Schloss Tegel von KaethchenvHeilbronn ================================================================================ Kapitel 27: XXVII ----------------- Schon den ganzen Morgen herrschte großer Aufruhr auf Schloss Tegel. Angefangen vom Küchenmädchen bis zur Baronesse selbst war alles auf den Beinen, um die nötigen Vorbereitungen fürs morgige Gartenfest zu treffen. Auch der junge Baron war, gegen seinen Willen, eingespannt worden. „Der Wein, Alexander!“ „Aber Mutter! Ich bin doch gerade mit dem Fisch…!“ „Wilhelm, bitte.“ Der Ältere seufzte und lief hinunter vor die Tür, wo wohl der Weinlieferant angekommen war und auf eine Unterschrift wartete. Alexander nickte dem Fischhändler höflich zu, als dieser sich endlich wieder davonmachte. Skeptisch betrachtete er das Dutzend Kisten, das nun in der Eingangshalle stand. „Und wohin jetzt damit?“ „Ich würde es mal mit dem Kühlhaus versuchen, mein Herr.“, merkte Robert an, der aus dem Nichts erschienen war und jetzt neben ihm stand. „Na, dann.“, meinte Alexander und öffnete sich den Rock. „Aber, Alexander!“, rief Robert sofort und hielt ihn zurück, „Sie haben doch nicht etwa vor, die Kisten selbst zu tragen?!“ Ertappt blickte Alexander seinen Kammerdiener an. Robert seufzte. „Ich rufe einen der Stallburschen. Ludwig kann auch noch helfen.“ Alexander hielt ihn am Arm auf. Als Robert sich wieder zu seinem Herrn herumdrehte, blickte der ihn hinterhältig grinsend an. „Richard macht das bestimmt gerne. Alleine.“ „Das ist eine hervorragende Idee.“ Während Robert also den ersten Diener herbeirief, machte sich Alexander auf den Weg in den Garten. Dort waren Zelte aufgeschlagen, unter denen die Dienstmädchen gerade die Tische schmückten. Belcastel rannte zwischen den aufgestellten Stehtischen umher, und als Alexander nach ihm pfiff, kam er stürmisch auf ihn zu gehechelt. „Na, mein Großer?“, lachte der junge Baron, als der Bernhardiner an ihm hochsprang. „Alexander, dein Rock!“, rief seine Mutter, die gerade dabei war, die Verteilung der Blumen auf den Tischen zu überwachen. „Der ist doch heute egal.“, entgegnete Alexander nur amüsiert, während er Belcastel ausgiebig kraulte. Dem Hund gefiel das jedoch so gut, dass er beschloss, sein Herrchen auf den Rasen zu schmeißen und sich auf ihn zu stürzen. „Alexander!“ Der lachte nur, als ihm Belcastel hingebungsvoll übers Gesicht leckte. Die Baronesse schüttelte resignierend den Kopf. Sie musste ein Lächeln verstecken, denn ihr schlich sich eine Erinnerung zurück ins Bewusstsein, welche ihr damals klargemacht hatte: Dieser Mann, und sonst keinen. „Und einen Hund haben Sie hier! Oh, ein Bernhardinerwelpe! Wie heißt er denn?“ „Belcastel.“ „Belcastel! Komm her!“ Mit einem Satz sprang ihn der Hund an, und er fiel auf die Wiese. „Alexander!“, rief sie besorgt, aber er lachte nur. Kraulte den Bernhardiner, der ihm übers Gesicht leckte. „Begrüßt er jeden so stürmisch?“ Sie musste lächeln. „Nein, nur Sie hat er anscheinend gefressen. Obwohl er sich gelegentlich wirklich ziemlich ungestüm verhält…“ Er setzte sich auf, streichelte den Welpen, und blickte mit seinen tiefblauen Augen zu ihr auf. „Wieso behalten Sie ihn dann?“ Sogar ein Schmunzeln entlockte er ihr. „Vielleicht weil er mich an Sie erinnert.“ „Baronesse von Humboldt…?“ „Oh, entschuldige, Martha.“ „Ich wollte mich erkundigen, wo wir den Kranz aufhängen sollen.“ „Am Giebel des großen Zeltes. Lass dir von Ludwig helfen.“ Suchend sah sie sich um. „ Wo ist der denn schon wieder hin?“ Martha sah entschuldigend zu ihr auf. „Ida ist ohnmächtig geworden, er hat sie aufs Zimmer getragen.“ „Du meine Güte!“, entgegnete die Hausherrin besorgt, „Das Mädchen bereitet uns einen schönen Kummer… - Dann schau, ob du Richard findest.“ „Sehr wohl.“ Alexander warf gerade einen Stock für Belcastel über die Wiese, als Robert auf ihn zukam. „Mein Herr, es gibt gute Neuigkeiten.“, verkündete er mit einem vielsagenden Grinsen. „Das…Heißt das, was ich glaube, was du mir sagen willst?“ Der Diener ging ein wenig aus dem Weg, als Belcastel mit dem Stock zwischen den Zähnen angerannt kam, bevor er die zwei Briefe hinter seinem Rücken hervorholte. „Oh, Robert!“, versetzte Alexander, „Du weißt ja gar nicht, wie Unrecht du mit der guten Nachricht haben kannst!“ Robert sah seinen Herrn fragend an. „In der Tat weiß ich das nicht.“ Alexander nahm ihn hastig beiseite. Gemeinsam gingen sie ein paar Meter am Teich, Belcastel folgte ihnen, bevor der junge Baron damit herausrückte. „In meinem letzten Brief schrieb ich ihm Dinge, die…die ihn leicht verstören könnten – Was sag ich! Die eine völlige Abwendung von mir zur Folge haben könnten!“ „Wie meinen?“ Alexander sah sich unsicher um, bevor er mit leiser Stimme antwortete: „Man…man könnte es den… - also, wenn er eine Frau wäre, den Vollzug der Ehe nennen, den ich von ihm vordere…“ Robert lächelte seinen Herrn gutmütig an. „Nun“, meinte er, „Ich denke ehrlichgesagt nicht, dass Herr von Kleist dem abgeneigt wäre. Außerdem“ Er musste grinsen. „Immerhin schreibt er Ihnen doch offensichtlich noch.“ Alexander sah sein Gegenüber grimmig an. „Du verstehst meine Situation nicht! Wie auch?! Doro und du kommt auf solch ein Thema ja nicht zu sprechen!“ Es entstand eine kleine Pause, in der der Baron eigentlich eine Zustimmung, gefolgt von einer Entschuldigung erwartet hätte; Robert räusperte sich jedoch nur. Alexander entgleisten sämtliche Gesichtszüge und er blieb entsetzt stehen. „Das kannst du mir nicht antun.“, brachte er heraus und blickte den Älteren flehentlich an. Robert suchte nach Worten. „Es…ich habe nicht damit begonnen, das kann ich Ihnen versichern, Ehrenwort.“ Alexanders Augen weiteten sich noch ein wenig mehr. „Dorothea hat…?!?“ „Ja, sie…Ich war ja selbst vollkommen erstaunt, dass sie über so etwas spricht! In ihrem letzten Brief hat sie es angedeutet, dass… - Sie hat eben davon geschrieben, dass Gott es für den Mensch vorgesehen hat, Liebe zu empfinden und…und diese auch auszuleben, körperlich, sie sich in diesem Punkt nur nicht so sicher ist, ob sie sich so etwas, als unverheiratete Frau, wünschen darf.“ „U-und was hast du ihr geantwortet?“, wollte Alexander wissen, der mittlerweile ziemlich besorgt klang. „Ich…“ Robert strich sich nervös über den Frack. „Ich habe ihr geschrieben, dass sie Recht habe, und dass sie sich so etwas natürlich wünschen darf, schließlich werde sie ja eines Tages heiraten.“ Alexander packte ihn an den Schultern. „Sie wird diese Worte aber doch nicht als Eheversprechen aufgefasst haben!“ „D-das hoffe ich natürlich nicht!“, entgegnete Robert hastig, „Wenn Sie mich aber loslassen, und ich den Brief öffnen kann, so werden wir es bald wissen.“ Alexander nickte und nahm den Brief Heinrichs von ihm entgegen. „Wir sollten dafür aber hinauf in mein Arbeitszimmer gehen.“ Robert nickte und sie ließen Belcastel zurück auf der Wiese. Beide waren sie ein wenig nervös, als sie die Briefe öffneten, und wären sie nicht so nervös gewesen, hätten sie sicherlich auch die Nervosität des anderen bemerkt. Wie in Trance nahm Alexander hinter seinem Schreibtisch Platz und saugte die Wörter und Sätze seines geliebten Heinrichs förmlich in sich auf. Mein allerliebster, allerherzlichster Alexander, ich muss zugeben, dein letzter Brief hat mich zutiefst beschämt. Bitte sehe dies nicht als Ablehnung, denn es war nicht der Scham über deine Wünsche selbst, sondern der Scham darüber, dass sie bei mir auf so große Zustimmung gestoßen sind. Wenn ich ehrlich bin, so muss ich gestehen, dass mir schon dort am See, zusammen mit dem Gedanken an die alten Griechen, die Idee kam – vielmehr die inakzeptable Vorstellung – so etwas einmal mit dir zu tun. Bis jetzt habe ich nur davon gelesen, und das gar selten, verfüge also nur über spärliches Wissen, was genau wir -- oder wie wir es – Gleichwohl: Ich will es tun. Ich will mich dir hingeben, mein Alexander, mit Leib und Seele dein sein! Und dabei soll uns egal sein, was die Welt davon denkt -- oh, lass die Menschen nur Menschen sein und ihnen ihre engstirnige Meinung! Ich kann nicht anders! Ich bin dir verfallen, mein Liebster, bis in den Tod würde ich für dich gehen! Und ich verstehe deine Sehnsucht, fühle ich sie doch selbst in meiner Brust wüten. Es ist gar schrecklich in den letzten Tagen geworden, und ich müsste mich dafür schämen, was ich denke, was ich wünsche, wie nicht nur mein Geist, sondern auch mein Körper nach dir verlangt, so sehr, dass ich -! Ja, ich müsste mich dafür schämen, aber ich tue es nicht, denn ich spüre, dass es richtig ist. Du hast mir geschrieben, dass du mich begehrst. Nun lass mich dir zeigen, wie sehr ich dich begehre, indem ich dir beichte, was ich hätte schon lange tun sollen: Du magst dich vielleicht noch an den Nachmittag erinnern, da du mir deine beachtliche Sammlung an Instrumenten und Objekten in deinem Arbeitszimmer gezeigt hast, vor allem: da du mir deinen Arm geboten, damit ich von ihm die Geschmacksprobe nehmen konnte? – Oh, wie gerne hätte ich diesen Geschmack deiner Haut auf meiner Zunge konserviert! Ich war so verstört, wie du vielleicht bemerkt hast, dass ich dir dankbar war, mich gleich darauf zu entlassen. Ich weiß nicht, was sonst passiert wäre. Dein Geschmack aber, jedenfalls, und deine Nähe, die ließen mich in solch einer Verfassung auf mein Zimmer zurückkehren, dass ich -- meine Wangen glühen gerade, diese Worte zu schreiben – dass ich mir nicht anders zu helfen wusste, als mich selbst zu berühren; mit dem ständigen Gedanken an dich, als wären es deine Hände, die mir meine Lust stillen. Und ich wünsche mir, meine Verführung du!, dass es in Zukunft deine Hände sind. Wie du es beschreibst, will ich, dass du deine Entdecker auf Reisen schickst, und haben die echten Berührungen auch nur halb die Wirkung deiner Worte, so wird mein Körper vor Hitze glühen! Einmal – einmal hoffe ich, mein Alexander, dass du mir keinen Brief mehr schreiben musst, dass du diesen erhältst und ich am nächsten Morgen dir schon in die Arme fallen kann. Bis dahin umarmt dich meine ganze Seele!, und ich bleibe auf ewig Dein Heinrich PS: Ich muss dir gestehen, dass ich zwar festentschlossen, deiner Bitte nachzukommen, den Brief schon über die Flammen gehalten hatte, es jedoch letztendlich nicht übers Herz gebracht habe, auch nur einen deiner Briefe zu vernichten. Alle anderen Wünsche, die dein Brief enthielt, will ich dir, auch wenn meine Hände bei dem Gedanken daran zittern und meine Wangen glühen, möglichst bald mit großem Eifer erfüllen. Alexander musste schlucken. Mit solch einer positiven, ja gar beflügelnden Antwort hatte er zu keiner Sekunde gerechnet. Gehofft hatte er es, natürlich, sich gleich darauf jedoch stets für seine Naivität gescholten. Und jetzt hatte sein Heinrich tatsächlich zugesagt. Er hatte ihm zugesagt, ihm für die Erfüllung seiner Wünsche zur Verfügung zu stehen, daran teilzuhaben; er will es auch! Wünscht es sich, schon länger, schon seit ihrer innigen Begegnung am See. Mit einem glücklichen Lächeln legte er den Brief auf dem Tisch ab und ihn überkam ein wohliger Schauer, als er an den morgigen Tag dachte. Es dauerte noch ein paar Sekunden, bis der junge Baron wieder in die Welt zurückfand und Robert bemerkte, der ein wenig nervös wirkte, wie er da am Fenster saß und in den Brief Dorotheas starrte. „Was schreibt sie?“, fragte er also seinen Diener, um ihn ein wenig von seiner Last zu befreien. „Sie…“, begann Robert zögerlich, „Sie schreibt, sie sehe dem morgigen Tag mit Freuden und hohen Erwartungen entgegen.“ Alexander stützte seinen Kopf auf seiner Hand ab. „Sie erwartet also von mir einen Antrag.“ „Ich bin untröstlich, mein Herr.“, bekundete Robert, doch Alexander winkte ab. „Ist ja nicht deine Schuld.“ Der Diener seufzte. „Was schreibt Ihnen Ihr Heinrich?“ Sofort hellten sich Alexanders Gesichtszüge wieder auf. „Er nimmt meinen Vorschlag an!“, entgegnete er freudig, „Er will es tun mit mir!“ Robert begann zu lachen. „Und wo bitte? In der Scheune?“ Alexander sah gekränkt aus. „Wir sind doch keine Hunde!“ Robert sprang hastig auf. „Gott bewahre!“, rief er, „So meinte ich das keinen Falls! Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass für solch ein…Vorhaben ja wohl nicht das Schloss in Frage kommt, da hier ständig Menschen sind, die…“ „Die es gilt, von meinem Schlafzimmer fernzuhalten, mindestens für eine Stunde.“, unterbrach ihn Alexander, „Außerdem möchte ich, dass du mir ein Öl beschaffst, das angenehm riecht und nicht allzu flüssig ist.“ Robert fehlten die Worte. „Alexander!“, stieß er nur aus und packte all seine Empörung in dieses eine Wort. Doch sein Herr sah ihn lediglich bittend an, und die blauen Augen vollbrachten ihre Wirkung, die sie schon immer auf ihn gehabt haben, die ihn schon vor vielen Jahren dazu veranlasst hatten, nachzugeben. „Selbstverständlich.“, antwortete er also schließlich, und Alexander nickte ihm dankend zu. „Vernachlässigen Sie mir aber Dorothea morgen nicht!“, bat er den Baron noch. „Oh, Gott! Dorothea!“, gab der von sich, als wenn ihm die Existenz dieser Dame jetzt erst wieder in den Sinn gekommen wäre. Robert seufzte leidend. Den restlichen Tag über war Alexander natürlich nicht mehr in der Lage, seiner Mutter nützlich bei den Vorbereitungen für die Gartenfeier zu assistieren. Jedem Auftrag hörte er nur mit einem Ohr zu, weshalb er grundsätzlich nur die Hälfte oder alles falsch erledigte, sodass sie ihn letztendlich zurück auf sein Zimmer schickte. Dort konnte er, so aufgewühlt, wie er war, nicht lange bleiben, weshalb er zum See ging, um eine Runde zu schwimmen. Aus der einen Runde wurden ein paar mehr, und so kam er erst wieder zum Abendessen zuhause an. Auf seinem Zimmer empfing ihn dann Robert, der ihn dazu zwang, sich den Briefwechsel mit Dorothea wenigstens einmal durchzulesen, was er jedoch nur sehr halbherzig tat; so fiel ihm lediglich auf, dass Robert in seinen Worten sehr überzeugend klang, nicht dass er mit ihnen schlicht die Wahrheit sagte. Am Abend lag der junge Baron schließlich lange wach im Bett und wartete. Er wartete sehnsüchtig darauf, dass es Morgen würde und er sich endlich, endlich wieder mit seinem Heinrich vereinen konnte. --------------------- Sorry, dass es jetzt erst ein neues Kapi gibt, aber die Woche hat die Uni bei mir angefangen und ich hatte folglich nicht so viel Zeit^^' Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)