Die Personentombola von Weissquell (Eine kleine Shounen-Ai-Protest-FF) ================================================================================ Kapitel 1: Verraten und verkauft -------------------------------- Das Hotel in dem die Benefizveranstaltung stattfindet, liegt in der Innenstadt. Gerade hat Kaibas Limousine ihn und seinen Bruder vor der Tür abgesetzt. Dort tummeln sich bereits jede Menge Leute von der Highsociety Dominocitys. Die beiden Kaibas bahnen sich nun den Weg ins Innere des Hauses, vorbei an Frauen in aufwendiger und kostspieliger Abendgarderobe und Herren in eleganten Anzügen. Die Eingangshalle ist angefüllt mit Gästen, fotografierenden Reportern und umhereilenden Hotelbediensteten. Einige Haustafeln weisen den Weg für die geladenen Gäste zum Saal in dem die Veranstaltung stattfindet. Es dauert nicht lange bis die beiden den Saal, sowie ihre Plätze ausfindig gemacht haben. Wie es aussieht, sitzen sie nicht am selben Tisch. Scheinbar hat man Mokuba zu den jüngeren Angehörigen anderer Gäste gesellt. Seto Kaiba runzelt die Stirn. Für gewöhnlich sitzt er mit seinem Bruder zusammen, aber da Mokuba die Karten organisiert hat, wird er Bescheid gewusst haben und er hat sich nicht beschwert. Außerdem ist es vielleicht ganz gut, dass sie beide heute ein wenig Abstand von einander haben. Unwillkürlich rückt Seto seine Krawatte zurecht. Er ist diese Kleidung nicht gewohnt und er fühlt sich unbehaglich darin. Mokuba kennt seine Schwachpunkte einfach viel zu gut und er weiß nicht, ob es ihm gefällt, dass er sie so schamlos ausnutzt. Mit gemischten Gefühlen nimmt er an seinem Tisch Platz. Dabei lässt er den Blick durch den Raum streifen. Der Saal ist geschmackvoll in dezenten Farben dekoriert und alles was Rang und Namen hat scheint hier zu sein. Am Nachbartisch sitzt sogar der Bürgermeister mit seiner Frau. An seinem Tisch sind bisher nur drei Plätze besetzt. In dem etwas korpulenten Mann mit dem dunklen Blazer erkennt er den Chef der örtlichen Stadtwerke. Er hatte schon verschiedene Male Kontakt mit ihm. Bei Großveranstaltungen wie dem Battlecity-Turnier bleibt das gar nicht aus. Die auf jung geschminkte Frau in dem roten, trägerlosen Röhrenkleid neben ihm, könnte seine Frau sein. Möglicherweise ist sie aber auch ein alterndes Filmsternchen. Er wird das Gefühl nicht los, ihr Gesicht schon mal irgendwo gesehen zu haben. Doch letztlich ist das ja auch unwichtig. Die dritte Person am Tisch kennt er nicht. Es ist ein junger Mann mit einer blonden Kurzhaarfrisur. Er ist schlank und vermutlich fast ebenso groß wie er selbst. Er trägt ein dunkles Sportsakko und ein beerenfarbenes Hemd mit einer lockeren, dunklen Krawatte. Lässig stützt er seinen Arm, in dessen Hand er eine Zigarette hält, auf der Tischplatte auf und beobachtet durch seine schlichte Designerbrille mit leicht gelangweiltem Gesichtsausdruck die Band die am vorderen Ende des Saales die musikalische Unterhaltung bestreitet. Es scheint eine jüngere Gruppe zu sein, jedenfalls kann Seto eine E-Gitarre ausmachen. Nun, für seine Ohren ist das nicht wirklich das Richtige, aber zumindest scheinen sie ihr Handwerk einigermaßen zu verstehen. Sein Blick geht wieder zu dem jungen Mann an seinem Tisch. Sein Gesicht hat asiatische Züge, also sind die Haare aller Wahrscheinlichkeit nach gebleicht. Was für eine alberne Modeerscheinung. Sein gesamtes Äußeres wirkt leger. Soviel zu dem „man weiß was sich gehört“. Setos Gesicht verfinstert sich etwas und er verzieht den Mund. Vermutlich ist dieser Typ irgend ein Filmstar. Für einen Musiker wirkt er zu gepflegt. Naja, es kann ihm ja egal sein. Nach diesem Abend wird er nie wieder mit ihm zu tun haben. Steif nimmt Seto Kaiba auf seinem Stuhl Platz und meidet demonstrativ den Blick der anderen. Vielleicht kann er so diesen Abend hinter sich bringen, ohne in irgendwelche überflüssigen Konversationen verwickelt zu werden. Doch in diesem Moment hat der Chef des Energiewerkes ihn bemerkt. Sein Gesicht hellt sich auf. „Ah, Kaiba-san, sie sind ebenfalls hier?“ Dämliche Frage, denkt Seto bei sich, könnte ich mir sonst Ihr Geschwafel anhören? Laut sagt er: „Es sieht wohl so aus!“ Weiter hört er gar nicht zu, obwohl der Mann neben ihm eifrig damit beschäftigt ist, enthusiastisch auf ihn einzureden. Genau aus diesem Grund hasse ich solche Veranstaltungen, denkt Kaiba bei sich. Smaltalk ist einfach nicht mein Gebiet. Gerade endet das Lied der Band und nun kommt Leben in den jungen, blonden Mann. Mit einer geschmeidigen Bewegung setzt er sich auf, dreht sich mit einer leicht zynischen Miene zu den anderen um und drückt demonstrativ seine Kippe im Aschenbecher aus. „Vielleicht ist es ja möglich, dem Programm zu folgen, ohne die penetrante Geräuschkulisse, die sich um diesen Tisch gebildet hat. Es würde dazu beitragen, das man etwas von dem versteht, was vorne gesagt wird, ohne dass ständig jemand dazwischen redet.“ Der missmutige Blick geht unmissverständlich in Richtung des Energiechefs. Obwohl der junge Mann nicht sonderlich laut oder vorwurfsvoll geklungen hat, verfehlen seine Worte nicht ihre Wirkung. Der Mann sagt kein Wort mehr sondern, nickt ihm lediglich entschuldigend zu. Seto Kaiba kann sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Besser hätte er es vermutlich nicht ausdrücken können. Er legt zwar keinen gesteigerten Wert darauf, dem Programm zu folgen, aber er ist dankbar dafür, dass sein Geschäftspartner ihm nicht länger das Ohr abkaut. Zum Glück scheint die Dame neben diesem, mehr Interesse an dem Bild in ihrem Handspiegel und den Utensilien ihrer Handtasche zu haben, als an einer Unterhaltung. In diesem Maße zufrieden wendet sich Kaiba jetzt dem Moderator des Abends zu, der vorne ans Rednerpult getreten ist. Was erzählt wird, ist eigentlich nicht weiter von Interesse für ihn. So wie es aussieht geht es um sozial benachteiligte Kinder; gut zu wissen. Verschiedene Beitrage verleihen dem Programm Farbe. Ein paar Vorträge, zwei Sologesangsbeiträge und ein Kinderchor. Das Übliche also. Inzwischen bereut Seto es sehr, dass er sich von Mokuba dazu hat überredet lassen. Er langweilt sich schrecklich und hofft nur, dass das Ganze endlich vorbei ist. In Gedanken, geht er ein paar ausstehende Finanzprognosen für morgen durch. Gelegentlich ist es von Vorteil, ein photographisches Gedächtnis zu besitzen. Doch plötzlich hat er das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Er hebt den Blick und stellt fest, dass die grau-grünen Augen seines blonden Tischnachbarn ihn leicht spöttisch beobachten. „Sozial benachteiligte Kinder scheinen dich nicht sonderlich zu interessieren“, stellt er sarkastisch fest. Seto Kaiba lässt sich nicht anmerken, dass er die vertrauliche Du-Anrede als unangebracht empfindet. „Davon kann kaum die Rede sein“, entgegnet Kaiba unwirsch und wendet jetzt doch lieber den Blick dem Redner zu, der irgendeinen neuen Programmpunkt ankündigen will. „Vom Interesse, oder von der Tatsache, dass deine Aufmerksamkeit in der letzten Stunde allem anderen gegolten hat nur nicht dem Programm?“ Der junge Mann lehnt lässig, den Kopf auf die Hand gestützt auf der Tischkante und blickt Kaiba leicht belustigt an. Der junge Firmenchef verzieht ein wenig den Mund. Sein Blick wandert flüchtig zu dem Namensschild seines Nachbarn; es ist äußerst ärgerlich von jemandem gemaßregelt zu werden, dessen Namen man nicht mal kennt. Doch das Aufstellschildchen ist von ihm abgewandt. Kaiba flucht innerlich. „Beides kann dir herzlich egal sein!“, wenn ihm schon mal das Du angeboten wurde, „Am besten du befolgst deinen eigenen Rat und sorgst für eine Geräuschkulisse bei der man dem Programm folgen kann.“ Der braunhaarige Firmenchef hofft, dass damit die Angelegenheit erledigt ist, doch zu seinem Ärgernis mustern ihn die durchdringenden Augen des anderen noch immer mit fast schmerzlicher Intensität. Der Blonde verzieht keine Miene sondern blickt ihn nur ausdruckslos an. Doch dann bekommen seine Mundwinkel etwas Abfälliges. „Arschloch!“, mit diesem Wort wendet er sich von Kaiba ab und blickt wieder nach vorne zur Bühne, als wäre nichts gewesen. Neben Kaiba murmelt sein Geschäftspartner einige unschöne Bemerkungen über Fäkalsprache in gehobeneren Kreisen. Setos Augen weiten sich und ein wenig irritiert ist er schon. Irgendwie hätte er jetzt mit einer bissigen wenn auch rhetorisch raffinieren Bemerkung gerechnet, denn irgendwie schätzt er den Mann vor sich als durchaus intelligent ein. Diese dreiste Beleidigung kommt eher unerwartet. Und zu seiner eigenen Überraschung ist er nicht gewillt, das auf sich sitzen zu lassen, obgleich er für gewöhnlich über so etwas steht. „Ich hab mich wohl verhört?“, fragt er also scharf zurück. „Was gibt es an 'Arschloch' misszuverstehen?“, erwidert der Blonde, ohne sich umzudrehen. Kaiba schnappt empört nach Luft. Scheinbar ist dieser Typ auch nur wieder einer dieser niveaulosen Neureichen, denen der Wohlstand gerade erst ins Haus geflattert ist. Irgendwie schade, jemanden mit halbwegs vorhandener Intelligenz am Tisch zu haben, wäre mal eine Abwechslung gewesen „Wie charmant!“, entgegnet Kaiba nun spitz, „Du stammst aus Vulgarien, oder?“ Unwillkürlich wird ihm bewusst, dass ihn dieses kleine Wortgefecht wesentlich mehr interessiert als diese gesamte Veranstaltung. Er hat nicht einmal mitbekommen, was der nächste Programmpunkt ist. Nun wendet sich der Blonde doch zu ihm um und schaut ihn genervt an. „Ist dir das nicht zu billig, dich auf so eine Diskussion einzulassen? Ich dachte, du wolltest dem Programm folgen.“ Der hochgewachsene, junge Mann beißt die Zähne aufeinander. Muss er sich von diesem Emporkömmling Moralpredigten anhören? Das wäre ja noch schöner! „Was geht dich das an?“, schnauzt er den anderen missmutig an, „Es ist doch ohnehin immer dasselbe. Sieh dir das an!“, er weist auf die Bühne, „Was machen die da? Eine Personentombola? Wie albern! Menschen mit zu viel Geld lassen sich von anderen reichen Leuten ersteigern und müssen dann einen Tag lang tun, was diese Leute von ihnen verlangen. Ein ziemlich lächerlicher Zeitvertreib für erwachsene Personen! Und das alles unter dem Mäntelchen der Wohltätigkeit. Als ob sie nicht auch einfach etwas spenden könnten, ohne diese dämliche Spielerei!“ „...und unser nächster Kandidat ist der Besitzer der Kaiba Corporation, Seto Kaiba! Ein Applaus für Seto Kaiba, der sich für unserer Tombola zur Verfügung gestellt hat!“ Anhaltender Applaus ist die Folge dieser Ankündigung. Seto Kaiba entgleisen sämtliche Gesichtszüge. Das hat er gerade nicht wirklich gehört, oder? Das muss ein furchtbarer Irrtum sein! Doch inzwischen sind sämtliche Blicke im Saal auf ihn gerichtet und schauen ihn auffordernd an. Gehetzt fliegt Setos Blick hinüber zu seinem Bruder und stellt mit Erschrecken fest, dass Mokuba bemüht ist, sich, hinter dem Rücken seines Nachbarn, vor ihm zu verbergen. Er hat die Schultern eingezogen und versucht seinem Blick auszuweichen. Dem jungen Firmenchef entfährt beinah ein Fluch. Dieser durchtriebene, kleine Gauner! Na warte, wenn er ihn erst mal in die Finger bekommt. Was fällt ihm ein, ihn einfach für dieses dämliche Spielchen anzumelden? Nun wird ihm einiges klar. Kein Wunder, dass er für sich einen Platz an einem anderen Tisch besorgt hat. Ihm war völlig klar, wie er reagieren würde. Dieses Früchtchen! Neben sich sieht er nun den blonden, jungen Mann süffisant lächeln. Lässig nimmt er einen Zug von seiner Zigarette: „Wie war das gerade noch?“ Kaiba ballt die Faust. Am liebsten würde er einfach sitzenbleiben, aber der gesamte Saal erwartet, dass er sich nun Richtung Bühne bewegt und außerdem geht ihm dieses triumphierende Grinsen des Blonden auf die Nerven. Also beschließt er, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Seufzend erhebt er sich von seinem Platz und bahnt sich langsam den Weg nach vorne. Gespielt begeisterte „Aaah!“ und „Oooh!“ Rufe werden laut und Seto möchte am liebsten im Erdboden versinken..., oder einfach nur irgendwen verklagen. Mit übertriebenem Lächeln empfängt der Moderator den jungen Firmenchef bei sich. „Wie schön, dass Sie dabei sind!“, dann wendet er sich wieder an die Menge, „Nun, wie viel sind Sie bereit für dieses Prachtexemplar eines Mannes zu zahlen?“ Vereinzelte ist folgsames Lachen zu hören. Kaiba verdreht innerlich die Augen. Ich bin doch kein Preisbulle! „Beginnen wir mit 5000 Yen (ca. 40 Euro)!“ Der hochgewachsene Firmenchef verzieht leicht das Gesicht. Wenn er schon verkauft werden soll, dann sicher nicht zu diesem Spottpreis. „Ich biete 5000!“, kommt der Ruf von einer Dame an einem der vorderen Tische, bis eben hat sie noch mit ihren Freundinnen getuschelt und gekichert. Na, das geht ja gut los! Kaiba muss sich schon wahrlich zwingen, nicht einfach die Bühne zu verlassen. „6000!“, ruft nun die Freundin der Dame am vorderen Tisch. „7000!", wird sie von der dritten im Bunde übertrumpft. „10.000!“, meldet sich nun die Schminktäschchen-Liebhaberin von Kaibas Tisch zu Wort. Täuscht er sich, oder sind es ausschließlich Frauen, die auf ihn bieten. Das kann ja heiter werden! „20.000!“, vernimmt man nun die Stimme des Bürgermeisters, „Ich brauche noch jemanden, der mir die Hecken schneidet.“ Allgemeines Pflichtlachen ist zu hören. Seto Kaiba verzieht ebenfalls ein wenig gequält das Gesicht zu einem Lächeln. Zumindest besser als das, was diese Weiber vermutlich mit ihm vorhaben. „Ich biete 60.000 (ca. 500 Euro)!“, ruft nun eine elegante, alte Dame mit zahlreichen Diamanten an Hals und Handgelenken. Frau Tokinaka, wie Kaiba weiß. Eine sehr einflussreiche Dame in der Stadt. Sie ist Schirmherrin des Waisenhauses, in dem er mit seinem Bruder damals gelebt haben. Er weiß nicht wirklich, ob ihm das recht ist oder nicht, zu viele schlechte Erinnerungen hängen an der Zeit. Allerdings gibt es vermutlich Schlimmeres, als gerade von ihr ersteigert zu werden. „80.000!“, hört man wieder den Bürgermeister. „100.000!“, erhöht Frau Tokinaka. „150.000!“ „300.000!“ „Ich habe 300.000 Yen von Tokinaka-sama! Bietet jemand mehr als 300.000 Yen?“, der Moderator blickt aufmerksam im Saal umher. Eifriges Getuschel ist zu hören und anerkennendes Geraune, aber kein weiteres Gebot. Kaiba seufzt innerlich. Das wird es also vermutlich gewesen sein. „500.000!“ Das Gemurmel im Saal wird lauter und alle sehen sich nach dem Verursacher der Stimme um. Hoch aufgerichtet sitzt Mokuba in seinem Stuhl, hat die Hand erhoben und lässt keinen Zweifel an seinem Gebot aufkommen. Seto ist nicht sicher ob er seinen Bruder schlagen, oder küssen soll. Das hat er also die ganze Zeit über damit bezweckt. Vermutlich will er einfach mal wieder ein bisschen Zeit mit ihm verbringen. Aber ist es wirklich nötig dafür jedes Mal solch einen Aufwand zu betreiben, kann er ihn nicht einfach darum bitten? Er wird vermutlich mal ein ernstes Wort mit seinem Bruder reden müssen. Der Moderator lacht auf: „Na, ist es denn eigentlich erlaubt, auf den eigenen Bruder zu bieten?“ Allgemeine Heiterkeit folgt diesen Worten. Kaiba wirft dem Mann einen bitterbösen Blick zu. Wehe er kommt hier jetzt mit irgendwelchen obskuren Regeln, dann könnte es sich möglicherweise zu einem Mord hinreißen lassen. Zum Glück lenkt der Moderator rasch ein: „Also schön, 500.000 Yen ist das Gebot. Bietet irgendjemand mehr?“ Leises Murmeln ist die Antwort. „Nicht? 500.000 Yen zum Ersten... zum Zweiten...“ „Eine Million (ca.8100 Euro)!“ Augenblicklich wenden sich sämtliche Köpfe dem Rufer zu. Seto Kaiba ist unwillkürlich zusammengezuckt und ihm wird bewusst, dass er die Luft angehalten hat. Welcher Idiot wagt es hier eine Million Yen auf ihn zu bieten..., und dabei seinen Bruder auszustechen, nur mal nebenbei bemerkt, verdammt noch mal! Er reckt den Hals und seine dunkle Ahnung bestätigt sich. Natürlich ist es sein blonder Tischnachbar. Ah ja, dieser Idiot! Der schlanke, junge Mann lehnt noch immer lässig an der Tischkante aufgestützt auf seinem Platz und besitzt sogar die Dreistigkeit, so auszusehen, als würde ihn das Ganze überhaupt nicht betreffen. Unheilheraufbeschwörend fährt der Moderator mit seinem Programm fort. „Höre ich weitere Gebote? Eine Million, zum Ersten... zum Zweiten...“ Mit einem Anflug von Panik geht Seto Kaibas Blick hinüber zu seinem Bruder, doch der unterhält sich gerade angespannt mit einem jungen, blonden Mann der neben ihm sitzt. Dieser Verräter! Da fällt auch schon das schicksalhafte Urteil: „Zum Dritten! Verkauft für Eine Million Yen an Herrn Yuki Eiri! Gratulation, ein stolzer Preis für einen prächtigen, jungen Mann!“ Zähneknirschend funkelt Kaiba den Auktionator an. Vermutlich würde es keinen guten Eindruck machen, jemandem auf einer Benefizveranstaltung die Nase blutig zu schlagen. Unter dem allgemeinen Applaus verlässt der Braunhaarige steif die Bühne und kehrt mit resoluten Schritten zu seinem Platz zurück. Zwei grau-grüne Augen empfangen ihn gelassen. Kaiba schießt ein wenig die Zornesröte ins Gesicht. Ein gehässiges Grinsen oder ein genüssliches Schmunzeln hätte er erwartet, aber nicht dieses offene Desinteresse. Der junge Mann, der sich nun als Yuki Eiri herausgestellt hat, sitzt noch immer mit aufgestütztem Arm, übergeschlagenen Beinen und einem fast gelangweiltem Gesichtsausdruck da und zieht bedächtig an seiner Zigarette. Dafür macht er absolut nicht den Eindruck wie jemand, der gerade eine Million verspielt hat. „Zufrieden?“, Kaiba verschränkt die Arme und durchbohrt den Blonden mit eisigen Blicken. Unbeeindruckt schaut dieser ihn an. Dann drückt er seelenruhig seine Zigarette im Aschenbecher aus. „Durchaus“, ist die einzige Antwort. Dann nimmt er sein Bein herunter, erhebt sich gemütlich von seinem Platz, schiebt eine Hand in die Hosentasche und winkt Kaiba, ihm zu folgen. „Komm mal mit!“ Um sie her werden feixende Gesichter aufgesetzt und ein amüsiertes Getuschel ist zu hören. Im ersten Moment spielt Kaiba mit dem Gedanken, sich einfach wieder an seinen Platz zu setzen, doch vermutlich würde es etwas seltsam wirken, wenn der, der ihn gerade für teures Geld ersteigert hat, den Raum verlässt und er keinerlei Anstalten macht, ihm zu folgen. Auf die dummen Bemerkungen von den Nachbartischen kann er gerne verzichten. Verdammter Eiri, das hat er ganz bewusst so gemacht! Innerlich brummelnd fügt sich Seto Kaiba seinem Schicksal und folgt dem blonden Kettenraucher aus dem Saal. Mit einer Hand an der Wand aufgestützt, wartet Yuki Eiri bereits auf den Hotelfahrstuhl. Seto Kaiba gesellt sich missmutig zu ihm. „Und, was hast du jetzt mit mir vor?“, fragt er gereizt. „Wart's ab!“, kommt die knappe Antwort. Damit will sich Kaiba nicht zufrieden geben. Er kann es auf den Tod nicht leiden, die Initiative zu verlieren. „Wo gehen wir hin?“, fordert er zu wissen. „In mein Hotelzimmer“, lässt sich der andere zu einer Antwort herab. In diesem Moment öffnen sich die Fahrstuhltüren und Yuki steigt ein. Zögernd folgt Seto ihm. Irgendwie hat er ein ungutes Gefühl bei der Sache. Yuki Eiri, wenn ihm doch nur einfallen wollte, woher er diesen Namen kennt. Ein Filmstar ist er nicht, das würde ihm einfallen, aber woher dann? Auf einmal blitzt eine Schlagzeile durch seinen Kopf. „Yuki Eiri, erfolgreicher Liebesromanautor und Frauenschwarm, bekennt sich öffentlich zu Beziehung mit Bandleadsänger!“ Richtig, jetzt fällt es ihm wieder ein. Mit leichter Abscheu hat er es damals zur Kenntnis genommen, dann jedoch nicht weiter beachtet. Er schielt ein wenig zur Seite, das also ist der berühmte Schriftsteller Yuki Eiri. Kein Wunder, dass er ihn nicht kennt, ihm würde es nicht im Traum einfallen, diese schnulzigen Schundromane zu lesen. Und ausgerechnet dieser bekennende bisexuelle, exzentrische Erfolgsautor hat ihn nun ersteigert und fordert ihn auf, mit auf sein Zimmer zu kommen. Der junge Firmenchef verschränkt die Arme, schließt seufzend die Augen und lässt den Kopf nach hinten an die Fahrstuhlwand sinken. „Scheiße!“, murmelt er resigniert. Dann gleitet die Fahrstuhltür vor seiner Nase zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)