Wings 1 von Tyra-Leonar ================================================================================ Kapitel 8: Nachdenken --------------------- Endlich war Mikan aufgewacht. Nicht körperlich, sondern geistig. Endlich sah sie die giftigen Blicke, die sich Sky und Kain zuwarfen. Endlich merkte sie, wie sehr ihre Mutter Sky hasste und wie wenig ihr Vater sich für seine Familie interessierte. Mikan sah die Welt mit völlig anderen Augen. Sie wusste jetzt, dass es an ihr lag, diesen Streit zwischen den beiden Männern zu beseitigen, dass sie allein ihre Mutter vom Gegenteil überzeugen konnte, und dass sie mal wieder was Richtiges mit ihrem Vater unternehmen musste. Doch wo sollte sie zuerst beginnen? Sie war mit der Situation so überfordert, dass sie dachte, dass einer der beiden jungen Männer bald sterben würde. Ihre Schritte führten die Prinzessin durch die Gänge. Umso höher sie kam, desto weniger Menschen sah sie. Die weiten Gemäuer wurden immer kürzer und zugiger. Oben angekommen, öffnete sie eine kleine hölzerne Tür. Hier oben kam sie gern hinauf. Mikan musste nachdenken. Sein standhafter Blick und seine hochgewachsener Körper, mochte so manchem Menschen Furcht einflößen. Doch Kain lies sich von Skys Auftreten nicht beirren. Er war entschlossen, den Kampf um Mikan gegen einen einfachen Burschen zu gewinnen. Sky schien hingegen keine Gedanken zu hegen. Er stand einfach nur stumm und ohne eine kleinste Bewegung neben dem König. Nur sein allzu seltenes Blinzeln machte klar, dass Sky keine Statue war. Der König brütete gerade über einer Karte. Dann sah er wieder zu Kain auf und fuhr das Gespräch fort. „Vielleicht sollten wir es über die westliche Grenze versuchen. Der Feind wird denken, dass wir vom Süden aus angreifen werden. Sie werden nicht damit rechnen, dass wir den Weg über den Fluss nehmen werden.“ Kain sah zwar zu seiner Majestät, aber sein Augen waren wachsam und beobachteten Sky genau. „Die Gefahr zu kentern, ist an dieser Stelle des Gewässers sehr hoch. Und ich denke, dass wissen euren Majestät. Ihr wollt doch nicht etwa die neuen Boote ausprobieren?“ „Einen Versuch wäre es wert. Natürlich... wenn die Boote scheitern, wird man über unser schutzloses Land rennen, wie über eine Schaafweide.“ Der König verfiel wieder in Schweigen. Die Minuten vergingen und Kain sah wieder zu Sky. Dieser sah noch immer nur geradeaus und sah auf niemanden. „Wie wäre es, wenn wir unser Gespräch nach draußen verlegen würden? Wir könnten uns die Boote ansehen und eines davon ausprobieren lassen.“ Der König war von dieser Idee sichtbar begeistert. Sie verließen die große Halle und traten hinaus an den schlosseigenen See. Im Hof hämmerte und sägte es ununterbrochen. König und Prinz traten nah ans Ufer und sahen über dessen Oberfläche zu einem Boot. Dampf stieg dunkel gen Himmel und hinten war ein Schaufelrad befestigt worden. Kain rief einen Befehl zu den Männern hinaus. Nach einiger Zeit fuhr das Boot schneller. Mehr Qualm stieg auf, doch der Bug durchschnitt geschmeidig das Wasser. „Hm, ja, so könnte es gehen. Wir sollten einige der Boote an einer Strömung ausprobieren.“ „Ja, aber wir haben nicht genug Rümpfe. Ein paar Handwerker mehr könnten nicht schaden.“ Der Prinz sah vom König wieder aufs Wasser. Er überlegte an was Sky wohl gerade dachte. Kain wusste, dass er etwas abseits stand, aber nicht auf ihn sah. Sky war an und für sich ein bemerkenswerter Ritter, ohne Scheu und ohne Sinn für Dummheiten. Durch und durch pflichterfüllt, dachte Kain. Warum konnte er selbst nicht genauso gut seine Pflichten erfüllen? Er schüttelte kaum merklich den Kopf. Es nützte nichts sich selbst etwas vorzuwerfen. Er tat seine Pflicht als Berater des Königs, genauso gegenüber der Prinzessin, indem er ebenso ihre Leibwache war. Seine Absichten waren nur Gute und er zweifelte nicht an dem Vertrauen, dass man ihm entgegen brachte. Auch stand kein Zweifel darin, wer den Segen für eine Heirat mit der Prinzessin erhalten würde. Doch er wollte keinen Zwang aufkommen lassen. Lieber wollte er Mikan aus freien Stücken erobern. Er gab ihr Zeit, alle Zeit der Welt, wenn die Prinzessin sie unbedingt bräuchte. Kain würde nur nicht hinter Sky zurückfallen, das schwor er sich innerlich. Mikan lief den Rundgang außerhalb des Turms mehrmals ab. Doch das Gehen brachte sie nicht wirklich in Schwung. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Sie hielt an und sah in die Ferne hinaus. Ihr Land gefiel ihr: weite Felder, ruhige Menschen, schöne Städte und Dörfer. Der Frieden harrte hier schon so lange aus und man nahm ihn als selbstverständlich hin. Das kühle Gemäuer, auf das Mikan ihre Hände gelegt hatte, lies ihre Hände erbleichen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und legte den Kopf leicht schief. So langsam begann sich nicht nur alles zu drehen. Der König war langsam erschöpft. So beschloss er die kleine Runde aufzulösen. Der altgediehene Lennert stand ruhig neben Sky. Man konnte wirklich sehen, dass sein Schüler ihn bereits übertraf und eines Tages noch viel besser werden würde. Zu seiner Überraschung erbat der König einen kurzen Spaziergang nur mit ihm allein. Der alte Ritter senkte leicht den Kopf und ging dann an der Seite des Königs durch den Schlossgarten. Kain sah ihm hinterher, nach einiger Zeit wurde es ihm kühl und er erhaschte etwas aus den Augenwinkeln heraus. Sein Kopf schnellte nach rechts. Sky sah ihn mit so hasserfülltem Blick an, wie nur er es konnte. Kains Blut gefror in seinen Adern. Beide Männer sahen sich stumm an und Kain erwiederten den Blick genauso hasserfüllt. „Lennert.“ „Eure Majestät?“ Lennert ging einen Schritt schneller und sah zu seinem König, dessen Stimme traurig geklungen hatten. „Ich werde alt. Glaubst du mir das?“ Lennert lachte. In seine Augen trat ein junges Glitzern. „Das werden wir leider alle.“ Er ging wieder beruhigt neben seinem Herrscher her. „Meinst du, es war ein Fehler?“ „Was meint Ihr? Die Boote? … Kain oder Sky?“ „Dir kann man auch nichts vormachen, oder?“ Lennert zuckte mit den Schultern zur Antwort. „Ich weiß nicht, ob sie sich ebenbürtig sind. Kain ist diplomatisch und kann eine Armada ohne Probleme führen. Doch hat er die Kraft allein gegen Sky anzutreten?“ „Mit Verlaub, ich denke nicht, dass Ihr einem einfachen Manne aus dem Volk erlauben würdet Eure Tochter zu ehelichen.“ Der König schmunzelte. „Und du weißt es doch besser. Sie ist mein einzigstes, geliebtes Kind. Eine Heirat aus Liebe wäre mir lieber als aus diplomatischen Gründen. Kain ist kein schlechter Kerl. Ich hoffe nur, dass sie sich nicht zu sehr auf geheimnisumwobene Männer wie Sky anspringt. Aber da vertraue ich ihrem Urteil. Sie sollte sich damit nur langsam beeilen. Ansonsten wird es nur noch einen Mann geben, der in der Lage sein wird zu atmen.“ „Ihr meint, sie werden diese Distanz bald aufgeben und in die Praxis übergehen?“ „Ich hoffe ehrlich gesagt, dass sie nicht schon in Gedanken Mordszenen durchgehen.“ Mikan weitete die Augen. Weit hinten sah sie etwas. Sie beugte sich vor. Dann kniete sie sich auf die breite Brüstung und sah angestrengt hin. Eine schwarze Fläche. Sie war soweit entfernt, dass man die Bewegung auf das Schloss zu nicht wirklich sehen konnte. Doch gerade eben war dieses Feld noch nicht da gewesen, dass wusste Mikan. Ihre Finger klammerten sich um die Steinkante. Sie befürchtete etwas, doch was es war, wusste sie noch nicht genau. Sie konnte ihre innere Stimme nicht verstehen, die da immer lauter rief. Vielleicht wollte sie es auch nicht wahr haben. Die hölzerne Tür wurde geöffnet. Mikans Zofe Jane trat hinaus in die beißende Kälte. Sie zitterte wie Espenlaub und ihr langsam runder werdender Bauch bereitete ihr noch zunehmen Komplikationen. Sie sah sich schnaubend um. Doch von ihrer Prinzessin fehlte jede Spur. Jane wusste, dass Mika zum Nachdenken hier herauf gekommen war und genauso unglücklich war sie über diesen Zustand. Sie hatte nun ebenfalls die Treppen hinauf kommen müssen nur um dieses närrische Kind zum Umkleiden zu holen. Die Majestät, die Königin, hatte dringlichst nach ihr geschickt, damit die Prinzessin ein neues Kleid noch vor dem Abendessen anprobieren sollte. Langsam ging Jane den gebogenen Weg um den Turm herum. Dann sah sie Mikan, die sich gefährlich weit vor beugte. Sie wollte gerade den Mund öffnen und die Prinzessin ansprechen, doch dann sah sie, was diese bereits schon lange anstarrte. „Oh mein Gott!“ rief sie so laut aus, dass man es deutlich im Wind vernehmen konnte. Mikan schrak zusammen und drehte sich halb herum. Ihre kalten Finger waren taub vom Wind und dem kalten Gestein. Plötzlich rutschte eine ihrer Hände ab und ihr Gewicht verlagerte sich nach vorn. Mikan spürte, wie ihre andere Hand über die Kante rutschte und sich daran wetzte, als sie versuchte sich irgendwie zu halten. Doch aller Schmerz verschwand, als ihre Füße ebenfalls die breite Brüstung verließen. Jane sprang nach vorne und schnappte nach Mikan. Doch sie bekam nur einen kleinen Fetzen ihres Kleides zu packen, der sofort bei dem Gewicht abriss. „Mikan!!!!!!!!“ Jane sah und schrie der Prinzessin hinterher, die starr nach oben zu ihrer Zofe blickte, unfähig irgendetwas anderes zu tun. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)