Schloss Tegel von KaethchenvHeilbronn ================================================================================ Kapitel 5: V ------------ „Wilhelm! Wilhelm, Schatz, hier bist du also.“ Caroline von Humboldt war in der Bibliothek des Schlosses angelangt, wo sie ihren Ehemann vermutet hatte. „Madame von Pannwitz ist soeben eingetroffen.“, verkündete sie mit Freude und gleichzeitiger Anspannung in ihrer Stimme. „Oh, dann sollten wir hinunter gehen, sie begrüßen.“, befand Wilhelm, schlug sofort das Buch zu und hakte sich bei seiner Gemahlin ein, als sie zusammen die Treppen hinunterliefen. Unten in der großen Halle stand schon die Baronesse von Humboldt bereit, hinter ihr die versammelte Dienerschaft. „Mama.“ „Wilhelm, endlich.“ „Wollte die Madame nicht erst um Eins– “ „Jaja, aber du weißt doch, dass sie es nicht so mit der Uhrzeit hat. – Hast du deinen Bruder gesehen?“, fragte sie ihren Sohn. „Nein, tut mir Leid.“ Die Baronesse schlug ärgerlich ihren Fächer zusammen. „Typisch.“, gab sie von sich, bevor sie die Hand hob. „Robert!“ Sofort war der Kammerdiener bei ihr. „Baronesse von Humboldt.“ „Wo ist mein Sohn?“ „Er ist am See.“ Sie seufzte theatralisch und wurde etwas nervös. „Dann soll er auf der Stelle herkommen – und sieh zu, dass er angemessen gekleidet ist!“ „Sehrwohl, Frau Baronesse.“ Mit einer Verbeugung trat Robert wieder zurück in die Reihe der Bediensteten. Er wusste, dass er am besten selbst, jetzt gleich losgehen sollte, aber er wusste sehr wohl auch, dass es dieses Aufeinandertreffen der Gäste mit Richard zu beobachten galt, denn mittlerweile hatte er durch einen schnellen Blick erhaschen können, dass das Briefpapier, das Richard empfangen hatte, ein adliges Wappen trug. Möglicherweise kommunizierte er mit Madame von Pannwitz, aus welchen Gründen auch immer, die es herauszufinden galt. Also, da er hier wohl unabdinglich war, wandte er sich, den Konsequenzen wohl bewusst, an eines der Dienstmädchen. Zu ihrem Glück war es Ida. „Entschuldigung, Mädchen?“ Die Angesprochene drehte sich zu ihm herum. „Ja, Herr Robert?“ „Pass auf: Du sollst den jungen Herrn Baron vom See holen – du kennst doch sicher den kleinen See an der Königsstraße, das Stolperloch? – Der Herr soll unverzüglich herkommen, Befehl der Baronesse. Sobald er hier in seinem Zimmer ist, gibst du mir Bescheid, damit ich ihn angemessen einkleiden kann, verstanden?“ Unbeholfen sah sie zu ihm auf. „Ver-verstanden.“, gab sie von sich und drehte sich langsam herum, während ihr bewusst wurde, welch Aufgabe ihr eben zuteilwurde. „Renn schneller, Mädchen!, die Gäste sind vor dem Tor.“, zischte Robert und endlich beschleunigte sie ihren Schritt Richtung Dienstboteneingang, wo sie verschwand. Robert konnte sich gerade noch rechtzeitig wieder in die Reihe der Bediensteten einordnen, bevor Madame von Pannwitz nebst Tochter, einem Chauffeur und einem uniformierten Mann die große Halle betrat. Ida kannte natürlich den See, sie war in dieser Stadt aufgewachsen, aber das gab ihr im Moment nicht unbedingt mehr Mut und Sicherheit. Was sollte sie dem Baron sagen, wenn sie ihm gegenübertrat? Wie sollte sie sich verhalten, wenn sie ihm möglichst gefallen wollte? – War das überhaupt möglich, wenn sie…wenn sie ihm etwas befehlen sollte?!? Wie sollte sie das zustande bringen?! Ihre Gedanken rasten weiter, während sie schon völlig außer Atem auf der Königsstraße ankam, und ihre Wangen glühten, als sie auch noch die letzten Schritte die Böschung hinunterrannte. Unten blieb sie stehen und schaute sich um. Es war niemand zu sehen, die Wiese war leer. – Nein, halt, am Baum dort hinten stand ein Pferd – und weiter vorne am Ufer lag eine Gestalt im Gras. Hastig lief sie zu ihr hinüber, strich sich auf den letzten Metern noch einmal die Schürze und das Kleid zurecht. Noch ein paar Schritte und Ida war um den am Boden Liegenden herumgegangen. Tatsächlich, es war der junge Baron. Und ihr stieg die Röte ins Gesicht, als sie ihn betrachtete, wie er da lag, mit nacktem Oberkörper auf sein Hemd gebettet. Das Mädchen zuckte zusammen, als sich plötzlich die Augen des Barons öffneten. Seine wunderschönen, blauen Augen. „…Ida?“ Wenn es überhaupt möglich war, dann wurde ihr Gesicht noch ein wenig roter. „I-ich…Verzeiht mir, Herr Baron, a-aber…! Ihr Kammerdiener schickt mich, mit dem Auftrag Ihrer Mutter. Sie…Sie sollen unverzüglich zurück ins Schloss, da Madame von Pannwitz und ihre Tochter soeben dort eingetroffen sind!“ Alexander stützte sich auf seinen Unterarmen ab und sah wortlos zu ihr auf. Er bemerkte, wie das Mädchen vor Scham glühte und wie er es wohl mit jeder Bewegung seiner Muskeln einen Schritt näher zur Verzweiflung brachte. Also richtete er sich auf und streckte sich erst einmal. Wieso konnte sie nur kein Junge sein? Gemütlich hob Alexander sein Hemd auf und zog es sich über. Er überlegte eine Weile, ob er es sich von dem Dienstmädchen zuknöpfen lassen sollte, aber das wollte er ihr – und sich – dann doch nicht antun. Schmunzelnd stellte er schließlich fest, dass er jetzt wohl besser etwas sagte, da sein Gegenüber sonst noch vor Anspannung zusammenbrach. „Ist gut. Wenn es unbedingt so dringend ist.“ Ida seufzte auf, als wenn sie die ganze Zeit über das Atmen vergessen hätte. „Gehen wir also.“ „Ja-jawohl, Herr Baron.“ Mit einigem Abstand, wie es ihr beigebracht worden war, folgte Ida ihrem Herrn, der das Pferd führte, hinauf auf die Straße. Sie waren ein Weilchen gegangen, da drehte sich Alexander zu seiner Begleitung herum. „Wieso läufst du so langsam?, ich dachte wir müssen uns beeilen.“ Die Augen des Mädchens weiteten sich betroffen, und sie konnte es nicht vermeiden, dass sich ihre Wangen erneut röteten. „Ver-verzeihen Sie vielmals.“, brachte sie, fast schon verzweifelt, heraus. Alexander musste lachen. Aber er wollte nicht so gemein sein. „Komm her. Ich helfe dir aufs Pferd.“ Ida blieb fast das Herz stehen. „N-nein! Das können Sie doch nicht…! Sie sollten nicht einmal mit mir sprechen! Die Leute schauen schon…!“ „Dann lass sie doch.“, entgegnete Alexander amüsiert, „Jetzt komm schon her.“ „So-sofort, Herr Baron von Humboldt.“, brachte sie heraus und er hievte sie aufs Pferd. Kaum betraten die beiden das Anwesen Tegel, da sprang Ida vom Pferd ab und verschwand mit hochrotem Kopf, unendlich vielen Verbeugungen, aber einem nicht unverkennbaren Grinsen auf dem Gesicht, zwischen den Büschen. Sofort kam auch der Stallbursche angelaufen, um Alexander das Pferd abzunehmen. Als der junge Baron dem Jungen hinterher sah, seufzte er. Er hatte so viele Gelegenheiten…Ludwig sah, im Grunde genommen, auch noch recht annehmlich aus; gut, er war nicht wirklich nach seinem Geschmack, viel zu groß und die roten Haare mochte er nicht…außerdem!, er hatte sich geschworen, es zu vermeiden, eine derartige Beziehung, die auf Bezahlung und Abhängigkeit beruhte, wie er sie mit den Jungen in der Scheune hatte, niemals mit nur einer einzigen Person zu beginnen, die dazu noch seine wirkliche Identität kannte. Es musste Vertrauen da sein, kein Zwang… Wäre Robert nur nicht so alt und hässlich…! Alexander schrak zusammen, als ihn eine Hand am Hosenbund packte und ihn grob in sein Zimmer zerrte. „Was haben wir uns nur wieder dabei gedacht, Alexander, hm?“ „Robert, ich kann doch nichts dazu…!“, verteidigte sich der Baron, „Woher sollte ich denn wissen, dass unsere Gäste schon so früh– “ Er brach ab, als sein Kammerdiener ihm das Hemd aufriss, sodass sämtliche Knöpfe durch den Raum flogen. „Robert?“ Gnadenlos folgte seine Hose, die der andere hinab bis über die Knie schob. „R-Robert, was…?!“ Der Ältere richtete sich wieder vor ihm auf und blickte ihn mit einem verschmitzten Grinsen an. „Ich habe das Wasser für ein Bad schon eingelassen. Was dachten Sie denn?“ Alexander lachte erleichtert auf. „Nichts.“, meinte er, doch ein wenig verlegen. Dass Robert hässlich wäre, hatte er nie ernst gemeint. „Beeilen Sie sich, dass Sie in die Wanne kommen, auf, auf! Wir haben nicht ewig Zeit!“ Eilig wurde der junge Baron von seinem Kammerdiener gewaschen, abgetrocknet und eingekleidet. „Muss das sein?“, fragte Alexander und betrachtete wehleidig den Gehrock, den ihm Robert entgegenhielt. „Ja, Ihre Mutter besteht auf die feinste Garderobe. Immerhin haben wir einen Leutnant im Haus, mit dem Sie mithalten müssen.“ Überrascht drehte sich der Baron zu seinem Diener herum. „Ein Leutnant?! Ich dachte, es kommen nur die Madame und ihre Tochter?“ Robert schenkte ihm zur Antwort nur ein überschwängliches Lächeln. „Bestimmt so ein alter Kauz; mir sagt das Soldatentum sowieso nicht zu.“ Als Roberts Grinsen noch ein wenig überschwänglicher wurde, wurde Alexander langsam skeptisch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)