Let me bring my life to an end von Erdnuss91 (before you do it) ================================================================================ Kapitel 5: Lichtschimmer ------------------------ Während den Aufnahmen lasse ich Reita keine Chance auch nur eine Minute mit mir alleine zu verbringen. Immer wieder schirmen mich Kai und Aoi von ihm ab und erfinden irgendwelche Termine, damit ich Gesprächen mit ihm entgehen kann. Nach außen hin hat er sich seine Wut natürlich nicht anmerken lassen und immer wieder hat er im Beisein der anderen sein bestes Verhalten an den Tag gelegt. So liebevoll wie die letzten Tage hat er mich eigentlich noch nie behandelt und ich weiß genau warum er es macht. Er will einfach nicht, dass alles auffliegt und der wahre Grund für meine Verletzung herauskommt. Oder die anderen ihn um ein Gespräch dafür bitten. So sieht es halt einfach so aus, als hätte ich das alles gewollt und es würde sich nicht um Missbrauch handeln. Dabei weiß ich genau was mich daheim in seiner Wohnung erwarten wird. Ich kann halt keine Gnade erhalten, schließlich bin ich seine willenlose Puppe und er ist mein Master. Entweder füge ich mich seinem Willen oder ich lasse es. Und zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich nicht, was für Konsequenzen mich erwarten werden. Gibt es noch wirklich einen Ausweg aus dem ganzen für mich? Ganz langsam heilen auch die Verletzungen im Intimbereich und laut Aoi sieht mein Rücken auch um einiges besser aus. Er hat mir extra speziellen Salben aus der Apotheke besorgt, damit die Blutergüsse schneller abheilen und auch nicht mehr solche Schmerzen verursachen. Mittlerweile kann ich auch wieder ohne große Schmerzen zur Toilette gehen und erst jetzt merke ich, wie sehr ich das vermisst habe. Selbst der Schlaf ist um einiges erholsamer, da mich die Verletzungen nicht mehr alle paar Minuten aufschrecken lassen. Und mittlerweile habe ich auch nur noch ein wenig Husten und alles. Aoi vermeidet es komplett das Thema anzusprechen, wenn wir alleine in seiner Wohnung sind. Selbst wenn er die Wunden versorgt spricht er es nicht an. So wirklich zur Polizei kann ich ohnehin nicht, weil ich um ehrlich zu sein nicht wissen will wie die bei einem homosexuellen Paar reagieren würden. Selbst bei heterosexuellen Paaren gibt es bei häuslicher Gewalt nicht immer Unterstützung und das mag schon was heißen. Vor allem ist dann die Frage was mit der Band passiert? Sobald ich mir Hilfe hole wird das alles sehr wahrscheinlich öffentlich gemacht. Und dann wissen alle, dass ich homosexuell bin und eben auf Männer stehe. Und dann kann ich rein theoretisch erst recht das Land verlassen, da viele ein sehr großes Problem mit diesem Thema haben. Zudem lasse ich mich ja von meinem Partner zusammen schlagen und das wirft dann ein noch schlechteres Licht auf mich. Vor allem als Mann sollte ich ja den Mut besitzen und mich wehren Die Band ist dann Geschichte und genau das will ich nicht. Ich möchte nicht das Leben der anderen zerstören, nur weil ich mich nicht gegen Reita zur Wehr setzen kann. Die größte Frage ist auch was dann mit dem Vertrag mit dem Label ist und was das Management dazu sagt. Natürlich kann man eine Menge Geld zahlen, schließlich gibt es viele korrupte Polizeibeamte und Richter. Aber wer sagt, dass die die Geschichte nicht für noch mehr Geld an andere verkaufen werden? Wir sind nun einmal verpflichtet diesen Vertrag zu erfüllen und da gehören auch keine größerem Skandale dazu. Und ich frage mich, ob die anderen dann je wieder einen Fuß im Musikbusiness fassen können? Ich fühle mich einfach total schlecht, weil ich mit einer so kleinen Entscheidung einen Stein ins Rollen bringen kann, der eine ganze Lawine auslösen kann. Und damit nicht nur mein eigenes, sondern auch das Leben meiner Bandkollegen zerstören könnte. Seufzend schaue ich Aoi an, der mal wieder ganz gespannt irgendeinen Film guckt. Heute haben wir einen freien Tag, da Kai und Reita ihre Parts am einspielen sind. Und ich für meinen Teil soll mich noch etwas schonen, weshalb mich Aoi auf die Couch verbannt hat. Ich bin immer noch nicht wirklich auf der Höhe und gestern lag ich nach dem langen Studiotag mit Fieber flach. Wahrscheinlich wird es auch noch einige Wochen dauern bis ich diesen Infekt vollkommen auskuriert habe, aber diese Zeit habe ich nun einmal nicht. Deshalb trinke ich auch schon den ganzen Tag Kräutertee und sitze dick eingepackt auf der Couch und mache immer wieder einmal ein Nickerchen. Reita würde so etwas nie erlauben, da ich laut ihm einfach zu funktionieren habe. Und er würde mir auch nie ständig die Tasse nachfüllen. Aoi hingegen hat mich heute schon mehrfach dazu aufgefordert zu inhalieren und ich musste schon einige komische Gemüsedrinks zu mir nehmen. Allgemein kümmert er sich wirklich sehr gut um mich und versucht mich auch so gut es geht abzulenken. Es liegt immer noch ein sehr steiniger Weg vor mir und ich weiß nicht, ob ich wirklich die Kraft dazu habe diesen zu bewältigen. Habe ich wirklich den Mut dazu Reita die Stirn zu bieten? Ich kann ja niemanden darum beten für mich Schluss zu machen oder das alles für mich zu regeln. Und mir wird jetzt schon schlecht, wenn ich allein daran denke was alles auf mich zukommt. Und ich habe halt einfach die Angst davor, dass ich nachher derjenige bin der die Band zerstört. Es fühlt sich einfach so an als hätte ich eine geladene Pistole an meiner Stirn und den Finger am Abzug. Und ich weiß nicht, ob ich diesem Druck standhalten kann. Seufzend ziehe ich die Decke ein Stück höher und schließe die Augen. Ist es wirklich richtig das Wohlergehen der anderen über mein eigenes zu stellen? Sollte ich nicht endlich einmal eine Entscheidung treffen, egal welche Konsequenzen diese nach sich zieht? Das ewige grübeln bringt mich nicht ans Ziel und ich sollte wirklich einmal ernsthaft mit Reita darüber reden. So kann es nicht weiter gehen und wenn unsere Beziehung nur mit der Gewalt funktionieren kann, dann sollten wir uns endgültig trennen. Auch der Arzt meinte, dass mein Körper nicht ewig mitspielen wird. Und irgendwann der Punkt kommen wird, an dem die Verletzungen eben nicht mehr abheilen und die Schmerzen sich auch nicht mehr verstecken lassen. Was soll ich dann machen? Vor allem was passiert, wenn er mir einmal die Knochen bricht und ich einmal einen Arzt sehen muss? Nicht jeder Arzt ist korrupt und lässt sich mit Geld zum Schweigen verdonnern. Und ewig kann ich unsere Freunde auch nicht dazu überreden einfach wegzusehen. Reita, was machen wir wenn das Kartenhaus nicht mehr dem Sturm trotzt und in sich zusammenfällt? Werden wir dann mit den gleichen Lügen wieder alles aufbauen? Wie kann ein Mensch einem anderen nur so etwas antun? Und dabei denken, dass derjenige es auch noch mag? Ich habe so eine Angst davor, dass wir den Riss in unserer Beziehung nicht mehr flicken können. Und unsere letzte Stunde geschlagen hat, nur weil ich zu feige war um den Mund aufzumachen. Und ich gedacht habe, dass Aoi mir schon irgendwie helfen wird. Dabei wusste ich schon in dem Moment, als ich Reitas Wohnung verließ, dass ich die Wunden in meine Intimbereich niemanden freiwillig zeigen werde. Jedoch waren es genau die Wunden, die mich aus der Wohnung trieben. Das Blut in der Kloschüssel, dass mich wach rüttelte und einen Stein ins Rollen brachte, der alles mit sich riss. Meine Hals schnürt sich zu und ich habe Schwierigkeiten zu atmen. Mein Atem rasselt und meine Augen brennen. Ich kann jetzt nicht weinen. Ich kann nicht wegen etwas weinen, was ich zu verantworten habe. Das ganze Selbstmitleid bringt doch niemanden etwas. Zitternd beiße ich mir auf die Faust und versuche die Tränen vergeblich hinunter zu schlucken. Schließlich habe ich keinen Grund dafür zu weinen. Ich schluchze erstickt auf und vergrabe mein Gesicht in der Bettdecke. Ich will und kann Reita morgen nicht begegnen, aber wir arbeiten nun einmal zusammen und das weiß er nun einmal. Es gibt kein entrinnen und vielleicht sollte ich wirklich die Ketten zwischen uns trennen und mich so ins eigene Verderben stürzen. Denn wenn ich es nicht mache, wird es nie besser werden. Ich ziehe scharf die Luft ein, als Aoi mich in seine Arme zieht und sanft hin und her wiegt. Was habe ich mir nur dabei gedacht, als ich ihn in das alles hineingezogen habe? Die anderen denken immer noch, dass da irgendetwas zu retten ist. Aber in Wirklichkeit ist schon alles verloren und man kann nur noch die Kollateralschäden so gering wie möglich halten. Ich frage mich, ob der Freitod die ultimative Antwort auf all meine Probleme ist? Jedoch möchte ich leben und vor allem noch etwas erleben. Ich bin einfach noch zu jung und möchte mein Leben nicht für jemanden wegwerfen, der sein eigenes nicht im Griff hat. Vielleicht würde auch eine Auflösung der Band oder ähnliches erst einmal für Entspannung sorgen. Oder eine Therapie für Reita? Dabei kann man so etwas nicht weg therapieren, oder? Solche Menschen bleiben einfach wie sie sind. Um ehrlich zu sein habe ich unglaubliche Angst davor die Wahrheit zu erfahren. Ist Reita wirklich so gewalttätig? Oder lebt er in unserer Beziehung einfach seine Phantasie aus, weil ich ihm die Möglichkeit dazu gebe? Würde er bei jemand anderen nicht so extrem reagieren und bis aufs Blut zuschlagen? Die eigentliche Frage ist: Möchte ich das wirklich wissen, bevor ich meine Entscheidung fälle? Vielleicht denke ich auch nur an all das was schief gehen könnte, weil diese Extremfälle immer in den Medien diskutiert werden? Und da endet das ja meistens mit Mord oder erweiterten Selbstmord. Und beides möchte ich sowohl unserer Band als auch unseren Familien nicht antun. Ich möchte mein Gesicht nicht verlieren, nur um aus dieser Nummer wieder rauskommen zu können. Vielleicht habe ich ja morgen endlich den Mut und werde Reita um ein klärendes Gespräch bitten? Immerhin wissen die anderen ja was Sache ist und werden ihn zur Rechenschaft ziehen, wenn ich schon nicht in der Lage dazu bin. Oder das alles gewaltig aus dem Ruder läuft. Leise schluchzend kralle ich mich in das Oberteil von Aoi und lasse den Tränen freien Lauf. Ab morgen bin ich stark und werde all das nachholen, was ich in den letzten Monaten verpasst habe. Ich bin kein Schwächling, aber wenn man immer die eigene Abhängigkeit vor Augen behalten bekommt, dann glaubt man irgendwann selbst daran. Man glaub einfach, dass ein Leben ohne diese andere nicht mehr möglich sein, obwohl ja genau das Gegenteil der Fall ist. Ich hatte bevor ich mit Reita eine Beziehung angefangen hatte ein Leben, also werde ich auch ohne ihn noch eins haben. Ich muss endlich lernen loszulassen. Diese Ketten zu durchtrennen und mich frei zuschwimmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)