Insomnia von Beerchen (Tyler/Caroline) ================================================================================ Kapitel 1: I think I might've inhaled you ----------------------------------------- Caroline hört das Blut in ihren Ohren rauschen, hört das Knacken. Sie hat das Gefühl, als wäre ihr ganzes Leben auf einer winzigen, hauchdünnen Eisscholle aufgebaut – und jetzt beginnt das Eis zu brechen und droht sie in das darunter liegende Eiswasser, in die dunkle Tiefe zu reißen. Sie schreit. Und dann wacht sie auf. Das Laken klebt unangenehm heiß an ihrem Rücken, sie rollt sich herum und ihr blondes Haar breitet sich wie ein schimmerndes Netz über das Kopfkissen aus. »Matt«, kommt es ihr über die Lippen, fast tonlos, zart und zerbrechlich. Der Schweiß rinnt ihre Schläfe hinab.Monster. Sie sollte wütend, verletzt sein. Sie sollte außer sich sein vor Zorn. Und doch findet sie in ihrem Herzen nur eine seltsame Taubheit. Ein trockenes Schluchzen entweicht ihrer Kerle. Warum weinst du? Es musste ja so kommen, du wusstest es. Caroline lehnt ihren Kopf gegen den Bettpfosten und starrt auf die ineinander verschlungenen Muster der Schnitzereien. Schließt die Augen, kraftlos. Wir sind keine Freunde mehr. Es ist ein Flüstern, die Erinnerung an jenen Tag, ein Geist, sein Geist, der sie nicht zur Ruhe kommen lässt. Tyler. Wie oft hatten ihre Füße sie durch den Wald getragen, immer weiter, bis sie das alte Lockwood Anwesen erreichte … bis die Ruinen vor ihr aufgeragt worden, stumm und vorwurfsvoll zu ihr geblickt hatten. Und sie war geflüchtet. Und jetzt, hier in der tiefen Dunkelheit, findet sie Klarheit, die es ihr ermöglicht, sich abzuwenden … für einen kurzen Moment loszulassen. Caroline streicht sich die verschwitzten Strähnen aus der Stirn und zwingt sich in den Schlaf. Ihre Träume gaben ihr früher Sicherheit. Sie ist sowohl in ihnen …. als auch über ihnen, und schaut zu, wie sie sich vor ihr ausbreiten. Es gibt Momente, in denen sie sich den Gefühlen hingibt, den kurzen schmerzvollen Momenten von Glück und Vollkommenheit. Aber dann sind da andere, in denen sie – sogar in dem unterbewussten Zustand des Schlafs – weiß, dass sie nur träumt. Blitzartig tauchen Bilder vor ihr auf – geräuschlose Szenen von Blut, ihrem Vater, der ihr liebevoll den blonden Lockenkopf zersaust und sich dann abwendet, die Tür fällt ins Schloss, er lässt sie zurück … Ein Stöhnen entweicht Carolines Lippen, als der Traum sie weiter mit sich reißt. Erbarmungslos. Bilder von ihrem alten menschlichen Leben, von ihrem eigenen Grab, einer Schwärze, die neben ihrem Grabstein aus der Erde quillt. Ein Kissen, das sich weiter herabsenkt und ihr die Luft zum Atmen nimmt. Matt … und seine gequälte, entsetzte Miene, die ihr das Herz bricht. In ihrem Traum wird sie gejagt, von verschwommenen Gestalten, die ihr zuflüstern … angeführt von ihren eigenen Dämonen. Aber dieses Mal werden die Armeen von etwas – jemandem angeführt. Braune, warme Augen streifen über ihr Gesicht. Sein Herz schlägt im selben Rhythmus wie ihr eigenes, verbannt jeden vernünftigen Gedanken … lauter, lauter, lauter. Und dann fällt Caroline. Sie fällt durch eine dunkle und endlose Leere. Zunächst glaubt sie, dass es das Trommeln aus ihrem Traum ist, dass sie so unvermittelt aus dem Bett hochschrecken lässt. Aber ein rascher Blick zur anderen Seite des Raumes, belehrt sie eines Besseren. Das Fenster ist weit geöffnet und klappert laut gegen den Rahmen. Strömender Regen trommelt gegen die Scheibe und hallt in ihren Ohren nieder. Und sie weiß selbst nicht, was sie tut, als sie barfuß die Treppen herunter rennt, hinaus in den Regen. Sie rennt so weit, bis die Bäume ein schützendes Dach über ihr bilden. Dann steht sie bloß da und starrt in die Dunkelheit. Sinnlos. Es hat keinen Sinn. Er ist nicht da und irgendwie hat sie auch nichts anderes erwartet. Seufzend stapft sie den Pfad weiter. In der Ferne donnert es und Caroline schaut nach oben. Der Himmel ist schwarz geworden. Bist du jetzt völlig übergeschnappt? Doch sie hält weiter inne, spürt den feuchten Boden unter ihren Zehen, spürt den Moment, fühlt sich lebendig. Der Wind, der sie bisher nur mit einem unheimlichen Stöhnen umwehte, ist nun zu einem brüllenden Monster herangewachsen, peitscht ihr die Haare ins Gesicht und sie muss sich die Haarsträhnen festhalten, um überhaupt etwas zu sehen. Die Schwärze über ihr vertieft sich, wird dichter und wirbelt, bis sie das Gefühl hat, davon aufgesaugt zu werden. Sie will zu Boden sinken und schlafen, nur schlafen. Sie schleppt sich vorwärts und gleitet langsam sie in eine verführerische Trägheit. »Caroline!« Jemand ruft nach ihr. Sie hebt den Kopf und versucht, der Stimme, die ihr so vertraut vorkommt, ein Gesicht zuzuordnen. »Caroline.« Und dann wacht sie auf. »Tyler«, murmelt sie, lässt die Silben über ihre Lippen rollen. Er rührt sich nicht und scheint das Unwetter, das ihn genauso wie sie durchnässt, gar nicht zu bemerken. »Tyler«, ruft sie über das ohrenbetäubende Trommeln des Regens hinweg. »Bist du das? Bist du ... zurück?« »Schön dich zu sehen.« Und instinktiv weiß sie, dass er es ernst meint. Sie ist schon fast bei ihm, als er vor ihr zurückweicht. »Komm nicht näher, Caroline. Nicht.« Stocksteif bleibt sie stehen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht ist unergründlich – eine Mischung aus Angst, Zorn und Verzweiflung, so miteinander verwoben, dass man unmöglich erkennen kann, wo das eine aufhört und das andere beginnt. Caroline schluckt und und macht einen Schritt nach vorne. »Nicht.« Tylers Augen sind flehentlich, bitten sie um etwas, dass sie nicht begreift. Sie läuft weiter und stolpert fast über die nasse Erde. Und als sie vor ihm steht, hält sie inne.Närrin. »Warum bist du überhaupt zurück gekommen? Warum bist du nicht einfach in Florida geblieben? Wir sind keine Freunde mehr, weißt du noch?« Wut mischt sich in ihre Stimmung und löst Tyler aus dem Bann ihrer Stimme. Ein heftiger Schauer durchfährt ihn, als ob er die leise Verlockung abschütteln müsste, die ihn an sie ziehen wollte. Der Regen ist abgeklungen und es ist nur ein leises Tropfen der Blätter zu hören. Caroline kämpft gegen das Zittern in ihrer Stimme an, verzweifelt. »Du bist zurück. Und du … siehst verändert aus.« Ihre Augen tasten sich, vorsichtig wie Fühler, über sein braun gebranntes Gesicht. »Gut, meine ich ...«, erwidert sie hastig und verflucht sich im Stillen, typisch. Sein Gesichtsausdruck lässt sie inne halten und sie senkt ihre Hände, lässt ihre nassen Haare über ihre Schultern fallen. Plötzlich legt er ihr eine Hand an die Wange, wärmt ihre kalte Haut. Caroline hebt das Kinn und ihre Lippen öffnen sich erwartungsvoll. Sein Mund streift ihren ganz leicht, so leicht, wie eine flüchtige Berührung einer Feder, eine Erinnerung an einen Kuss. Doch dann zieht er sich zurück, die Augen ungläubig geweitet. »Wir haben beide Fehler gemacht.« Und Caroline spürt, wie er ihr entgleitet. Die Energie, die sie beide erfüllt hatte, bäumt sich ein letztes Mal auf und wird dann immer schwächer. »Und ich bin, was ich bin.« Tyler erwartet, dass sie zornig wird, aber in ihrer Stimme liegt nur Traurigkeit. »Ich weiß.« Seine Hand sucht in der Dunkelheit nach ihrer und sie nimmt sie, ohne Zögern. Langsam schließt sie die Augen und wünscht sich zu schlafen, zu träumen und … zu hoffen. Denn niemals wird ihre Hand bei ihm sicher sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)