen wenn man mit solchen Weibern reden würde. Sie senkte die Stimme und sagte, Georgia sei wohl ein leichtes Mädchen und das Kind ein Missgeschick gewesen, wie es in solchen Kreisen ja nun öfters passierte. Wenn ich vor Wut nicht beinahe sprachlos und erstarrt gewesen wäre, hätte ich ihr wahrscheinlich eine Ohrfeige verpasst, doch James ist mir zuvorgekommen und hat ihr gehörig die Meinung gesagt. Daraufhin ist sie abgezogen. Ich kann ihren stechenden Blick in meinem Rücken spüren, als ich jetzt mit Georgia und Frances ins Fort gehe. Wir kaufen Proviant, die Sachen, die schnell zur Neige gehen, und die man meistens in größeren Mengen bekommt. Ich kaufe Bohnen, Mehl, etwas Zucker, Salz und Hafer für George und die Kuh. Eigentlich weiß ich gar nicht, ob die Kuh Hafer mag, aber wir werden sehen. Dann noch zwei neue Windeln für Rosie, ein kariertes Halstuch für James, und Kautabak für Bill. Frances schaut auf meine Einkäufe, die auf der Ladentheke liegen und fragt für wen das Halstuch sei. Ich werde rot. Sie lächelt wissend und schaut sich weiter die Auslagen an. 15. Mai, Fort Kearney, Nebraska Territory Abends kommt Georgia wieder zu mir ans Lagerfeuer und holt Milch von der Kuh, die wir Daisy getauft haben. Doch dieses Mal setzt sie sich zu mir her und erzählt mir von ihrem verstorbenen Mann. Ich sage ihr auch, was die dicke Alte behauptet hat. Sie lächelt nur traurig und erzählt, dass ihr Mann kurz bevor Ende des Bürgerkriegs noch gefallen ist. Und das Kind ist jetzt ein halbes Jahr alt und gezeugt worden, als ihr Mann das letzte Mal in der Heimat war. Ich sage ihr, dass ich dankbar bin, dass sie mir das erzählt, und dass ich nicht verstehen kann, dass solche schwatzhaften Leute wie Mrs. Bartlett immer jemanden suchen müssen über den sie schlecht reden können. Georgia meint wir sollten sie einfach reden lassen. James hat sich sehr über das Halstuch gefreut und sich vor Dankbarkeit dazu hinreißen lassen mich mit seinen kräftigen Armen zu packen und zweimal um die eigene Achse mit ihm herumzuwirbeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)