Cherry Blossom Palace von Centurion (Byakuya x Ulquiorra) ================================================================================ Kapitel 2: Ein sonderbarer Arzt ------------------------------- Gleißendes Sonnenlicht, welches auf unverschämte Weise in Ulquiorras Gesicht strahlte und sich nicht einmal durch die blass-rosafarbenen Gardinen, mit denen die großen Fenster geschmückt waren, aufhalten ließ, riss den blässlichen Jungen aus dem Schlaf. Er brauchte eine kurze Weile, um sich zu orientieren. Das war eindeutig nicht sein Zimmer. Seine Vorhänge waren schwarz und lichtundurchlässig, sodass er auch niemals von der Sonne gestört wurde, wenn er sie nicht sehen wollte. Er befand sich also immer noch im Schloss dieses überheblichen Adeligen. Kein Traum. Wie schade. Ein Klopfen an der Tür ertönte. An diesem Ort wurde man wohl auch von nervigen Bediensteten geklopft. Nur, dass das Anklopfen hier nicht so zart und zurückhaltend wie das von Momo, seines Onkels Hausmädchen, klang. Man konnte es fast schon mit groben Faustschlägen gegen die Tür vergleichen, es war also zu vermuten, dass der große rothaarige Butler von gestern der Urheber dieser Geräusche war. Und er war es. Ohne auch nur eine Antwort des derzeitigen Zimmerbewohners abzuwarten, betrat er mit schweren Schritten das Zimmer. „Lord Kuchiki ruft Sie zum Frühstück. Wennse also aufstehn würden…“ Renjis Art zu Sprechen passte gewiss nicht in die adelige Gesellschaft. Ulquiorra fragte sich, warum der edle Herr so jemanden als seinen Butler eingestellt hatte. Nicht, dass es ihn stören würde. Umso mehr störte es ihn allerdings, dass Renji nun die rosanen Vorhänge aufriss, sodass das Sonnenlicht auf unbeugsame Weise den Raum durchflutete. Ulquiorra musste schützend eine Hand über die Augen legen, um nicht allzu sehr geblendet zu werden. „Soll ich Ihnen noch beim Anziehen helfen?“ Ein entgeisterter Blick von Seiten des blassen Siebzehnjährigen genügte als Antwort, sodass Renji sich verzog. Hilfe beim Anziehen? Wo war er hier gelandet? Er war schließlich kein Kleinkind mehr. Oder waren Adelige etwa so faul, dass sie Hilfe brauchten, um sich einzukleiden? Sie konnten ja nicht einmal selbst aufräumen und das Essen zubereiten. Nun gut, Onkel Aizen konnte das auch nicht. Vermutlich war es normal für Leute, die sich für besonders wichtig hielten, solcherlei Arbeiten nicht selbst zu verrichten. Ulquiorra hatte eigentlich auch keine Lust auf solche Dinge. Es gab nicht viel, worauf er Lust hatte. Langsam er hob er sich aus dem Bett und begann, sich anzuziehen. Seine Kleidung, die er am gestrigen Tag getragen hatte, war anscheinend über Nacht entwendet worden, stattdessen hingen über einem Stuhl andere Kleidungsstücke, die man allesamt mit dem Wort „adelig“ beschreiben konnte. Viel um seine Kleidung gab er ohnehin nicht. Vor der Tür wartete bereits Renji, der den Jungen zum Frühstückstisch geleiten wollte. „Frühstück is heut draußen. Jetzt is ja Kirschblütenzeit, ne? Unser Herr liebt ja diese rosa Blätter und so. Da ist er dann immer draußen, wenn er kann“, erfolgte Renjis Erklärung ungefragt. Außer einem „Aha“ gab Ulquiorra keine Antwort. Es war ihm ohnehin egal, wo sie Frühstücken würden, schließlich ging es dabei nur um die Nahrungsaufnahme an sich. Auf der Terasse angekommen, auf der sich bereits ein üppiges Frühstücksbankett und ein arrogant blickender Adeliger befanden, musste der Junge dennoch zugeben, dass sich ihm solch ein Anblick noch nie zuvor geboten hatte; unzählige Kirschbäume hüllten den Landsitz ein eine rosafarbene Pracht, durch eine seichte Brise schwebten die Blätter gemütlich umher, fast, als hätte jemand die Zeit verlangsamt. Die Umhüllung dieser im Sonnenlicht leicht glänzenden Blüten verlieh dem Anwesen, das Ulquiorra erst jetzt, in der Helligkeit, wirklich betrachten konnte, einen besonderen Charme, den selbst er fast als „schön“ bezeichnen würde. „Das Kuchiki-Anwesen besitzt den größten Kirschbaum bestand des ganzen Landes“, meldete sich nun Byakuya zu Wort, der die Blicke das Jungen natürlich bemerkt hatte. „Jeden Frühling entfaltet sich diese Pracht zu ihrer vollkommenen Schönheit. Aus diesem Grund ist dieser allgemein hin als Palast der Kirschblüten bekannt.“ Palast? War das nicht etwas hoch gegriffen? Ulquiorra studierte den Bau ein weiteres Mal. Vielleicht war es auch doch eine angemessene Beschreibung… „Ich wusste nicht, dass dieser Ort so berühmt ist“, gab er in neutralem Tonfall zu und setzt sich an das andere Ende des Tisches, gegenüber von Kuchiki. „Dann nehme ich an, dass du dich weder für das Adelswesen, noch für besondere Sehenswürdigkeiten interessierst? Wobei Sehenswürdigkeit zu hoch gegriffen sein könnte. Ich lasse ungern Touristen in meinen Garten.“ Eine leichte Abscheu für neugierige aus dem Volk konnte man seiner Stimme deutlich vernehmen. Seine Worte allerdings trafen den Nagel ziemlich genau auf den Kopf. Die meiste Zeit seines Lebens hatte Ulquiorra in seinem Zimmer im Haus seines Onkels verbracht, nur selten hatte er die Motivation besessen, sich auch außerhalb des Hauses zu bewegen. Selten hatte das jemand von ihm verlangt, und er respektierte ohnehin nur die Wünsche seines Onkels selbst. „Nach dem Essen wird Renji dich zum Hausarzt geleiten, der deine Gesundheit überprüfen wird. Mit dem Unterricht beginnen wir morgen, da ich heute noch einige Arbeiten zu verrichten habe. Nach dem Arztbesuch ist dir der Tag freigestellt.“ Ein einziges Nicken diente als Antwort. Da hier seiner Meinung nach ohnehin keine angenehmen Aufgaben auf ihn warteten, war es Ulquiorra auch recht egal, was ihn nun erwartete und wann der Unterricht begann. Er hoffte lediglich, bald nach Hause zu können. Während des Essens wurde vollkommen geschwiegen. Beide Anwesenden waren, wie sich schnell herausstellte, nicht sonderlich gesprächig, was allerdings auch keinen wirklich störte, vor allem Ulquiorra selbst nicht. Als das Frühstück abgeräumt wurde (der Großteil des Essens war nicht einmal angerührt worden und wurde nun vermutlich an die Bediensteten verfüttert), erhob sich Kuchiki rasch, um mit der Arbeit zu beginnen. „Ich werde dich beim Abendessen empfangen. Bis dahin einen angenehmen Tag.“ Mit diesen Worten verschwand er im Inneren des Palastes. Für den blassen Jungen selbst hieß es nun auch, zu gehen, obwohl er gerne noch ein wenig länger auf der stillen Terrasse mit der hübschen Aussicht gesessen hätte. Einen Seufzer unterdrückend folgte er nun wieder dem Butler mit der Ananas-Frisur, diesmal ging es in einen Flügel des Hauses, den er bisher noch nicht gesehen hatte. Ohnehin hatte er noch nicht viel von dem Anwesen gesehen und vermutete, dass er sich ohne Renji wohl längst verlaufen hätte. Vor dem Raum, dessen Tür die Aufschrift „Hausarzt“ trug, blieb der große Mann abrupt stehen. „Nun, ich denk mal, Sie gehen da besser allein rein. Ich komm dann später wieder. Bis… dann… Muss noch in der Küche helfen…!“ Dieser Satz klang verdächtig nach einer Ausrede. Da Ulquiorra allerdings ohnehin nicht gut darin war, Lügen zu durchschauen, machte er diese Anklage nicht öffentlich. Eigentlich war es ihm sogar lieber, wenn der Butler nicht dabei war. Ein wenig Argwohn machte sich dennoch in ihm breit… Nichtsdestotrotz klopfte er. Es dauerte nicht lang, als auf der anderen Seite der Tür bereits hastige Schritte zu hören waren, gefolgt von einem plötzlichen Aufreißen der Tür. „Guten Morgen! Was kann ich für Euch tun, mein Lo…“ Der ihm gegenüberstehende Mann brach ab. Er blinzelte verwirrt und rückte seine Brille zurecht, als würde er Ulquiorra dadurch besser erkennen können. „Oh, doch kein Lord. Du musst dann Ulquiorra sein, hm? Ja, von dir habe ich auch schon gehört… komm doch herein…“ Das anzügliche Grinsen des Arztes und das Berühren seiner Schulter, um ihn hereinzuziehen, machten Ulquiorra nervös. Auch dessen Auftreten an sich war nicht sonderlich vertrauenerweckend. Aus der Tasche des Laborkittels des Mannes ragten einige Skalpelle und der auffällige Fleck auf dem weißen Stoff war mit Sicherheit keine Erdbeermarmelade. Was allerdings am verwunderlichsten war, war die Haarfarbe des Mannes. Kirschblütenrosa. Ulquiorra fragte sich, ob Kuchiki ihn wohl nur deswegen eingestellt hatte, wo er Rosa doch so sehr liebte. Die argwöhnische Musterung schien dem Arzt nur allzu bekannt vorzukommen, teilweise schien er das sogar zu genießen. „Mein Name ist Szayel Aporro Granz, Doktor med. Granz, um genau zu sein. Du darfst mich gerne großer, verehrter Doktor nennen. Studiert habe ich an der honorierten Elite-Universität unserer Hauptstadt, mit Bestnoten und Ehrenauszeichnung, wenn ich das erwähnen darf.“ Es war ihm wohl sowieso egal, ob er das erwähnen durfte, er tat es schließlich trotzdem. Ulquiorra vermutete, dass der Doktor sich wohl gerne selbst lobte. „So, dann wollen wir mal mit der Untersuchung anfangen, nicht?“ Sein Lächeln verriet, dass er sich wohl schon darauf freute. „Wie alt bist du?“ „Siebzehn.“ „Ach, tatsächlich? Ich hätte dich für jünger gehalten. Fünfzehn, Sechzehn vielleicht…“ Verwirrt hob Ulquiorra seine Augenbrauen an. Was sollte dieser Kommentar, wollte er ihn ärgern? Was allerdings nicht klappte. Es war ihm ziemlich egal, für wie alt man ihn hielt. Direkt wurde er ausgelacht. „Na, guck nicht so verwirrt! Macht doch nichts. Lieber lange jung bleiben als früh altern. Sie mich an, habe ich mich nicht auch gut gehalten?“ Er drehte eine Art Pirouette, damit man seinen Körper besser bewundern könnte. Ob er sich nun gut gehalten hatte oder nicht, war schwer zu sagen, da Ulquiorra sein richtiges Alter ohnehin nicht kannte. Jung sah er dennoch aus. Er klatschte in die Hände, um den Beginn eines neuen Themenabschnittes einzuleiten. „Gut, dann zieh dich mal aus, damit ich anfangen kann.“ Das Zwinkern während seiner Worte hätte den Jungen fast dazu bewogen, dieser Anweisung nicht zu folgen, allerdings rief er sich in den Kopf, dass es nur Förderlich für seine Rückkehr sein könnte, den Aufforderungen an diesem Ort Folge zu leisten. Was man hier wollte, wollte auch sein Onkel, redete er sich ein und zog sich aus. Szayel holte in inzwischen einen Zollstock an den Körper des Jungen, um seine Körpergröße zu messen. „169 Zentimeter… du bist wirklich nicht groß geraten, Junge.“ Als nächstes wurde er auf eine Waage geschubst. „55 Kilogramm! Das ist aber ganz knapp an der Untergewichtsgrenze!“ Er piekste ihm am Arm und am Bauch herum. „Kaum Muskeln und Körperfett. Kein Wunder also, dass du so blass bist. Hast du daheim nichts zu Essen bekommen, oder was?“ Dieser Kommentar ging ihm nun doch ein bisschen zu weit. Niemand sollte so über seinen Onkel sprechen. „Mein Onkel hat mich nicht vernachlässigt! Ich habe immer genug zu Essen bekommen. Er kann nichts dafür, wenn ich weniger Hunger habe als andere.“ Überraschung machte sich im Gesicht des Rosahaarigen breit, wurde wenig später aber wieder durch ein Grinsen ersetzt. „Hältst viel auf deinen Onkel, wie? Sousuke Aizen… Der Besitzer dieses berühmten Tee-Konzerns, was? Haste aber nen ganz schön reichen Verwandten, muss man sagen. Kein Wunder, dass der mit unserem edlen Kuchiki befreundet ist. Und du wirst also alles erben? Sicher, dass ein kleiner Junge wie du das schafft?“ Seine Worte klangen wissentlich provokant. Ulquiorras Blick verfinsterte sich leicht. „Es ist nicht die Frage, ob ich sicher bin, dass ich es schaffe. Ich muss es, für meinen Onkel. Und ich habe ihn bisher noch nicht enttäuscht.“ Ein Lachen erfüllte den Raum. „Hast du nicht, soso. Dann müssen wir uns ja keine Sorgen machen, was? Also guck mal nicht so böse.“ Er wuschelte ihm durch die Haare. „Echt niedlich.“ Komplett verwirrt starrte der Jüngere ihn an. Niedlich? So wurde er bisher noch nie genannt. Selbst als Fünfjähriger wurde er selten als „niedlich“ tituliert, was wohl besonders an seinem weitestgehend emotionslosen Blick lag. Den hatte er schon damals zur Perfektion gebracht. Ein weiteres Mal kicherte der Arzt. Er schien es äußerst amüsant zu finden, Ulquiorra so aus dem Konzept zu bringen. Hatte Lord Kuchiki denn nur sonderbare Angestellte? Anscheinend. Jetzt leg dich mal brav auf die Liege da vorn, Kleiner. Ich will schließlich noch weiter an dir rumdok… äh, dich verarzten.“ Er lachte über seinen offensichtlich absichtlichen Versprecher. Eigentlich war es wohl gut für diesen Mann, dass er auf diesem Anwesen arbeiten durfte, in einer eigenen Praxis wären ihm wohl reihenweise die Patienten entflohen. Es war nicht zu bestreiten, dass Doktor Granz ein äußerst fähiger und intelligenter Arzt war, er verstand sich in seinen Handgriffen komplett. Dennoch blieb er sonderbar. Die Berührungen, die er während der Untersuchung vornahm, hatten Ulquiorras Vermutung nach nicht alle etwas mit der Untersuchung an sich zu tun, manch anderer hätte sie wohl als „sexuelle Belästigung“ empfunden. Ob sich Kuchiki wohl wirklich von diesem Mann untersuchen ließ? Entweder hatte er wirklich großes Vertrauen in seine merkwürdigen Bediensteten, oder er hatte in Wahrheit ganz andere Angestellte, und hatte Ulquiorra Personen wie Renji und Szayel nur unterstellt, um sich einen kleinen Spaß zu erlauben. Wobei man letztere Überlegung direkt wieder verwerfen konnte, wenn man nur einmal im Leben mit diesem Mann in Kontakt getreten war. Sicher wusste er nicht einmal, wie man einen Spaß machte. Ob er wohl jemals in seinem Leben gelacht hatte? Er wirkte ernst und streng. Vermutlich war er genau wie Ulquiorra eine dieser Personen, deren Gesichtsmuskeln zu untrainiert waren, um wirklich lächeln zu können. Ihm erschien es jedoch fraglich, ob diese Gestik tatsächlich so notwendig war, wie manch einer behauptete. Er beneidete keinen, der viel lachte, wie zum Beispiel Doktor Granz. Wobei dessen Lachen ohnehin fast etwas Unheimliches an sich hatte. Nachdem Szayel Ulquiorras Körper genauestens studiert hatte und auch seine Blutprobe bekam, durfte sich der Junge endlich anziehen. Es war kalt geworden, auch wenn des Arztes Hände eher warm waren. „Wirklich krank scheinst du ja nicht zu sein. Nur etwas schwach, oder? Du solltest dich gesünder ernähren. Vielleicht auch etwas mehr essen. Außerdem brauchst du eindeutig mehr frische Luft. Außerdem solltest du…“ Er verstumme plötzlich. Nun sah sein Lächeln fast mitleidig aus. Was denn? Was sollte er außerdem? „Nein, vergiss es. Darüber können wir auch ein anderes Mal reden.“ Er zerwuschelte ihm die schwarze Haarpracht. „Du kannst jetzt wieder gehen. Wenn du mal Probleme haben solltest… Du kannst natürlich jeder Zeit zu mir kommen.“ Der Singsang in seiner Stimme wurde von einem Zwinkern begleitet. Dieser Mensch war für den überforderten Jungen wirklich unergründlich. Er bezweifelte, dass jemand wie dieser wirklich eine Lösung für seine Probleme parat haben könnte. Mit einem höflichen Nicken verabschiedete sich Ulquiorra wieder und traf auf dem Gang erneut Renji an, der wohl schon eine Weile auf ihn gewartet hatte. Mit einem besorgten Mustern schien er Ulquiorras Körper abzusuchen. Wonach, da war sich der Junge nicht sicher. Vielleicht wollte er es auch überhaupt nicht wissen. „Und… wie war es?“ Auch seine Stimme drückte Besorgnis, wenn nicht sogar Mitleid aus. Er schien diesen Arzt wohl nicht leiden zu können. „In Ordnung. Ich möchte auf mein Zimmer. Ich bin müde.“ Auch, wenn er bei der Untersuchung größtenteils gelegen oder gestanden hatte, war es ziemlich anstrengend gewesen. Dieser Arzt war sehr anstrengend. Insgeheim hoffte er, dass ihm in Zukunft keine weitere Untersuchung mehr bevorstand. Angekommen in seinem Zimmer, ließ er sich auf seinem Bett nieder und starrte die Deckenmusterung an. Morgen würde wohl das beginnen, worauf er am aller wenigsten Lust hatte. Die Zeit bis dahin musste er zum Ausruhen nutzen. Nichts konnte anstrengender sein als korrektes Benehmen in der gehobenen Gesellschaft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)