Bloody Twins von SlytherinPrincess ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Desmond “Scheiße!”, fluche ich, als ich unseren Vater zusammen mit Herrn R. und diesem anderen Typen am Fuß der Treppe stehen sehe. Erschrocken sehe ich Flora an. Wir beide wissen, dass das nun wieder ziemlich Ärger geben wird. Nicht, dass wir nicht noch genug Ärger wegen dem Rausschleichen letzte Nacht zu erwarten hätten. Nein. Jetzt kommen auch noch das Schwänzen und der Zwischenfall mit dem anderen Kerl dazu! “Vater wird uns töten”, hauche ich und Flora nickt zustimmend. “Wir können froh sein, wenn wir nicht augenblicklich auf der Vampire-Academy landen!”, fügt sie angsterfüllt hinzu und diesmal ist es an mir zustimmend zu nicken. “ICH HABE GESAGT IHR SOLLT SOFORT HERKOMMEN!!!”, schreit Vater abermals und wir zucken beim Klang seiner wütenden Stimme zusammen. Noch einmal atmen wir tief ein, bevor wir schließlich die lange Treppe hinab schreiten, wobei wir krampfhaft versuchen, unsere Fassade aufrecht zu erhalten und den Anwesenden nicht zu zeigen, wie viel Angst wir wirklich haben. Als wir unten ankommen, deutet Vater auf den Mann, welcher mit dem Busch Bekanntschaft gemacht hat. “Ihr werdet euch jetzt sofort bei Herrn S. dafür entschuldigen, dass ihr ihn in das Gebüsch geschubst habt!”, sagt Vater und seine Stimme duldet keinen Widerspruch. Beschämt senken wir die Köpfe. “Tut uns Leid, dass wir Sie geschubst haben”, murmeln wir leise. Doch das reicht Vater scheinbar noch nicht. “Lauter!”, befiehlt er und wir haben keine Wahl als ihm zu gehorchen, wenn wir nicht noch härter bestraft werden wollen als sowieso schon. Noch einmal durchatmend heben wir die Köpfe wieder und blicken diesen komischen Herrn Schuh direkt an, als wir schließlich abermals unsere Entschuldigung hervorbringen. Nun richtet Herr R. das Wort an uns. “Wie ihr sicher wisst, wird euer Schwänzen und auch der Angriff auf euren Schulleiter nicht ohne Konsequenzen bleiben. Deshalb werdet ihr die nächsten drei Wochen jeweils zwei Stunden nachsitzen und Strafarbeiten erledigen. Des weiteren werdet ihr beide einen Tadel erhalten, welcher natürlich auch in eurer Schulakte vermerkt wird!” Nachdem Herr R. uns unsere Strafe mitgeteilt hat, verabschieden er und Herr Schuh sich von uns und unserem Vater und verlassen unser Haus. Eigentlich sind wir ganz gut weggekommen. Nachsitzen und ein Tadel. Tz. Nichts weltbewegendes. Doch als ich den Zorn und die Wut abermals in Vater brodeln spüre, weiß ich, dass er mit uns noch lange nicht fertig ist. Nach dem er sich ebenfalls verabschiedet hat, dreht er sich wutentbrannt zu uns um. “Was bei Chranas Eingeweiden sollte das?!”, schreit er uns an, “Was um alles in der Welt habt ihr euch dabei gedacht, einfach die Schule zu schwänzen und euren Schulleiter, bei dem Versuch euch aufzuhalten, in ein Gebüsch zu stoßen?!" Wir richten unsere Blicke gen Boden und schweigen. Doch diese Antwort scheint Vater nicht zu reichen, denn nur wenige Sekunden später spüren wir beide Vaters kräftige Hand auf unseren Wangen. Wir zucken zurück, doch wagen wir es immer noch nicht zu antworten. Flora „Jetzt fällt euch wohl nichts mehr ein! Ihr wisst genau, dass dies eure letzte Chance ist, dem Internat zu entkommen! Und was macht ihr? Ihr tretet diese Chance mit Füßen!“, während Vater dies buchstäblich aus sich heraus schreit, zieht er seinen Gürtel aus seinen Hosenschlaufen. Ich sehe schockiert zu Desmond rüber und erkenne, dass auch er weiß, dass diese Tracht Prügel noch schlimmer wird als die mit dem Gehstock. Denn Vaters Gürtel sind keine normalen Gürtel, diese trägt er nämlich nur selten. Die meisten seiner Gürtel haben Nieten, die wie kleine Stacheln abstehen. Und genauso ist auch der Gürtel, den er gerade in der Hand hält. Und wir wissen genau, dass Vater diesmal nicht davor zurück schrecken wird, auch die Nietenseite gegen uns zu benutzen. Denn diesmal ist er richtig sauer. Erst die Sache in der anderen Stadt, dann unserer nächtliche Aktion und nun auch noch der Stress mit der Schule... Plötzlich sehe ich Desmond neben mir zusammensacken und auch im nächsten Moment spüre ich selber einen stechenden Schmerz an meinen rechten Arm. Bevor dieser Schmerz vergehen kann, spüre ich schon weitere. Vater ist richtig in Rage und schlägt immer wieder auf uns beide ein. Ich spüre, wie mein kaltes Blut meinen Rücken und meine Arme hinunterfließt. Und auch Desmond geht es nicht besser. Der ganze Boden ist schon von Spritzern unseres Blutes überzogen. Ich habe noch nie in meinem Leben solche Schmerzen verspürt. Unser ganzes jammern hilft uns in dieser Situation auch nicht. Vater ist so aufgebracht, dass er uns einfach ignoriert. Aber so langsam werden seine Schläge langsamer und schwächer. Und auch der Zeitraum wird größer. Ich hoffe nur, dass es endlich ein Ende hat. Die Schmerzen sind grauenvoll. Ich kann mich kaum noch aufrecht halten und liege nur noch flach auf dem Boden herum. Desmond versucht noch Stärke zu zeigen und kniet vor Vater nieder. Aber für so etwas bin ich schon zu schwach... „Nun geht endlich auf eure Zimmer! Wir sprechen morgen über eure weitere Zukunft! Um halb sechs unten in der Küche!“, mit diesen Worten verlässt Vater uns und geht zurück in sein Arbeitszimmer. Desmond schaut ihm mit entgeisterten Gesicht hinterher. Ich hingegen liege einfach weiter flach auf dem Boden und kann mich kaum bewegen. Jede Bewegung schmerzt. Desmond richtete sich auf und sitzt nun neben mir auf den Boden. Auch sein Gesicht ist schmerzverzerrt. „Hey! Kleine...“, er legt mir nur ganz leicht seine Hand auf meine Schulter. „Auu!“ versuch ich heraus zu schreien, aber es kommt nur ganz leise heraus. „Vater spinnt. Wir haben es nun wohl endgültig zu weit getrieben. Kannst du aufstehen?“, fragt er liebevoll. Ich versuche alle meine Kräfte zusammen zu nehmen und richte mich mit Desmonds Hilfe langsam auf. Ich stehe mit wackeligen Beinen vor ihm und werde von ihm gestützt. „Lass uns nach oben gehen. Dort habe ich noch etwas von der blut- und schmerzstoppenden Creme. Die wird dir helfen.“ Er ist so richtig liebevoll und es tut so gut sich an seiner starken Schulter zu stützen. Langsam gehen wir gemeinsam die zwei Treppen hinauf in unsere Zimmer. Ich merke auf dem Weg, wie meine Beine immer mehr nachgeben. Aber Desmond stützt mich gut, obwohl er wahrscheinlich genauso viele Schmerzen hat, wie ich. Doch kurz vor Desmonds Zimmer lassen meine Kräfte endgültig nach und mir wird schwarz vor den Augen.... Als ich meine Augen wieder öffne, liege ich in meinem Sarg und Desmond kniet neben mir und hält meine Hand. „Was ist passiert?“, frage ich während ich mich versuche aufzurichten und wieder meine Schmerzen spüre. „Bleib liegen und ruhe dich aus. Du bist auf der Treppe zusammengebrochen und ich habe dich hierher getragen. Deine Wunden habe ich auch versorgt. Die Schmerzen sollten bald nachlassen. Und nun versuch etwas zu schlafen. Wir müssen schließlich morgen um halb sechs unten in der Küche uns die nächste Strafpredigt von Vater anhören. Aber egal was kommen mag, es kann kaum schlimmer werden als dies hier. Und so lange wir nicht getrennt werden, durchstehen wir alles. Also mach deine Augen zu und schlafe. Bis morgen Schwesterherz.“, mit diesen Worten geht Desmond rüber in sein Zimmer. Und tatsächlich schlafe ich sofort ein. Plötzlich höre ich angsterfülltes Geschrei. Verwirrt öffne ich meine Augen. Es ist mein Wecker. Desmond muss ihn gestern Abend wohl noch für mich gestellt haben. Genervt drücke ich den Knopf und richte mich auf. Meine Schmerzen sind tatsächlich verschwunden, als ob gestern Abend nichts vorgefallen ist. Aber was wird uns jetzt gleich wohl erwarten? Nur viel Zeit darüber nachzudenken bleibt mir nicht, denn ich habe nur noch eine viertel Stunde, bis ich unten sein muss. Schnell suche ich mir meine Sachen zusammen und ziehe diese blitzschnell an. Dann stürme ich in mein Bad und fange an mich zu schminken. Aber als ich in den Spiegel schaue, werde ich fast wieder ohnmächtig. Ich habe zwar keine Schmerzen mehr, aber die Wunden sind immer noch nicht ganz verheilt. Man sieht immer noch relativ deutlich die Streifen und die Einschlaglöcher der Nieten. Obwohl ich mich eigentlich glücklich schätzen müsste, dass unsere Wunden schnell verheilen. Menschen würden mehrere Monate noch damit herumlaufen und auch deutlich länger diese extremen Schmerzen verspüren. Verzweifelt versuche ich die Striche am Hals und an meinen Unterarmen zu überschminken. Aber damit habe ich keinen Erfolg. Man sieht sie immer noch deutlich. Im Grunde ist es mir egal, wenn Desmond und Vater es sehen würden. So würde Vater zu mindestens noch einmal sehen, was er uns gestern angetan hat. Aber wenn Vater sich tatsächlich noch einmal dazu entschlossen hat uns auf der Schule zu lassen und uns heute dahin zuschicken, wäre es undenkbar für mich, meinen Mitschülern die Streifen zu demonstrieren. Denn das geht diese gar nichts an und Fragen können sie sich somit sparen. Daher stürme ich wieder in mein Zimmer und ziehe mir eine langärmlige, schwarze Strickjacke darüber. Anschließend suche ich nach einem passenden Tuch, das ich schnell gefunden habe. Der nächste Blick in den Spiegel ist dann schon zufriedenstellender als der letzte. Zumindestens sieht man so nichts mehr von Vaters gewalttätiger Aktion. Als ich gerade die Tür zum Flur öffne, um schnell nach unten in die Küche zu gelangen, sehe ich Desmond noch ziemlich verschlafen aus seinem Zimmer kommen. „Morgen Bruderherz!“, begrüße ich ihn. „Und danke für gestern Abend!“ „Ach, dafür doch nicht. Für meine Süße mache ich doch alles.“, gibt er im charmantesten Ton zurück, den ich jemals von ihm gehört habe. „Dann wollen wir uns jetzt mal unsere nächste Standpauke abhole und vielleicht auch unsere Einladung zur Vampir-Academy.“, sagt Desmond ohne eine Spur Angst in seiner Stimme. „Gut! Dann lass uns mal runter gehen, sonst könnte es durchaus noch schlimmer werden.“, füge ich bei und wir gehen runter zur Küche. Schon in der Eingangshalle hören Desmond und ich eine uns unbekannte Stimme. Vater ist nicht alleine. Wer der Mann wohl ist? Der Schulleiter von der Vampir-Academy etwa? Keiner von uns sagt ein Wort, wir gehen einfach schweigend weiter bis zur Küche. Zaghaft klopfe ich an die Tür und wir treten ein. Und tatsächlich steht Vater dort mit einem unbekannten Mann, der ca. in seinem Alter sein müsste. Allerdings kann man dies bei Vampiren nie so genau sagen. „Ach, da seit ihr ja endlich. Und sogar pünktlich!“, begrüßt uns Vater. Seine Wut scheint verflogen zu sein, stattdessen lächelt er sogar. Ob dies etwas mit der Person zu tun hat? Oder mit seinem Vorhaben bezüglich uns? „Guten Morgen!“, sagen Desmond und ich freundlich, mit leicht gesenkten Köpfen, zu beiden. „Dies ist Lucern Argeneau!“, stellt Vater uns den fremden Mann vor. „Sehr erfreut euch beide mal persönlich kennen zu lernen!“, sagt er freundlich und reicht uns die Hand. Eigentlich ist es nicht unsere Art, diese Geste zu erwidern, aber in Anbetracht unserer momentanen Lage bleibt uns nichts anderes übrig. „Wir sind alte Freunde und haben uns gemeinsam in der Vampir-Academy vor ca. 2000 Jahren kennen gelernt. Wir waren damals in der selben Klasse. Genau wie eure Mutter. Unser Kontakt ist nie abgebrochen und noch heute könnte man sagen, dass wir unzertrennlich sind.“, sagt Vater lachend. Ich frage mich, was das hier zu bedeuten hat. Wieso stellt Vater uns seinen alten Schulfreund vor? Soll es nicht um unsere Zukunft gehen? Was soll das also? Auch Desmond guckt verwirrt abwechselnd Vater und seinen Schulfreund an. Vater scheint unsere Blicke zu bemerken und fährt fort. „Was guckt ihr denn so verwirrt? Ihr habt wohl etwas anderes erwartet, oder?“, wie recht er doch hat. Damit hätten wir wirklich nie gerechnet. „Aber dann kommen wir doch gleich mal zum Punkt! Natürlich besucht Lucern mich nicht einfach nur so, nein, ich habe ihn persönlich hierher bestellt. Gestern Abend habe ich noch angerufen und bin sehr erfreut, dass er so schnell Zeit gefunden hat. Lucern ist immer noch an der Vampir-Academy! Er arbeitet dort als Lehrer und Betreuer für besonders extreme Fälle!“, sagt er mit einem schadenfrohen Ton. Ich gucke Desmond geschockt an und er tut es mir gleich. Obwohl wir damit eigentlich schon vorher gerechnet haben, dass wir nun endlich auch auf dieses Eliteinternat kommen, bei den Sachen, die wir uns in den letzten Tagen geleistet haben. Desmond gewinnt zuerst seine Stimme wieder. „Also schickst du uns jetzt wirklich auf das Internat?“ „Nein! Das werde ich nicht!“, sagt er ernst. „Hää, wie??“, was anderes bringe ich nicht heraus. Es spricht doch alles dafür, dass er uns dort hinschicken möchte. Was sollte es denn anderes bedeuten? „Ich werde euch noch nicht aufs Internat schicken. Zu vor sollt ihr erst einmal erleben, wie gut ihr es eigentlich hier habt! Deshalb werdet ihr in der kompletten nächsten Woche von Lucern betreut. Somit werdet ihr am eigenen Leib erleben, was euch im Eliteinternat erwarten würde.“ Uns stockt der Atem! „Lucern wird euch die ganze Woche nicht aus den Augen lassen. Er wird euch zur Schule begleiten und euch 24 Stunden am Tag bewachen. Außerdem wird er darauf achten, dass ihr eure Aufgaben gewissenhaft erledigt. Dies wird alles über die Methoden der Academy gemacht!“ „Aber Vater!“, versuche ich es, aber ich komme nicht zu Wort. „Kein, aber Vater! Ihr könnt auch sofort auf das Internat gehen!“ „Nein, wie soll er uns denn 24 Stunden am Tag bewachen. Er kann doch schlecht mit uns im Klassenzimmer sitzen.“, versuche ich es weiter. „Doch das wird er! Er gibt sich vor euren Lehrern als euer alter Privatlehrer aus, der mal eine Woche lang gucken möchte, ob die Einrichtung gut genug für euch ist! Es ist auch schon mit eurem Direktor abgesprochen. Also darüber müsst ihr euch keine Gedanken machen!“ „Aber das ist doch total peinlich...“, mischt sich Desmond nun auch endlich ein. „Ihr könnt euch gerne überlegen, was ihr lieber wollt. Vielleicht doch sofort aufs Internat?“, fragt Vater scheinheilig. „Nein, schon gut!“, geben Desmond und ich kleinlaut bei. Wir gucken uns beide an und ich sehe in seinem Gesicht, dass er genau das selbe denkt wie ich. So leicht geben wir uns nicht geschlagen. Wieso sollten wir das machen, was dieser Typ von uns will? Wer sind wir denn? Es ist doch auch nur eine Woche! Der wird sich wunde... „AU!“, schreien Desmond und ich gleichzeitig. Plötzlich spüre ich einen unerträglichen Schmerz in meinem kompletten Körper. Und Desmond scheint dies auch widerfahren zu sein. Aber woher kommt dieser plötzliche Schmerz, der nur langsam nachlässt. Keiner hat uns angefasst. Wie kann so etwas? Aber lange brauchen wir beide nicht auf unsere Antwort zu warten. „Dies zählt zu den Methoden im Internat!“ meldet sich Lucern Argeneau zu Wort. „Es handelt sich hierbei um eine Spezialfähigkeit von Vampiren, die man nach intensiven Üben und langer Schulbildung hinzu lernen kann. Nur wenige können diese Fähigkeit einsetzten, da es sich hier eben nicht um eine angeborene Vampir-Fähigkeit handelt, sondern um eine, die man mit viel Mühe und Fleiß erlernen kann. Es handelt sich hierbei um die Fähigkeit Vampiren, aber auch anderen Geschöpfen, plötzlich extreme Schmerzen zuzufügen. Bei Vampiren ist dieser Schmerz zu vergleichen mit der Berührung von Weihwasser! Allerdings stirbt man bei diesem Schmerz nicht!“, lacht Lucern. „Und wieso gebrauchen sie diese Fähigkeit gegen uns?“, frage ich empört. „Meine angeborene Vampir-Fähigkeit ist Gedankenlesen. Diese Fähigkeit habe ich perfektioniert! Ohne viel Kraftaufwand bzw. mit kaum Kraft kann ich eure Gedanken lesen. Und genau dies, habe ich soeben bei euch die ganze Zeit gemacht! Ich brauche euch ja wohl nicht eure Gedanken noch einmal zu erzählen!“ „Nein!“, sagen wir beide beschämend und versuchen angestrengt an nichts zu denken. „So!“, sagt Vater. „Ihr werdet jetzt wohl endlich gemerkt haben, worum es hier geht und was euch blühen würde, wenn ihr tatsächlich auf das Internat kommt! Und eins kann ich euch sagen, ihr seit nicht mehr weit davon entfernt!! Und dies liegt keineswegs daran, dass ich euch als begabt einschätze und eine extrem gute Schulausbildung für euch wünsche! Also, Lucern wird nun für eine Woche euer Betreuer sein und somit 24 Stunden am Tag für euch da sein. Benehmt euch! Und macht euch nun für die Schule fertig. Lucern wird hier auf euch warten. Also holt eure Sachen!“ Desmond und ich machen uns sofort auf den Weg nach oben, um unsere Sachen zu holen. „Das kann ja noch witzig werden mit dem Kauz da unten. Zum Glück ist er nur eine Wochen da!“, beginnt Desmond. „Das kannst du laut sagen! Der hat sie wirklich nicht mehr alle. Das wird sowas von peinlich.“, entgegne ich. „Dem Typen sollten wir wirklich mal eine Lektion erteilen, der....“, doch weiter kommt Desmond nicht. „Aahhh!“, schreien wir beide. Er hat also schon wieder oder immer noch unsere Gedanken überwacht. Das kann ja noch lustig werden..... Desmond “Wir müssen uns echt zurückhalten und aufpassen was wir sagen und denken”, keuche ich, als der Schmerz wieder nachlässt. “Vermutlich werden die Schmerzschübe sonst noch stärker.” Und kaum habe ich das ausgesprochen, höre ich auch schon ein ~Wie recht du hast!~ von Lucern in meinem Kopf. Schnell nehmen wir unsere Schultaschen und gehen wieder nach unten. Vater und Lucern unterhalten sich bei einer Tasse Kaffee, als wir die Küche betreten. “Wir wären dann soweit”, sage ich und Flora bestätigt dies mit einem Nicken, “aber ist es nicht noch etwas früh um zur Schule zu gehen?” “Wieso früh? Es ist bereits viertel nach sechs. Also höchste Zeit, dass wir uns auf den Weg machen!” “Ähm... Herr... Argeneau? An unserer Schule beginnt der Unterricht erst um acht”, wirft Flora ein. Lucern hält in seiner Aufbruchbewegung inne und überlegt. “In Ordnung. Wir werden uns aber dennoch bereits auf den Weg machen. So haben wir noch ein wenig Zeit uns besser kennen zu lernen.” Meine Hoffnung, mich vielleicht noch ein bisschen hinlegen zu können, verfliegt sofort wieder. Wäre ja auch zu schön gewesen! Doch ich habe keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn wir machen uns bereits auf den Weg. Auf dem Weg Richtung Hauptstraße beginnt Lucern damit, uns seine Regeln zu erklären. “Erstens, werdet ihr mich nicht mit Herr Argeneau, sondern mit Sensei ansprechen! Zweitens, erwarte ich, dass all meinen Anweisungen augenblicklich folge geleistet wird! Und drittens, werdet ihr von nun an sowohl darauf achten, was ihr sagt, als auch auf das, was ihr denkt! Was euch sonst blüht, habe ich euch ja bereits vorgeführt. Und seid gewarnt, die Gedankenfolter is noch harmlos im Gegensatz zu den anderen Methoden!” Uns stockt der Atem. Was hat dieser Kerl nur mit uns vor?! Will der uns zu willenlosen Marionetten machen?! Das kann er doch nicht machen! Doch kaum habe ich diesen Gedanken zu ende gefasst, schießt abermals dieser grauenhafte Schmerz durch meinen Körper und lässt mich mitten auf der Straße zusammensacken. Flora will mir aufhelfen, doch ich wehre ihre Bemühungen ab. Ich geb mir doch nicht vor diesem Kerl die Blöße! Einige Minuten später schaffe ich es wieder aufzustehen und kaum, dass ich wieder sicher stehen kann, geht Lucern auch schon weiter und uns bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Wie sollen wir das nur eine ganze Woche aushalten?! Und was für Methoden hat er noch, wenn er diese grauenhaften Schmerzschübe als “harmlos” betitelt?! Aber wir haben keine andere Wahl, wenn wir nicht aufs Internat wollen, und das wollen wir definitiv nicht! Denn wenn dieser Typ schon so streng ist, wie wird es dann erst auf dem Internat sein?! Mittlerweile sind wir in der Fußgängerzone angelangt und dabei ist es noch nicht mal sieben! “S... Sensei? In Anbetracht dessen, dass es immer noch ziemlich früh ist, dürfte ich vielleicht vorschlagen, den Weg durch den Park zu nehmen? Diese Stadt hat irgendwie etwas deprimierendes an sich...” Es gibt nur wenige Erwachsene, bei denen ich mir die Mühe machen, respektvoll zu sprechen. Eigentlich nur Vater gegenüber. Aber ich glaube es ist besser, Lucern gegenüber respektvoll zu sein, wenn wir die Woche überleben wollen. Lucern ist glücklicherweise mit dem Vorschlag einverstanden und wenig später haben wir den Stadtpark bereits erreicht. Die Vögel zwitschern und ich verspüre das dringende Bedürfnis, dieses Zwitschern zu beenden, aber dann kriege ich vermutlich schon wieder Ärger mit Lucern und ich hatte heute Morgen bei weitem schon genug Schmerzen. Doch auch die langweiligste Zeit geht irgendwann vorüber und wir kommen schließlich gegen halb acht an der Schule an, wo Lucern sich auf direktem Weg zum Sekretariat macht. Uns schleift er glücklicherweise nicht mit und so betreten wir schon mal den Pavillon, in welchem wir nun gleich Unterricht haben, und lassen uns auf unsere Plätze fallen. Entnervt seufze ich auf. “Das wird ne verdammt harte Woche!” Flora nickt zustimmend. “Ich glaube, damit hast du vollkommen recht! ... Was haben wir jetzt eigentlich?” Ich zucke die Schultern und ziehe dann meinen Stundenplan aus der Tasche. Ein schneller Blick und unser erstes Unterrichtsfach war klar. “Englisch bei einem Herrn ... D. ... Wie lange haben wir noch?” Flora warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Meine eigene, die aussah, als würde Blut übers Ziffernblatt rinnen, habe ich leider auf meinem Nachttisch liegen lassen. “Viertel vor acht”, antwortet Flora und so langsam trudeln auch die anderen Schüler ein. Wenig später ertönt auch der Schulgong, welcher eigentlich den Stundenbeginn verkünden soll, doch daraus wird nichts. Denn dieser Herr Dannert ist noch nicht aufgetaucht. Um Viertel nach acht betritt Herr D. dann den endlich den Klassenraum gefolgt von Lucern, welcher sich in den hinteren Teil des Klassenraums setzt. Flora Alle Schüler drehen sich, während Lucern sich im hinteren Teil des Klassenzimmers setzt, zu ihm um. Es scheint so, dass nicht nur Desmond und ich seine unheimliche Aura vernehmen. Allerdings könnte es auch an seine für Menschen untypische Kleidung liegen. Was ich persönlich für sinnvoller halte, denn Menschen können einfach nicht so schlau sein und so ausgeprägte Sinne haben wie Vampire. Aber bevor ich meine Gedanken weiter führen kann, ertönt vorne Herr D.s Stimme. Was vielleicht auch mein Glück ist! „Good morning, ihr Lieben! Entschuldigt bitte die Verspätung. Ich hatte noch etwas dringendes zu erledigen!“, sagt er irgendwie außer Atem, als ob er sich tatsächlich beeilt hat. „Wie ihr bestimmt schon gemerkt habt, haben wir heute einen ganz besonderen Gast! Herr Argeneau!“, verkündet er, während Desmond und ich immer tiefer in unsere Sitze rutschen. Wieso kann er nicht einfach mit seinem Unterrecht fortfahren ohne ihn zu erwähnen? Ist das etwa zu viel verlangt? „Herr Argeneau ist der damalige Privatlehrer von Desmond und Flora Alucard, die ich heute ebenfalls zum ersten mal in meinem Unterricht begrüßen darf.“ Plötzlich meldet sich eine uns sehr gut bekannte Stimme. Hannah! „Mich auch Herr D.! Ich komme aus der selben Stadt wie Desmond und Flora. Die Stadt war wunderschön. Die müssen sie unbedingt mal besuchen. Das ist wirklich ein Urlaub wert. Sie werden es nicht bereuen. Wenn sie wollen, kann ich ihnen einen Stadtplan geben und in noch einiges dazu erzählen! Oder gleich mit kommen. Ich habe keine Problem damit, mit meinem Englischlehrer einen Urlaub zu verbringen. Ist das nicht eine tolle Idee. Das wird bestimmt lustig. Was wir dort nicht alles machen könnten. Wir könnten zum Beispiel....“, doch weiter kommt Hannah nicht. Herr D. , der sich so eben aus einer Versteinerung befreit hat, meldet sich stotternd zu Wort. „Das klingt wirklich gut....Du musst bestimmt die andere neue Schülerin sein. Wie war doch gleich der Name...“, Herr D. blättert planlos in seinen Unterlagen herum. Obwohl er sich dies wirklich sparen kann, denn Hannah weiß schon wie sie ihm helfen kann. „Hannah Röcker. Ich bin die beste Freundin von Desmond und Flora!“, geschockt gucken wir beide nach vorne und würden am liebsten raus stürmen und Hannah umbringen! Aber leider sind uns momentan sozusagen beide Hände gebunden. „Wir haben schon so viel zusammen erlebt! Wir sind wirklich unzertrennlich. Das kann sich kaum einer vorstellen, wie stark unsere Freundschaft ist. Umso glücklicher bin ich auch, die beiden hier wiederzusehen! Das war eine super Überraschung von den beiden. Natürlich hätte ich den Kontakt zu den beiden niemals abgebrochen. Ich wäre sie ganz oft besuchen gefahren, hätte ihnen Briefe geschrieben und Geschenke geschickt. Damit sie mich auch ja nicht vergessen. Ich kann ihnen im übrigen auch Briefe schreiben. Das mache ich wirklich gerne. Ich kann die auch auf Englisch schreiben. Mein Englisch ist nämlich perfekt müssen sie wissen! Ich hatte....“ Plötzlich ertönt eine tiefe, unheimliche und Angst einflößende Stimme. Die Stimme von Lucern! „Findest du nicht auch....“, er macht eine kurzen Pause, um seine Worte noch mehr Ausdruck zu verleihen. „...das du Herrn D. endlich mal zu Wort kommen lassen solltest? Damit er seinen Unterricht fortführen kann!“ Und tatsächlich hört Hannah prompt auf zu reden. Und antwortet irgendwie monoton: „Ja, Sir! Gewiss!“ Ob Lucern da irgendwie nachgeholfen hat? Könnte ich mir zu mindestens sehr gut vorstellen! Denn so leicht gibt Hannah sonst nie auf. Man merkt Herrn D. an, dass er sich immer noch nicht ganz gesammelt hat. Mit so etwas wie Hannah hatte er wohl noch nie zu tun. Daher dauert es auch fast eine Minute bis er sich wieder zu Wort meldet. „Danke, Herr Argeneau!“, stammelt er. „So, Kinder! Herr Argeneau hat recht. Wir sollten endlich mit dem Unterricht fortfahren. Holt eure Bücher heraus und lest die Geschichte auf Seite 18 bis 25 durch und beantwortet die entsprechenden Fragen. Die Aufgaben werden wir in der nächsten Stunde besprechen, nachdem wir einen kurzen Vokabeltest geschrieben haben. Für alle neuen, die Vokabeln werden aus dem Text stammen, den ihr heute bearbeiten werdet. Und ich rate euch allen diese Aufgabe gewissenhaft zu erledigen, da die Vokabeltests einen großen Teil eurer mündlichen Note ausmachen werden!“, mit diesen Worten setzt Herr D. sich an seinen Pult. „So etwas kann auch nur einem Menschen einfallen! Schriftliche Leistungen zu den mündlichen zu zählen.“, flüstere ich Desmond lachend ins Ohr. „Stimmt! Aber was soll man von Menschen schon erwarten? Die sind doch alle durchgeknallt!“, gibt Desmond zurück. „Und Hannah ist das beste Beispiel dafür!“ „Aber das ist zum Glück nicht unser Problem. Als ob wir was für die Schule machen würden!“, sagt Desmond und rückt seinen Stuhl in die passende Position um seiner Lieblingsbeschäftigung im Unterricht nachzugehen. Nämlich einfach stumpf aus dem Fenster zu schauen. Ich will gerade meinen Mund öffnen, um eine weitere fiese Bemerkung über die Menschen abzulassen, als plötzlich eine fremde Stimme in meinen Gedanken ertönt. Ich kann Desmond ansehen, dass auch er diese Stimme vernimmt. „Und ob ihr das werdet!“, hören wir Lucerns schneidende Stimme. „Ihr wisst gar nicht, was ihr für ein Glück habt eine solche Schulausbildung hier genießen zu dürfen! Euch stehen hierdurch etliche weitere Berufszweige später offen, ohne das ihr eine Doppelbelastung habt! Wenn ihr Volljährig seit, müsstest ihr euch sonst entscheiden was für einen schulischen Zweig ihr einschlagt. Entweder die Vampirschule oder die Menschenschule.“ Wie gelähmt hören wir Lucern zu. Allerdings nicht, weil wir geschockt über seine Äußerungen sind, sondern weil er es so will! „Ihr werdet jetzt bestimmt sagen, dass ihr natürlich nur zur Vampirschule wollt. Aber wisst ihr, wie ihr denken werdet, wenn es so weit ist? Was ist wenn ihr später euch doch dazu entschließt in die Spitzenjobs der Regierung einzusteigen? Dann braucht ihr beide schulischen Zweige! Natürlich könnt ihr dann auch noch beide Zweige machen, aber es wäre eben eine zusätzliche Belastung, wie wir es eben nur der Elite zutrauen. Für Minderjährige gibt es momentan nur eine einzige Schule, die euch ermöglicht beide Schulzweige gleichzeitig zu absolvieren, nämlich das Vampirinternat in Transsylvanien! Also nutzt gefälligst eure Chance den bequemeren Weg zu gehen! Denn ihr beiden gehört ja nicht gerade zur Elite! Wenn ich es mal vorsichtig ausdrücken darf! Deswegen greift nach eurem Glück, wobei ich euch die nächste Woche gerne behilflich bin.“, lacht Lucern. „Ansonsten können wir uns auch gerne auf dem Vampirinternat wieder sehen, denn durch die hohe Position eures Vaters ist es eine Leichtigkeit euch dort unterzubringen! Also an die Arbeit ihr zwei!“, befiehlt er. Wir sitzen beide regungslos auf unseren Plätzen. Keiner von uns beiden denkt auch nur daran, sich mit den Englisch-Aufgaben zu beschäftigen. Denn wir haben nicht vor, die Regierung jemals auf legalem Wege zu übernehmen oder einen anständigen Beruf auszuüben und zu lernen! Aber unsere Haltung nichts zu tun, wird ziemlich schnell durch einen leichten, aber dennoch intensiven Schmerz unterbrochen. „Werdet ihr zwei wohl endlich anfangen!“, dröhnt Lucerns Stimme in unserem Kopf. „Oder muss ich den Schmerz noch etwas intensiver werden lassen?“ Wir merken, dass wir keine Chance haben und kramen unsere sorgfältig auf den Tisch gelegten Englischsachen hervor und fangen an unsere Aufgaben zu machen. Denn diese Schmerzen sind wirklich eine Qual! Aber ich muss zugeben, dass es eine sehr effektive Lernmethode ist! Leider! Endlich schellt die Schulglocke. Erleichtert packen Desmond und ich unsere Sachen zusammen. Merkwürdiger weise geht Hannah ohne ein Wort zu sagen an uns vorbei. Schon die ganzen zwei Stunden hat sie ihren Mund gehalten. Für mich steht fest, dass Lucern dort seine Finger im Spiel haben muss. Ich frage mich nur wie oder besser gesagt wie können wir das lernen! „In dem ihr euch anstrengt und eure Schulausbildung in beiden Zweigen mit mindestens einem A abschließt bzw. einem gut“, ertönt Lucerns Stimme hinter uns. „Ich gehe zum Lehrerzimmer um mit eurem Lateinlehrer ein paar Worte zu wechseln. Wir sehen uns dann nach der Pause im Klassenzimmer. Und versucht gar nicht erst abzuhauen!“, droht er und schreitet aus der Klasse. „So eine Fähigkeit wäre schon cool in Bezug auf Hannah! Wenn man da nur einfacher ran kommen würde. Wieso wurde keinem von uns diese Fähigkeit angeboren?“, frage ich deprimiert. „Das ist wirklich schrecklich. Ich kann zwar die Gedanken anderer manipulieren, aber über so einen Zeitraum...das ist schon eine Glanzleistung! Das grenzt ja schon an Gedankenaustausch bzw. Seelentausch!“, sagt Desmond. „Ihr habt es erfasst, Seelentausch ist eine schöne Sache. Aber keine Sorge in der nächsten Stunde ist sie wieder normal!“, ertönt Lucerns Stimme in unseren Gedanken. Ich verabscheue es seine Stimme immer wieder zu hören und auch Desmond macht kein glückliches Gesicht! „Seelentausch! Geniale Fähigkeit! Wir treffen uns im Klassenzimmer Schwesterherz! Ich muss nämlich mal für kleine Blutsauger.“, sagt Desmond scherzhaft. „Ok! Bis später!“ Ich schlängle mich durch die Schulflure, die vollgestopft von quatschenden Menschen sind. Die haben aber auch wirklich alle keinen Respekt! Ständig rempeln sie einen an und entschuldigen sich nicht einmal. Was sind das hier nur für Manieren? Selbst vor den Lehrern haben die Schüler keinen Respekt. Die müssen sich genauso durch quetschen, wie ich. Wie kann Vater uns nur auf so eine Schule schicken. Da war die letzte ja noch besser. Auch wenn Desmond und ich uns dort auch nicht wirklich besser benommen haben. Erleichtert atme ich auf. Das Gedränge ist endlich vorbei und da vorne ist schon der Klassenraum in dem wir gleich Latein haben. Ein Fach in dem Desmond und ich wirklich spitze sind. Denn Vater hat mit uns als Kleinkinder häufig nur Latein gesprochen. Doch plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Mein Halstuch hat sich in einer der Türen auf dem Gang verfangen. Verärgert befreie ich es und will mir es gerade wieder um den Hals legen, als plötzlich hinter mir eine Stimme ertönt. „Hallo Flora! Wo hast du denn deinen Bruder gelassen? Wie....“ Zülal steht geschockt vor mir. Merkwürdiger weise ohne ihre Freundin im Schlepptau. „Was ist denn mit dir passiert? Das sieht ja schlimm aus!“, sagt sie wirklich richtig mitfühlend und lieb. Aber konnte ich mir die Blöße geben und freundlich antworten? Gewiss nicht! Das ist unter meiner Würde! Es ist sowieso das letzte, dass man mit einem Menschen redet. Und wieso muss gerade sie in dem Moment kommen, wenn mein Halstuch verrutscht? Das Glück ist heute wohl gar nicht auf meiner Seite. Erst Lucern und jetzt das hier! „Das hat dich gar nicht zu interessieren!“, keife ich Zülal an. „Aber du kannst gerne mit mir reden. Ich habe jederzeit ein offenes Ohr für dich. Ich kann dir vielleicht helfen!“, versucht sie es erneut. „Du kannst mir helfen, indem du die Klappe hältst und mir aus dem Weg gehst!“, entgegne ich wütend und gleichzeitig spüre ich einen leichten Anflug von Schmerzen in meinem Körper. Aber nein, ich werde nicht klein beigeben, egal wie stark die Schmerzen werden. Diesmal nicht Lucern! „Wie konntest du es überhaupt wagen, mich einfach anzusprechen. Wir haben euch deutlich zu verstehen gegeben, dass wir euch verabscheuen. Mit so einem Gesindel wie euch geben wir uns bestimmt nicht ab...“ Die Schmerzen werden immer stärker. „...Schau dich doch mal selber an. Wie du hier herumläufst und mit welchen Leuten du dich abgibst! Aber was erwarte ich auch! Deine Dummheit kann man....“ Ich merke, wie mein Körper mir so langsam außer Kontrolle gerät. Mir wird schwummrig vor den Augen und auch meine Beine machen nicht mehr lange mit. Aber aufgeben kommt für mich nicht in Frage, egal ob die Schmerzen mich gleich umbringen! „... schon vom anderen Ende der Welt erkennen!“, presse ich qualvoll hervor, bis plötzlich alles schwarz um mich wird. Langsam öffne ich meine Augen. Ich liege in einem kleinen, weißen Raum. Desmond sitzt neben mir und hält fürsorglich meine Hand. „Was ist passiert?“, frage ich. „Du hast dich meinem Befehlen widersetzt!“, spricht Lucern streng. Oh man, wie viel Glück kann man eigentlich haben. Wieso muss auch er hier sein. „Deshalb musste ich die Schmerzen intensiver einsetzten! Du hast mir keine andere Wahl gelassen. Ich hoffe es ist eine Lehre für dich! Ich kenne nämlich jetzt die genaue Dosis der Schmerzen, die du bei Bewusstsein vertragen kannst. Deswegen kann ich diese nun gezielter gegen dich einsetzten. Also sei vorsichtig! Aber tröste dich!,“sagt er gehässig. „Auch dein Bruder durfte diese Prozedur so eben durch machen!“ „Wieso?“, frage ich Desmond geschockt. Und tatsächlich antwortet diesmal nicht Lucern, sondern er selber. „Tja Schwesterchen! Da siehst du mal was ich alles für dich mache.“, sagt Desmond in einem ruhigen scherzhaften Ton. Doch bevor er weiter reden kann, ergreift Lucern abermals das Wort! Wäre auch ein Wunder, wenn er sich mal heraus halten würde. „Nachdem du bewusstlos auf dem Gang zusammengebrochen ist, hat dich dieses liebevolle Mädchen, das du zuvor angeschnauzt hast, hier her gebracht. Daraufhin wurden wir beide informiert. Obwohl ich zugeben muss, dass ich es natürlich schon vorher wusste. Aber ich musste meine Tarnung weiterhin aufrecht erhalten. Kurze Zeit nach mir kam auch Desmond auf die Krankenstation. Und ja, er muss dich wirklich ziemlich gerne mögen. Nachdem er auf dich zu gestürmt ist, hat er seine ganze Wut an mir ausgelassen. Obwohl er dazu beim besten Willen keinen Grund hatte. Denn schließlich bist du selber schuld an dieser Sache. Und dies musste ich ihm auf einer gewissen Weise schmerzhaft beibringen. Aber nun ist auch er wieder bei klarem Bewusstsein und weiß, dass sein Verhalten falsch war! Nicht war?“, fragt er stichelnd. Desmond antwortet allerdings nicht. „Aahh...ja!“, sagt er schließlich doch noch. Lucern hat uns beide wirklich völlig im Griff. Wie sollen wir nur diese eine Woche überstehen? „In dem ihr euch wie anständige Vampire benimmt! Und eure Schulausbildung fleißig in Angriff nehmt!“, sagt Lucern streng und ich sehe Desmond an, dass auch er dieses Gedankenlesen verabscheut. „Wo wir gerade beim Thema Schulausbildung sind...Die zwei Lateinstunden sind in fünf Minuten vorbei. Ihr werdet also gleich gemeinsam in die Pause gehen und anschließend den Literaturunterricht besuchen. Ich hoffe, wir haben uns verstanden!“ Desmond und ich nicken und Lucern verlässt den Raum. Keiner von uns sagt ein Wort und keiner von uns will auch nur irgendetwas denken. Es ist einfach nur ein scheiß Gefühl, dass einem die Gedanken nicht alleine gehören! Erneut höre ich die Schulglocke und erhebe mich von der Liege im Krankenzimmer. „Lass uns ein wenig nach draußen gehen, bis der Unterricht beginnt!“, schlage ich vor. „Ok! Dein Wunsch ist mir Befehl!“, sagt er charmant und wir gehen beide zusammen hinaus in den Hof. An einem der Bäume setzten wir uns hin und genießen das trübe Wetter! Doch lange können wir unsere Zweisamkeit nicht genießen, denn da ertönt auch schon wieder Hannahs Stimme. Wie Lucern schon zu uns gesagt hat, ist sie leider wieder völlig normal. „Flora! Ich habe gehört was mit dir los war. Das ist ja schrecklich. Es tut mir ja so leid, dass ich nicht bei dir sein konnte, aber die Lehrer wollten mich einfach nicht aus dem Unterricht gehen lassen. Es ist so schrecklich, vor allem weil du mich doch so sehr gebraucht hättest. Ich hätte dich so gut wieder aufbauen können, denn ich möchte später ja mal Ärztin werden. Das wäre einfach genial gewesen. Ich hätte so gut üben können, auch weil ich ja deine beste Freundin bin und es natürlich auch immer bleiben werde. Wir sind...“ Ich habe Hannah zwar noch nie zugehört, aber diesmal hat es einen ganz anderen Grund! Nur wenige Meter von uns entfernt sitzt dieser gut aussehende Junge, der meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht! Er ist so süß, wie er da an seinem Brötchen knabbert. Schade, das er ein Mensch ist. Aber wieso sollte ich nichts mit einem Menschen anfangen? Natürlich weil es gegen den Kodex von Desmond und mir ist! Denn es ist generell nicht verboten eine Beziehung mit einem Menschen anzufangen. Man darf sogar mit dem Einverständnis des Partners diesen später verwandeln. Allerdings soll das ein ziemlicher Papierkram sein und man muss glaub ich über 30 Jahre zusammen gewesen sein. Aber soll ich mich wirklich auf diesen Typen einlassen? Während ich momentan hin und her überlege, beobachte ich, wie sich eine Person diesem Jungen nährt. Es ist Zülal! Sie scheint ihn näher zu kennen, zumindestens unterhalten sich die beiden. Ob sie mir vielleicht doch noch mal irgendwann von Vorteil wird? Vielleicht sollte ich mich bei ihr entschuldigen und eine Freundschaft zu ihr aufbauen, um mehr über diesen Jungen herauszufinden. Aber wie soll ich das nur anstellen? Desmond klebt ja förmlich an mir. Wie soll ich ihm das nur erklären? Es ist glaub ich besser, wenn ich schweige. Die Pause vergeht viel zu schnell. Ich hätte ihn noch stundenlang weiter beobachten können. Stattdessen werden Desmond und ich nun gezwungen mit Hannah zusammen zum Literaturunterricht zu gehen. Schade, dass Lucern nicht für einen längeren Zeitraum ihre Seele rauben konnte. In der Klasse angekommen setzten Desmond und ich uns in eine der Mittleren Reihen, denn hinten sitzt schon Lucern, der uns freundlich anlächelt. Weiß er meine Gedanken zu diesem Jungen? Ich merke wie ich rot anlaufe, aber dieses Problem bekomme ich zum Glück schnell wieder in den Griff. Nicht einmal Desmond hat es bemerkt, da er schon wieder aus dem Fenster starrt. Ich kann mein Glück nicht fassen, nur zwei Reihen vor mir sitzt der süße Junge! Er ist auch in meinem Kurs. Ich muss mir das Lächeln wirklich verkneifen, aber da ertönt auch schon die Stimme von Herrn W.! „Guten Morgen! Heute werden wir eine Gruppenarbeit machen, die ihr in den nächsten zwei Stunden vorstellen werdet. Dazu werde ich euch nun in dreier und einer vierer Gruppe einteilen. Die erste Gruppe bilden …..... Die Vierte Gruppe wird sich zusammen setzten aus Zülal, Flora und Ashlee. Und die letzte Gruppe sind dann noch Elliot, Desmond, Nina und Hannah! Jeweils einer von euch kommt gleich einmal kurz nach vorne und holt sich die entsprechende Aufgabe ab. Arbeitet fleißig!“, sagt Herr Weißhaupt. Ich sehe Desmonds Wut verzerrtes Gesicht. Er und Hannah in einer Gruppe! Das kann ja noch lustig werden! Wie das wohl ausgehen wird? Ich selber kann mein Glück kaum fassen. Ich bin mit Zülal in einer Gruppe! Das ist meine Chance! Selbst Desmond steht mir diesmal nicht im Weg! Ich werde mich bei ihr entschuldigen und freundlich sein. Auch wenn mir das sehr schwer fallen wird, aber was macht man nicht alles aus Liebe? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)