Schloss Tegel von KaethchenvHeilbronn ================================================================================ Kapitel 19: XIX --------------- Alexander war am Morgen früh aufgestanden. Mit Robert im Schlepptau hechtete er durch die Gänge des noch ruhigen Schlosses. Vor einer Tür im Westflügel blieb er stehen. Sanft klopfte er an, während Robert im Gang stehenblieb und sich besorgt umschaute. „Heinrich?“ Als keine Antwort kam, blickte Alexander seinen Kammerdiener fragend an. Dieser sah noch einmal zu beiden Seiten den Gang hinab, bevor er mehr mahnend als bestätigend nickte. Alexander öffnete die Tür. Drinnen schreckte Heinrich hoch. Er lag noch im Bett und sah so wunderbar verschlafen aus. „A-Alexander…“ Mehr brachte der junge Leutnant nicht heraus, da hatte sich sein Geliebter schon zu ihm ins Bett geworfen und umschlang seinen Leib. Alexander küsste ihn gierig, fuhr genießerisch über den dünnen Stoff des Nachthemds, um darunter die Muskeln am Bauch und die Wirbelsäule am Rücken zu spüren. Heinrich lachte leise, als seine Lippen freigegeben wurden, küsste seinen Baron eifrig zurück, seinen Mund, das Kinn, den Hals… Alexander schloss die Augen und wusste nicht, ob er ihm Bescheid sagen sollte, dass Ferdinand von ihnen wusste. Da klopfte es an die Tür. Heinrich zuckte zusammen. Sofort drückte Alexander seinen Kopf an seine Brust und fuhr ihm sanft durch die Haare. „Es ist nur mein Kammerdiener.“ „W-weiß er…?“ „Er weiß mehr als ich selbst über mich.“ Es klopfte erneut, dieses Mal ein wenig insistierender. Heinrich wollte sich dazu äußern, aber Alexander schob sich auf ihn und ließ ihre Münder zu einem erneuten Kuss verschmelzen, in den der Jüngere hineinkeuchte. Beide hörten sie, wie ruckartig die Tür geöffnet wurde. „Alexander!“, zischte Robert, „Sie hatten genug Zeit!“ Seufzend ließ der Angesprochene von seinem Geliebten ab, der mit hochrotem Kopf die Decke ein wenig höher über seinen Körper zog, als Alexander von ihm herunterstieg. „Ich bitte um Verzeihung.“, meinte Robert höflich, an Kleist gewandt, vor dem er sich verbeugte, bevor er seinen Herrn, der sich wieder zu seinem Liebsten herunterbeugen wollte, am Handgelenk packte. „Alexander.“ „Noch einen Kuss.“ Heinrich richtete sich auf, um nach seinem Gesicht zu fassen und noch schnell einen Kuss zu erhaschen, bevor Alexander von Robert aus dem Raum geschleift wurde. Der Baron warf ihm noch einen Handkuss zu, bevor sein Kammerdiener die Tür schloss. Draußen sah Robert seinen Herrn ernst an. „Das mache ich nicht noch einmal mit, Alexander, darauf können Sie sich verlassen.“, drohte er. Der junge Baron, so liebestoll, wie er war, bekam das gar nicht richtig mit. Erst als von unten Stimmen an sein Ohr drangen, besann er sich. „Was ist…?“ „Die Madame wird wohl wieder zurück sein.“, vermutete Robert. Er vermutete richtig: Unten in der Eingangshalle tummelte sich schon die ganze Familie, um die Zurückgekehrten willkommen zu heißen; auch Ferdinand war anwesend. Als Alexander die Treppe hinunterkam, küsste dieser gerade Dorotheas Hand – die ihn daraufhin jedoch keines Blicks mehr würdigte, da sie nur noch Augen für seinen jüngeren Halbbruder hatte. „Willkommen zurück.“, begrüßte Alexander die Gäste, erst die Madame, dann Dorothea, die ihn entzückt anlächelte. Ferdinand stand dabei und grinste sein ausdrucksloses Grinsen. Alexander wartete darauf, dass er es der Madame und ihrer Tochter brühwarm erzählen würde. Sollte er doch, dann hatten sie es wenigstens hinter sich. Doch er machte nicht einmal eine Anspielung. Alexander war erst erstaunt darüber, aber dann kam ihm der Gedanke, dass Ferdinand wohl auf einen besseren Zeitpunkt warten würde. Dass dieser Halunke viel Wert auf einen imposanten Auftritt legte, hatte man ja schon bei seiner Ankunft auf Schloss Tegel bemerkt. „Wo ist denn Heinrich, dieser Nichtsnutz?“, meldete sich die Madame äußerst unzufrieden zu Wort, dass ihr Neffe nicht gleich zur Stelle war. „Er schläft wohl noch.“, nahm die Baronesse Alexander das Antworten ab, „Aber niemand hätte auch so früh mit Ihrem Kommen gerechnet.“ Die Madame echauffierte sich trotzdem über ihn, als sie sich auf den Weg in den Salon machten. Dort stieß Heinrich nach ein paar Minuten zu ihnen und entschuldigte sich tausendmal für seine Verspätung, was der Madame jedoch lange nicht genügte. Beim Frühstück, als alle beisammensaßen – Ferdinand hatte den Platz am Ende der Tafel neben der Baronesse und der Madame ergattert – kristallisierte sich heraus, dass Alexander wohl Recht hatte: Die Madame von Pannwitz hatte ihn als potentiellen Schwiegersohn abgeschrieben und unterhielt sich fast ausschließlich mit Ferdinand, dem Erstgeborenen. Dorothea hingegen, obwohl es deutlich zu sehen war, wie ihre Mutter ihr ihren Platz gerne hatte abtreten wollen, hatte sich Alexander gegenüber neben ihren Cousin gesetzt. Ihren Blicken sah man an, dass sie sich noch nicht sonderlich an die neuen Ziele ihrer Mutter gewöhnt hatte. „Und Sie…Sie haben jetzt eine Urkunde bekommen?“, fing Alexander eine Konversation mit ihr an, da er das doppelte Paar schmachtender Augen auf sich nicht mehr ertragen konnte. „Ein Amulett sogar!“, antwortete Dorothea und wies auf die Kette, die sie um den Hals trug, hin. Daran war ein Anhänger befestigt, in den unter anderem ein Kreuz eingearbeitet war. „Wunderschön, nicht?“ Alexander nickte zögerlich. Warf Heinrich einen unsicheren Blick zu. Sah wieder zu Ferdinand. Der war gerade mit der Madame ins Gespräch vertieft. „Und Sie sind wirklich Rittmeister, ja?“ „In der Tat.“ Die Madame beugte sich ihm etwas näher. „Oh, meine Tochter hat eine Schwäche für Soldaten.“, raunte sie ihm zu. Er lachte nur. „Ist das nicht der Rang eines Offiziers, Rittmeister?“ „Genau, ich bin Offizier der Kavallerie.“ „Traumhaft! Sie haben also ein eigenes Pferd? Dorothea möchte so gerne einmal reiten lernen! Stimmt’s, meine Liebe?“ Dorothea fühlte sich genötigt, zu nicken. „Dann sollten wir beide einmal zusammen ausreiten.“, schlug Ferdinand vor und schenkte ihr ein anzügliches Grinsen. Alexander überkam irgendwie der Drang, nach Dorotheas Hand zu greifen, damit sie wieder ihn ansah. „Sie haben mir noch gar nicht gesagt, woher Sie diesen Ring haben.“ Das junge Mädchen wurde ein wenig rot, begann aber mit einem Lächeln, ihm von ihrer Großmutter zu erzählen, von der sie dieses Erbstück hatte. Währenddessen erkundigte sich ihre Mutter bei Ferdinand, wie es denn so mit dem jährlichen Sold aussah, den ein Offizier bekam. So verging auch das Frühstück, ohne dass Ferdinand seine Drohung wahrgemacht hatte, auch nur irgendetwas von Alexanders Neigung preiszugeben. Der junge Baron war fast gänzlich zufrieden, nur musste er mitansehen, wie die Madame die Hand ihrer Tochter Ferdinand an den Arm legte und den beiden viel Spaß bei ihrem Spaziergang durch den Garten wünschte. Als die Madame selbst, mit Wilhelm und Caroline, der Baronesse in den Salon nebenan folgte, warf Alexander seinem Leutnant einen Blick zu, und sie verließen zusammen den Raum, um hinaus in die große Eingangshalle zu treten. Sie sahen sich um, liefen die Treppe hinauf. Nebeneinander liefen sie her, beide schweigend, den Blick auf den Boden gesenkt. Sie nahmen Heinrichs Zimmer; das lag näher. Alexander unterdrückte ein Stöhnen, als ihn sein Geliebter noch an der Tür so heftig küsste, dass er keine Luft mehr bekam. Wie zwei Verdurstende klammerten sie sich aneinander, konnten mit ihren Mündern und Händen gar nicht mehr voneinander ablassen. Alexander war nicht mehr dazu fähig, das Stöhnen zu unterdrücken, als Heinrich ihm ein Knie zwischen die Beine schob. „Wieso machst du das?“, hörte er ihn mit rauer Stimme sagen. Es klang nicht liebevoll. „Was?“ Heinrich ließ sich schlaff an ihn sinken, sodass der junge Baron ihn festhalten musste. Er schluchzte. „Wieso interessierst du dich plötzlich für meine Cousine?!“ Alexander seufzte. Er schob den anderen hinüber zum Bett, wo sie Platz nahmen. Sanft fuhr er ihm durch die Haare. „Ich versteh es selbst nicht.“, gab er zu, „Ich liebe sie nicht, um Gotteswillen!, aber ich sorge mich um sie. Vor allem, da deine Tante nun Ferdinand für sie auserkoren hat. Diesen…ich will es nicht aussprechen, wünsche ich keiner Frau.“ „A-aber…!“ Heinrich sah ihn verständnislos an. „Willst du sie denn heiraten?!?“ Alexander zog ihn zu sich und schlang seine Arme um ihn. „Wenn ich so gewährleisten kann, dass wir zwei immer zusammenbleiben können.“ Heinrich löste sich aus seiner festen Umarmung, fasste nach seiner Wange und sah ihn mit tränenunterlaufenen Augen, aber äußerst entschlossen an. „Dazu musst du sie nicht heiraten.“ Ebenso entschlossen drückte er Alexander hinab in die Kissen, küsste ihn ausgiebig, so hingebungsvoll, dass der junge Baron nicht wusste, wie ihm geschah. Er spürte, wie sein Körper sich aufheizte, wie Heinrich es schon wieder schaffte, ihn in Brand zu stecken, aber er wusste ebenso, dass sie vorsichtig sein sollten, dass er nicht zulassen durfte, dass – Alexander biss sich in den Handrücken, um nicht aufzustöhnen, da Heinrichs Hände unter Rock und Hemd einen Weg an seine Brust gefunden hatten und ihn dort massierten. „Nicht…“, brachte er heraus. Als Heinrich immer noch nicht aufhörte, schwang er sie herum, sodass er nun oben lag. Außer Atem sah er auf seinen Geliebten herab, der mit ebenso aufgehetztem Atem und dem gleichen Funkeln in den Augen zurückblickte. „Nicht hier…nicht jetzt…“ Heinrich schlang seine Arme um den Hals des Größeren und küsste ihn sanft. „Ich mag Doro auch zu sehr, als dass ich ihr Ferdinand wünschen würde.“, flüsterte er, „Aber ich liebe dich zu sehr, als dass ich dir eine Scheinehe zumuten wollte.“ Alexanders Augen weiteten sich. Sprachlos starrte er den anderen an. „D-du…du liebst mich?“ Heinrichs Wangen röteten sich. „Ja. Sehr.“ Der junge Baron konnte nicht anders, als seinen Geliebten stürmisch zu küssen. „Du…du liebst mich, ich – Ich bin… - Ich war noch nie verliebt, aber es muss Liebe sein, dieses – dieses wunderbare, himmlische Gefühl…! Ich liebe dich, Heinrich. Ich liebe dich.“ Der Jüngere keuchte unter den Küssen auf, spreizte fast von selbst seine Beine, sodass Alexander ihm noch näher kommen konnte. Sie spürten beide, dass es doch passiert war, dass sie ihre Körper in eine Situation getrieben hatten, die sie vermeiden wollten. Doch obwohl sie genau wussten, dass sie aufhören mussten, am besten sofort, am besten jetzt!, war ihr Verlangen nach dem jeweils anderen zu groß. Sie rieben sich weiter gierig aneinander, stöhnten, so leise sie vermochten, in den Mund ihres Geliebten, Heinrichs Hände fanden wieder an Alexanders Brust… Der junge Baron stellte verzweifelt fest, dass seine Hose zu eng wurde – da hörten sie plötzlich, wie die Tür geöffnet wurde, und schreckten panisch hoch. Robert musste ein paar Mal blinzeln. Er merkte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, nicht aus Scham, sondern aus Wut. Kein Wunder, bei dem Bild, das sich ihm bot: Sein Herr, der neben Kleist auf dem Bett lag, Rock und Hemd geöffnet und zerknittert, die Haare in vollkommener Unordnung, rote Wangen, geschwollene Lippen, völlig außer Atem und neben sich. Kleist sah nicht viel besser aus. „Sie benehmen sich, wie Kinder!“, presste der Kammerdiener hervor, bevor er hastig den Schlüssel im Schloss herumdrehte. „Kinder hätten wenigstens abgeschlossen!“ Alexander merkte, wie Heinrich neben ihm ängstlich zusammenzuckte, weshalb er ihm einen Arm um die Schultern legte und ihn an sich zog. „Nennen Sie das vorsichtig, ja?! Können Sie das irgendetwas anderes nennen, als leichtsinnig?!“ Alexander senkte den Kopf. „Nein.“, bekam er leise heraus. „Stellen Sie sich vor, es wäre jemand anderes hier hereingekommen! Stellen Sie sich vor, es wäre Ihre Cousine gewesen.“ Drohend sah er den jungen Leutnant an, der bei dieser Vorstellung entsetzt die Augen aufriss. „Genau!“, fuhr Robert fort, „Sie wäre tot umgefallen!“ Wieder mit wütendem Blick nahm er vor Alexander Platz. „Stellen Sie sich vor, es wäre Ferdinand gewesen.“ Alexander öffnete seinen Mund, um etwas zu erwidern, aber er zögerte, beließ es schließlich dabei. Er wusste nicht, wie Heinrich reagieren würde, wenn er erführe, dass Ferdinand schon längst über sie Bescheid wusste. „Schön.“, seufzte Robert, als er sich wieder erhob, „Dann nehme ich an, das war Ihnen eine Lehre, in Zukunft vorsichtiger zu sein.“ Mit einem gehässigen Grinsen drehte er sich noch einmal zu ihnen herum. „Ich hoffe, sie sind schön eng, Ihre Hosen, ja?“ Heinrich schoss die Röte ins Gesicht. „Und, nein, Alexander, ich werde Ihnen in den nächsten Tagen nicht für eine Massage zur Verfügung stehen.“ Mit diesen Worten öffnete er die Tür – „Es wird übrigens in diesen Minuten fürs Mittagessen gedeckt.“ – und verschwand. Alexander sah etwas unschlüssig hinüber zu seinem Geliebten, der unsicher zurückschaute. Schließlich streckte der Ältere eine Hand nach seiner Wange aus und zog ihn für einen sanften Kuss zu sich. „Robert hat Recht.“, meinte Alexander, „Wir sollten wirklich vorsichtiger sein.“ „Gut.“, entgegnete Heinrich leise, zwischen zwei Küssen, „Dann sind wir vorsichtiger.“ „Ja“, brachte der junge Baron heraus, ließ es zu, dass die Hände seines Geliebten wieder an seine nackte Brust fanden, „Das sollten wir sein.“ „Mhmm…“ Es hämmerte bedrohlich gegen die Tür und die beiden schreckten wieder auseinander. Außer Atem sprang Alexander dieses Mal gleich vom Bett. „Wir sollten…“ „Uns irgendwie wieder in die Verfassung bringen, sodass wir am Essen teilnehmen können.“, beendete Heinrich seinen Satz. „Ja, genau.“ „Dann solltest du gehen.“ „Ja, das…das sollte ich.“ Alexander zögerte zu lange, da sprang Heinrich aus dem Bett und schlang ihm die Arme um den Hals, um ihn noch einmal zu küssen. Der Ältere schob ihn widerwillig von sich, legte ihm einen Finger auf die vollen, rosigen Lippen. „Heute Abend“, begann er, „da kommst du zu mir. Ich habe ein Bad in meinem Zimmer. Die Fließen halten den Schall ab, dort wird uns keiner hören.“ Heinrich zeigte seine Begeisterung dadurch, dass er seinen Geliebten stürmisch küsste. „Ich freue mich darauf.“, hauchte er, bevor sich Alexander von ihm losmachte und zur Tür lief. Er öffnete sie vorsichtig und tatsächlich stand Robert noch davor. „Ich…ich bräuchte Hilfe mit…“ Mehr musste der junge Baron nicht sagen, da trat sein Kammerdiener schon zu ihnen ins Zimmer und machte sich daran, Alexanders Kleidung und Haare wieder in Ordnung zu bringen. Kaum war er fertig, zog er seinen Herrn mit sich aus dem Zimmer, nachdem er den Gang auf etwaige herumwandelnde Personen kontrolliert hatte. Noch einmal lugte er ins Zimmer und fing den Blick des jungen Leutnants ein. „Ich schlage Ihnen das Atrium im mittleren Stock vor.“, meinte er, „Dort stehen Büsten von nackten Frauen.“ ---------------------------- So dramatisch ist es nun doch (noch) nicht geworden, oder?^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)