Students, Hell Yeah! von caramel-bonbon ((KaRe)) ================================================================================ Kapitel 2: Die Bierflasche -------------------------- „Sorry Kai, es ist schwer sich entscheiden zu müssen, aber der arme Kerl weiss echt nicht, wo er hin soll. Sei mir nicht böse, ja? Irgendwo klappt es bestimmt.“ Mit diesen Worten hatte er ihn abgewimmelt. Kai war ihm nicht böse, so war das nun mal mit diesen Studenten-Wohngemeinschaften, irgendwo würde auch er etwas finden, so wie der Chinese gesagt hatte. Rei wusste nicht ganz, ob er froh war, oder ob er sich doch falsch entschieden hatte, denn ihm war dieser Russe nicht ganz geheuer. Er war zwar ruhig, aber schon fast kalt und auch sonst hatte er eine Art an sich, die ihm Gänsehaut bescherte. Und die Frage, die er ihm praktisch aufgezwungen hatte, war unerhört. Ausserdem war er rein körperlich gesehen grösser und stärker als er und wenn sich doch herausstellen sollte, dass er wie die anderen war, hatte er wahrscheinlich nicht den geringsten Hauch einer Chance. Dennis, ein Biologie-Student im fünften Semester, der von seinen Eltern sozusagen auf die Strasse gesetzt wurde hingegen, stellte sich als lieb und harmlos heraus und obwohl er der Ältere war, schien er von Rei ein bisschen eingeschüchtert zu sein und das war ihm nur recht. So war wenigstens seine Ruhe garantiert. Der Tag, an dem er endlich Kelvin rauswerfen konnte war endlich da, doch dieser krallte sich an Reis Arm fest und flehte ihn flennend an, das nicht zu tun. „Das kannst du doch nicht machen! Rei, Rei, es tut mir leid, es kommt auch nie mehr vor, ich werde es nie wieder machen, versprochen! Bitte Rei, lass mich hier bleiben.“ Doch Rei schob ihn grob von sich und funkelte ihn aus verachtenden Augen an. Seine Stimme zitterte, als er versuchte, sich zu beherrschen. „Vergiss es, Kelvin, du hattest deine Chancen. Mehrere! Jetzt verschwinde endlich und lass mich in Ruhe!“ Ein Knall, und Reis Kopf wurde zur Seite geschleudert. Kelvin hatte sich vor ihm aufgebaut, er bebte vor Zorn. „Du bist doch selbst schuld, du hast mich provoziert, du wolltest es doch! Schau mich an und sag mir, dass du es selber wolltest!“ Wütend packte er Reis Kinn und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. Doch was er sah, liess ihn zusammenzucken. Kälte, Hass, Verachtung, Ekel stachen ihm entgegen. „Raus, sofort.“ Ganz ruhig hatte er diese Worte gesprochen. So ruhig, dass es Kelvin kalt den Rücken hinunterlief. Langsam liess er die Hand sinken und starrte in Reis verengte Augen. Dann drehte er sich abrupt um und rannte aus der Wohnung. „Dieser Arsch“, murmelte Rei und hielt sich die schmerzende Wange. Es fühlte sich an, als ob sein Kopf explodieren würde, das gab bestimmt ein wüstes Feilchen. Die Hand im Gesicht ging er in die Küche und füllte sich ein Glas mit Wasser. Dann holte er Aspirin aus der Schublade und warf sich eine Tablette in den Rachen. „Scheisse“, kam es verzweifelt aus seiner Kehle. Er war so froh, dass er diesen miesen Arsch nicht mehr sehen musste, so froh. Ihm war schwindelig. Er zitterte am ganzen Leib. Dieser Kerl hatte es doch tatsächlich geschafft, Panik in ihm auszulösen. Er hätte sich wehren können, aber er hätte ihn spitalreif geschlagen, was dieser Mistkerl zwar verdient hätte, aber nicht Reis Art war, mit Menschen umzugehen. Er hatte sich in die Enge getrieben gefühlt. Ein Klirren liess ihn aufschrecken. Das Glas war ihm zwischen den Fingern durchgerutscht und nun lagen die Scherben im Wasser verstreut in der Küche. „Scheisse“, fluchte er abermals. Er hatte jetzt echt keinen Nerv für so was. Hastig verliess er das Haus. Er wollte nicht mehr da sein, wenn Kelvin seine Sachen abholte. Er hatte ihm nichts mehr zu sagen. Und sehen wollte er ihn erst recht nicht mehr. Er musste sich dringend beruhigen und das ging am besten, wenn er ein bisschen durch die Stadt bummelte und irgendwo einen Kaffee trank und las. Gedacht, schlenderte er zu seinem Lieblingscafe und bestellte sich einen grossen Soja Latte zum mitnehmen. Dass er von jeder Seite schräg gemustert wurde, ignorierte er einfach, schnappte seinen Becher und ging nach draussen auf die Terrasse, wo er sich in die hinterste Ecke an einen Tisch setzte und sein Buch aufschlug. „Na, feierst du Kelvins Abgang?“ Überrascht schaute Rei von seiner Lektüre auf, wobei ihm die Ponyfransen aus dem Gesicht fielen. „Woah, was ist denn mit deinem Gesicht passiert?“, fragte Lee erschrocken. Reis Züge wurden hart und genervt strich er sich durch die Haare. „Setz dich, ich erzähl es dir!“ Und als er geendet hatte, sass Lee mit zu Fäusten geballten Händen am Tisch und fluchte lauthals und abschätzig über Kelvin. Rei wusste, dass sein bester Freund jetzt am liebsten aufgestanden wäre und Kelvin gesucht hätte, um ihn zu Tode zu prügeln und hätte er die ganze Nacht suchen müssen. Er winkte ab und lehnte sich zurück, tiefer in den Stuhl. „Egal jetzt, er ist ja endlich weg und so schnell werde ich ihm schon nicht mehr über den Weg laufen. Er ist Geschichte. Schliesslich habe ich ja jetzt einen neuen Mitbewohner, der ist harmlos.“ Das hoffte er zumindest, denn er wusste, dass es nicht gut war, Leute aus purem Mitleid bei sich aufzunehmen, aber einen Versuch war es wert, da er hoffte, mit ihm auch endlich seine Ruhe finden zu können. Kai erwähnte er mit keinem Wort. Er wollte sich von der ganzen Mitbewohnersuche erst mal etwas ablenken und so wechselte er das Thema, in das Lee auch gleich drauf einging. Er schaute nicht auf die Uhr und so bemerkte er nicht, dass es immer später und dunkler wurde und ein kühler Luftzug unter seine Kleider drang. Lees Magen knurrte unaufhörlich und er beschloss schliesslich, nach Hause zu gehen. Rei hatte keinen Hunger. Er schlenderte etwas durch die Stadt und versank tief in Gedanken. Nach Hause gehen mochte er nicht, obwohl er dort alleine gewesen wäre. Er seufzte und liess sich auf eine Bank sinken. Er war erfüllt mit unterschiedlichen Gefühlen. Einerseits war er erleichtert, dass Kelvin endlich weg war, der tiefe Groll gegen ihn löste sich allmählich auf, andererseits war er zwar nicht nervös, aber trotzdem bedrückt, dass schon wieder ein neuer Mitbewohner einziehen würde und das nicht unbedingt wegen der Sympathie, die er für ihn empfand. Hinzu kam noch, dass er mit seiner Entscheidung nicht gerade glücklich war, denn Kai ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er wäre bestimmt der perfekte Mitbewohner gewesen. Ruhig, bodenständig, er studierte dasselbe wie er, was hiess, dass sie miteinander hätten lernen können, und er war auch nicht immer da. Dass er etwas muffelig war, damit hätte Rei leben können. Alles war ihm lieber als der schwule Playboy Kelvin. Nicht dass er etwas gegen Schwule hatte, aber Kelvin war ein arrogantes Arschloch, der dachte, alles und jeden flachlegen zu können. Rei schnaufte verächtlich und blickte hoch zu den Sternen. Am nächsten Tag sass Rei ruhig auf seinem Stuhl, hatte den Kopf auf die Arme gestützt und blickte stur nach vorne, doch er sah den Professor nicht, der vorne auf und ab lief und ihnen seinen Stoff predigte, geschweige denn, dass er ihm zuhörte. Er beachtete nicht einmal Lee, der schon die ganze Zeit versuchte, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Erst als es zur Pause klingelte, regte er sich und schaute seinen besten Freund emotionslos an. „Ich habe keinen Bock auf einen neuen Mitbewohner. Warum kannst nicht einfach du zu mir ziehen?“ Sie hatten das Thema schon oft durchgekaut und Rei wusste, dass Lees Eltern ihm den Kopf abreissen würden, käme er auf die Idee, sie und seine Geschwister im Stich zu lassen. Rei seufzte und winkte ab, ehe Lee auch nur ein Wort sagen konnte und klappte den Mund wieder zu. Abwesend liess er den Blick über die Köpfe im Hörsaal gleiten und blieb an einer der Türen hängen, die gerade wieder zuging und durch deren Spalt er einen Blick nach draussen erhaschen konnte. Kai stand am Fenstersims und schlürfte Kaffee. „Ich komme gleich wieder“, sagte er abrupt, erhob sich und quetschte sich an einigen Studenten vorbei. Lee schüttelte nur den Kopf. Er verstand seinen ansonsten so ausgeglichenen Freund im Moment einfach überhaupt nicht. „Hallo Kai!“ Angesprochener drehte sich um und sah etwas überrascht den Chinesen auf sich zukommen. Er hatte ihn schon den ganzen Tag lang nicht gesehen und hatte gedacht, dass er vielleicht zu Hause geblieben war. Er nickte ihm zu und bemerkte das blaue Feilchen, das Reis Wange zierte. Seine Augenbrauen zogen sich tief nach unten, sodass sich seine Augen bedrohlich verengten. Rei schluckte kurz bei diesem Anblick. „Hast du dich mit Kelvin geprügelt?“, fragte er gerade hinaus. „Nicht direkt“, antwortete Rei und grinste verlegen ob der direkten Art seines Gegenübers, „er wollte nicht gehen, aber als ich ihn trotzdem rausgeworfen habe, fühlte er sich wahrscheinlich in seinem Stolz verletzt, um es kurz zu halten. Halb so wild.“ Rei zuckte mit den Schultern und Kai nickte abermals. „Sieht übel aus“, kommentierte er trotzdem trocken und setzte seinen Becher an die Lippen. „Ich werd’s überleben“, meinte Rei gelassen und trat neben Kai ans Fenster, um hinaus zu blicken. „Und?“, fragte Kai nach einigen Minuten des Schweigens. Rei blickte ihn etwas verständnislos an. Kai seufzte und schloss die Augen. „Was willst du von mir?“ Schulterzuckend schaute Rei wieder aus dem Fenster. „Weiss nicht, einfach hallo sagen, glaube ich.“ Nach dem kaum hörbar gemurmelten „Hm“ von Kai, schauten beide stumm aus dem Fenster, Kais Kaffee wurde kalt und erst als die Klingel die Pause beendete, schreckten sie aus ihren Gedankentiefen heraus. Es war erst ende November, als überraschend Schnee fiel. Kai hatte sich an die neue Stadt schon einigermassen gewöhnt, sich in den Studentenalltag eingelebt, hatte noch keinen einzigen wahren Freund gefunden, ausser dass er ab und zu mit Rei sprach, ging deswegen drei bis vier mal die Woche ins Training um die Zeit tot zu schlagen, was sich ziemlich schnell äusserte, indem seine Klamotten enger wurden. Reis neuer Mitbewohner entpuppte sich als flennendes Muttersöhnchen. Wenn er gerade mal nicht lernte, telefonierte er mit Mutti, Sport trieb er keinen ausser auf der Xbox, er ernährte sich ungesund und entsprach auch so nicht besonders Reis Vorstellungen von einem angenehmen Mitbewohner. Er hatte wirklich Pech. Als er eines Abends nach der Arbeit müde nach Hause kam, fand er Donnie den Bio-Fuzzie im Wohnzimmer auf dem Sofa hockend vor, sichtlich unruhig zappelnd und offensichtlich auf ihn wartend, denn sobald er Rei bemerkte, erhob er sich und ging auf ihn zu. „Rei?“ Dieser hob den Kopf, als hätte er ihn nicht bemerkt. „Oh, hallo Donnie, was gibt’s?“, fragte er, während er in die Küche ging, um sich etwas zu Trinken zu holen. „Also, weisst du, es ist so“, druckste er rum. Rei seufzte genervt. „Spuck schon aus Donnie, was ist los?“ „Also, es ist so, dass, nun ja, wir haben uns wieder vertragen und ich darf wieder nach Hause zurück. Naja, ich hoffe du bist mir nicht böse, dass du schon wieder einen neuen Mitbewohner suchen musst. Tut mir echt leid, aber vielen Dank, dass du mir das Zimmer gegeben hast.“ Hätte Rei nicht abgewinkt, Donnie würde noch immer vor sich hin brabbeln. „Lass gut sein, wann ziehst du aus?“ Rei war es so leid, dass er mittlerweile gar nicht mehr lange drum herum redete und warf sich ein Stück Käse in den Mund. „Naja, also wenn du nichts dagegen hast, würde ich so schnell wie möglich nach Hause gehen.“ Rei zog eine Augenbraue nach oben. „Also morgen. Und wer zahlt mir die Miete, bis ich jemanden gefunden habe? Es ist schon ende November, nicht gerade eine günstige Zeit für einen Umzug.“ „Ähm“, setzte Donnie bereits wieder an, doch Rei gähnte. „Lass uns das morgen besprechen, ich bin müde und möchte ins Bett.“ Wenige Tage später hatte Donnie auch die letzte seiner Socken aus dem Zimmer geholt. Seine Eltern hatten Rei versprochen, für die Miete des nächsten Monats aufzukommen, doch es blieb wieder an ihm hängen einen neuen Mitbewohner zu finden und er hatte bereits einige Exemplare seiner Standardanzeige ausgedruckt. Nun sass er auf dem Sofa und starrte auf die Computerschrift. Kai kam ihm in den Sinn. Eigentlich hatte er sich gleich nach Donnies Einzug überlegt, dass er Kai fragen wollte, ob er nicht doch noch bei ihm einziehen möchte, sollte Donnie wieder gehen. Doch er hatte seine Nummer nicht mehr und so passte er ihn vor der nächsten Vorlesung vor der Uni ab. „Kai! Warte mal“, rief er ihm zu und lief im Laufschritt zu ihm rüber. Dass er keinen Guten-Morgen-Gruss bekam, wusste er bereits, er hatte sich mittlerweile an die stille und sehr zurückhaltende Art des Russens gewöhnt. „Hör mal, Donnie ist ausgezogen.“ Kai blieb stehen und blickte ihn an. „Ja und?“ Rei unterdrückte den Drang, die Augen zu verdrehen und sprach stattdessen weiter. „Du wohnst doch noch in deiner Bruchbude, oder?“ Ein Nicken. „Naja, das Zimmer ist wieder frei und ich dachte mir, bevor ich die Anzeige aushänge, frage ich dich mal, ob du noch Interesse hättest.“ „Hm“, kam als einziges von Kai. Eigentlich gab es gar nicht viel zu überlegen. Er hasste seine momentane Wohnung, zudem war sie viel zu teuer für das, was er dafür bekam. Reis Wohnung war näher an der Uni, hatte einen Balkon, einen Lift, der nicht auseinander zu fallen oder abzustürzen drohte, und Rei wäre wahrscheinlich sowieso der einzige Mitbewohner, mit dem er sich zufrieden geben würde. „Hast du eine Kündigungsfrist für deine Wohnung?“, hackte Rei nach. „Einen Monat“, kam die knappe Antwort und Rei grinste. „Perfekt, dann könntest du anfangs Januar einziehen!“ Da Rei Kai mittlerweile zu seinen Freunden zählte, auch wenn er sich nicht sicher war, ob das auf Gegenseitigkeit beruhte, war er der Meinung, dass sie zusammen an die nächste Studentenparty gehen sollten. Er hatte sich schon gedacht, dass Kai nicht sehr viel in seiner Freizeit unternahm, geschweige denn an eine Studentenparty ging. Er sah sofort, dass Kai alles andere als begeistert war, konnte ihn dann trotz allem überreden mitzukommen und so standen sie eine gute Woche später um halb zwölf vor dem Eingang des Clubs. Kai fasste sich an den Kopf. „Ich fass es nicht, dass du es tatsächlich geschafft hast mich zu dem da zu überreden!“ Rei grinste sein Siegerlächeln und zog ihn an den Türstehern vorbei, die einen kurzen Blick auf ihre Ausweise warfen, hinein in den stickigen, lauten Club. Nachdem sie ihre dicken Winterjacken an der Garderobe abgegeben hatten, dauerte es gar nicht lange und Kai fand sich umringt von Reis Freunden, wie sich herausstellte vor allem Mädchen. Hübsche Mädchen, wie Kai auffiel. Allerdings passte es ihm gar nicht, so umringt zu sein, weshalb er sich ziemlich schnell verdrückte und an der Bar etwas zu Trinken bestellte. Das Mädchen hinter der Bar hatte einen tiefen Ausschnitt und ihre Brüste drohten beinahe rauszufallen. Kai schüttelte den Kopf. Dass Männer auf so etwas standen, war ihm nicht ganz so verständlich. Er fand das eher billig und während er darüber nachdachte, fiel sein Blick zurück auf Rei, der immer noch damit beschäftigt war, seine Freundinnen zu umarmen. Küsschen hier, Küsschen da. Einen Arm hatte er um die Hüfte der einen gelegt, während er einer anderen durch die Haare fuhr. Dann schien ihm plötzlich etwas in den Sinn zu kommen und er winkte Kai wieder zu sich rüber, um ihn allen vorzustellen. „Leute, das ist Kai, mein neuer Mitbewohner ab Januar.“ Einer der Typen klopfte ihm auf die Schulter. „Mal schauen, wie lange du es aushalten wirst. Will jemand wetten?“ Während die einen eifrig wetteten und Rei ihnen lachend zusah, legte eines der Mädchen Kai eine Hand auf den Arm. „Hast du Lust zu tanzen?“ Kai blickte zu ihr runter. Sie war sicher eines der süssesten Mädchen, die er je gesehen hatte und irgendwie wunderte es ihn nicht, dass Rei mit ihr befreundet war. Im Gegensatz zu ihm schien dieser nämlich ein ziemlicher Frauenheld zu sein. „Lass mal, ich tanz nicht gerne“, antwortete er dann aber trocken, worauf das Mädchen mit den Schultern zuckte und sich umdrehte, offensichtlich um sich einen anderen Tanzpartner zu suchen. Kai wandte sich seinem Getränk zu. Auch Rei hatte sich mittlerweile etwas an der Bar bestellt und während er wartete, wandte er seinen Blick nicht von Kai ab. Er trug ein schwarzes Muscleshirt und Rei war sich sicher, dass seine Arme seit ihrem letzten Treffen einiges an Volumen zugelegt hatten. Und offensichtlich war er in der ganzen Zeit noch nicht einmal beim Friseur gewesen, denn seine graublauen Haare hingen ihm ungezähmt ins Gesicht und verdeckten seine Augen. Rei grinste schief. Er sah verdammt gut aus. Aber anscheinend schien er nicht zu wissen, was für eine Wirkung er auf andere hatte, oder er war einfach zu schüchtern. Denn er bemerkte die Blicke, die der Russe von den Mädchen zugeworfen bekam. Als er gezahlt hatte, schnappte er sich sein Bier und gönnte sich gleich einen grossen Schluck, um dann wieder zu seinen Freunden zurück zu gehen. Dort legte er einen Arm um Kais Schulter und zog ihn etwas näher zu sich. „Sag mal, hast du’s nicht so mit Frauen? Guck mal, wie die dich alle ansabbern. Geh doch mal zu einer rüber“, fragte er ihn direkt ins Ohr, damit Kai ihn auch ja verstand. Dieser schaute ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Nein, ich hab’s nicht mit Frauen“, antwortete er wahrheitsgemäss. Rei zog ihn noch etwas näher. „Bist du etwa schüchtern? Wenn es das ist, könnte ich dir helfen“, bot Rei etwas leiser an, da er fand, die andern müssten sowas nicht mitbekommen. „Lass mal.“ Kai nahm sich einen Schluck und Rei zog seinen Arm zurück um es ihm gleich zu tun. Dann drückte er ihm seine Bierflasche in die Hand und tänzelte Richtung Tanzfläche. „Halt mal, ich geh tanzen!“, dann war er auch schon verschwunden und Kai blickte ihm verdutzt nach, sah, wie Rei mitten in einer Horde Mädchen verschwand, die auf ihn warteten und sich lachend und kreischend auf ihn stürzten. „Ich beneide ihn“, kam es plötzlich von der Seite. Kai blickte einen von Reis Kumpels an. „Wieso?“ Der andere grinste. „Die Mädchen laufen ihm nach. Er versteht sich einfach mit allen, geht mit ihnen aus, ist ihr engster Vertrauter, sie teilen alles mit ihm und sie laden ihn ständig zu sich nach Hause ein, wo sie ungeniert in Unterwäsche vor ihm herumlaufen und trotzdem herrscht zwischen ihnen absolut kein Konkurrenzkampf. Ich will auch so sein“, schwärmte er und seine Augen glitzerten Rei bewundernd an. Wenn Rei wirklich so war, wie dieser Typ gerade beschrieben hatte, wunderte es Kai nicht, warum er keine Frau als Mitbewohner haben wollte und er fragte sich etwas verärgert, wie viele Frauen der Schwarzhaarige im Monat mit sich nach Hause nahm. Er wusste, dass er ihn bei Gelegenheit darauf ansprechen musste, schliesslich hatte er keine Lust, ständig irgendwelche kreischende Mädchen in seiner Nähe zu haben, geschweige denn lautes Gestöhne mit anhören zu müssen. Als er so darüber nachdachte, konnte er nicht verhindern, dass sein Unterbewusstsein sich sein eigenes Bild davon malte, wie der Chinese nackt wohl aussehen mochte, und auch nicht, dass diese Vorstellung von seinem muskulösen dunklen Körper langsam in sein Bewusstsein vordrang. Hastig kippte er sich einen grossen Schluck Bier in den Rachen, um diese Fantasien zu ertränken. Nein, er kannte Reis Vergangenheit mit seinem ehemaligen Mitbewohner und den Grund für dessen Rauswurf und er durfte und wollte nicht daran denken, was sich alles mit diesem Körper anstellen liesse. Es war bereits weit nach Mitternacht und Kai ziemlich müde. Er war sich nicht gewohnt, so lange aufzubleiben und die stickige Luft machte ihn schläfrig. Doch Rei sah nicht danach aus, als ob er schon gehen wollte. Stattdessen hüpfte er sichtlich gut gelaunt und angeheitert auf der Tanzfläche rum und lachte. Kai wollte ihn nicht stören, rammte einem von seinen Kumpels den Ellbogen in die Rippen und meldete sich ab. Allerdings hatte er sich keine zwanzig Meter vom Club entfernt, da wurde er von hinten angesprungen. Rei hatte ihn eingeholt, noch nicht mal seine Jacke angezogen und stand jetzt im T-Shirt vor ihm. „Sag nicht, du wolltest einfach abhauen, ohne dich zu verabschieden!“, murrte der Schwarzhaarige und verhedderte sich in einem Ärmel. Kai zuckte mit den Schultern und hielt den Saum von Reis Jacke fest, um ihm das Hineinschlüpfen zu erleichtern. „Ich habe gesagt wir gehen zusammen feiern, das heisst aber auch, dass wir wieder zusammen nach Hause gehen, merk dir das für das nächste Mal, okay?“ Kai nickte und machte Anstalten weiterzugehen, weshalb Rei mit grossen Schritten nachzog. Er wollte ihn unbedingt nach Hause bringen, schliesslich war er ein Gentleman. Sie redeten nicht viel, während Rei neben Kai herlief, der sein Zuhause ansteuerte, das sich als Einzimmerwohnung in einem grossen, heruntergekommenen, dreckigen Blockhochhaus herausstellte. Rei schluckte trocken und betrachtete sie schmutzige Fassade. „Hier wohnst du?“, fragte er, worauf er ein Nicken als Antwort erhielt. „Sieht nett aus.“ Kai grunzte. „Ich würde dich ja noch hoch nehmen, aber ich kann dir leider nichts anbieten ausser Wasser oder Wodka.“ Rei überlegte es sich zweimal, bevor er einen Entschluss fasste und einen Schritt auf die Eingangstür machte. „Ich denke, Wodka ist in Ordnung.“ Kai grinste und folgte ihm, schloss die Haustür auf und ging dann voraus zum Fahrstuhl, zog die Türe auf und wollte den Chinesen vorlassen, doch der schaute von Kai in den Lift und wieder zu Kai und fing an zu lachen. „Du willst nicht allen Ernstes mit dem Ding hochfahren? Ich mach da keinen Schritt rein, das Ding sieht aus, als würde es gleich abstürzen!“ Kai zuckte mit den Schultern, trat in den Lift und drückte den Knopf für die oberste Etage, während die Tür sich wieder schloss. Rei biss sich auf die Unterlippe. „Warte“, rief er und riss die Tür wieder auf, „wenn ich sterbe, ist das deine Schuld.“ Todesmutig machte er den Schritt, der ihn in den Aufzug trug. Er knarrte laut und sackte einige Zentimeter tiefer und Reis Augen weiteten sich. „Hält der uns beiden Stand?“ Auf Kais Gesicht lag ein amüsierter Ausdruck. „Weiss nicht.“ Rei starrte ihn an. „Wie, du weisst nicht?“ Kai schaute ihn an. „Ich bin bis jetzt immer alleine hochgefahren. Ob er dein zusätzliches Gewicht schafft, das sehen wir, wenn wir oben sind.“ Rei fasste sich an den Kopf. „Ich bring dich um“, nuschelte er und strich sich durch die Haare. Kais Grinsen wurde breiter. Plötzlich ruckelte der kleine Lift heftig und das Licht flackerte. Rei klammerte sich an den Ärmelsäumen fest und blickte Kai an, der sich das Lachen mehr schlecht als recht verkneifen konnte. Müsste Rei nicht jederzeit damit rechnen, abzustürzen, er hätte verharrt und Kai beim Lachen zugesehen, denn seit er ihn kannte, hatte er ihn noch nie fröhlich gesehen und Rei spürte ein freudiges Ziehen im Bauch. Allerdings verschwand das sofort wieder, als der Lift ein weiteres Mal ruckelte. Er war überglücklich, endlich wieder festen Boden unter den Füssen zu haben, als sie den Lift verliessen, der es tatsächlich ächzend geschafft hatte, sie in den elften Stock zu tragen. Kai schloss die Tür zu seiner Wohnung auf. Die Neugierde nicht verstecken könnend, sah sich Rei sofort überall um. Der Raum war klein. Lediglich ein Bett, ein Regal das aussah wie von Ikea, ein Schreibtisch, der überhäuft war mit Büchern und Papierstapeln, darunter ein einziger Kabelsalat, daneben eine Kommode worauf ein Fernseher stand, direkt auf das Bett gerichtet, ein kleiner quadratischer Klapptisch mit zwei Klappstühlen, mehr nicht. Das kleine Badezimmer fiel beinahe auseinander und die winzige Küche sah auch nicht besser aus, zudem war sie überhäuft mit Packungen von Fertiggerichten und dreckigen Tellern. Reis rechter Mundwinkel zog sich bei diesem Anblick nach unten. „Das da gibt’s bei mir aber nicht mehr, kapiert?“, sagte er tadelnd an Kai gewandt, während er mit dem Zeigefinger in die Küche zeigte und die Nase rümpfte. Kai nickte. „Selbstverständlich nicht. Hier bin ich schliesslich alleine.“ Diesmal war es an Rei mit den Schultern zu zucken und er schloss die Tür zur Küche, da drückte Kai ihm auch gleich ein Glas mit Wodka in die Hand. „Oh, danke!“ Er hob das Glas und prostete Kai zu, der es ihm gleichtat und gleichzeitig setzten sie die Gläser an den Mund und tranken bis auf den letzten Tropfen aus. Reis Rachen brannte. „Guter russischer Wodka“, lächelte Kai und schenkte nach. Sie sassen an dem kleinen quadratischen Klapptisch und tranken und redeten, wobei Kai mehr zuhörte und Rei leicht angeheitert über Gott und die Welt quasselte. Der Hunger packte sie nach dem dritten Glas und Kai schob eine Pizza in den Mikrowellenofen, die sie dann genüsslich verspeisten. Als Rei Anstalten machte zu gehen, war schon viel Zeit vergangen und die Flasche fast leer. „Soll ich dir noch helfen abwaschen?“, fragte er etwas lallend und sichtlich müde, doch Kai winkte ab, worauf Rei lächelte. Er fühlte sich glücklich. Kai war ihm nun etwas näher und er verstand ihn etwas besser, wobei er noch immer nicht wirklich etwas über ihn wusste. Doch er freute sich jetzt noch mehr, mit ihm zusammenzuziehen. „Willst du nicht vielleicht hier schlafen?“, bot Kai an, doch Rei schüttelte den Kopf. „Passt schon, ist ja nicht so weit, und so kann ich meinen Kopf etwas durchlüften. Ich nehm aber nicht den Lift!“ Kai lachte und schloss die Tür hinter sich und Rei wartete dann doch auf den Fahrstuhl, der mittlerweile jemand anderen in einen anderen Stock gebracht hatte. Er war einfach zu müde, um jetzt noch die vielen Treppen runterzulaufen und zu angeheitert, als dass er die elf Stockwerke unversehrt hinuntergeschafft hätte und er vertraute darauf, dass das Schicksal noch einiges mit ihm vorhatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)