Der Weg in den Westen von KateFromHighburyPark (Auf dem Oregon Trail) ================================================================================ Kapitel 6: 30. Mai - 14. Juli 1866 ---------------------------------- 30. Juni Im Morgengrauen höre ich einen lauten entsetzten Schrei und fahre aus einem seltsamen Traum hoch. Ich schüttle verwirrt den Kopf und schaue mich um, ich bin im Planwagen, weiß aber nicht wie ich dahingekommen bin. Dann fällt mir ein, dass ich gestern Abend noch lange am Lagefeuer gesessen bin und über das arme kranke Kind nachgedacht habe. Irgendwer, wahrscheinlich James, muss mich in den Wagen gebracht haben. Ich binde mir schnell eine Schürze um und streiche meinen zerknitterten Rock glatt, dann eile ich nach draußen. Dort sitzt Georgia mit ihrem Kind auf dem Arm am erloschenen Feuer und füttert es mit der frischen Milch von der Kuh. Ich schaue sie fragend an und sie deutet zu dem einsamen Wagen. Sofort weiß ich, was geschehen ist, und kurze Zeit später kommt Bill und sagt, dass das Kind heute früh gestorben ist. Erschrocken schaue ich sofort nach Rosie, aber ihr scheint es gut zu gehen, nur ihre Windel ist voll und ich wechsele sie. Meine Hände zittern ein bisschen und ich zucke zusammen, als ich lautes Weinen vernehme. Ach, es ist schrecklich. Und mir tut die arme Mutter so leid. Ich bleibe im Wagen sitzen und halte mir die Ohren zu. So findet mich James eine Weile später und nimmt mich in die Arme. Seine Hände streichen über meine Haare und über meine Wangen. Und ich kralle meine Hände in sein Hemd, wie um Halt zu finden. Er murmelt beruhigende Worte und hält mich einfach nur fest. Es ist Mittag und wir überqueren nun den Green River. Mir geht es noch nicht ganz gut, der Tod des Kindes und die Cholera, an der nun auch die Mutter und das andere Kind erkrankt sind, nimmt mich sehr mit. Mr. Smith musste die Entscheidung treffen, den Wagen samt den Kranken zurückzulassen, denn er kann es nicht riskieren, dass sich auch andere noch anstecken. Zum Glück hat es bisher niemand weiterer bekommen. Ich finde es sehr grausam, aber ich sehe es ein, da Mr. Smith die Verantwortung für so viele Menschen trägt. Trotzdem vergieße ich noch ein paar Tränen für die armen Leute. Am Green River angekommen, starre ich entsetzt auf den großen Fluss. Er kommt mir sehr breit vor, viele, viele Wagenlängen, keine Möglichkeit ihn mit dem Wagen zu Fuß zu überqueren, wie wir es oft am Sweetwater River gemacht haben, dort war das Wasser auch selten mehr als zwei oder drei Fuß tief an den Stellen, wo wir ihn durchquert haben. Es dauert den ganzen Tag, die nun mehr fünfzehn Wagen über den Fluss zu bringen, denn es kann jeweils nur ein Wagen auf das Floß und wird hinübergezogen. Und danach muss man noch die ganzen Ochsen den Fluss überqueren lassen, also ziehen wir gegen Abend erst weiter und bringen nur drei weitere Meilen zustande, bevor wir wieder rasten. 4. Juli 1866, Independence Day, irgendwo hinter dem Green River Die Landschaft ist jetzt sehr gebirgig. Und es ist sehr warm, ich habe die Ärmel meines Kleides hochgeschoben und halte die Zügel der Ochsen in meinen Händen, sie drohen mir zu entgleiten, weil meine Hände so schweißnass sind. Heute ist Unabhängigkeitstag und abends wollen wir am Lagerfeuer gemeinsam feiern. Ich freue mich schon darauf. Ich habe im Kessel über dem Feuer die Keule eines Hirschs gebraten. Dazu gibt es wie immer Bohnen. Ich kann bald keine mehr sehen, aber was bleibt mir anderes übrig? Wir hocken zusammen und lassen uns das Essen schmecken. Den Hirsch hat Mr. Myers heute Vormittag geschossen und aufgeteilt. Frances sitzt bei mir und schaut mich erwartungsvoll an. Ich weiß nicht, auf was sie wartet. Dann schaut sie James an, bis ihr Mann sie anstößt und beinah unmerklich den Kopf schüttelt. Frances isst nun stumm ihr Stück Hirschkeule. Nach dem Essen stimmen wir ‚Oh, Susannah’ an und am Schluss singen ich und James zusammen ‚Across The Wide Missouri’ und unser Lieblingslied ‚Lorena’. Die ersten Sterne tauchen am Himmelszelt auf und die Lagerfeuer brennen langsam hinunter, da nimmt James mich an der Hand und zieht mich hoch. Langsam gehen wir im kühlen Abendwind an den Planwagen vorbei, bis wir an einen großen flachen Stein kommen, wo James mir hochklettern hilft und dann selbst hinterher steigt. Wir stehen da oben, über uns der weite Himmel, im Westen eine Mondsichel und dann steht James plötzlich vor mir und hält beide meine Hände fest. Ich schaue hoch, in sein Gesicht und sehe ihn lächeln, ich will den Mund öffnen um etwas zu sagen, aber er kommt mir zuvor. Er fragt mich, ob ich, Lenora McMahon, ihn, James Henderson, zum Mann haben will. Mir sacken vor Schreck beinahe die Knie zusammen, doch er hält mich fest. Und ich antworte etwas atemlos, dass ich möchte. Er drückt mich glücklich an sich und ich kann mir selbst das Lächeln nicht vom Gesicht wischen. Plötzlich hat er ein ledernes Band in der Hand, dass er mir um das Handgelenk bindet. Er trägt das gleiche, und ich lächle ihn an. Wir sitzen noch lange oben auf dem Stein, und James küsst mich. Zuerst sanft, dann langsam fordernd, und seine Hände liegen warm auf meinem Körper und tasten suchend umher. Sein Atem geht schneller, und wieder schiebt er mich ein Stück von sich, doch ich weiß nun, warum er das tut. Und ich nehme seine Hand und streiche über den blonden Flaum auf der Oberseite. Wir kommen spät zurück zum Lagerfeuer und als Frances mein Gesicht sieht, jauchzt sie unterdrückt auf. James sagt es förmlich zu Bill, meinem ‚Großvater’, und entschuldigt sich, dass er nicht erst um Erlaubnis gebeten hat. Bill grinst breit und sagt, dass ließe sich nur mit einer Flasche Selbstgebranntem beheben. James lacht und verschwindet im Wagen, woher er kurz darauf mit einer Flasche zurückkehrt. Wir stoßen an und ich muss husten, als das scharfe Gebräu mir die Kehle hinab rinnt. Doch ich bin so glücklich wie schon lange nicht mehr. Als ich unter der Decke liege und in den Himmel hinaufstarre, frage ich mich was Mutter und Vater dazu sagen würden. Ich bin mir sicher, sie sind einverstanden. 14. Juli 1866, in Fort Bridger, hundertfünfzig Meilen seit dem South Pass James und ich wohnen jetzt zusammen im Planwagen und es gab einiges Gerede darüber, vor allem von ein paar der älteren Frauen, die schon lange verheiratet sind und uns teilweise äußerst missbilligend betrachten, aber dann teilweise doch wieder sehr nett ansprechen. Ich kann sie gar nicht einschätzen. Aber ich frage mich, ob sie nicht selbst auch einmal jung und erwartungsvoll und verliebt gewesen sind. James möchte mich am liebsten so schnell es geht heiraten. Auch ich kann es nicht erwarten, aber ich bin auch aufgeregt und frage mich, was mich als Ehefrau erwartet. Ich habe mit Frances und Georgia darüber gesprochen, als wir gestern Abend zusammen am Lagerfeuer saßen und die Männer damit beschäftigt waren eine kaputte Radachse zu reparieren. Außerdem lahmt George seit gestern und wir wissen nicht warum. Mr. Myers will ihn sich nachher noch ansehen, bevor es morgen weitergeht. Zwei Planwagen werden den Treck in Fort Bridger verlassen, denn sie wollen in Richtung dem großen Salzsee, nach Salt Lake City. Sie werden in Fort Bridger noch warten bis sich ein etwas größerer Treck dahin zusammengeschlossen hat. Aber da ja oft Wagenzüge hier durchkommen, werden sie wohl nicht lange warten müssen. Außerdem sagt Mr.Smith, dass wir nun ungefähr die Hälfte unserer weiten Reise geschafft haben, das lässt ein Leuchten über unsere Gesichter gehen. Fort Bridger ist eine kleine Siedlung, eigentlich nicht mehr als ein paar Häuser und eine Palisadenwand. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier sehr interessant ist. Hier leben Mormonen, sagt Bill. Ich weiß gar nicht so genau was Mormonen eigentlich sind, ich hab nur gehört, dass sie hier unten in der Gegend sind. Und dass Salt Lake City auch von ihnen gegründet worden ist. Sie sind eine Glaubensgemeinschaft, erklärt mir Bill. Am Abend liege ich neben James im Wagen, den Bauch wieder einmal voll mit Bohnen. Doch dieses Mal waren auch noch Kartoffeln darin, wovon ich und Frances jeweils eine große Kiste im Fort erstanden haben. Mein Kopf liegt an seiner Brust und er streicht mir gedankenverloren über den Schopf. Dann sagt er mir, er findet meine Haare sehr schön. Ich setze mich etwas auf und schaue ihn an, dann erinnere ich ihn daran, dass er mir ja ganz zu Beginn ein blaues Band für meine Haare geschenkt hat. Er lächelt und sagt, er wisse das noch ganz genau. Und er würde sich immer an mein Gesicht erinnern und an mein Lächeln, als ich das Band genommen habe. Ich lächle wieder und er zieht mich an sich und küsst mich. Irgendwann lassen wir schwer atmend wieder voneinander ab, aber wir müssen beide lachen, als James sagt, dass wir noch warten sollten, aus Anstand, bis nach der Hochzeit. Anstand, murmle ich und lächle in mich hinein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)