Der Weg in den Westen von KateFromHighburyPark (Auf dem Oregon Trail) ================================================================================ Kapitel 8: 11. September - 9. Oktober 1866 ------------------------------------------ 11. September, bei Fort Dalles, 150 Meilen von Whitman’s Mission Wir kommen sehr gut voran und haben einige Meilen gutgemacht. Mir scheint, die Ochsen wittern, dass sie ihr Ziel bald erreicht haben und legen jetzt einen ziemlichen Zahn zu. Es geht durch die Wälder und Wiesen von Oregon und vorbei an den Cascade Mountains und wir sind alle heilfroh, dass wir nicht noch einmal durch die Berge müssen. Bill ist nach dem Sturz von Georges Rücken zwei Tage im Planwagen gelegen und hat sich ausgeruht. James meint, er sei ja nun doch nicht mehr der Jüngste und er dürfte es ruhig mal ein bisschen langsamer angehen lassen. Aber jetzt nach zwei Tagen ist er wie eh und je wieder auf den Beinen. Abends am Lagerfeuer erzählt ein älterer Herr Geschichten von früher. Von dem Krieg der Mexikaner gegen die Texaner. Und von der Schlacht um das Missionsstädtchen Alamo, die von den wenigen Verteidiger keiner überlebt hat. Und von der Schlacht am San Jacinto River, wo General Houston die mexikanische Armee unter Santa Anna in nur knapp zwanzig Minuten besiegt hat. Wir lauschen alle gebannt den Geschichten und es hört sich alles so real an, wie der Mann es schildert, sodass ich am Schluss wieder Gänsehaut auf meinen Armen spüre. Später, als wir uns in den Wagen zum schlafen legen, denke ich noch lange über die Geschichten nach. Ich kann mir kaum vorstellen, dass alles wahr ist. Und ich frage mich, ob später einmal die Leute auch über die großen Wagentrecks in den Westen reden und sich daran erinnern werden. 28. September, Oregon City, hundert Meilen von Fort Dalles Oregon City. Der Name der Stadt, in die wir nun hineinfahren lässt beinahe alle Strapazen des vergangenen halben Jahres vergessen. Wir sind endlich angekommen, und hier wird der Treck sich auflösen. In dieser Nacht sind James und ich allein. Bill und ein paar andere Leute aus dem Treck sind irgendwo in der Stadt und trinken, um zu feiern dass wir endlich angekommen sind. Ich sage zu James, dass er gern zu ihnen gehen kann, aber er sagt, er kann dem Alkohol nichts abgewinnen und bliebe lieber hier bei mir auf dem Wagen. Rosie ist bei Frances’ Kindern. Nicht, dass ich sie vernachlässige, aber ich sehe es lieber wenn sie mir anderen Kindern spielt und nicht so oft allein spielen muss, wie sie es bei uns auf dem Wagen oft tut, da James, Bill oder ich nicht den ganzen Tag Zeit haben mit ihr zu spielen. Es ist eine sehr warme Nacht, eine, in der man noch nicht merkt, dass er Sommer sich dem Ende zuneigt. Ich denke zurück an den Frühling, als wir aus Independence losgezogen sind, und wo gerade das erste Gras auf den Wiesen gesprossen ist und die Ochsen es abfressen konnten. Und jetzt werden die ersten Blätter auf den Bäumen schon wieder farbig und das Gras wächst nicht mehr so schnell. Mich überkommt ein Hauch von Wehmut, dass alles nun bald vorbei sein soll, aber auch Freude, da wir endlich am Ziel angekommen sind. James’ Hand in meiner fühlt sich sehr warm an, und als er mich küsst sind meine Gedanken ebenfalls so frei, wie wir alle uns jetzt fühlen. Wir sind endlich angekommen, und in dieser Nacht macht James mich zu seiner Frau. 29. September, Oregon City Nun ist es wirklich zu Ende. Als der Treck sich heute auflöst vergießen wir viele Tränen, ein paar wollen ein Stück weiter in den Norden, viele in den Süden. James war gestern in der Stadt und hat mit einigen Leuten geredet. Er sagt, ein gutes Stück im Süden sei sehr fruchtbares Land, viele Weiden und Wälder. Das Tal heißt Willamette Valley. James fragt mich, ob ich mit ihm dahingehen wolle und ich sage natürlich ja, und was er sich denn denken würde? Er lacht und wirbelt mich herum. Am Nachmittag kaufen wir vier Lämmer, denn ich wollte schon immer Schafe haben und die Tiere sind so lieb, wie sie da blökend bei dem Verkäufer stehen und mir die Hand ablecken, als ich sie ihnen hinhalte. Ich hoffe nur, dass James sich damit auskennt, aber die kleinen Tiere sind ja sehr selbständig. Es gibt einiges Durcheinander, als wir die vier Lämmer auf den Planwagen heben, damit wir sie am nächsten Tag nicht irgendwo zwischen den aufbrechenden Wagen suchen müssen. Ich finde später viele kleine Haufen, die von den Lämmern herrühren und werfe sie lachend hinten hinaus. Die kleinen Tierchen liegen nun eng zusammengekuschelt zwischen Rosies Bettchen und dem Kutschbock. Und als ich sie Rosie zeige, ist sie begeistert und ich lasse sie bei ihnen sitzen und mit ihnen spielen. Schon morgen werden wir Richtung Süden ziehen. In das fruchtbare Tal, von dem James gesprochen hat. 9. Oktober, Willamette Valley, 60 Meilen von Oregon City Als sich die grünen weiten Wiesen vor mir auftun und ich tief die reine Luft in meine Lungen strömen lasse, weiß ich, dass wir hier richtig sind. Dass wir hier unser neues Zuhause haben werden. Ich denke an Mutter und Vater und hoffe dass sie von oben herabschauen und sehen, wohin es Rosie und mich verschlagen hat. James hält plötzlich den Wagen an und Bill kommt auf George neben uns zum stehen. Wir sind auf einer leichten Anhöhe stehen geblieben und sehen unter uns wogende Wiesen, Bäume und die endlose Weite dahinter, die irgendwann im Pazifik enden wird. Ich steige vom Wagen und meine bloßen Füße berühren das Gras, das sich kühl anfühlt. Wir haben eben doch schon bald Herbst, und als ich mich genauer umsehe, sehe ich auch schon die ersten bunten Blätter auf den Bäumen. James steht neben mir und schaut ebenfalls in die Ferne. Dann schaut er den Hügel hinab und sagt, wie gut sich ein kleines Häuschen da unten machen würde. Ich stimme ihm zu und lächle ihn an. Wir haben uns in Oregon City noch nicht trauen lassen, aber bald werden wir Frances und ihren Mann besuchen fahren, die den Winter über noch in der Stadt bleiben wollen und es dann nachholen. Als ich an den Winter denke, wird mir ein bisschen flau. Plötzlich wirft James die Arme in die Luft und stößt einen solch lauten Schrei aus, dass Rosie hinten im Wagen erschrickt und zu weinen beginnt. Ich hole sie heraus und beruhige sie, muss aber lachen. Und da nimmt mich James in die Arme und drückt mich fest, dann sagt er wir müssten jetzt aber nicht hier herumstehen und Däumchen drehen, sondern schauen, dass wir bis zum Winter noch ein Haus zustande brächten. Vermutlich würden wir nur eine kleine Hütte schaffen, aber das macht mir nichts aus. Und zu Beginn würden wir sowieso noch im Planwagen schlafen. Ich setze Rosie ins Gras und sie steht auf und läuft ein paar Schritte. Ich und James schauen wieder über das hügelige Land und lassen uns den Wind in die Haare blasen. Und plötzlich stößt auch Bill einen Schrei aus, treibt George an und das Pferd sprengt mitsamt seinem laut lachenden Reiter den Hügel hinunter, hinab in die grüne Weite. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)