Das Tiefe an stillen Wassern von Hotepneith (Lord Sesshoumarus sechzehnter Fall) ================================================================================ Kapitel 3: Die Aussagen der Männer ---------------------------------- Lord Sesshoumaru war Shinichi Okada in dessen Arbeitszimmer gefolgt. Der nunmehrige Herr des Hauses winkte: „Bitte, setzt Euch doch. Ihr habt gewiss auch noch Fragen? Obwohl ich zugeben muss, dass ich Kawagushi für schuldig halte.“ Etwas irritiert beobachtete er, dass der Dämonenprinz nicht seiner Einladung folgte und stehen blieb. War das bei denen so üblich? Jedenfalls war es ungewohnt für ihn, so zu jemandem aufsehen zu müssen – und schwierig, in dessen Gesicht zu blicken. Sesshoumaru betrachtete ihn auch buchstäblich von oben herab: „Wie war Euer Verhältnis zu Eurem Onkel?“ „Sehr gut, eigentlich, bis vor eineinhalb Jahren. Da gab es eine gewisse Missstimmung. Nun ja, Onkel Kisho wollte nicht, dass ich in das Teehaus gehe, weil Hide, also, meine Frau, damals schwanger war. Nun, genau aus dem Grund wollte ich ja hingehen, das versteht Ihr doch sicher.“ Okada zwinkerte ein wenig kumpelhaft, was Sesshoumaru verärgerte. Noch ein Fehler und im Familienkreis würde es eine weitere Lücke geben., Überdies konnte er beim besten Willen keinen Zusammenhang zwischen einem Teehausbesuch und einer Schwangerschaft entdecken. Menschen! Er würde wohl Sakura fragen müssen. „Dann wurde er krank.“ „Ja, eine ganze Woche lang hatte er schreckliche Krämpfe und Schmerzen im Leib. Atsudo, unser Heiler, glaubte schon, dass er sterben würde, aber er wurde wieder. Allerdings nie wieder so wie früher, so dass ich die Verwaltung übernehmen musste. Er wollte zwar immer noch, dass ich meine Teehausbesuche einstelle, aber das trat dann in den Hintergrund, als meine Söhne geboren wurden. Er war da ganz stolzer Großvater, sozusagen. Ihr wisst vielleicht, dass er aus seinen fünf Ehen kein einziges Kind hatte.“ Eine Woche krank? Nun, Menschen waren recht erbärmliche Geschöpfe, aber dazu müsste er wohl den Heiler befragen: „Kawagushi war allein mit Eurem Onkel an dessen Todestag?“ „Zuerst ja, aber dann brachte der Diener ja den Salat und mein Onkel aß ihn. Er konnte seit dieser Krankheit kein Fleisch oder gebratenen Reis mehr vertragen. Nur Gemüse, Salat und Suppe.“ „Er aß immer allein?“ „Ja. Es war ihm zuwider, unser Essen sehen zu müssen, ohne es essen zu können.“ Dann konnte der Salat durchaus zielgerichtet vergiftet worden sein. Kawagushi war nur zur falschen Zeit am falschen Ort. „Was passierte dann?“ „Onkel Kisho brach zusammen, mit Schmerzen und Lähmungen und der Diener, oh, mit dem werdet Ihr auch reden wollen, sein Name ist Yuji, rief um Hilfe. Kawagushi hat wohl auch so getan, als ob er ihm helfen wolle. Jedenfalls kam jemand zu mir und holte mich Auch meine Mutter und Nyoko waren schon bei ihm. Atsudo kam dann herangeeilt. Er meinte sofort, dass es eine Vergiftung sei und versuchte meinen Onkel zum Schlucken von etwas zu bekommen, erst eine Flüssigkeit, dann Kohle. Ich brachte meine Mutter hinaus, weil sie vollkommen außer sich war. Es war auch ein schrecklicher Anblick. Später gab ihr Atsudo dann Schlafmohn, ich glaube, sie schläft noch immer. Eine Stunde später war Onkel Kisho tot. Ich hatte inzwischen Anweisung gegeben, Kawagushi festzuhalten und an den Daimyo zu überstellen. – Tja, habt Ihr noch Fragen?“ „Warum sollte Kawagushi Euren Onkel töten?“ „Ist das nicht offenkundig? Ich meine, das wusste doch jeder, dass er hoffte, Nyoko zu heiraten. Sie ist eine schöne Frau.“ Was für ein Motiv. Nun, es würde sich zeigen, wer noch so alles eines hatte: „Wer ist der Kanzleivorsteher?“ „Abe, hier gleich nebenan. Aber was er Euch sagen kann, könnt Ihr auch von mir erfahren.“ Ein Knurren: „Sag mir nie, was ich zu tun habe!“ „Entschuldigung!“ Okada hob abbittend die Hände. Umgang mit derart schwierigen Jugendlichen war er nicht gewohnt. Noch dazu dämonischen. Ohne weiteres Wort ging der Hundeprinz. Dieser unhöfliche kleine Landadelige wagte es, sich wie seinesgleichen zu benehmen! Wäre da nicht Vaters Wunsch Kawagushi freizubekommen, hätte er Okada bereits ein Leben weiter befördert. Seiner Meinung nach wäre eine Wiedergeburt als Küchenschabe durchaus passend. Der Kanzleivorsteher Abe erwies sich als formgewandter: „Lord Sesshoumaru, ich hörte von Burgvogt Matsui von Eurem Auftrag. Wie kann ich Euch behilflich sein?“ Es gab also doch höfliche Menschen: „Seit einem Jahr leitet Shinichi Okada die Verwaltung?“ „Ja, nach der bedauerlicherweise fortdauernden Erkrankung des alten Herrn.“ „Hattest du Probleme mit dem alten oder dem neuen Herrn?“ „Weder noch, eigentlich. Nun, man soll von Toten nichts Schlechtes sagen, aber manchmal wirkte der Herr recht streng, auch mir gegenüber. Mancher hier wird Euch sagen können, dass das immer wieder vorkam. Er war gerecht, aber er wirkte eben manchmal ein wenig unfreundlich. Herr Shinichi ist im Umgang etwas einfacher.“ „Kisho Tamada hatte also Feinde?“ „Edler Lord Sesshoumaru, mir wurde gesagt, dass Euer mächtiger Vater den gesamten Westen beherrscht. So werdet Ihr wissen, dass man kein noch so kleines Gebiet regieren kann, ohne sich Feinde zu schaffen.“ Das war wahr. Und die leise Kritik war höflich genug verpackt gewesen. „Und Shinichi?“ „Er ist, nennen wir es, diplomatischer und hat es besseres Verhältnis gerade auch zu anderen, gleichaltrigen Landadeligen. Herr Kisho wusste das und ließ ihm recht freie Hand in allen Belangen, auch den finanziellen.“ „So kontrollierte niemand Okada?“ „Nein. Nicht mehr seit einem knappen Jahr, seit der Herr so krank wurde.“ „Ich möchte mit Yuji sprechen.“ „Sehr wohl. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt. – Ich habe ein Gästezimmer für Euer Lordschaft herrichten lassen. Soll Eure Dienerin oder Heilerin auch dorthin gebracht werden?“ „Ja.“ Sakura sah ihn durch die Halle gehen und beeilte sich zu ihm zu gelangen und sich zu verneigen. Er hob etwas die Hand, eine wortlose Aufforderung ihm zu folgen. Der Kanzleivorsteher schob die Tür auf: „Bitte, Lord Sesshoumaru. Ich werde Yuji unverzüglich zu Euch senden.“ Der Hundeprinz ging an ihm vorbei an das Fenster. Er hörte, dass Sakura die Tür zuschob und sich niederkniete: „Bericht.“ „Es gelang mir nur mit zwei der Damen zu sprechen. Rinako Okada schläft noch immer unter Mohnsaft. Ich bekam nur die Aussage ihrer Dienerin.“ Sie bemerkte, dass er sich schon fast umdrehen wollte – eine deutliche Warnung, zur Sache zu kommen. So berichtete sie, was sie von den Frauen gehört hatte. „Die Räume haben alle Zwischentüren?“ „Ja, Lord Sesshoumaru. Ohne auf den Gang zu treten gelangt man vom Schlafzimmer des Hausherrn zu dem von Shinichi Okada.“ Hatte das etwas zu bedeuten? Immerhin hieß das ja auch, dass man von allen Frauen gesehen wurde, an denen man noch vorbei musste. „Majolica war die Todesursache, sagte der hiesige Heiler. Nun? Wie stirbt ein Mensch?“ Eigentlich hatte sie ihm das doch schon in Anwesenheit des Burgvogtes erklärt, aber sie nahm an, dass es ihm nicht noch einmal um den rein medizinischen Bericht ging: „Das ist kein…sehr schöner Tod. Man verliert bis zum Ende nicht das Bewusstsein. Und es gibt keine Heilung.“ Also ein sicheres Mittel zum Sterben – Mord oder möglicherweise eine dumme Selbstmordvariante? Wusste nicht jeder, wie man an diesem Majolica starb? Jemand klopfte. Sakura öffnete auf ein Nicken Sesshoumarus. Ein Mann mittleren Alters verneigte sich höflich: „Mein bescheidener Name ist Yuji. Ihr wünscht mich zu sprechen.“ Der Dämonenprinz wandte sich tatsächlich um, was den Diener dazu bewegte, sich noch einmal tief zu verneigen, ehe er an Sakura vorbeihuschte und sich niederkniete. „Du hast den Salat für Herrn Kisho gebracht.“ „Ja.“ Das klang fast wie ein Vorwurf für ihn, aber hohe Herrschaften schätzen es nicht, wenn man zuviel redete.Daher sparte er sich seine Verteidigung. „Woher hattest du ihn?“ „Aus der Küche, wie jeden Tag um diese Uhrzeit. Der arme Herr musste regelmäßig und nicht zu viel essen.“ „Das wusste auch jeder im Haus.“ „Ich vermute, ja, Lord Sesshoumaru.“ „Was geschah dann?“ „Ich brachte den Salat in das Schlafzimmer des Herrn und stellte ihn ihm hin. Es war ein Besucher da, dieser Kawagushi.“ „Der aß nichts.“ „Nein, anscheinend nicht.“ „Weiter.“ Das war ein mühsames Gespräch. „Ich blieb an der Tür, um die Schüssel dann gleich wieder mitnehmen zu können. Auch dies wie jeden Tag. Und dann auf einmal, ich wollte eigentlich die Schüssel mit dem restlichen Salat gerade mitnehmen, begann der Herr über Schmerzen zu klagen, ja, nach Luft zu ringen.“ „Was tat Kawagushi?“ „Der sprang auf und wollte den Herrn hochziehen, aber der wehrte ab und sah zu mir. Ich verstand noch Atsudo, das ist der Name unseres Heilers, und rannte los, um den zu holen. Einen weiteren Diener schickte ich zu Herrn Shinichi in den offiziellen Trakt.“ Also war Kawagushi allein mit dem Opfer gewesen. Aber der hatte zu diesem Zeitpunkt schon Vergiftungserscheinungen gezeigt. Folglich musste zuvor etwas geschehen sein: „Herr Kisho trank etwas?“ „Ja, Tee, wie auch sein…Gast. Frau Nyoko wird ihn zuvor zubereitet haben. Oder Frau Rinako.“ Dort drin war also nichts gewesen. Ein gemeinsamer Tee und Nyoko wollte sicher kaum ihren brüderlichen Freund vergiften oder Rinako ihren geliebten Zwillingsbruder, zumal unter deren Augen. Oder doch? Nein. Es musste an dem Salat gelegen haben. Kawagushi hatte den ja wohl nicht einmal angefasst. Schön, wenn sich Vaters Unschuldsvermutung bewies. Aber, was war dann passiert? Wenn er auch nur irgendetwas aus seinen bisherigen Ermittlungen gelernt hatte, so, dass es Menschen nicht genügte, die Unschuld eines Angeklagten bewiesen zu bekommen, nein, sie wollten gleich immer auch noch den richtigen Täter. „Die Küche stellt diesen Salat jeden Tag her.“ „Ja, Lord Sesshoumaru. Nach der genauen Anweisung des Heilers. Dieser hat zusammen mit dem Herrn, ich meine, dem verstorbenen Herrn, einen Ernährungsplan erstellt.“ War der Diener zu dumm, um zu realisieren, dass auch er unter Verdacht stand? Immerhin hatte er den Salat von der Küche bis zu seinem Herrn getragen. „Weißt du, woran er vor einem Jahr so erkrankte?“ „Nein, ich bin kein Heiler. Aber Atsudo-san könnte Euch sicher sagen, welche Krankheit es war und welche Heilmethoden erforderlich waren.“ Er verneigte sich hastig bis zum Boden. Herrschaften schätzten keine Hinweise, was sie zu tun hatten. Sesshoumaru nahm die Höflichkeit zur Kenntnis und blieb sachlich: „Kisho war der Einzige, der damals erkrankte?“ Da gab es doch solche unschönen Dinge wie Typhus oder Cholera oder so etwas, die diese erbärmlichen Geschöpfe plagten? „Ja, der Einzige. Und er litt über eine Woche.“ „Also nicht einmal seine Zwillingsschwester.“ Über das Gesicht des Dieners glitt ein Lächeln, das ein wenig spöttisch war. Prompt hakte der in Ermittlungen erfahrene Hundeprinz nach: „Was ist mit Rinako? Und wage es nicht zu sagen, nichts.“ Er hob ein wenig die Hand. Yuji betrachtete die Krallen, ehe er sich dachte, dass es diesem Dämon vermutlich wirklich nichts ausmachen würde, ihn bei einer Aussageverweigerung zu bestrafen, wenn nicht gar umzubringen: „Aber…das erzählt Ihr nicht weiter?“ Er war doch gegenüber seiner Herrschaft zu Treue verpflichtet. Diese menschlichen Empfindsamkeiten und Treuevorstellungen! „Wenn sie ihn nicht ermordet hat. Sonst sage ich es dem Daimyo.“ Yuji suchte den Weg zwischen Aussageverweigerung und Verpflichtung: „Ich meine…Frau Rinako war nie krank und immer…na ja…gut drauf. Seit sie nach dem Tode ihres Gemahls zurück zu ihrem Bruder kam….Sagen wir, sie führt ein flottes Leben.“ „Was soll das heißen?“ Sesshoumaru begann die Geduld zu verlieren, sachliche Ermittlungen hin oder her. Der Diener bemerkte das Knurren in der Stimme und fuhr in jäher Panik, ohne weiter an Loyalität zu denken, fort: „Sie mag ab und an sehr junge Diener, männliche…Der verstorbene Herr musste manchmal ganz schön dafür zahlen, dass diese in ihre Dörfer zurückkehrten und den Mund hielten. Nun ja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagt man ja. Schließlich mag auch der junge Herr Abwechslung. Aber das ist ja doch etwas anderes.“ „Rede!“ „Das...das ist mir nur so rausgerutscht.“ Er würde seine Arbeit verlieren, mindestens, wenn Herr Shinichi hörte, was er über seine Mutter ausgeplaudert hatte – oder über ihn. „Dir rutschen gleich deine Eingeweide raus!“ Jetzt kamen endlich mal interessante Aussagen und dann stellte sich dieses Nichts so stur an! Der Hundeprinz hob eine Hand und ließ die Finger knacken. Es gab ein leises Geräusch, das den Menschen im Raum einen kalten Schauder über den Rücken jagte – die instinktive Furcht der Beute vor dem Raubtier. Yuji warf einen vorsichtigen Blick zurück zu Sakura. Da diese entsetzt die Hand vor den Mund geschlagen hatte, ihn jetzt besorgt ansah, beschloss er, dass das keine leere Drohung gewesen war: „Nun, der junge Herr geht, ging, gern in das Teehaus.“ Schon wieder! Was hatte dieses Teehaus denn zu besagen? „Natürlich auch in den ersten Stock, wenn Ihr versteht…Aber er war der Erbe, ist nun der Herr, da kann er sich das leisten.“ So. Das wurde jetzt wirklich Zeit, mal ein ernstes Wort mit Sakura über Teehäuser im Allgemeinen und deren ersten Stock im Besonderen zu halten: „Du kannst gehen.“ ** Im nächsten Kapitel darf Sakura ihrem Herrn also wieder einmal Antworten geben - das könnte bei diesem Thema und dieser Familie peinlich werden. Natürlich nur für sie. bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)