Corvidae von Oxymora (Über die letzte Destillation und der darauffolgenden Verdünnung eines Spirituosen) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Und hiermit kommt die Fortsetzung zu meiner Kurzgeschichte, in der wahrscheinlich noch ein paar Fragen beantwortet werden. Vorneweg ist zu sagen, dass bei einem längeren Gespräch mit einem Kumpel von mir, das über Gin ging, wir beide zu dem Schluss kamen, dass Gins Verhalten manchmal ein wenig merkwürdig ist. Einer der Kernpunkte war, ob Gin Shiho wirklich töten wollte. Für diese Geschichte entschied ich mich dagegen: Gin will Shiho nicht töten, sondern unternimmt nur Alibiangriffe auf sie. Ich finde, dass diese Meinung Dank Aoyama durchaus vertretbar ist und nicht abwegig erscheinen muss. Außerdem ermöglicht sie mir einen viel interessanteren und verwobeneren Ablauf zu erschaffen. Ich weiß, dass es einige Fans gibt, die die Meinung vertreten, dass Gin sexuelles Interesse an Shiho empfände, aber – ob in Band 24 (in der Deutschen Version nicht so richtig rüber gekommen) dies nun durch Gins Aussage auf dem Dach und Conans unausgesprochene Frage im Auto – ich lehnte das entschieden ab. Vielleicht begehe ich damit einen Fehler und dem ist doch so, aber ich denke ich habe eine recht nette andere Erklärung gefunden (die mir persönlich auch viel besser gefällt). Liebe wird so oft zum Motiv für Mord, deswegen brauchte ich einen weniger leidenschaftlichen Hintergrund (bedenkt, ich gehe von einer Annahme aus, die nicht von Gins Aussagen, sondern seinem Handeln abhängt). Wir wissen durch Aoyama nicht, wie alt Gin nun tatsächlich ist, aber ich bin der Meinung, dass sein 30. Geburtstag schon einige Zeit hinter ihm liegt. Ich habe ihn also 36 gemacht – ist für den Verlauf der Geschichte mittlerweile auch sehr wichtig geworden -, womit ich auch mit den zeitlichen Gegebenheiten aus der ersten Kurzgeschichte nicht kollidiere. Setzt mir also bitte in den Kommentar kein OOC rein. Ich weiß selber, dass ich mich auf einem dünnen Pfad begebe, aber die Idee fand ich irgendwo doch zu niedlich. Sein Charakter hat sich damit ja auch nicht verändert – zumindest hoffe ich das. Bitte bedenkt, dass er in meiner Geschichte ja noch nicht so weit ist wie im Manga (wobei er da Genevers Hoffnungen auf ihn auch noch nicht eingeholt hat) und ich mir eine gewisse Charakterentwicklung heraus nehme. Die Vorstellung, dass er so wie er ist vom Himmel fällt, ist mir als Naturwissenschaftler schwer begreifbar. ;) Ich hoffe, ich habe euch mit dieser ehrlichen Vorbemerkung nicht gleich verschreckt und wünsche den tapferen Lesern viel Spaß beim Prolog. LG Oxymora --------------------------------------------------------------------------------- „Wenn man einen Stein ins Rollen bringt, sollte man darauf achten, welche weiteren Auswirkungen er auslösen kann.“ Rief er sich Genevers Worte in Erinnerung. Sein Mentor war schon lange tot – sozusagen im Dienst verstorben. Es klingt hart und gefühllos, aber in ihrem Job war der gewaltsame Tod nicht nur ihren Feinden bestimmt. Im Laufe der Zeit hatten viele Mitglieder für das Ziel, welches der Boss mitsamt seiner Anhänger anstrebte, geopfert werden müssen. Doch für sie alle war es das wert und schließlich konnte sich niemand beschweren, durch die Organisation kein angenehmes und teilweise leichteres Leben geführt zu haben. Zumindest fast alle. Die Tage in denen er aus Wut und Hass getötet hatte waren lange vergangen. Die anfänglichen Gewissensbisse waren einem Rausch, den nur Blut auslösen konnte, gewichen, bis er in schwarze Leere, die ihn so lange befangen hatte, gefallen war. Und gerade eine dieser Person, die trotz ihrer Mitgliedschaft unter der Organisation litt, hatte ihn an seine Jugend erinnert. Ohne diese Person hätte er das kurze Glück, welches ihm vor einem Jahr widerfahren war und das er hatte wieder los lassen müssen, nicht erlebt. Und doch war er gezwungen sie auszunutzen. Abgestumpft wie er war, bedeutete dies keine größeren Gewissensbisse, denn sein Gewissen hatte er bereits lange abgelegt. Würde der Plan, den er dabei war in die Tat umzusetzen, wirklich reibungslos ablaufen? Konnte er ihr verwirktes Leben, welches er zu verantworten hatte, retten? Der Boss hatte verlangt sie zu töten, das hatte er vorausgesehen, doch würde er, falls sein Plan misslang, dies wirklich tun können? „Du bist ganz schön in deinen Gedanken vertieft, Aniki.“, stellte Wodka fest. Wie so oft spielte er den Chauffeur und fuhr Gin in dem schwarzen Wagen, den er von seinem Mentor geerbt hatte, wohin es den grausamen Killer beliebte. „Es ist nichts weiter.“ Der hellhaarige Mörder beobachtete wie der Regen auf die Frontschreibe prasselten. In den Verfilmungen der Shakespeare-Stücke, die er bisher gesehen hatte, bedeuteten Unwetter für die Protagonisten immer Unglück und Schicksalsschläge. Gut, dass sein Leben nicht nach dem Wetter orientiert war. „Hat der Boss sich bereits gemeldet? Bringen wir die kleine Verräterin um die Ecke?“ Der Bullige grinste vor Vorfreude. „Ja“, antwortete Gin knapp und verfiel wieder in sein Schweigen. Wodka merkte schnell, dass sein Kollege in keiner Gesprächslaune war und verhielt sich lieber ruhig. Er wollte ihn nicht provozieren oder verärgern. Ihm war klar, dass Gin keine Hemmungen an den Tag legen würde ihn umzubringen und er wollte diesen gefährlichen Vorgesetzen keinen Grund für solch ein Handeln geben. Ihr Weg führte sie zu einer Pharmaziefirma. Stunden zuvor hatten sie Sherry mit Handschellen gefesselt und dazu verurteilt auf das Zurückkommen der schwarzen Todesengel zu warten. Es war die Strafe für ihre Weigerung weiterhin ihren Job zu tun. Angefangen hatte alles mit ihrer Empörung über die Verwendung des neuen Mittels, dessen Tests zur Einstufung der LD50 Werte, chronischen Beschwerden und vor allem der Nebeneffekten bei weitem noch nicht abschlossen waren. Trotzdem hatte das Gift seinen Weg zu dem ein oder anderen Opfer gefunden. „Recht geschieht es euch, wenn irgendetwas nicht so läuft, wie ihr es euch wünscht!“, hatte sie Gin hinterhergerufen, als dieser mit einem Duzend Pillen des Prototyps verschwunden war, um menschliche Testobjekte zu finden. Das Mittel, welches Sherry mit Vorarbeit ihrer Eltern entwickelt hatte, trug er auch jetzt mit sich herum. Gerade einmal vor drei Wochen hatte er es sogar an diesem Jugendlichen ausprobiert – wie war sein Name noch einmal gewesen? Irgend so ein überneugieriges, halbes Hemd. Naja, er war jetzt tot und damit nicht mehr relevant. Warum sollte er sich also den Namen merken? Der Protest hatte sich erst in strikte Weigerung verwandelt, als ihre Schwester von Gin ermordet worden war. Den Grund für die Hinrichtung kannte die Wissenschaftlerin nicht, denn trotz mehrfacher Nachfrage hatte ihr niemand eine Auskunft geben wollen. Ihre einzige Vermutung zielte auf den Exfreund, Dai, ab. Durch die Fahrlässigkeit ihrer Schwester hatte ein FBI Agent Einblick in die Struktur der Organisation erhalten, wobei es nur dank eines Fehlers seiner Kollegen zu seiner Enthüllung gekommen war. Seitdem hatte kein Kontakt zwischen beiden geherrscht. War es da nicht ein wenig spät für eine Bestrafung? Shiho wusste, dass die Organisation auf die Zusammenarbeit mit ihrer Schwester nicht angewiesen war. Der eigentliche Grund, warum sie sie trotzdem so lange am Leben gelassen und in die Organisation aufgenommen hatten war sie, die Naturwissenschaftlerin. Freiwillig hätte Shiho niemals an dem Gift gearbeitet, doch mit ihrer Schwester als Geisel hatte sie den Wünschen des Syndikats Folge leisten müssen. Dessen ungeachtet hatte Gin dafür gesorgt, dass sie das Bild ihrer toten Schwester in der Zeitung sah. Er hatte bewusst gehandelt und war zum ersten Mal in seinem Leben froh darüber gewesen, dass der Boss seine Leute nicht ganz so gut kannte wie er. In der Regel konnte man Menschen durch Berichte kennen lernen, doch nicht selten waren diese nicht vollständig. Der Boss war viel zu paranoid, um mit mehr als zwei oder drei Personen Kontakt zu halten. Ein Grund, weswegen Gins Position so ungemein wichtig war. Es gab zwar einige gute Agenten, aber nur einen der sie alle zusammenhalten konnte und jeden einzelnen persönlich kannte. Früher war Genever für diese Aufgabe zuständig gewesen und hatte Gin über die drei Jahre seiner Ausbildung mit vielen der damals vorhandenen Mitgliedern bekannt gemacht. Mittlerweile waren einige ‚alte Krähen‘ verstorben und manche neuen hinzu gekommen. Doch Gin kannte ein jeden. Sein Gedächtnis sortierte Namen und Gesichter Toter aus, doch ansonsten sog es jeglichen Informationen auf. Aber niemand verstand Sherry besser als er. Sie parkten und begaben sich über den leeren Parkplatz zu einem der Nebeneingänge. Obwohl die Firma zu einem gewissen Teil ihnen gehörte, wollten sie von den Sicherheitskameras nicht aufgenommen werden. Daher war es nur vorteilhaft, dass Gin die toten Winkel kannte und die Dunkelheit der Nacht die Qualität der Aufnahmen verschlechterte, sollte sie doch gefilmt werden. Das war umso wichtiger, als dass der vom Boss vorgegebene Plan beinhaltete, Sherrys Leiche im Ernstfall wegbringen zu müssen. Leichen waren lästig. Der schlaffe Körper ließ sich kaum bewegen und noch schlechter tragen. In Sherrys Fall war dies aufgrund der zierlichen Körperstatur ein kleineres Problem, aber ein bulliger, ausgewachsener Mann wäre schon komplizierter. Gin wartete am Treppenabsatz. Es war nicht nur wichtig gewesen, Sherry vor anderen sicher zu verstecken, sondern ihr auch keine Möglichkeit für einen Suizid zu geben. Er kannte sie einfach zu lange – wie lang, konnte sie nicht wissen, weil ihr Gedächtnis, trotz ihres formidablen Verstandes, nicht so weit zurück reichen konnte – und zu gut. Sie gehörte zu den Menschen, die den Freitod in Betracht zogen – genauso wie er. Dies musste verhindert werden, wenn sie, ohne dass es einer der anderen Mitglieder bemerkte, aus den Fängen der Organisation befreien wollte. Und er wusste auch genau, wie er das anzustellen hatte. Doch dafür stand ihm Wodka im Weg. Nun, wie gesagt, Opfer waren hin und wieder nötig, wenn man ein höheres Ziel verfolgte. Und das tat er ganz ohne Frage. „Aniki!“ Der Bullige kam zurück gelaufen. „Sie ist weg!“ „Was meinst Du mit ‚sie ist weg‘?“ Gin war wirklich überrascht. „Sie ist nicht da! Die Handschellen hängen am Rohr, aber Sherry ist verschwunden!“ „Das kann nicht sein.“ Er brauchte aufgrund seiner Körpergröße weniger Schritte, um zum Ausweichgefängnis zu kommen. Und Tatsache. Ohne sein Zutun war Sherry verschwunden. „Ich benachrichtige unsere Kollegen. Sie sollen die Straßen absuchen, vielleicht finden sie sie!“ Wodka verließ den Keller in dem das Telefonieren aufgrund der dicken Wände nicht möglich war. Er konnte ja nicht ahnen, dass die Vermisste bereits in den sicheren Händen eines Ingenieurwissenschaftlers war. „Sieht so aus, als hättet ihr sie verloren“, bemerkte eine wohlbekannte Stimme hinter Gin die Tatsache sinnloser Weise. „Nun, nach den… wie viele Jahre sind es mittlerweile? 18?“ Die Person wartete auf eine Antwort, doch Gin gab weder verbal noch somatisch eine Bestätigung, also fuhr sie fort: „18 Jahren bin ich froh von hier weg zu kommen. Wir werden die Firma dieses Mal abbrennen, oder nicht?“ Endlich löste sich Gin aus seiner Starre. „Natürlich. Und zwar augenblicklich. Könntest Du das für mich übernehmen, schließlich kennst Du Dich mit den neusten Sicherheitsvorkehrungen besser aus. Es sollen alle Beweise verschwinden und das könnte sich bei den modernen Brandschutzmaßnahmen als schwierig erweisen, wenn man es als Unfall kaschieren möchte. Außerdem muss ich überlegen welche Orte wir nun aufzusuchen haben, um Sh… die kleine Ratte zu finden.“ „Du bist bereit diesen Gebäudekomplex so einfach zu vernichten? Ich dachte Dir würde mehr daran hängen, schließlich beinhaltet es viele Erinnerungen für Dich.“ „Wir haben keine Zeit für solche Sentimentalitäten, Floc.“ Die Person lachte spitz, bevor sie ihm den Rücken zuwandte und ging. „Du hast Dich ganz schön verändert zu damals. Aber keine Sorge, ich bin schon länger im Geschäft als Du. Ich weiß, was ich zu tun habe.“ Gin wartete bis das Geräusch der sich entfernenden Schritte verklungen war, bevor er sich selbst auf den Weg machte. Floc de Gascognes Worte hatten eine Erinnerung in ihm wach gerufen, von der er gewollte hatte sie bliebe in den Tiefen seines Gedächtnisses vergraben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)