Kurzgeschichten von AnnaBlume (Meine Sammlung von schnellgelesenen Erzählungen) ================================================================================ Kapitel 6: Nach dreissig Minuten schon... ----------------------------------------- Nach dreissig Minuten schon… Es war ein herrlich sonniger Tag. Die Sonne strahlte auf uns Liegestühler hinab und machte den Hut unabdingbar. Das Meer versuchte mitzuhalten, indem es das ganze Licht zurückwarf. Es glitzerte, wo man auch hinschaute – die Wasserfläche war schliesslich ziemlich gross. Ich schielte zu meiner Freundin hinüber und versuchte, auf den kleinen Bildschirm in ihrer Hand zu spähen. Sie bemerkte mich und hielt mir das Gerät vor die Nase: „Fukano ist schon Level 72!“ Das stellte mich zufrieden. Plötzlich, wie das am Strand so üblich war, schlenderte ein Mann mit Hut (wie gesagt, ohne ging es nicht) und Kiste daher und verkündete lauthals: „Donuts!“ Den Rest konnten wir nicht verstehen, wir sprechen leider kein Griechisch, aber dies reichte uns. Ein schneller Kontrollblick zu Mirj, ein Nicken und schon schaute ich meine Mama mit gaaaaanz grossen Augen an. Was eigentlich etwas überflüssig war, da meine Mama sehr grosszügig ist. Also sassen Mirj und ich zwei Minuten später im Sand und assen Donuts. Aber es waren nicht irgendwelche, nein, sie waren riesig! Da hatte man ein Weilchen dran zu kauen. Da bemerkten wir plötzlich eine Art Steg, der ins Meer hinausführte. Die Holzplatten obendrauf fehlten, es war nur noch ein Gerüst aus Metall. Doch für zwei Wagemutige, wie wir es waren, war es perfekt! Also gingen wir mit unseren Monsterdonuts zu den Metallstangen. Es war ein bisschen wie Seiltanzen, man hatte einfach etwas mehr Boden unter den Füssen. Gegen Ende des Gebildes kreuzten sich die Stangen zu Quadraten und wir liessen uns erst einmal nieder. Schliesslich waren wir immer noch am Geniessen der leckeren Köstlichkeiten. Nachdem ich den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte, tunkte ich meine Füsse ins herrlich kühle Wasser. An der prallen Sonne war das eine reine Wohltat. Doch ich hatte dabei etwas nicht bedacht. Bald schon war auch Mirj mit ihrem Donut fertig, und wir wollten wieder zurückbalancieren. Doch kaum hatte ich mich halbwegs aufgerichtet und meinen Fuss auf das Eisen gesetzt, rutschte ich wegen meiner nassen Füsse davon und klatschte inmitten eines dieser Quadrate ins Wasser. Als ich unter Wasser die Augen aufriss, blubberte es überall. Ich war eigentlich weich und sicher in meinem Lieblingselement gelandet. Aber irgendetwas stimmte nicht. Ich konnte es fühlen. Weit weg von meinem Kopf, dort, wo mein rechtes Knie sein sollte. So schnell ich konnte tauchte ich auf. Der wahrscheinlich blassen Mirj auf dem Steg schenkte ich keine Aufmerksamkeit, sondern riss mein Knie aus dem Wasser. Da sah ich sie. Blank freigelegt und vom Schock noch völlig blutfrei und weiss. Meine Kniescheibe. Wie auf einen Schlag war mein Kopf leer und alles war wie weg. Instinktiv klammerte ich mich an mein Bein. Tatsächlich grub ich meine Finger regelrecht in die Haut, aber ich spürte keinen Schmerz. Und ich schrie. Der Druck in mir, der durch das Schreien entstand, löste meine Starre und erneut schossen meine Augen auf das Loch. Aber jetzt war kein Knochen mehr zu sehen. Blutrot lief es aus dem Loch und verfloss sogleich im Meereswasser, tief klaffte die Wunde auf und entblösste zwei dicke Fleischlappen. Mir wurde beinahe schlecht und ich wollte es gar nicht sehen, weswegen ich sofort meine Hand darauf presste. Inzwischen war auch Mirj ins Wasser gesprungen und schwamm zu mir. Da ich in meiner Lage schlecht allein zum Strand gekommen wäre, griff Mirj mir rettend unter die Arme und trug mich aus dem Wasser. Doch je näher sie dem Land kam und je weniger Wasser um uns war, desto schwerer wurde ich und desto eher schnitten ihre Arme in meine Haut ein. Es war nicht zum Aushalten. Als sie mich dann endlich auf dem warmen Sand absetzte, stürmte meine Mutter herbei. Die hatte tatsächlich zuerst gedacht, mein Geschrei sei ein Spiel. Nun wollte sie das sehen, was ich unter meiner Hand verborgen hielt. Doch ich sträubte mich – ich wollte auf keinen Fall in ein Spital gehen müssen. Ja, ich brüllte meine Mama sogar an. Aber sie zerrte nur wütend meine Finger vom Knie und sah die Katastrophe. Sogar ich wagte noch einen Blick und sah entsetzt ein, dass wir nicht um einen Spitalbesuch kommen würden. Das Wasser spielte sanft mit meinem Haar, und ich spürte den salzigen Geschmack auf meinen Lippen. Ich war soeben getaucht. Ganz ruhig sass ich nun da, inmitten der Wellen nahe am Strand. Aber was blieb mir auch anderes übrig?! Ich hatte schliesslich nur ein nichtfunktionierendes wasserfestes Pflaster auf der riesigen, frisch genähten Narbe auf meinem Knie kleben, und das nützte wirklich zu wenig, um richtig baden zu können! Da hatte ich mir meine schönen Ferien in Korfu so richtig verbockt. Und die von Mirj noch dazu, die Ärmste wollte verständlicherweise nicht alleine schwimmen gehen. Und das alles schon am ersten Tag nach dreissig Minuten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)